38. Jahrgang. Nummer 225
mit Bielefelder General-Anzeiger
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Dienstag, 26. September 1933
und Handelsblatt
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un Vonlerouno
Vollversammlung eröffnet— Ein Ueberraschungspräsident
Neurath wird Vizepräsident
Leipzig, I. Alt
Was die Personalvernehmungen ergaben Bielefeld, 26. 9.
Vor dem Leipziger Reichsgericht sind am gestrigen Montag die Personalakten der fünf Angeklagten geschlossen worden. Das Vorspiel des großen Prozesses gegen die Reichstagsbrandstifter ist damit beendet. Noch in der Montagssitzung ist das Gericht in die Behandlung der sachlichen Anklagegegenstände eingetreten. Eine kurze Bilanz über das bisherige Verhandlungsergebnis erscheint in diesem Zeitpunkt angebracht.
In den wenigen Tagen seiner bisherigen Dauer hat der Leipziger Prozeß bereits seine besondere Atmosphäre bekommen. Sie ist nicht künstlich erzeugt, nicht von außen in den Gerichtssaal hineingetragen und auch nicht von der Brandfackel des deutschen Reichstages herübergestrahlt, die naturgemäß dem ganzen Prozeß seinen besonders blutigroten Schein verleiht. Die Atmosphäre des Leipziger Prozesses ist auf ganz natürlichem Wege von den fünf Angeklagten selbst ausgeströmt, deren Lebenswandel trotz aller sachlich trockenen Feststellungen der deutschen Richter in Leipzig ein romantisches und zugleich erschütterndes Bild einer verworrenen und zerrissenen Zeit wiederspiegelt.
Man hat im Leipziger Prozeß keinerlei Propagandakunst zur Stimmungsmache gegen die fünf Angeklagten aufzuwenden brauchen, die Daten ihrer Wanderungen durch die europäischen Länder, die Fäden, die sich von ihnen zu den europäischen Brandherden spinnen, der vör nichts zurückschreckende Fanatismus, der trotz aller Nüchternheit sachlicher Feststellungen aus ihren Angaben wetterleuchtete, all das hat automatisch die Gefahren heraufbeschworen und im Leipziger Gerichtssaal geisterhaft an die Wand geworfen, die nicht nur unserem deutschen Vaterlande, sondern ganz Europa vom Kommunismus drohen.
Zugleich aber haben die bisherigen vorbereitenden Verhandlungstage in Leipzig bereits die Abwehrtaktik der Angeklagten erkennen lassen, während die Prozeßleitung von der Methode ihres weiteren Vorgehens noch kaum etwas hat durchblicken lassen und sich zunächst mehr passiv betätigt hat, wie es in solchem Anfangsstadium eines Prozesses vor deutschen Gerichten üblich ist.
In drei Typen hat sich bisher die von den Angeklagten selbst betriebene Verteidigungstaktik herauskristallisiert. Da sind zunächst zwei Gegenpole: Der Bulgare Dimitroff, der in frechen und forschen Attacken das Paradepferd des völlig unbeteiligten internationalen Kavaliers reiten möchte und entrüstet ist, daß man ihn, der sich einzig und allein mit dem bulgarischen Kommunismus und der Amnestie für seine dortigen Kampfgenossen lefaßt, mit dieser Reichstagsbrandsache in Zusammenhang bringt. Sein Gegenpol ist der deutsche Kommunistenführer Torgler, der zwar auch schärfstens seine völlige Unschuld betont, daber aber alle seine Bemerkungen in die verbindlichsten Formen kleidet und mit höflichen Worten einleitet wie:„Ich würde dankbar sein, Herr Präsident, wenn...“ Torgler legt größten Wert darauf, seinen Kommunismus als rein idealistisches Wirken erscheinen zu lassen, das mit irgendwelchen Kampfhandlungen der kommunistischen Partei in keinem Zusammenhang stehe.(Dazu will er gar keine Zeit gehabt haben.)
Und damit kommen wir an einen sehr interessanten Punkt der Gesamtverteidigung aller Angeklagten überhaupt. Die große Linie ihrer Verteidigung ist darauf abgestellt, sich als Einzelmenschen und nicht als ausführende Organe des Kommunismus(weder der kommunistischen Internationale noch der verschiedenen Länderorganisationen) erscheinen zu lassen. Am offenkundigsten arbeitet in dieser Richtung die Verteidigung van der Lubbes. Das „Rotbuch“, das von seinen Brüdern und seinen Gesinnungsgenossen jetzt in Amsterdam herausgegeben wurde, deckt in dieser Hinsicht die Karten vielleicht etwas zu frühzeitig auf. Denn wenn van der Lubbe wirklich ein solcher Einzelgänger gewesen wäre, ist es— um nur eins zu nennen— schwer erklärlich, warum die kommunistische Partei Hollands so großen Wert auf das rechtzeitige Verschwinden seiner Aufzeichnungen legte. Abgesehen von den großangelegten kommunistischen Umsturzplänen, die vor einiger Zeit von den antibolschewistischen Vereinigungen Deutschlands enthüllt worden sind, dürfte die Prozeßlettung in Leipzig selbst noch einiges Material in
Genf, 25. 9.
Die 14. Völkerbundsversammlung ist Montag vormittag 10.30 Uhr vom norwegischen Ministerpräsidenten Mowinckel in Genf eröffnet worden. Es sind 53 Staaten durch beglaubigte Delegierte vertreten. Keine Delegierten haben entsandt Japan, das im Laufe des letzten Jahres seinen Austritt angekündigt hat, sowie Argentinien und Honduras. Die meisten Mitgliedsstaaten sind durch ihre Außenminister und andere führende Staatsmänner vertreten.
In der ersten Reihe hatten Reichsaußenminister Freiherr von Neurath, Reichsminister Göbbels, Gesandter von Keller und Ministerialdirektor Gaus die Plätze der deutschen Hauptdelegierten eingenommen. Vor Beginn der Sitzung trat der englische Außenminister Sir John Simon an den Platz der deutschen Delegation heran und begrüßte insbesondere Reichsminister Göbbels, mit dem er sich einige Minuten unterhielt.
Der vorläufige Präsident, Ministerpräsident Mowinckel, Norwegen, stellte in der Eröffnungsansprache mit Bedauern fest, daß sich die Lage des Völkerbundes seit der letzten Versammlung nicht verbessert habe. Was die Völker interessiere, sei nicht die tägliche Arbeit des Bundes, sondern seine Fähigkeit, eine bessere Verständigung zwischen den Völkern zu schaffen.
Noch schlimmer als das Versagen im ostasiatischen Konflikt seien die Enttäuschungen in Europa selbst. Die Idee und die Möglichkeit eines Krieges schwebten wie ein Gespenst über der Zukunft Europas. Es sei enttäuschend und entmutigend, daß die Ergebnisse
Hinterhand haben, das gerade dieser Verteidigungstaktik einen Stoß versetzt.
Im übrigen ist van der Lubbe im Leipziger Prozeß der Typ der dritten Verteidigungstaktik, die durch die Verworrenheit der Aussagen und des Verhaltens vor Gericht jede einwandfreie juristische Eingruppierung und Bewertung des Täters vereiteln möchte. Im Widerspruch zu dieser Methode stehen die früheren klaren Aussagen van der Lubbes und die offensichtlich gespannte Aufmerksamkeit, mit der er den Verhandlungen folgt. Im Wider
der Abrüstungskonferenz unbefriedigend auszufallen drohten. Man könne auch nicht leugnen, daß die Not und die Arbeitslosigkeit zur Erhöhung der politischen Mißstimmung unter den Völkern beitragen. Gerade deshalb sei das Scheitern der Londoner Konserenz so bedauerlich.
Allerdings dürfe man eine gewisse Hoffnung auf die Tatsache gründen, daß im vorigen Jahre, trotz allem, gewisse Anzeichen eines
München, 25. 9.
Die Betriebsgruppe Banken und Versicherungen, Gau München=Oberbayern der RSBO. veranstaltete in München eine Massenkundgebung. Reichswirtschaftsminister Schmitt hob einleitend hervor, richtunggebend sei für ihn nur ein Ziel auf lange Sicht. Ein Gegensatz zwischen dem Reichswirtschaftsministerium und dem Reichsernährungsministerium, wie man da und dort sich erzähle, existiere nicht.
Der Reichsminister ging dann auf weltwirtschaftliche Fragen über und hob hervor, daß wir nicht warten dürften, bis andere uns helfen. Aber ebenso wichtig sei es, zu erkennen, daß Deutschland vom Handel und Verkehr der übrigen Welt Vorteile ziehen müsse.
Im weiteren Verlauf seiner Rede wandte sich Schmitt gegen eine Fortsetzung der defla
spruch damit steht schließlich sein etwas blödklingendes Lachen, das van der Lubbe an dieser oder jener Stelle einflicht. Denn diesem Lachen liegt offenbar System zugrunde.
So haben die wenigen Tage der Personalfeststellung im Leipziger Prozeß bereits aufschlußreiche Streiflichter auf die Persönlichkeiten der Angeklagten geworfen. Besonders aber haben sie eins deutlich erwiesen, daß dieser Reichsgerichtsprozeß sich in nichts von der strengen Sachlichkeit anderer Reichsgerichtsprozesse unterscheidet, die zu allen Zei
wirtschaftlichen Fortschrittes, einer Aufklärung der handelspolitischen Atmosphäre festzustellen gewesen seien. Es sei oft gesagt worden, daß die Gegensätze zwischen Deutschland und Frankreich die Wurzel allen Uebels seien. Deshalb knüpften sich so große Hoffnungen an den Viererpakt als ein Mittel, das die Verständigung und vielleicht sogar die Freundschaft herbeiführen könnte.
Zum Schluß erinnerte Mowinckel daran, daß Stresemann in seiner letzten Rede vor der Versammlung am 9. 9. 1929 erklärt
tionistischen Ploitik oder auch die Herbeiführung einer Inflation.
der Reichsregierung gibt es niemand, sagte er, der sich von der Morphiumspritze der Juflation einen Erfolg versprechen könnte.(Starker Beifall).
Er warnte dann vor allen Zwangseingriffen und Zwangsmaßnahmen in die Wirtschaft.
Als allgemeine Grundsätze der Wirtschaftspolitik des Reiches bezeichnete der Minister: Möglichst wenig zerschlagen, aber möglichst viel fördern und ausbauen.
Die Reichsregierung werde durch die in Gang befindliche Bankenenquete ein tadelloses Funktionieren der Banken und Sparkassen zu erreichen suchen. Entscheidend sei, eine gleichmäßige Entwicklung sicherzustellen, um einen Rückschlag zu vermeiden. Aufgabe des Staates gegenüber der Wirtschaft sei, sie zu überwachen, aber nicht einzugreifen. Die deutsche Wirtschaft werde nur dann wieder zur Blüte kommen, wenn es gelinge, die Rentabilität jedes einzelnen wirtschaftlichen Unternehmens sicherzustellen.
Die ungeheure Steuerlast könne von der Wirtschaft nicht weiter getragen werden. Die zweite große Aufgabe der Reichsregierung sei daher eine Ermäßigung der Steuerlasten. Als dritte Aufgabe bezeichnete der Reichswirtschaftsminister die Senkung des Zinses. Es müsse erreicht werden, daß durch das Vertrauen der Gläubiger gegenüber Reich, Ländern und Gemeinden der Zinssatz der Anleihen wieder auf den erträglichen Stand gesenkt werden könne. Notwendig sei auch, daß der Kapitalmarkt wieder in Ordnung komme. Auch müsse dafür gesorgt werden, daß die Ausgaben von Reich und Ländern gedeckt werden.
Man dürfe nicht eine Schuldenwirtschaft anfangen zu Lasten der Zukunft.
Als nächste Aufgabe außer der Arbeitsbeschaffung trachte die Reichsregierung, dafür zu sorgen, daß das
Lohn= und Preisniveau stabil bleibt.
Zum Schluß erklärte Schmitt gegenüber Gerüchten im Auslande, daß er mit Liebe, Herz und Hand in der Reichsregierung stehe. Nach dem Deutschlandlied sprach noch der Führer der Deutschen Arbeitsfront Ley. Das beste Arbeitsbeschaffungsprogramm, erklärte er, sei das Vertrauen und der Glaube.
ten ein Ruhmesblatt der deutschen Justiz gewesen ist. Der Vorsitzende hatte es z. B. nicht nötig, dem holländischen Anwalt Stomps eine Unterredung mit van der Lubbe zu gewähren, er hatte es auch nicht nötig, die Schwester des Angeklagten Dimitroff im Gerichtssaal zu Worte kommen zu lassen, und er hatte es schließlich nicht nötig, aus menschlichem Mitgefühl der Mutter Torglers ein Wiedersehen mit ihrem angeklagten Sohne im Gerichtssaal zu gestatten. 61
Die Reichsführertagung des Stahlhelms in Hannover
Die Ankunft der Führer im Hindenburg=Stadion in Hannover
In der Mitte Reichskanzler Adolf Hitler, links Stabschef Röhm, neben Hitler rechts Bundesführer Seldte. Ganz rechts Reichswehrminister von Blomberg.
Keine Gesundung ohne=Kentaontat
Reichswirtschaftsminister Schmitt sprach in München