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Redaction, Druck und Verlag von Carl Braus in Schwerte.

GEPAG

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M 90.

9. November 1878.

11. Jahrgang.

Tagesereignisse.

Daß an eine demnächstige Wiederaufnahme der Re­gierungsgeschäfte durch den Kaiser ernstlich gedacht wird, dürfte sich daraus ergeben, daß vor Kurzem eine Con­ferenz mehrerer berühmter deutscher Aerzte stattgefunden hat, welcher diese Frage zur Besprechung vorgelegt war. Nach einer Nachricht wolle der Kaiser seinem Sohne alle Civilsachen überlassen und sich nur die militäri­schen und diplomatischen Angelegenheiten vorbehalten. Ist auch dieser Gedanke sehr schön und dürfte die Aus­führung der Schonung des Kaisers und der späteren Regierung des Thronfolgers zu Gute kommen, so wird es doch schwierig sein, die Sachen von einander zu trennen und insbesondere wäre eine Mitregierung des Kronprinzen eine mit unsern staatsrechtlichen Verhält­nissen unvereinbare Neuerung, die ohne ein besonderes Gesetz gar nicht ausführbar sein würde. In solcher Weise wird aber der Kaiser sich entlasten können, daß er seinem Sohne die Prüfung und Entscheidung bei einer Anzahl Sachen überläßt, dann aber den Beschlüs­sen desselben durch die eigene Unterschrift Gültigkeit ver­leiht.

Unser Kaiser hat mit der Kaiserin am Donnerstag (31. Oktober) Baden=Baden verlassen. Am Nachmittag sind die Majestäten in Koblenz eingetroffen, woselbst am Sonnabend der Kaiserliche Enkel, Prinz Wilhelm, von Bonn aus zum Besuch eintraf und den Sonntag dort verweilte. Der Kaiser gedenkt sich am Sonnabend (9.) nach Wiesbaden zu begeben, wo einige Tage später auch der König und die Königin von Württem­berg erwartet werden. Nach den bisherigen Bestim­mungen wird der Kaiser am 30. November Wiesbaden verlassen, um in Mainz wieder mit Ihrer Majestät zusammenzutreffen und mit ihr nach Karlsruhe zu gehen, wo am 3. Dezember, dem Geburtstage der Großherzogin Luise, zugleich die Einsegnung der Enkelin des Kaiserpaars, Prinzessin Victoria von Baden, ge­feiert wird. Am 4. Dezember Nachmittags gedenkt der Kaiser mit der Kaiserin die Rückreise nach Berlin anzutreten und am 5. Dezember(Donnerstag) Vor­mittags um 9 Uhr in der Residenz wieder einzutreffen.

Die Maßregeln zur Unterdrückung der Socialdemo= kratie nehmen ihren Fortgang. Die Zeitungen bringen lange Listen über die verbotenen Bücher und Vereine. Nur in vereinzelten Fällen ist davon die Rede, daß die Betroffenen den Weg der Beschwerde, welchen ih­nen das Gesetz offen läßt, betreten haben. Man hört auch bisher wenig davon, daß die Gemaßregelten jenes Mitleiden finden, welches gewöhnlich dem schwächeren Theile gespendet wird. In einigen fortschrittlichen Schmollwinkeln mag dieses freilich laut werden, das Volk aber freut sich im Großen und Ganzen darüber, daß es so gekommen ist. Daß mit der

Von der Hütte zum Schloß.

Novelle von Ludwig Kuhls.

(Fortsetzung.)

10. Neue Einrichtung.

Allen Gewalten Zum Trutz sich erhalten, Nimmer sich beugen,

Kläftig sich zeigen,

Rufet die Arme Der Götter herbei.

Göthe.

Unser Rudolph begann sich jetzt anders einzurichten. Einem treuen Freunde entdeckte er, daß seine Mittel plötz­lich zu Ende gegangen, daß er in seiner Lebensweise Vieles ändern und sich von Vielem zurückziehen müsse. Er wolle das nicht Knall und Fall thun, sein Freund möge mit Vorr­sicht und Umsicht ihn Anfangs entschuldigen und die Auf­merksamkeit allmählich von ihm ablenken, bis er mehr in Vergessenheit geratben sei. Zugleich machte er sich auf, dem Herrn Commerzienrath seine Aufwartung zu machen und um die Stunden bei seinen Kindern zu bitten, weil ihm von ihrem derweiligen Lehrer gesagt worden, daß derselbe Tags vorher gekündigt habe.

Nach einigem Warten wurde er vorgelassen und brachte sein Gesuch an.Ja, ja, sagte der dicke Herr mit etwas kreischender Stimme,wir bezahlen ansere Stunden sehr nobel; der Commandirende zahlt nicht so viel. Wir kön­nen's, Gott sei Dank! Aber dafür haben wir den Vortheil, daß wir von Bewerbern überlaufen werden. Thut mir leid, junger Mann, aber wir haben einem Anderen schon zugesagt. Thut mir leid, denn Sie gefallen mir, haben so, was manPoängdonehr nennt, scheinen auch ein guter Turner zu sein und wir ha­ben in unserem Garten eine Turnanstalt einrichten lassen ist zwar klein, aber elegant, wie's zum Garten und über­haupt für die Verhältnisse paßt Alles polirt kostet 300 Mark. Sie hätten gern auch ein Stündchen mit mei­nen Kindern geturnt. Thut uns wirklich leid. Hab' dem Anderen auch nur zugesagt, weil er ein armer Schlucker war und so sehr bat. Aber ich möchte ihm doch noch absagen lassen, denn Sie gefallen mir wirklich besser.

Gott bewahre mich, sagte der junge Mann,daß ich Einem ein Stücklein Brod nehmen sollte, der es wahrschein­lich eben so nöthig braucht, als ich.

Ja, sagte der Herr wohlgefällig, die Hände über den Bauch gefaltet und mit dem Kopfe wiegend,es ist erstaun­lich, wie viel arme Studenten es giebt. Wir kennen das erst, seit wir durch unsere Privatstunden die kleine Gold­grube für sie eröffnet. Aber freilich, was soll ein armer Richter oder Pfarrer oder Professor mit seinen Söhnen anfangen, als sie wieder ein Aemtchen erlangen zu lassen! Im Grunde genommen konnten sie nichts Besseres."

Sie haben Recht, Herr Commerzienrath, sie kennen nichts Besseres, als die Wissenschaft, und wissen, daß sie unendlich höher steht, als der Geldsack, worin jeder Pfeffer­sack sich verwandeln kann, wie Figura zeigt. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen!

Socialdemokratie eine große Gefahr verbunden ist, hat nicht blos neuerdings noch das auf den König von Spanien verübte Attentat, sondern auch jene Nachricht wieder auffrischen müssen, daß in Livorno in Italien sich ein Studentenverein gebildet hat, der sich nach C. Robiling nennt.

Die Stellung des Finanzministers Hobrecht ist schon wiederholt als erschüttert bezeichnet worden. Es wird jedoch nicht genannt, was ihm seine Stellung unmög­lich mache. Er hat es natürlich nicht so angenehm wie sein Vorgänger Camphausen, der mit den Milliarden zu wirthschaften hatte und damit nicht blos glücklich fertig wurde, sondern noch ein Deficit hinterließ, was in der Verwaltungsgeschichte Preußens etwas Unerhör­tes ist, Hobrecht hat bescheiden anzufangen. Wünschen wir ihm, daß er groß aufhöre.

In der Tabaksfrage steht bisher Nichts fest. Die Commission ist aus Amerika noch nicht zurückgekehrt. Das wahrscheinliche Resultat der Berathungen wird dieses sein, daß die Tabakssteuer um so viel in Deutsch­land erhöht werden wird, als die Einzelstaaten für das Reich zahlen müssen. Dadurch wird die Finanz­lage der Einzelstaaten genügend gebessert und das Reich finanziell gesichert. Es ist gewiß für den Bestand des Reiches dringend zu wünschen, daß es eigene Einnah­men habe und nicht auf die Zuschüsse der Einzelstaaten hingewiesen sei, die bisweilen nicht in der Lage und auch nicht guten Willens sein könnten, zu zahlen, was in Zeiten großer europäischer Verwirrung bedenklich werden müßte. Wir zweifeln nicht daran, daß der Reichstag bis zu dieser Grenze dem Reichskanzler gern entgegenkommen werde, was darüber hinausliegt, muß als mindestens zweifelhaft bezeichnet werden. Die Tu­gend der Sparsamkeit dürfte überhaupt Regierung wie Reichstag durch jene Frage empfohlen werden, die im Volke auf Jedermanns Lippen liegt:Wo sind die Milliarden geblieben? Was haben sie uns genützt?

Die Freihandelspartei scheint sich bei uns wieder fester zusammenschließen zu wollen, seitdem im neuen Reichstag eine mild schutzzöllnerische Richtung die Mehr­heit gewonnen hat.

Die Verhandlungen zwischen Berlin und dem Va­tikan nehmen nur einen langsamen Fortgang. Eine der schwierigsten Fragen, welche zu lösen ist, bietet die kirchliche Lage von Elsaß=Lothringen, wo die Diö­cesen noch nach französischem Modus verwaltet werden. Beide Theile, sowohl die Deutsche Regierung, wie de Curie, sind sorglich bemüht, die Frage baldigst zu erledigen. Die halbamtlicheProv.=Corr. sagt in einem längeren Artikel über den kirchlichen Frieden=. Wenn das aufrichtige Streben der Deutschen Regie rung im Verein mit einem friedliebenden Papste für die Wiederherstellung des kirchlichen Friedens in Deutsch=

Und mit einer vornehmen Verbeugung war er zur Thür hinaus.Da wir einmal d'rin sind, sprach er zu sich: nur frisch hinein! es wird so tief nicht sein! Und sogleich machte er einige Gänge, um sich die Stundung der Collegien zu verschaffen. Er schenkte seinen akademischen Lehrern hin­sichts seiner Verhältnisse reinen Wein ein, und sie, die den Muth an dem jungen Mann bewunderten, versprachen gern Alles zu thun, um ihm in jeder Beziehung behülflich zu sein.

So! sagte der heimkehrende junge Mann:ein Grund­stein zu meiner künftigen Existenz hierselbst ist gelegt. Für den Geist ist gesorgt, es fehlt nur noch Wohnung, Kleidung und Beköstigung für den Leib. Ich schreibe jetzt gleich an Herrn Jung.Wenn sie in Noth sind, erinnern Sie sich meiner! hat er mir gesagt; und ich weiß, er ist ein so edler Mann, daß es ihm Freude macht, mir beizustehen!" Und nun überlegte er den Brief, den er schreiben wollte, wenn er nach Hause kam. Gleich bei den Eingangsworten kam er freilich in Verlegenheit, denn er hatte noch nie an ihn geschrieben.Er hat mich freilich nicht dazu aufge­fordert, auch ohne Noth an ihn zu schreiben, sagte er, aber ich hätte doch einmal Nachricht von mir geben sollen; ich dank' ihm so viel! Schreiben muß ich jetzt. Und zur Strafe für meine Unbescheidenheit wird es mir um so schwerer. Ist mir schon recht!"

Unter diesen Selbstgesprächen erreichte er sein Haus und schickte sich sogleich an, einen zweiten Grundstein= zu seiner zweifelhaften Existenz zu legen, als ihm ein Brief übergeben wurde, den der Postbote unter vielem Brummen über mangelhafte Signatur und langes Suchen abgegeben hatte.

Er betrachtete mit Erstaunen den Poststempel, das Siegel und die Aufschrift, konnte aber nichts zusammenreimen. Rasch von Entschluß und That, wie er heute war, erbrach er schnell das Siegel, entfaltete ein zierliches Rosapapier und las:

Lieber Herr Bergen!

Zunächst will ich Sie sehr um Verzeihung bitten, daß ein so dummes Mädchen, wie ich, es wagt, an Sie zu schreiben. Ich will Ihnen nur gestehen, ich habe damals das Gespräch behorcht, welches Pava mit Ihnen nach der Aufführung der antik=deutschen Comödie hatte. Ich that es nicht aus Neugierde; aber ich dachte, Papa wolle Ihnen etwas Böses sagen, denn er war seit lange so ernst gegen Sie gewesen! und da ich dachte, Sie wären krank, da Sie beim Gehen doch schwankten, so trieb mich das Mitleid, daß ich an der Seitenthür von Papa's Stube gehorcht habe. Seit der Zeit weiß ich, was für ein großer Unterschied ist zwischen mir und Ihnen, und ich habe es oft bitter bereut, daß ich vorher oft unartig war. Ich habe es aber nie böse gemeint, sondern blos, weil ich mich ärgerte, daß Sie von mir gar nichts wissen wollten. Ich habe Sie hernach immer um Verzeihung bitten wollen, ich konnte aber nie, wenn ich mir auch die Worte ausgesonnen hatte und schon anfangen wollte. Wir haben lange von Ihnen nichts gewußt. Vor Kurzem aber war hier ein Tanzlehrer, bei dem ich auch tanzen

land in Wahrheit und dauernd gelingen soll, so muß durch die berufenen kirchlichen Autoritäten und aus der katholischen Bevölkerung heraus dem verwirrenden und vergiftenden Treiben der Partei ein Ziel gesetzt werden, deren einflußreichsten Führern das Interesse der Kirche nur der Deckmantel für politisch unterwüh­lende Zwecke ist und welche der Erwartung des Pap­stes in Bezug auf die Treue der katholischen Unter­thanen des deutschen Reiches durch ihr ganzes Ver­halten offen Hohn sprechen.

Die Altkatholiken sollen eine Eingabe an das Mi­nisterium gerichtet haben, in welcher sie um Gewäh­rung einer jährlichen Unterstützung aus den für katho­lische Zwecke vorgesehenen Fonds des Staatshaushaltes plaidiren.

Der seit 1867 im Berliner Thurm liegende Welfenschatz, wird nun doch vielleicht bald gehoben Er beträgt 16 Mill. Thaler und jetzt vielleicht eine oder ein paar Millionen mehr; denn er trägt gute Zin­sen. Die englische Königsfamilie redete dem Herzog von Cumberland(Kronprinz von Hannover) zu, das Wort der Erlösung zu sprechen, und das dänische Königshaus, aus welchem der Prinz seine Frau holt, redete auch zu. Dazu kommt, daß die väterliche Erb­schaft viel geringer ausgefallen ist, als erwartet wurde; König Georg hat für seine Welfische Politik und leichtsinnige Speculation viel Geld zum Fenster hinaus­geworfen. Sein Erbe braucht nur auf den Thron von Hannover zu verzichten und das Deutsche Reich anzuerkennen, so kann er den Welfenschatz heben. Aber Windthorst will's nicht haben, der Vertrauens­mann der Welfenfürsten und jederzeit ihr Mephisto.

Die Eröffnung des preußischen Landtages ist auf den 19. November(Dienstag) festgesetzt und wird vor­aussichtlich durch den Vicepräsidenten des Staatsmi­nisteriums Grafen zu Stolberg=Wernigerode vollzogen werden. Wie verlautet, ist Fürsorge getroffen, daß das gesammte Material, welches dem Landtage vor gelegt werden soll, sogleich bei dessen Zusammentritt bereit ist.

Man sagt dem Fürsten Bismarck nach, er wolle auch in der inneren Politik, namentlich in der Wirth­schaftspolitik, ein Reformator werden, wie in der äußeren. Das Reichskanzleramt ist einstweilen mit den Vorarbeiten für die Revision des Zolltarifs voll­auf beschäftigt, sie betreffen zunächst die Einführung von Finanzzöllen und ferner die Erhöhung der Zölle auf Wein, Häute und die Einführung auf Getreide­zöllen. Es sollen dieselben als Ausgleichsmittel bei den Handelsvertragsverhandlungen mit Oesterreich, Italien, Frankreich und Rußland dienen. Es sind das zwar nicht sehr unterhaltende, aber desto prakti­schere und wichtigere Dinge.

lernte; der sagte, daß er nie einen besseren Tänzer in seiner Schule gehabt, als einen gewissen Herrn Bergen. Ich fragte wo? und er nannte den Wohnort Ihrer Eltern, der mir be­kannt war, und erzählte noch Manches. Da wußte ich, daß Sie es gewesen waren und dachte, wenn ich nur ein Mal mit Ihnen tanzen könnte, so wollt' ich auch schon mein ganzes Leben nicht mehr tanzen. Das ist nicht albern gesprochen, es ist wirklich wahr, und mir hat auch die Tanzstunde kein Vergnügen mehr gemacht. Am anderen Tage fragte ich ihn, wo Sie jetzt seien? und er sagte, Sie wären Student in Berlin. Seit der Zeit hat mir keine Ruhe gelassen, ich habe immer an Sie denken müssen und zuletzt muß ich an Sie schreiben

Lieber Herr Bergen! Papa denkt manchmal an Sie. Er sagt, es müsse Ihnen gewiß recht gut gehen, daß Sie nie an ihn schreiben. Auch sagt er, daß Sie noch was Großes werden, denn Sie seien sehr klug. Aber das hab' ich seit jenem Abend schon selbst gewußt. Er sagt auch, daß er Sie lieb hat, und da hab' ich mich gefreut, daß ich Sie auch lieb hab', wenn Sie mich auch nicht leiden können, worüber ich manchmal weinen muß.

Lieber Herr Bergen. Sie haben mir ins Stammbuch geschrieben:Nach Ehre strebt der Mann, das Weib nach Sitte. Ich habe das jetzt wohl verstanden. Sie streben auch nach Ehre und ich soll nach Sitte streben. Das haben Sie geschrieben, weil ich so oft ausgelassen war. Ich habe mich aber gebessert und bin sehr ernst, so kann ich auch nicht mehr so viel lachen, weil ich mich immer nach Ihnen gebangt have.

Lieber Herr Bergen, ich habe zu meinem Geburtstage ein Kettchen mit einer Kapsel bekommen, die ich um den Hals trage. Jetzt habe ich die Haare von Therese Schröder darin, aber ich möchte das gern hinauswerfen, wenn Sie die große Güte haben wollten, mir ein kleines Löckchen zu senden. Ihr Haar ist mit dem Theresens von gleicher Farbe, und Mama denkt dann, daß ich noch immer die Locke von jetzt trage. Ach, seien Sie so barmherzig! Was machen Sie sich aus einer kleinen Haarlocke? Sie dürfen sich nicht schämen, weil ich ein so dummes Mädchen bin, denn ich werde es Niemand sagen, und die Locke will ich, wenn ich sterbe, ins Grab nehmen. O, ich kann schweigen. Auch Ihr großes Geheimniß mit Papa hab' ich vergraben in meiner Brust, wenn ich es auch am liebsten Jedem gern erzählt hätte.

Wenn Sie mir die Haurlocke zu schicken die große Güte haben wollen, so adressiren Sie:An P. T. C poste restanto; ich werde von künftigen Sonntag an täglich nach der Post gehen und anfragen. Ach, schicken Sie mir das theure Andenken! Ich werde Sie ja doch wohl nicht mehr sehen. Aber jeden Abend werde ich für Sie beten.

Ihre getreue, Sie hochschätzende

Valeska Jung.

P. S. Verzeihen Sie meine schlechte Schrift!

Der Kanzler richtet sich in Hinterpommern ein vollständiges Arbeitsbureau ein; er geht also kurz nach der Heirath seiner Tochter nicht auf Urlaub, sondern will sich nur dem Lärm der großen Stadt und dem Verkehr mit Menschen entziehen. Graf Herbert von Bismarck begleitet den Fürsten als dessen Geheim­secretär; in diesen Functionen steht der Sohn des Kanzlers seit dem Tode des jungen Grafen zu Eulen­burg.

Am 5. November hat der deutsche Kronprinz sein 25jähriges Jubiläum als Freimaurer gefeiert.

Der frühere Finanzminister Camphausen, gegen­wärtig in Italien verweilend, soll beabsichtigen, gleich seinem Collegen, Minister a. D. Delbrück, noch in den heiligen Ehestand zu treten. Die Auserkohrene des alten Junggesellen soll die Tochter eines Eisenindu­striellen des Rheinlands sein.

Der einst einflußreiche Geheimrath Wagener in Berlin war einst ein reicher Mann, ist aber durch Gründungen 2c. ein armer Mann geworden. Dieser Tage wurde vom Gericht in Altona der Concurs über ihn erklärt, weil er eine Forderung von 1500 Mark nicht bezahlen konnte.

Der berühmte Geschichtschreiber Leopold v. Ranke in Berlin ist tödtlich erkrankt.

Die Wittwe des verstorbenen General=Feldmar= schalls Grafen Wrangel ist vor einigen Tagen von einem Schlaganfall betroffen worden. Ihr Zustand ist so schlimm, daß man für ihr Leben fürchtet.

Den englischen Damen, welche bei den Beerdi­gungen der änläßlich des Unterganges des Panzer­schiffesGroßer Kurfürst verunglückten Deutschen Marine=Offiziere und Soldaten eine so große Theil­nahme bethätigt hatten, sind im Auftrage der Kaiserin als Zeichen der Anerkennung ihres hochherzigen Ver­haltens Andenken in der Gestalt von Brochen mit einer angemessenen Inschrift durch den deutschen Botschafter in London überreicht worden.

Aus Metz kommen Klagen, daß in dortiger Ge­gend Wölfe als lästige Gäste in großer Anzahl sich einfinden und ihre Streifereien bis wenige Kilometer vor der Stadt ausdehnen. Trotzdem, daß seit Ueber­gang an die deutsche Verwaltung durchschnittlich jedes Jahr ungefähr 50 Wölfe erlegt wurden, sei deren Anzahl immer noch größer, als im Interesse der Land­wirthschaft, der Jagd und der öffentlichen Sicherheit liege. Auch sei für die nächste Zeit nicht an völlige Ausrottung zu denken, da dies theils durch die un­durchdringlichen Waldungen des Elsaß, theils dadurch erschwert sei, daß sich mit den angrenzenden französi­schen Distrikten keine gemeinschaftliche Jagden veran­stalten lassen. Aus gleichen Gründen kommen dort auch die Wildschweine noch in großer Menge vor und

Was er zu diesem Briefe sagen sollte, wußte er selbst nicht. Das erste Gefühl war, dasdumme Mädchen zu schelten. Als er ihn zum zweiten Male las, erschien er ihm nicht mehr so dumm, sondern eigentlich recht vernünftig, und er freute sich über manches Wort darin, besonders was von der Meinung des alten Herrn über ihn gesagt war. Beim dritten Lesen dämmerte etwas ganz Neues in ihm auf. Er fühlte, daß dieser Brief doch einen eigenthümlichen Cha­racter an sich trage, daß das Mädchen ihn vielleicht liebe. Rechtes Verständniß über die Sache hatte er reilich nicht, denn bisher kannte er die Liebe nur aus den Büchern, und von einem solchen Falle, wie dieser, hatte er noch nie ge­

lesen. Er hatte schon vor mehreren Jahren mit Carl Moor und Amalie geschwärmt, mit Ferdinand Walther und Louise geweint, und die Prinzessin Eboli hatte er so verachtet, daß er ihren Namen aufschrieb und darauf spie Das waren lauter Leidenschaften, die ihm da entgegentraten, die mußten ihn, den dichterisch Begabten, ergreifen. Aber sie fanden keinen Nachklang in ihm, sie blieben für ihn nur ein ge­lesenes Buch. Seine Natur war viel zu sehr mit dem Lernen beschäftigt, als daß er sich einer Liebeständelei hätte hingeben, oder auch nur viel an Liebe hätte denken sollen. Es wäre ihm sonst die Zuneigung des Mädchens, für die er gar kein Auge gehabt, nicht entgangen Vorübergehend hatte gewiß mancher Mädchenblick auf ihm geruht: er hatte es nicht bemerkt, weil er immer nach seinem Ziele sah. In diesem Briefe nun trat die Liebe zum ersten Male näher an ihn heran, nicht etwa, daß sie ihn erfaßte, oder ihn auch nur berührte aber sie war ihm sichtbar geworden. Recht verständlich war ihm die Sache immer noch nicht. Liebe ist doch eine Leidenschaft, dachte er, und diese stille Innigkeit, die aus dem Briefe sprach, war doch keine Leidenschaft. Ja, es dämmerte etwas in ihm, aber Licht ward es nicht. Es sei wohl nur Freundschaft, dachte er dann wieder.

Welcher junge Mann freut sich nicht, wenn er von einem jungen Mädchen geliebt wird! Auch ihm war es nicht gleich­gültig, obgleich hier ein eigenes Gefühl der Wehmuth sich beimischte. Und was hier die Hauptsache war: wie sollte er sich verhalten? er war dem Hause zu sehr verpflichtet, als daß er nicht jeden Schritt bedenken mußte. Eine Locke abzugeben, daß ein Mädchen sie auf der Brust trage, diese Eitelkeit hätte er sich wohl gönnen mögen; aber mit der Tochter seines Wohlthäters konnte er keine Spielerei treiben, und hinter dessen Rücken! Denn war dies Unbekannte, was ihn aus dem Briefe anwehte, ein Hauch der Liebe: wer weiß, was weiter daraus entstehen konnte, ob der Funke nicht Flamme würde? Nein, das ging nicht an, er durfte ihr die Locke nicht schicken, durfte gar nicht an sie schreiben, obgleich es ihm recht leid war, daß sie nun so oft umsonst nach der Post laufen werde. War er ihr doch auch zu Dank verpflichtet, auch für diese freundliche Gesinnung. Und wie viel hatte er sie durch sein unwiersches Wesen wohl schon betrübt! Ja, es war hart; aber:Ich schreibe nicht! sprach er.