Nr. 87. 36. Jahrgang. 1. Beilage zum Bochumer Anzeiger und General Anzeiger Montag, den 15. April 1929

Bochumer=Nachrichten.

Rationalsozialistisches Gautressen in Bochum.

Die Polizei als Schützer der Freiheit.

Nicht ohne Besorgnis hatte man dem gestrigen Sonntag entgegengesehen. Die nationalsozia­listische Arbeiterpartei Deutschlands hielt am Samstag und Sonntag ein Gautreffen für West­salen ab; die Kommunisten hatten Gegendemonstratio­nen angekündigt. Die Polizei hatte die öffentlichen Kundgebungen der Nationalsozialisten genehmigt; sie hatte aber gleichzeitig auch umfassende Maßnahmen ge­troffen, um die Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhal­ten, um die verfassungsmäßig verbürgte Versammlungs­freiheit zu schützen. Mehrere hundert Poli­zeibeamte wurden von auswärts(Dortmund, Gel­senkirchen, Recklinghausen usw.) herangezogen. sodaß die Stadt gestern ein buntbewegtes Bild bot. Bereits am Samstagnachmittag durchzogen Truppen berittener Po­lizeimannschaften die Stadt. Am Sonntag sah man schon in aller Frühe allestrategisch wichtigen Punkte der Stadt besetzt; um die Mittagsstunde, als der De­monstrationszug der Nationalsozialisten vor sich ging, wurden ganze Straßenzüge abgeriegelt. Dank dieser Maßnahmen kam es nirgends zu ernsten Zwischenfäl­len; kleine Reibereien wurden im Keime erstickt.

Den Auftakt aller Kundgebungen bildeten am Samstag abend zwei Versammlungen im Schützenhofe, wo Strasser sprechen sollte, und im evangelischen Ver­einshause. Dieses war schon zu Beginn überfüllt, sodaß die Polizei weiteren Zuzug sperrte. Als erster Redner sprach Heintze(Hannover), der heftige Kritik am Marxismus übte, der am 9. November 1918 das deutsche Volk durch Zerbrechen der Wehrmacht den Feinden wehr­los ausgeliefert, und an den internationalen Geldsack verkauft habe. Das deutsche Volk sei versklavt worden, die deutschen Unternehmer wie die deutschen Arbeiter frondeten nur noch für die internationale Hochfinanz. Dr. Göbbels zog gegen Parlamentarismus, Marxis­mus und Kapitalismus zu Felde, tadelte die Politik Dr. Stresemanns und empfahl eine Politik die Bürger­tum und Arbeiterschaft zu einer wahren Volksgemein­

chaft zusammenschließe, damit das einige Deutschland seine, Freiheit wiedererringe. Der Sozialismus müsse im Nationalismus, der Nationalismus im Sozialismus aufgehen.uuf Magt.e Mm# 9

Nach den Versammlungen kam es nirgends zu Zwi­schenfällen; die Polizei war überall zur Stelle. Von den vier Versammlungen in den Außenbezirken wurde die bei Kepper in Bochum=Hofstede abgehaltene von Gegnern zu stören versucht, doch stellte die Polizei

die Ruhe sofort wieder her. Am=Sonntag früh

fand Weckruf statt; in den folgenden Stun­den zogen von allen Seiten Gruppen Braunhem­den in die Stadt. Um 11 Uhr tagten bei Bischoff an der Allecstraße die Jugendgruppen. Um 12 Uhr stellten sich die Nationalsozialisten auf dem Moltkeplatz zum Um­zuge auf. In den Straßen sammelten sich Tausende von Zuschauern; man sah unter ihnen auch manche ver­wegene Gesichter, die von auswörts gekommen waren, um hier Händel anzuzetteln. Das starke Polizeiguf­gebot hielt die Krakehllustigen aber im Zaume. Der Zug bewegte sich, unter Vorantritt von berittenen Poli­zeibeamten, durch die Friedenstraße, Alleestraße, Kor­tum=, Brück= und Klosterstraße zum Kaiser Friedrich­platz. Etwa 1600 Nationalsozialisten marschierten im Zuge; auf je acht Mann etwa kam ein Begleitschutz­mann zur Seite, dazwischen noch Mannschaften in Aukos. An den Straßenseiten hatten ebenfalls Schutz­mannsketten Aufstellung genommen. Heilrufe der Zu­schauer mischten sich mit Rufen der Kommunisten: eini­gen angriffslustigen Schreiern brachte der Gummiknüp­pel Raison bei. Der Kaiser=Friedrichplatz wurde von allen, nicht zu den Nationalsozalisten gehörenden Zu­schauern geräumt bis tief in die angrenzenden Straßen hinein: die Gneisenaustraße glich einem Heerlager mit ihren Mannschaftswagen und berittenen Beamten. Von der Tribüne aus sprachen Wagner, Göbbels und Kube zu ihren Anhängern, sie forderten sie auf, für Adolf Hitler und die Ziele der Nationalsozialisten alles einzusetzen. Mit dem Gesang des Deutschlandliedes sand die Kundgebung ihren Abschluß, der Zug löste sich auf. Abends fanden noch Versammlungen im Schützen­hof und im Vereinshause statt, in denen Führer der Par­tei sprachen. Da die Polizei dafür gesorgt hatte, daß auch nach Schluß dieser Versammlungen die Ordnung aufrecht erbalten wurde, so kam es, soweit bis zum Abschluß dieses Berichtes bekannt, nirgends zu ernsten Vorfällen. Einige leicht Verletzte bat es allerdings doch gegeben. Die Polizei ist in Alarmbereitschaft bis morgen früh sie hat anstrengende Tage. Man wird ihr aber für ihre Umsicht danken. Im Grunde genom­men ist es freilich tief beschämend, daß die Polizei die herfassungsmäßige Rede= und Versammlungsfreiheit mit dem Gummiknüppel garantieren muß.

*

Ohne größere Reibereien verlaufen.

Wie uns gestern abend um 11 Uhr auf Anfrage von der Polizeiverwaltung mitgeteilt wurde, ist der Tag bis zur Stunde ohne wesentliche Zwischenfälle verlaufen.

Ein Nau An Bocham Geeschloindel.

Nachdem schon vor Ostern die dem Abbruch ge­weihten Häuser an der Grabenstraße zwischen Har­monie= und Luisenstraße von ihren Bewohnern ge­räumt worden waren, hat man nunmehr begonnen, diese alten, auf dem ehemaligen zugeschütteten Stadt­graben errichteten Fachwerkbauten niederzulegen.

Damit verschwindet wieder ein Stück Alt=Bochum. Die Grabenstraße wird erbreitert und begradigt. Der Neubau der Kommunalbank tritt nun auch nach der Westseite voll in Erscheinung. Auf dem freiwerdenden Baugelände soll in wenigen Jahren der Neubau der Sparkasse erstehen.

Horischreitende Besserung auf dein Arbensmartk.

Das Landesarbeitsamt berichtet über die Lage auf dem westfälisch= lippischen Arbeitsmarkt in der Woche vom 4. bis 10. April: Seit dem diesjährigen Höchststand ist die Arbeitslosigkeit an der Zahl der Hauptunterstützungsempfänger gemessen nunmehr um 39 Prozent zurückgegangen. Es wurden in der vergangenen Woche insgesamt 113367 Hauptunter­stützungsempfänger gezählt; in der Vorwoche waren es 124 785 Personen. Die Arbeitsämter berichten, daß bei günstigerer Witterung in größerem Umfange Außenarbeiter hätten aufgenommen werden können. Zum erstenmal ist auch bei den Krisenunter­stützungsempfängern, deren Zahl trotz der fortschreitenden Entlastung des Arbeitsmarktes wäh­rend der letzten Woche noch stetig zunahm, da der Personenkreis seit dem 25. Februar auf fast sämtliche Berufsgruppen ausgedehnt worden war, ein wenn auch geringer Rückgang zu verzeichnen. Auf die Krisenfürsorge entfielen von der Gesamtzahl von 113 367 Hauptunterstützungsempfängern 10 909(in der Vorwoche 11 032) und auf die Arbeitslosenversicherung

102 458(i. d. V. 113 753) Personen. In der Gesamtzahl der Hauptunterstützungsempfänger sind noch 33725 Saisonarbeitslose enthalten, die bis zum 15. März entsprechend den Vorschriften der Sonderregelung für Saisonberufe unterstützt wurden und seitdem noch nicht wieder in Arbeit gekommen sind.(Seit Auf­hebung der Sonderregelung am 15. März hat ihre Zahl damit um rund 56 Prozent abgenommen.) Die Frage nach der konjunkturellen Entwicklung des Arbeitsmarktes scheint in diesem Jahre für eine Reihe von Gewerbezweigen an Bedeutung zu verlie­ren gegenüber Fragen, die sich aus internationalen und außenvolitischen Vorgängen für den Arbeitsmarkt ergeben. Auf dem Arbeitsmarkt, des Ruhrkoh­lenbergbaues machte sich in der vergangenen Woche der Rückgang des Hausbrandbedarfs besonders bei einigen südlichen Zechen in der Entlassung von Bergleuten bemerkbar. Im ganzen gesehen aber ist die Arbeitsmarktlage noch insofern konstant, als we­der Einstellungen noch Entlassungen in größerem Umfange erfolgten.

Nach dem öffentlichen Umzug am Sonntag mittag bil­deten sich nach Auflösung des Zuges der Nationalsozia­listen am Kaiser=Friedrichplatz einzelne Trupps. Dabei kam es zu kleineren Zusammenstößen mit vo­litisch Andersgesinnten, die jedoch von der Polizei im Keime erstickt wurden. Elf Personen wurden durch die Polizei sistiert und nach Feststellung ihrer Personalien wieder entlassen. Die Kundgebung auf dem Schützenhof am Nachmittage ist völlig ruhig verlaufen. Ein Teil der Teilnehmer, der von außerhalb kam, zog nach Hause, ein Teil begab sich geschlossen zum evangelischen Ver­einshause, woselbst noch eine Abendversammlung statt­fand. Auch nach Schluß dieser Versammlung kam es zu keinen ernsten Zwischenfällen. In der Stadt selbst war es sehr ruhig.

* Berufs=Jubiläum. Sigismund Ryske konnte in diesen Tagen auf eine 25jährige Diensttätigkeit bei der Viktoria-Brauerei.=G. Bochum, die mit der Schlegel­Scharpenseel=Brauerei.=G in Bochum verschmolzen worden ist, zurückblicken. In unermüdlicher Tätig­keit hat er in diesen 25 Jahren die Interessen der Firma vertreten.

eh Die armen Abgeordneten! Die Entscheidung über das Eingemeindungsgesetz rückt immer näher. Noch in diesem Monat soll die erste Lesung im Landtag stattfinden. Von verschiedenen Seiten aus werden jetzt noch die allerstärksten Maßnahmen unter­nommen, um in Abgeordnetenkreisen für die eine oder andere Lösung Stimmung zu machen. Man macht sich teilweise keinen Begriff, in welchem Umfange diese Kulissenarbeit vor sich geht. Man hört sogar, daß einzelne einflußreiche, Männer des Industriegebietes versuchen. die Parteien, denen sie angehören, auf bestimmte Stellungnahmen festzulegen. Man braucht demgegenüber wohl nicht hervorzuheben, daß es kaum eine politische Frage gibt, die sich für eine parteimäßige Bindung der Abgeordneten weniger eignet, als diese Eingemeindungsvorlage.

a Aus der katholischen Gemeinde. Der Neuprie­ster Heinrich Hülsmann der zuerst seine Bestel­lung nach Gelsenkirchen=Rotthausen erhalten hatte ist nun von der bischöflichen Behörde nach Halberstadt (Sachsen) berufen worden. Hülsmann hat sein Amt bereits angetreten. Zum Vikar nach Gelsenkirchen

Gchandate=But un Schsheten.

Vom Reichsausschuß für hygienische Volksbelehrung wird der Wohlfahrts=Korre­spondenz geschrieben:

In den nächsten Tagen werden unsere sechsjähri­gen Jungen und Mädel ihren ersten Einzug in die Schule halten. Der Weg dorthin ist stets mit einer Menge guter Wünsche und Erwartungen für das gei­stige Gedeihen des kleinen===Schützen gepflastert. Aber über allem vergesse man nicht als oberste Vor­aussetzung die Anwendung des alten Lehrsatzes, daß nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt.

Die Verantwortlichen dafür sind die El­tern besonders ist es die Mutter. Sie muß mit den Vorbereitungen ihres Kindes für die Schule recht­zeitig am frühen Morgen beginnen: sie muß sel­ber aufstehen und ihr Kind zur rechten Zeit wecken. Sie muß dafür sorgen, daß es sich sorgfältig wäscht, die Zähne putzt, und ordentlich anzieht. Vor allem muß das Kind genügend Zeit für das Morgen­frühstück haben. Das Frühstück muß so vorbereitet sein, daß es das Kind sofort und bequem einnehmen kann. Schon am Abend vorher müssen die Kleider in Ordnung gebracht und zum Anziehen zurechtgelegt sein, auch die Schulmappe muß gepackt sein, um jeden Zeit­verlust am nächsten Morgen zu ersparen. Nicht nur für das körperliche, auch für das geistige und see­lische Wohlbefinden des Kindes ist es notwendig, daß die Mutter beim Frühstück des Kindes dabei ist und es durch liebevolle Unterhaltung und Zureden über­wacht.

Für das Schulgepäck ist immer noch am zweckmäßigsten und gesündesten der an zwei Riemen befestigte und auf dem Rücken getragene Schulran­zen. Nur er ermöglicht eine gleichmäßige Belastung des Körpers und vermag durch seine Lage Verkrüm­mungen der nachgiebigen jugendlichen Wirbelsäule wirksam vorzubeugen. In der Frühstückstasche gebe man dem Schulkind ein zweites Frühstück mit, nicht zu wenig. aber auch nicht zu viel, damit der Appetit für das Mittagbrot nicht verloren geht. Man vergesse da­bei das O bst nicht!

Kommt das Kind aus der Schule, so lasse man es nicht sofort die Schularbeit machen. Man ge­währe ihm eine Freizeit, lasse es in aller Ruhe Mittag essen, spielen oder im Freien sich tummeln. Die Schul­arbeiten selber müssen in guter Beleuchtung, an einem dem Kinde angemessenen Tisch und ebensolcher Sitz­gelegenheit erledigt werden. Dabei ist nötig, daß der Rücken des Kindes eine feste Stütze am Stuhle hat. Nach beendeter Schularbeit ist natürlich für ein Aus­toben des jugendlichen Körpers durch Sport und Spiel und Bewegung, möglichst im Freien zu sorgen. Der schädliche Einfluß, der durch das ungewohnte Still­sitzen in der Schule und bei der Hausarbeit auf die Gesundheit ausgeübt wird, soll nicht bloß durch die Turnstunde in der Schule, sondern durch ausreichende Körperbewegung zu Hause unbedingt ausgeglichen werden.

Von großer Wichtigkeit ist schließlich die Inne­haltung einer regelmäßigen und ausreichenden Nachtruhe. Man gewöhne die Kinder daran, täg­lich zu bestimmter Zeit ins Bett zu gehen und störe sie dann nicht im Schlaf durch falsche Eitelkeit, etwa wenn Besuch kommt oder wenn es gilt, irgend­welche Künste des Kindes anderen vorzuführen. Die Abendmahlzeit soll, nicht zu reichlich und wiederum möglichst von Obst begleitet sein.

Ein Kind, für das die Mutter diese Grundregeln des ABC der kindlichen Gesundheit anwendet, wird in der Schule immer frisch und munter sein, seine geistige Aufnahmefähigkeit wird sich gleichbleiben und sein Körper wird unter der einschneidenden Verände­rung, welche die Schule für das Kind bedeutet, nicht leiden.

wurde der früher an der Propsteikirche tätige Vikar Möbius aus Holthausen bei Fredeburg ernannt.

** Keine Aufhebung des Durchgangsverkehrs HattingenBochumRecklinghausen. Durch verschie­dene andere Blätter ging kürzlich die Nachricht, es werde an die Aufhebung des Durchgangsverkehrs auf der Straßenbahnlinie HattingenBochumHerne Recklingbausen gedacht. Wie wir dazu von authen­tischer Seite erfahren, bleibt der Verkehr so wie er jetzt organisiert ist, bestehen, da die gemachten Er­fahrungen durchaus befriedigen.

x Ein moderner Reparaturwagen. Seit einigen Tagen hat die Reparaturwerkstätte der Gelsenkirchener Straßenbahn einen ganz modernen Auto-Turm­wagen in Betrieb. Das neue Werkstättenauto wird mittelst Motor hochgedrückt und nur in der Innenstadt verwandt. Während die beiden übrigen

Nachdruck verboten.)

Roman von

Agatha Christie,

ins Deutsche übertragen von Irene Kafka. Copyright by: Carl Duncker Verlag, Berlin W 62.

Dann saß ich in Aegypten bis zum Waffen­stillstand, fuhr Tommy fort,sogar noch etwas länger, und wurde schließlich, wie ich dir schon sagte, demobilisiert. Und seit zehn endlos langen Monaten bin ich nun auf der Stellungssuche. Es gibt keine Stellungen! Und wenn welche da wären, würde man sie mir nicht geben! Wozu tauge ich? Was verstehe ich von Geschäften! Nichts!

Tuppence nickte trübe.

Und in den Kolonien? schlug sie vor.

Tommy schüttelte den Kopf.

Ich mag die Kolonien nicht. Und ich bin fest Aberzeugt, daß auch sie mich nicht mögen!

Und reiche Verwandte?

Wieder schüttelte Tommy den Kopf.

Oh. Tommy, nicht einmal eine Großtante?

Ich habe zwar einen alten, gut situierten Onkel, aber den mag ich nicht.

Warum nicht?

Er wollte mich adoptieren. Ich lehnte ab.

Ich glaube, den Grund gehört zu haben, sagte Tuppence langsam.Du solltest deiner Mutter wegen nicht...

Tommy errötete.

Ja, es wäre für die Mater ein harter Schlag

Vernsien ie ucht loch ie bute uer uich dier ble haßte sie... wollte mich ihr nehmen.

Deine Mutter starb, nicht wahr? fragte Tup­pence leise.

Tommy nickte nur.

Sie sah ihn aus verschleierten Augen an.

Du bist ein guter Kerl, Tommy. Ich habe es immer gewußt.

Ach, meinte Tommp.aber jetzt siehst du, wie ich daran bin. Knapp am Verhungern.

Ich nicht minder! Ich wartete, solange es ging. Ich sah mich um. Ich antwortete auf Annoncen. Ich versuchte, was nur menschenmöglich war. Doch nichts nützte. Nun werde ich wohl heimfahren müssen.

Gern?

Sehr ungern. Doch was nützt Sentimentalität? Vater ist gut, ich liebe ihn sehr, doch du ahnst nicht, welche Sorge ich ihm mache. Er hat noch die Ansicht, daß kurze Röcke und Zigarettenrauchen für ein Mäd­chen unmoralisch sind. Da kannst du dir beiläufig denken, welch ein Dorn im Auge ich ihm bin. Er atmete erleichtert auf, als der Krieg mich hinweg­schwemmte. Denn du mußt wissen, wir sind sieben Stück im Hause. Das ist gräßlich! Ich mag nicht zurück, aber 5 Tommy, was wird anderes zu machen sein?

Tommy schüttelte traurig den Kopf. Ein Weilchen blieb es still, dann brach Tuppence los:

Geld, Geld, Geld! Morgens. mittags und nachts denke ich an nichts anderes. Es ist vielleicht schändlich von mir, aber es ist so!

Mir geht's ebenso, sagte Tommy mitfühlend.

Ich überdachte jede Möglichkeit, zu Geld zu kom­men fuhr Tuppence fort.Es sind ihrer drei: es zu erben, es zu erheiraten, es zu verdienen. Das erste scheidet aus. Ich habe keinerlei anliche Beziehungen. Und wenn schon, so sitzen sie in den Versorgungshäu­sern. Ich bin alten Damen immer bei Straßenüber­gängen behilflich und hebe Päckchen auf, die alten Herren aus der Hand fallen. Stets in der leisen Hoffnung, sie möchten sich als exzentrische Millionäre entpuppen. Doch keiner von ihnen fragte je nach mei­nem Namen, und viele dankten nicht einmal.

Ein Weilchen blieb es still.

Gewiß", wiederholte Tuppence,wäre die Ehe noch das Beste für mich. Als ich ganz jung war, be­schloß ich schon, eine Geldheirat zu machen. Jedes ver­nünftige Mädchen denkt so. Ich bin kein Gefühls­mensch, das weißt du. Sie hielt inne.Nun? Du wirst mir doch nicht sagen, ich sei Gefühlsmensch? setzte sie scharf hinzu.

Gewiß nicht", pflichtete Tommy eilig bei.Kein Mensch würde jemals Gefühl mit dir in Verbindung nennen.

Du bist nicht eben höflich, gab Tuppence zurück, aber es ist trotzdem wahr. Dazu kommt, daß alle netten jungen Leute, die ich kenne, ebenso arm sind wie ich.

Und der General? erkundigte sich Tommy.

Der betreibt wahrscheinlich im Frieden einen schwunghaften Handel mit Fahrrädern. Nein, nichts für mich. Doch du, du könntest eine reiche junge Dame heiraten.

Es geht mir wie dir. Ich kenne keine.

Das tut nichts. Du kannst immer eine kennen­lernen. Wenn ich beispielsweise einen Herrn in einem Pelzmantel aus dem Ritz kommen sehe, kann ich nicht auf ihn zuspringen:Mein Herr, Sie sind reich, ich möchte Sie kennenlernen!

Du rätst mir, so zu einer gut gekleideten Frau zu sprechen?

Rede nicht so dumm! Du trittst ihr auf den Fuß oder hebst ihr Taschentuch auf oder sonst irgendwie. Be­merkt sie, daß du sie kennenlernen willst, so ist sie, ge­schmeichelt und wird es sicher einzurichten wissen.

Du überschätzest meine männlichen Reize, mur­melte Tommy.

Andererseits", fuhr Tuppence fort.ist Ehe­schließen nicht so einfach. Bleibt also: Geldverdienen!

Das versuchen wir doch ohne Erfolg, rief Tommy ihr ins Gedächtnis.

Wir versuchten es auf geraden Wegen wohl! Pro­bieren wir es einmal auf ungeraden! Tommy, werden wir Abenteuerer!

Gern, gab Tommy fröhlich zurück.Wie wollen wir beginnen?

Da sitzt die Schwierigkeit. Wenn wir uns erst durchgesetzt haben, könnten Leute uns mieten, um Ver­brechen für sie zu begehen.

Entzückende Idee, rief Tommy,besonders wenn sie von einer Pastorstochter kommt.

Die moralische Schuld", erklärte Tuppence, läge bei ihnen, nicht bei mir. Du mußt zugeben, daß es nicht gleich ist, ob du ein Diamanthalsband für dich stiehlst, oder ob du beauftragt wirst, es zu stebleg.

Wenn man dich erwischt, macht man nicht den geringsten Unterschied.

Vielleicht nicht. Doch ich würde nicht erwischt werden. Ich bin so geschickt!

Bescheidenheit war immer deine hervorstechendste Eigenschaft, bemerkte Tommy.

Sei ruhig! Sag', Tommy, sollten wir es nicht wirklich verstehen,? Wollen wir uns nicht geschäft­lich zusammentun?Zu einer Gesellschaft für Diebstähle von Diamanthalsbändern?

Das war nur ein Beispiel. Gründen wir eine wie nennt man das in der Buchhaltung?

Weiß ich nicht. Buchhaltung kann ich nicht.

Ich schon, doch ich verwechselte immer alles, trug Eingänge am Debetkonto ein und umgekehrt bis man mich hinausfeuerte. Oh, aber ich weiß eine G. m. b..!

Unter der FlaggeDie Abenteurer, G. m. b.. So meinst du doch, Tuppence?

Du hast leicht lachen, aber mir ist, als hätte das Ganze doch einen Sinn.

Und auf welche Weise hoffst du deine Arbeit­geber zu finden?"

Durch Annoncen, gab Tuppence rasch zurück. Host du ein Stückchen Papier und einen Bleistift bei dir? Männer führen das scheinbar immer mit sich, wie wir Haarnadeln und Puderdose.

Tommy reichte ihr ein etwas schäbiges Notizbuch, und Tuppence begann emsig zu schreiben.

Wie beginnen wir also? Junger Offizier, zweimal kriegsverwundet...

So bestimmt nicht.

Wie du willst, mein Junge., Aber ich kann dir versichern, daß das die Art ist, das Herz einer dlt­