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westsälische Merkur erscheint läglich zweimal. am Tage nach Sonn= und Feiertagen einmal. Bellagen: Illustrierte Unterhaltungs=Beilage(wöchentlich), P#erlosungsliste von Wertpapieren(3 mal monatlich). Redaktion: Lütkegasse 1—3. Sprechstunden 10—11 Uhr vorm. weschaftsstelle: Königstr. 59. Geöffnet 8 Uhr vormitrags bis 7 Uhr abends.
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Segründst 1822. Illittags-Husgabe.
1914.— Nr. 230.
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Reichstags-Verbandlungen.
Berlin, 5. Mai.
Stimmungsbild.
Im Deutschen Reichstag fand am Dienstag zunächst der Uazialdemokratische Antrag zur Konkurrenzklausel durch naimentliche Abstimmung ein Begräbnis mit Sang und Klang. lolsdann ging man sofort zum Militäretat über. Kriegsminister v. Falkenhayn betrat als erster Redner des Tages ndie Tribüne und erklärte sich bereit, dem Hause Rechenschaft zu geben über das, was an der neuen Weyrvorlage ubereits zur Wirklichkeit geworden ist. Herr v. Falkenhann konnte aus seiner noch nicht ganz einjährigen Tätigkeit als Verwalter des Heeres nur Gutes berichten. Sein Rückglick auf die vergangenen Jahre und sein Ausblick auf das kommende Jahr waren äußerst optimistisch. In ruhiger, lachlicher Weise gab Herr v. Falkenhayn Auskunft über den Geeresersatz bei der Mannschaft, im Unteroffizier= und Offizierkorps. Er sprach über den günstigen Stand unserer Remonten, teilte dem Hause mit, wie die Festungsbauten, die Kasernen und die Barackenhäuser teils gebaut, teils noch im Werden begriffen seien. Lebhaften Beifall im ganzen Hause erregte die Mitteilung des Kriegsministers, daß das Jahr 1913 trotz der großen Vermehrung einen guten Mannschaftsersatz und eine prozentual hohe Tauglichkeitszifer aufweise.
####uch die sanitären Verhältnisse des vergangenen Jahres waren nach den Ausfuhrungen des Ministers vorzüglich. Nach dem Kriegsminister kam Genosse Schulz aus Erfurt, ein sonst gemäßigter Sozialdemokrat, der deshalb den Beinamen Bildungsschulze“ führt, zu Wort. Von Mäßigkeit ##war allerdings heute wenig zu merken. Der Genosse wurde ein über das andere Mal wegen seiner ungehörigen Redensarten vom Präsidenten gemahnt und zur Ordnung gerufen. Von irgend welcher Sachlichkeit konnte deshalb auch in den Ausführungen des Sozialdemokraten keine Rede sein. Einen zu dieser Agitations= und Verhetzungsrede sozialdemokratischer Dialektik wohltätigen Gegensatz bildete die Rede des Zentrumsabgeordneten Erzberger, der in gewohnter meisterhafter Weise über den Etat sprach und die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses auf seiner Seite hatte. Gerade an dieser Aufmerksamkeit kann man feststellen, daß vom ganzen Plenum diese Rede des Zentrumsabgeordneten als Höhepunkt des Tages angesehen wurde. Herr Erzberger sprach nicht im Extremen. Er verteilte Licht und Schatten gerecht. Den harmonischen Anklangsakkord seiner Rede bildete die Feststellung, daß die Durchführung der Wehrvorlage von 1913 nicht nur die Schlagfertigkeit der Armee, sondern auch den Respekt des ganzen Auslandes vor den deutschen Waffen, vor der deutschen Heeresverwaltung erhöht, und daß damit eine weitere Garantie zur Erhaltung des Weltfriedens gegeben sei. Der Beifall des ganzen Hauses mit Ausnahme natürlich der Sozialdemokraten war äußerst impulsiv. Auch der nationalliberale Abgeordnete Bassermann sang das hohe Lied auf die Armee. Morgen wird die Beratung des Militär=Etats fortgesetzt.
249. Sitzung vom 5. Mai Eröffnung 2,15 Uhr.
Ueber den Anfang ist schon telegraphisch berichtet. Militäretat. Kriegsminister v. Falkenhayn:
Bei Beginn der zweiten Beratung des Militäretats halte ich es für meine Pflicht, dem Reichstag, der die Wehrvorlage im letzten Jahre beschlossen hat, Rechenschaft zu geben von der Art und Weise, in der sich die Wehrvorlage in die Wirklichkeit hat übersetzen lassen. Sie wissen alle, daß es sich darum handelt, nachdem in den ersten Tagen des Juli 1913 das Wehrgesetz Wirklichkeit geworden war, bis zum Oktober die Vorbereitungen zu treffen für 60000 Mann und etwa 21000 Pferde mehr als wir bis dahin gehabt hatten. Wir mußten für die Unterbringung, Verpflegung und Bekleidung Vorsorge treffen von 26 Bataillonen, 178 einzelnen Kompagnien, 7 Kavallerie=Regimentern, von denen eines allerdings schon früher bewilligt war, und von 43 Behörden von den ganz hohen bis zu den niedrigen herunter. Was zunächst den Mannschaftsersatz anlangt, so ist seine Aufbringung ohnejede Schwierigkeit gelungen.(Lebhafter Beifall bei den bürgerlichen Parteien.) Wir haben übrig behalten im letzten Jahr noch 38 000 vollständig taugliche Mannschaften(Lebhaftes Hört! hörtl bei den bürgerlichen Parteien), die wir nicht mehr einstellen konnten.(Zurufe: Das nächste Mal. Lebhafte Heiterkeit.) Dabei sind die Anforderungen an die Tauglichkeit in keiner Weise herabgemindert worden.(Lebhafter Beifall bei den bürgerlichen Parteien.) Der beste Beweis dafür ist, daß in dieem Jahre bis Ende Januar von den im Herbst eingestellten Mannschaften nur vier Prozent zur Entlassung gekommen sind wegen päter sich herausstellender körperlicher Fehler, während im Vorjahre noch 4,5 Prozent entlassen werden mußten. Ebenso haben wir in keiner Weise das Wohlwollen herabzumindern brauchen, das
wir für diejenigen Wehrfähigen, deren häusliche Verhältnisse eine Befreiung vom Dienst notwenbig machen, siets betatigt haben. Wir haben in diesem Jahr 0,31 Prozent mehr befreit als im Vorjahre, wo 2,37 Prozent aller zur Vorstellung gekommenen befreit wurden. Natürlich haben wir dabei noch eine sehr erhebliche Anzahl zum Landsturm und zu den Ersatzreserven wegen geminderter Tauglichkeit zurückgestellt. Die Zahlen, die ich hier nicht nennen will, sind, wie gesagt, sehr erheblich.
Der Offizierersatz hat zunächst natürlich eine besondere Sorge für uns gebildet, da ja Fehlstellen im Offizierkorps vorhanden waren. Heute betragen die Fehlstellen auf etwa 30000 Offiziele nur noch 3000, und es ist nach der Entwicklung, die die Anmeldungen genommen haben, mit großer Bestimmtheit anzunehmen, daß diese Fehlstellen in wenigen Jahren— ich nehme an in zwei Jahren— vollständig gedeckt sein werden.(Beifall.) Sollte es gelingen, den Zudrang zur Offizierlaufbahn so zu erhalten, wie er augenblicklich ist, so würde dieser wünschenswerte Zustand schon früher eintreten.
Beim Unteroffizierersatz hatten wir durch die Wehrvorlage einen Bedarf von 10000 Stellen. Hieran fehlten am 15. November, also sechs Wochen nach Bildung der neuen Truppenteile, nur noch etwa 4000, und da wir nach den letztjährigen Erfahrungen jährlich auf einen Zugang von etwa derselben Zahl von Unteroffizieren rechnen können, so würden die Fehlstellen schon Ende dieses Jahres gedeckt sein(Sehr richtig!), wenn nicht ein neuer Bedarf eintritt. Wie Sie aber wissen, tritt ein solcher Bedarf ein durch die Entwicklung und den weiteren Ausbau der Wehrvorlage, wie Sie sie beschlossen haben. Es handelt sich um 1100 Mann. Die Sache ist allerdings nicht ganz so günstig, wie sie im ersten Augenblick scheint. Wir haben nämlich aus leicht erklärlichen Gründen bei der berittenen Waffe einen Ueberschuß an Unteroffizieren, während bei der Fußtruppe sich mehr ein Mangel geltend macht. Es sind auch in dieser Etatszahl eine große Anzahl von Untecoffizieren enthalten, die zur Vorbereitung auf ihre spätere Lebenslaufbahn beurlaubt sind und nicht ersetzt werden können; nicht alle, aber doch ein Teil. Sie sehen also, daß die Befürchlungen, die, wie ich mich zu erinnern glaube, geäußert worden sind, sich nicht im vollen Maße erfüllt haben. Aber freilich bin ich der Ansicht, daß der Chef der Militärverwaltung nicht daran denken kann, es liege kein Anlaß vor, in dem Bestreben nachzulassen, die Lebensbedingungen unserer Offiziere und Unteroffiziere immer weiter zu erleichtern und zu fördern.
Zur Remontierung, zur Ausrüstung des Heeres mit Pferden, darf ich zunächst bemerken, daß der Mehrbedarf von 1800 Remonten, d. h. noch nicht volljährigen Pferden, über den früheren Bedarf hinaus ohne jede Schwierigkeit gedeckt werden konnte. Von Ende August an konnten wir dann auch anfangen mit dem Ankauf von volljährigen Pserden. Es handelt sich um 17·000 Pferde, die bis Anfang November angekauft sein mußten. Außerdem war nötig eine beschränkte Zahl von Kaltblütern, während die 17000 nur Warmblüter waren. Das Urteil über das Ergebnis der Ankäufe ist in der Armee im allgemeinen durchaus günstig. Freilich haben sich während des letzten Winters Seuchen in unseren Militärställen gezeigt und teilweise einen bedrohlichen Charakter angenommen. Ob daran lediglich die Einschleppung von außen her durch den Ankauf volljähriger Pferde schuld ist, oder ob etwa die große Beschleunigung oder zu große Anspannung, die wir von Anfang an den Pferden zuteil werden ließen, die Schuld trägt, ist noch nicht klar erwiesen. Jedenfalls fordern uns diese Beobachtungen dazu auf, im lausenden Jahre, wo sich diese Ankäufe ja wiederholen werden, wenn auch nicht in demselben Umfange, doch vorsichtiger zu sein mit der Einführung der Pferde in unsere Dienststallungen, und noch vorsichtiger mit der graduellen Steigerung der Ansprüche an solche Pferde, die aus dem gewöhnlichen bürgerlichen Leben— ich will den Ausdruck einmal brauchen(Heiterkeit)— zu uns kommen.
Die Mittel, die Sie für Festungsbauten bewilligt haben, haben wir verwendet, um die Kriegsbereitschaft unserer Grenzfestungen überall in wirksamer Weise zu steigern. Wie Sie wissen, ist außerdem der Ausbau der Festungen in dem Sinne, mit dem Sie sich einverstanden erklärt haben, in Angriff genommen. Eine schwierige Aufgabe für uns war natürlich, die Unterkunft für den Massenzufluß zur Armee sicherzustellen in der kurzen Zeit von Juli bis Oktober. Es mußten— ich lege auf die Zahlen Wert— nicht weniger als 268 Großbauvorhaben und mehrere hundert Kleinbauvorhaben zur Bestellung von Unterkunftsräumen geschaffen werden. Die Bauten für die Unterkunft der Pferdeverstärkungen sind im Gange. Holzbaracken für die provisorische Unterbringung der Mannschaften wurden vom 1. Juli bis 1. Oktober errichtet für 14 Bataillone, sechs Kavallerie=Regimenter, drei Artillerie=Abteilungen, zwölf einzelne Kompagnien. Diese Holzbaracken sind amtlich am 1. Oktober in Ordnung gewesen und haben sich ganz vortrefflich bewährt. Sie sind nach dem System gebaut, das früher schon auf den Truppenübungsplätzen erprobt war, und dem wir mit den glänzenden Zustand in der Armee zu danken haben. Anstände in der Unterbringung sind nur in ganz wenigen Orten hervorgetreten. Die Bevölkerung selbst ist nur in einem einzigen Falle in Mitleidenschaft gezogen worden, und zwar in einer westlichen Garnison, in der es nötig war, vier Eskadrons, drei bis höchstens sieben Tage in Quartieren unterzubringen. Es ist sehr bedauerlich, daß das vorgekommen ist. Der Grund war ein unpünktlicher Transport von Stallzelten. In einer östlichen Garnison waren Unstimmigkeiten dadurch entstanden, daß das sehr nasse und kalte Wetter in Ostpreußen die Fortführung der Bauten für Pferde verhindert hatte. Dort ist aber eingegriffen worden. Man hat die Truppen bis zur Fertigstellung der Bauten auf einem Truppenübungsplatz unterbringen können, so daß die Bevölkerung davon keinerlei Nachteile gespürt hat. Die Bevölkerung ist allerdings auch noch auf eine
andere Art in Mitleidenschaft gezogen worden, nämlich durch die Unterbringung der Offiziere und Beamten, für die kein dienstliches Unterkommen vorhanden ist. Und da kann ich nicht behaupten, daß die Sache ohne Anstände abgegangen ist. Im Gegenteil, da lavorieren wir noch heute daran. Zunächst, weil es nicht gelungen war, die nötige Zahl von Wohnungen bereitzustellen. Das war aber auch nicht zu verlangen, und die Offiziere und Beamten, die es gehofft hatten, mußten sich damit abfinden. Etwas peinlicher ist die Angelegenheit in bezug auf die ungeheure Steigerung der Mietspreise, die in vielen Garnisonen eingetreten ist. Ich kann aber zu meiner Freude schon mitteilen, daß fast überall die Verhandlungen, die wir mit den Stadtverwaltungen gepflogen haben, schließlich doch erfolgreich gewesen sind, und daß die schlimmsten Notstände jetzt abgestellt sind. Die Verpflegung war überall sichergestellt. An einigen Orten, wo es nicht gelungen war, die Kocheinrichtungen rechtzeitig zu beschaffen, haben wir durch unsere vortrefflichen Feldküchen geholfen. Es ist dadurch gelungen, die Notwendigkeit, auf Naturalquartiere zurückzugreifen, zu vermeiden.
Der Gesundheitszustand des Heeres ist in dieser ganzen Zeit vortrefflich gewesen und auch geblieben.(Beifall.) Das Jahr 1913 ist ein Rekordjahr auf diesem Gebiete. Es bietet einen neuen glänzenden Beweis für die vortreffliche Tätigkeit unseres Sanitätskorps.(Lebh. Beifall.) Die größten Schwierigkeiten haben die Beschaffung der Bekleidung und Ausrüstung gemacht. Ich bin dadurch nicht überrascht worden. Denn die Bestellungen sind erst in den ersten Tagen des Juli vom Ministerium ausgegangen und dann erst von den Intendanturen bearbeitet worden. Sie sind also verhältnismäßig spät an die Fabrikanten gelangt. Außerdem handelt es sich vielfach, besonders bei den Jägern zu Pferde und bei der ganzen Kavallerie überhaupt, um Ausrüstungsstücke, um das ganze Lederzeug, dessen Herstellung eine erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Trotzdem ist die Ablieferung der Bestellungen nicht wesentlich verzögert worden. Nachdem am 1. Oktober die Verstärkungen zusammengetreten waren, konnte am 6. Oktober gemeldet werden, daß auch die neuen Verbände sämtlich ausrückfähig in kriegsbereitem Zustande vorhanden waren.(Lebhafter Beifall.) Sie wissen, daß ich an den Ausführungsbestimmungen, die auf Grund der Wehrvorlage getrofsen sind, nicht beteiligt gewesen bin. Ich kann daher um so unbefangener hier aussprechen, daß die Leistungen, die von seiten der Verwaltung, in allererster Linie von seiten der Verwaltungsbeamten, in der Zeit vom 1. Juli bis 1. Oktober vollbracht worden sind, geradezu mustergültig und bewundernswert sind, so daß diese Herren, die dabei beteiligt gewesen sind, vollste Anerkennung verdienen.(Levhafter Beifall.)
1—
die
Abg. Schulz=Erfurt(Soz.):
Als es galt, die letzte Militärvorlage durchzudrücken, da wurde uns das Gespenst eines unmittelbar bevorstehenden Krieges an die Wand gemalt. In dem Augenvlicke aber, da die Militärvorlage in dritter Lesung bewilligt war, verließ Kriegsminister von Heeringen in fluchtartiger Eile seinen Posten. Das beweist, daß alle diese Redensarten von Krieg teils Schaumschlägerei gewesen sind.(Präsident Dr. Kaempf rügt diesen Ausdruck.) In einem Augenblicke ernster Gefahr wäre ganz gewiß nicht ein solch plötzlicher Wechsel vollzogen worden. Als der Name des neuen Ministers bekannt wurde, da entstand ein allgemeines Schütteln des Kopfes, denn niemand kannte bisher den neuen Herrn. Man wußte nur, daß er einen Bruder hat, der dem Kronprinzen ein Kolleg über Verwaltungsrecht gehalten hat. Uebrigens ist das derselbe Herr, der die preußische Wahlrechtsvorlage ausgearbeitet hat, jene Vorlage, die so schäbig war, daß sogar der preußische Landtag sie abgelehnt hat.(Rufe rechts:„Zur Sache!") Der neue Herr soll sich auch der persönlichen Sympathie des Kronprinzen erfreuen. Das mag für ihn recht nützlich sein. Ob es aber auch für das Reich nützlich ist, das ist eine andere Frage. Denn besondere Beweise strategischen Könnens hat der Kronprinz bis jetzt noch nicht gegeben.(Unruhe und Rufe rechts: Zur Sache!)
Präsident Dr. Kaempf ersucht den Redner, die Person des Kronprinzen aus dem Spiele zu lassen.
Abg. Schulz(fortfahrend): Unter dem neuen Minister scheint die Zeit gekommen zu sein für den politisterenden und schriftstellernden Offizier. Redner kritisiert eine Reihe von Aeußerungen schriftstellernder Offiziere, insonderheit des Ge nerals Keim. Die redenhaltenden Offtziere sind nur dazu da, gegen die Sozialdemokratie zu agitieren. Dabei verkündet die Sozialdemokratie nirgends etwas von Haß gegen die Monarchie, gegen die Religion, gegen die Verfassung oder gegen das Militär. (Zurufe: Oho! Heiterkeit.) Das ist dummes Geschwätz.
Präsident Dr. Kaempf ruft den Radner zur Ordnung.
Abg. Schul;(fortfahrend): Die neuen und doch alten Vorschriften über den Waffengebrauch des Militärs bedeuten die glatte Auslieferung der bürgerlichen Freiheit an die Militärgewalt. Das Unerfreulichste aber hat die Militärverwaltung im Falle Stöcker geleistet, indem sie dekretiert hat, daß dieser Mann als Sozialdemokrat nicht die moralische Qualifikation zum Einjährig=Freiwilligen Dienst besitzt. Wir empfinden das als eine unerhörte Beleidigung und tief verletzende Beschimpfung. Ich selbst habe neben meinem einjährig=freiwilligen Dienstjahre eine einjährige unfreiwillige Dienstzeit im Gefängnis hinter mir. Wenn mir jemand sagen wollte, ich sei, weil ich als Sozialdemokrat habe ins Gefängnis wandern müssen, minderwertig, ich würde möglicherweise nicht Herr meiner selbst sein und den Betreffenden mit der Faust ins Gesicht schlagen.(Beifall bei den Sozialdemo86
Abg. Erzberger(Zentrum):
Der Vorredner sieht in unserem Heere ein Machtmittel zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft. Meine politischen Freunde sehen aber in dem Heere ein Machmmittel zur Aufrechterhaltung des Friedens und der notwendigen Entwicklung für die Gesamtheit des deutschen Volkes. Das Experiment mit dem Milizheere, das die Sozialdemokraten wünschen, machen meine politischen Freunde nicht mit, weil wir meinen, daß ein Milizheer erstens nicht billiger zu stehen kommt und zweitens, weil wir wissen, was wir an unserem Heere haben, nicht aber, was wir an einem Milizheere haben würden. Wie das große Deutsche Reich mit einem Milizheere durchkommen soll, ist jedem Unbefangenen unverständlich. Das sind Schlagworte, die einen praktischen Wert nicht haben.
Das deutsche Volk hat im vorigen Jahre durch die Annahme der Militärvorlage große und schwere Lasten auf sich genommen. Wir sind auch heute noch davon überzeugt, daß die Milltärvorlage von 1913 absolut notwendig war, und halten es für eine Ungehörigkeit sondergleichen, wenn ein Mitglied dieses Hauses unsere Einsicht für diese Notwendigkeit öde Schaumschlägerei nennt. Im Gegenteil: Die Entwicklung der Jahre 1913 und 1914 hat unsere Auffassung vollständig bestätigt. Wir sind fest davon überzeugt, daß die Opfer nicht vergebens gebracht worden sind. Der Kriegsminister hat einige Ausführungen über die Durchführung der großen Militärvorlage gemacht, die mit Recht alsdie größte der Welt bezeichnet wird. Es war eine schwierige Probe aufs Exempel, in den kurzen drei Monaten 63000 Mann mehr und 24000 Pferde mit allem was drum= und dranhängt, in unserer Armee bis zum 1. Oktober einzustellen. Mancher Kenner der militärischen Verhältnisse hat Zweifel darüber geäußert, ob das möglich sei. Heute können wir mit berechtigtem Stolz darauf hinweisen, daß die deutsche Heeresverwaltung sich auf das glänzendste bewährt hat.(Beifall im Zentrum.) Unser Heer ist der Stolz der ganzen Nation, auf das das Vaterland mit Achtung blickt.(Erneuter Beifall.) Wenn man daneben die vielfachen Schwierigkeiten der anderen Nationen bei ihren Heeresvermehrungen vergleicht, so darf unser Stolz doch ein ganz berechtigter sein. Das auszusprechen hat das Parlament, welches die große Militärvorlage bewilligt hat, allen Anlaß. Aber nicht nur der Heeresverwaltung müssen wir unsere Anerkennung zollen, sondern auch den privaten Unternehmern, vor allem unserer Industrie, die mit vollen Kräften mitgearbeitet hat, daß au 6. Oktober unserem obersten Kriegsherrn die Meldung gemacht werden konnte, die Heresvorlage sei durchgeführt. Die prompte und lückenlose Durchführung der Militärvorlage ist neben der gewaltigen Vermehrung unseres Heeres eine der sichersten Garantien für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens.(Beifall.)
Meine Freunde haben die Militärvorlage nicht ohne weiteres restlos bewilligt, sondern sie haben sie mit verschiedenen Hypotheken in der Form von Resolutionen belastet. Nun sagt allerdings der Herr Vorredner, wir hätten damit nichts erreicht, denn sämtliche Resolutionen seien glatt unter den Tisch gefallen. Zunächst einmal hat aber kein Mensch erwartet, daß diese sämtlichen Resolutionen binnen neun Monaten durchgeführt werden können. So etwas würden nicht einmal Sie(zu den Soz.) fertiggebracht haben.(Widerspruch und Zurufe bei den Soz.) Sie reden jetzt 40 Jahre vom Zukunftsstaat und Milizsystem, aber Sie haben noch nicht einmal die Grundrisse Ihres Zukunftsstaates oder die Richtlinien eines Milizsystems angeben können. Aber wir kennen ja die sozialdemokratischen Ueberhebungen. Jeder Sozialdemokrat hat alle Wissenschaft
a*<space> s i c h<space> a u f g e n o m m e n<space> u n d<space> a l l e<space> a n d e r e n<space> M e n s c h e n<space> s i n!<space>
und alle Kuttur in sich aufgenonmet= und aue underen Menschen sind Dummköpfe.(Heiterkeit.) Im übrigen liegt die Sache aber auch keinesfalls so, daß die Heeresverwaltung auf sämtliche Resolutionen mit einem glatten„Nein“ geantwortet hätte. Tatsächlich sind eine ganze Menge dieser Resolutionen bereits durchgeführt worden, und für eine große Anzahl sind die Vorarbeiten schon in die Wege geleitet worden. Redner teilt eine Anzahl von Resolutionen mit, die zum Beispiel auf dem Gebiete der„Mannschaften", durchgeführt worden sind. Das seien große Fortschritte, die mit Anerkennung festgestellt werden müßten.(Beifall.) Der Herr Vorredner hat gesagt, von unseren 600 000 Soldaten seien wenigstens 200 000 Sozialdemokraten. Das ist eine Behauptung, über die man nur lachen kann.(Widerspruch bei den Soz.) Sie(zu den Soz.) rechnen ganz mechanisch. Bei den letzten Wahlen sind ein Drittel sozialdemokratischer Stimmen abgegeben worden. Wir haben 600 000 aktiver Soldaten. Also ist auch von ihnen ein Drittel zu den Sozialdemokraten zu rechnen. Das ist eine ganz oberflächliche und falsche Rechnung. Zunächst rekrutieren sich die Soldaten nicht gleichmäßig aus Stadt und Land, sondern das Land stellt erheblich mehr Soldaten. Auf dem Lande aber ist man so vernünftig, daß man lange nicht in dem Umfange Sozialdemokrat ist, wie in den Städten, denn jede Berührung mit der Natur führt fort von der Sozialdemokratie.(Lebhafter Beifall.) Und glauben Sie(zu den Soz.), daß die jungen Leute mit 18 und 20 Jahren schon Sozialdemokraten sind? Die meisten werden es erst durch Ihren Fabrikterrorismus.(Widerspruch bei den Soz.) Sie üben keinen Terrorismus aus? Dann konnen Sie auch leugnen, daß die Sonne scheint!(Sehr gut! und Heiterkeit.) Ich bin überzeugt, daß von unseren 600000 aktiven Soldaten höchstens 20000 überzeugte Sozialdemokraten sind. Wenn Sie(zu den Soz.) behaupten, es seien 200000, so ist das eine so fabelhafte Uebertreibung, wie 90 Prozent der Ausführungen des Herrn Vorredners maßlose Uebertreibungen gewesen sind.(Lebhafte Beifall und Zustimmung.)
Die Zahl der Soldatenmißhandlungen geht leider nicht in dem Tempo zurück, wie es wohl zu wünschen wäre. Allerdings wird der Verkehrston auf dem Kasernenhofe ein anderer sein müssen,
∆ Wausie.
Dem Englischen nacherzählt. Von J. Remo.
(50. Fortsetzung.)
„Ich möchte Ihnen raten, den Mund nicht gar zu voll zu nehmen, Lord Atherley, ich könnte sonst Lust bekommen, gleiches mit gleichem zu vergelten, und Ihnen sagen, was Sie sind,“ entgegnete Archibald mit einem bösen Blick.„Ein Schurkenstreich! Meinetwegen! Ich würde gerne zu Nutz und Frommen Ihres Freundes Hawthorne noch etwas länger unsichtbar geblieben sein, aber das Ding ließ sich nicht machen. Ich hatte kein Geld mehr— keinen roten Heller.“
„Ihr Raubanfall auf Mr. Hawthorne hat Ihnen allerdings wenig eingetragen,“ bemerkte Mr. Merrit wegwerfend.
Archibald erschrak sichtbar; seine trotzige Frechheit ließ ihn für den Moment völlig im Stiche.
„Wa— was sagen Sie?“ stammelte er.
Mr. Merrit sah ihn verächtlich an.„Es ist Ihnen zwar gelungen, uns alle zum Narren zu halten, aber ganz blind sind wir trotzdem nicht,“ entgegnete er.„Sir Charles weiß — wir alle wissen— jeder Mann und jede Frau und jedes Kind in Knoddishall weiß, daß Sie an jenem Abend Mr. Hawthorne aufgelauert und den Versuch gemacht haben, ihn durch einen Hieb zu betäuben, um ihn dann auszurauben, ihm die hundert Pfund abzunehmen, die der Notar Ransome ihm im Auftrage und für Rechnung von Lady Anne Powis ausgezahlt hatte, oder genauer gesagt, die er ihm auszahlen sollte. Der Zufall hatte es nämlich gewollt, daß Mr. Ransome nur etwa zehn Pfund im Hause hatte— Ihre Beute würde also auf alle Fälle bedeutend magerer ausgefallen sein, als Sie hofften und erwarteten. Aber Sie hieben daneben, und Mr. Hawthorne schleuderte Sie beiseite, wie man ein giftiges Insekt von sich schleudert. War es nicht so?“
„Wenn Sie das wissen, und wenn jeder es weiß, weshalb tellen Sie dann unnötige Fragen?“ knurrte Archibald.„Ja
es war so. Und wessen Schuld ist es, das es so war? Ich mußte Geld haben— mein Gläubiger saß mir seit Wochen auf den Fersen— ich mußte Geld haben, und Sir Charles weigerte sich, mir auch nur einen Pfennig zu geben. Was dieb mir da anders übrig, als auf Mittel zu sinnen, um mir welches zu verschaffen? Hundert Pfund war nicht viel, aber sch hätte damit wenigstens fürs erste dem Kerl das Maul stopfen können. Es kam alles ganz zufällig. Ich war am Vormittage im Krähenneste, um Lady Anne eine Einladung zu überbringen, und im Laufe der Unterhaltung erzählte sie mir, Hawthorne würde am Nachmittage nach Market=Leighton, um Geld für sie zu holen— hundert Pfund.“
„Und dann?“ fragte Mr. Merrit, da er schwieg.„Was geschah weiter?"„„
„Sie sagen ja, daß Sie alles wissen,“ rief Archivals in erzerschem Tone.„Gleich nach drei Uhr kam Hawthorne
— hoch zu Roß, aber das hatte ich erwartet und mich darauf eingerichtet. Den Rückzug von Market=Leighton nach Knoddishall sollte er zu Fuß machen, dafür wollte ich sorgen, da ich ihn ja sonst nicht fassen konnte. Vor dem Pförtchen des Krähennestes stieg er ab, und sah sich nach jemand um, der ihm das Pferd halten konnte. Es war niemand in Sicht, und so band er denn sein Tier einfach an das Gitter fest. Ich sah das alles vom Portal der Kirche aus, wo ich Posten gefaßt hatte. Sobald er fort war, kam ich wie zufällig dahergeschlendert und schob dem Pferd im Vorbeigehen rasch ein kleines spitzes Steinchen, das ich für diesen Zweck bereit hielt, unter das Hufeisen. Es schneite, und kein Mensch bemerkte mich. Jetzt mußte das Pferd schon auf dem Hinwege lahm werden; aller Voraussetzung nach kehrte mein Mann dann zu Fuß nach Hause zurück. Ganz unmöglich war es allerdings nicht, daß er sich in Market=Leighton ein anderes Pferd lieh
— tat er das, nun, dann wurde mein Plan zu Wasser, daran ließ sich nichts ändern.“
Archibald brach ab. War er nicht ein Narr, daß er den beiden das alles sagte? Sie hatten ganz entschieden kein Recht, ihn auszufragen; die ganze Sache ging sie nichts an. Aber anderseits— über den Hauptpunkt waren sie sowieso genau unterrichtet, was konnte es also schaden, daß sie auch die Nebenumstände erfuhren?
„Weiter!“ herrschte Mr. Merrit ihn an.
„Geduld! Lassen Sie mich doch erst Atem schöpfen,“ knurrte Archibald.„Ich marschierte in aller Eile nach Market=Leighton. Die Wohnung des Notars Ransome gegenüber ist ein Kaffeehaus, das ich öfters besuche; ich setzte mich dort ans Fenster und wartete. Hawthorne erschien, blieb vielleicht eine Viertelstunde bei Ransome und ging dann seinem Absteigequartier wieder zu. Jetzt hatte er das Geld in der und aller Wahrscheinlichkeit nach würde er unverzüglich den Rückweg antreten. Ich eilte ihm voraus und versteckte mich zwischen dem Gebüsch an der Stelle, wo der quer über das Feld führende Fußpfad sich von der Chaussee abzweigt. Eben hatte ich mir einen für meinen Zweck geeigneten dicken Stock aus dem Gestrüpp geschnitten, als Hawthorne herankam— zu Fuß— nahe bei meinem Versteck einen Moment Halt machte und dann den Fußpfad einschlug. Ich schlich ihm nach: zwischen dem dichten Gebüsch auf dem Galgenfelde würde sich schon eine gute Gelegenheit finden, dachte ich. Doch er sah sich jeden Augenblick um und so konnte ich nicht nahe genug an ihn herankommen; erst als er am Flusse stehen blieb, gelang mir das. Just holte ich zum Schlage aus, als er sich umdrehte, und dann— er ist so stark wie ein Pferd, der Henker hole ihn!— dann flog im Nu mein Knüppel nach der einen Seite und ich nach der anderen. Ich stolperte, und hätte nicht ein alter Baum dagestanden, so wäre ich kopfüber in den Fluß gestürzt und natürlich ertrunken. Aber instinktmäßig hatte ich nach einem Ast gegriffen, und so kam es, daß ich nur bis zu den Hüften einsank und mit verhältnismäßig geringer Mühe wieder aufs Trockene gelangen konnte. Haw
thorne war ebenfalls in den Fluß gefallen, wie, das weiß ich nicht, und er plätscherte noch lustig im Wasser herum, als ich schon festen Fuß gefaßt hatte. Das eiskalte Bad, der Schreck, die Aufregung, das alles zusammen muß mir wohl alle vernünftige Ueberlegung geraubt haben, sonst hätte ich nicht zwei riesige Dummheiten auf einmal gemacht. Die erste war die, daß ich tropfnaß, wie ich war, bis Bretchley lief, anstatt ruhig nach Hause zu gehen, obschon ich wohl wußte, daß die ganze Gesellschaft eben jetzt bei Tisch saß und ich so die beste Gelegenheit haben würde, unbemerkt mein Zimmer zu ereichen. Die zweite Dummheit, die ich machte, war noch unverzeihlicher. Wenn ich den Stock, den Hawthorne mir entrissen und weggeworfen hatte, aufgehoben und gewartet hätte, bis er ebenfalls aus dem Wasser herauskroch, so würde es mir ein leichtes gewesen sein, ihm im richtigen Momente einen Hieb zu versetzen und hinterher dann seine Sachen zu untersuchen und zu leeren: ich hätte also meinen ursprünglichen Zweck trotz meines anfänglichen Mißgeschicks sehr gut erreichen können. Aber an das alles dachte ich erst, als es zu spät war. Da haben Sie die ganze Geschichte.“
„Fragen Sie ihn, ob er in der Nähe der Mühle jemand gesehen hat, der Zeuge des Vorfalles war, oder sein konnte," sagte Lord Atherley mit einer Gebärde, die deutlich zeigte, daß er es nicht über sich gewinnen konnte, Archibald direkt anzufeden.
„Sie hören, was Lord Atyeriey zu wissen wunscht, sagte Mr. Merrtt.„Sahen Sie jemand?“
„Ja. Als ich davonrannte, prallte ich auf der Chaussee gegen einen Kerl an, der dort stand und den ich in meiner Aufregung und in meiner Eile nicht zeitig genug bemerkte, um ausweichen zu können. Ob er bereits länger dort gestanden und ob er etwas von dem, was vorging, gesehen hatte, kann ich natürlich nicht sagen, und ebenso wenig, ob er mich erkannt hat oder nicht. Der erwünschte Schnee machte es hell genug dazu...
„Erkannten Sie ion?“.„ 9
„Nicht gleich, nicht im ersten Augenbucke. Ich wußte nur, daß ich ihm früher schon mehrmals begegnet war. Später fiel mir auch sein Name ein— Pedrick. Er ist ein Mehlhändler oder Kornhändler oder etwas der Art und wohnt in Market=Leighton.“
Lord Atherley und Mr. Merrit sahen einander an.
„Hat die heutige Entdeckung Sie veranlaßt, dem Versteckenspiel ein Ende zu machen und nach Hause zu kommen?“ fragte letzterer, sich Archibald wieder zuwendend.
„Welche Entdeckung?“
„Es wurde heute eine Leiche aus dem Fluß gezogen. Größe, Haarfarbe und so weiter stimmte, und so nahm man an, es sei die Ihrige, entgegnete Mr. Merrit.“
„O!“ machte Archibald mit einem unwillkürlichen Schauder.„Nein, davon wußte ich nichts. Ich kam nach Hause, weil ich kein Geld mehr hatte und weil mein Gastherr mir gestern abend sagte, er werde morgen— heute also— nach
London zurückkehren. Und überdies, ich fühlte mich nichts
weniger als wohl, und je eher ich in gute Pflege käme, desto besser, dachte ich mir. In Bretchley konnte von einer guten. Pflege oder von einer Pflege überhaupt natürlich nicht die Rede sein.
„Vorwärts denn!" befahl Mr. Merrit.„Wir werden Sie Ihrem Croßvater ausliefern, der mag dann sehen, was er mit Ihnen anfängt,“ fügte er verächtlich hinzu.
„Ausliefern?“ wiederholte Archibald zornig.„Was fällt Ihnen ein? Ich bin nicht Ihr Gefangener, und wenn ich mich herbeiließ, Ihnen Rede und Antwort zu stehen, so tat ich das, weil es mir so gefiel, und nicht weil ich Ihnen ein — na, mir ist's egal!“ unterbrach er sich selbst.„Meinetwegen können Sie alle beide hinter mir hertrotteln, wenn Ihnen das Vergnügen macht.“
Achselzuckend setzte er sich in Bewegung, dem Hause zu. Mr. Merrit und Lord Atherley folgten ihm auf dem Fuße.
„Wer mag der Verunglückte in Wirklichkeit sein?“ fragte letzterer nach einer Pause.„Hier in der Gegend scheint niemand vermißt zu werden, sonst hätten wir davon hören müssen.
„Möglicherweise ist er meilenweit von hier in den Fluß gestürzt oder gesprungen, und hat die Stömung ihn mitgeführt, bis er hier an den Baumwurzeln hängen blieb,“ meinte Mr. Merrit.„Die Polizei wird jetzt natürlich dafür sorgen, daß die Auffindung der Leiche in den Zeitungen bekannt gemacht wird. Vielleicht melden sich dann Angehörige oder Freunde, vielleicht auch nicht: es gibt, besonders in den großen Städten, so viele gebrochene Existenzen, worum sich keine Seele kümmert.“
Mrs. Green, die Haushälterin, befand sich zufällig in der Halle, als die drei Herren eintraten. Sie sah auf, starrte eine Sekunde den vordersten der drei mit weit aufgerissenen Augen an und stieß dann einen Schrei aus, so laut, so gellend, wie ihn nur eine Frauenkehle im Impulse des wildesten Entsetzens auszustoßen vermag. Sir Charles, der sich in der Bibliothek mit der Durchsicht von Rechnungen beschäftigte, warf das Papier, das er eben in der Hand hielt, zu Boden und riß die Türe auf, um zu sehen, was los sei; Mrs. Guest und Mary stürmten die Treppe herab, gefolgt von Lady Faulkner, letztere mit einer umfangreichen Nachthaube auf dem Kopfe und in einem in blinder Hast übergeworfenen halb offenhängenden Morgenkleide. Nach ihr erschien auch Mausie, während in dem hinteren Teil der Halle sich sämtliche Dienstboten zusammendrängten, die Hälse reckend und erschrocken, verwirrt, mit halb ungläubigem Entsetzen die Gruppe unter dem großen Kronleuchter anstarrten. War der Tote wieder lebendig geworden, oder stand da vor ihren Augen ein Geist, ein Spuk, oder gar ein Teufel, der Mr. Archibalds Gestalt angenommen hatte, um sie zu täuschen und zu erschrecken?
(Fortsetzung folgt.)