33. Jahrgang. Nummer 150

mit Bielefelder General-Anzeiger

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Cieloser

Freitag, 30. Juni 1933

und Handelsblatt

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Der Kurswechsel

Bielefeld, 30. 6.

Die neuen Männer

Hugenbergs Rücktritt ist vollzogen.

Das zeitliche Zusammenfallen seines Rück­trittsgesuchs mit dem Selbstauflösungsbeschluß der Deutschnationalen Front hat beide Ereig­nisse in eine Verbindung miteinander gebracht, durch die Hugenbergs Rücktritt den Stempel einer innerpolitischen, vorwiegend parteipoli­tischen Aktion erhielt. Hugenbergs Rücktritt stand in den Würdigungen der Presse fast völlig unter dem Motto: Das Ende des Par­teienstaats. Daß sich hierin aber die Bedeu­tung seines Rücktritts nicht erschöpft, lehren uns jetzt die Namen seiner Nachfolger. Es ist nicht nur der Parteiführer Hugenberg, der zur Kennzeichnung innerpolitischer Gleich­schaltung seinen Rücktritt erbat und jetzt er­hielt: heute, nach der Ernennung seiner Nach­folger ist es in erster Linie der Wirt­

Carnera Weltmeister

Der Voxkampf um die Weltmeisterschaft zwischen Charkey und Carnera endete mit einem..=Eiege Carneras in der sech­sten Runde.

(Ausführlicher Bericht im Sportteil).

schaftspolitiker Hugenberg, der seine Aemter freigab, damit ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel eintreten könne. An Stelle von Hugenberg und Bang bestimmen jetzt drei programmatische Namen: Schmitt, Darré und Gottfried Feder, den Kurs der deutschen Wirt­schaftspolitik.

Klarblickende Führer des Nationalsozialis­mus haben von Anfang an erklärt, daß die nationale Revolution in Wahrheit eine nationalsozialistische sei. Ihr Wort hat auf dem Gebiete der Politik unbedingte Geltung gewonnen. Politische Taten haben es erhärtet. Die Selbstauflösung der Deutsch­nationalen Front, die freiwillige Eingliede­rung der gesamten Stahlhelmorganisation haben es bewiesen. Der deutsche Staat ist heute ein rein nationalsozialistischer Staat. Denn auch die Stunden des Zentrums sind ge­zählt. Das Ende dieser Partei, der letzten des alten Parteienstaates, ist nur noch eine Form­sache. Die Selbstauflösung der Berliner Stadt­verordnetenfraktion des Zentrums spricht eine deutliche Sprache, ob sie mit oder ohne Zu­stimmung von Herrn Brüning erfolgt ist. Es gibt heute kein Volk der Parteien mehr, es gibt nur noch ein Staatsvolk. Und sein Staat ist nationalsozialistisch.

In der Wirtschaftspolitik lagen die Dinge bisher anders. Hier war die Revolution bis­her eine nicht nur nationale, sondern eine ausgesprochen deutschnationale geblieben. Ge­führt von zwei Männern unmißverständlich deutschnationaler Prägung. Jetzt sind Hugen­berg und Bang dem vorwärtsdrängenden Tempo der deutschen Revolution gewichen, deren unermüdliche Vorkämpfer sie über ein Jahrzehnt waren, mit der sie aber schließlich nicht mehr Schritt zu halten vermochten. Heute ist auch die Wirtschaftspolitik national­sozialistisch geworden. Neue Männer haben das Steuer ergriffen. Generaldirektor Schmitt vom Allianz=Konzern, dessen Name in den letzten Jahren schon wiederholt im Zusammen­hang mit neuartigen Plänen genannt wurde und der in den Vereinigten Staaten einen guten Ruf besitzt; Walter Darré, der gegen­über dem konservativen Hugenberg den Typ des jungen revolutionären Bauern verkörpert, der das Buch vomNeuadel aus Blut und Boden, schrieb; und schließlich Gottfried Feder, der Schöpfer des urnationalsozia­listischen Wirtschaftsprogramms, der einst die Parole von derBrechung der Zinsknecht­schaft" ausgab.

Gerade Feders Name spielt im Dreiklang der neuen Männer eine bedeutsame Rolle. Hitler hat wiederholt betont, wie stark der Nationalsozialismus Feder Dank schuldet, der einst der noch suchenden Bewegung mit dem Kampfruf gegen die Zinsknechtschaft den festen Mittelpunkt gab, um den sich das Gedanken­gut der Bewegung kristallisieren konnte.

Die Aufgabe, die die neuen Männer übernehmen, ist groß und schwer. Die Vor­aussetzungen erfolgreicher Arbeit sind ihnen in den letzten Wochen geschaffen. Die poli­tische Einigung Deutschlands bildet die Grund­lage ihres wirtschaftlichen Aufbaues. Der ge­schlossene Freiheits= und Arbeitswille des

* Barke und GeitstleeIr...

Hugenbergs Rücktrikt genehmigt Bang wird durch Feder ersetzt Staatssekretär von Rohr bleibt zunächst

Berlin, 29. 6.

Reichskanzler Adolf Hitler ist am Donners­tag nachmittag nach Marienburg geflogen und hat sich von dort aus im Kraftwagen zum Gut Neudeck begeben, wo er um 17.30 Uhr eintraf und unverzüglich eine Unterredung mit dem Reichspräsidenten hatte.

Als Ergebnis der Besprechung wurde be­kanntgegeben: Reichspräsident von Hindenburg hat auf Vorschlag des Reichskanzlers dem Reichsminister für Ernährung und Landwirt­schaft und Reichswirtschaftsminister Dr. Hugenberg die erbetene Entlassung aus seinen Aemtern erteilt und den Generaldirek­tor der Allianz=Versicherungs=.=G. Dr. Schmitt zum Reichswirtschaftsminister, so­wie das Mitglied des Reichstages)r. Walther Darré zum Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ernannt.

Der Reichspräsident hat ferner den Staats­sekretär im Reichswirtschaftsministerium Dr. Bang einstweilen in den Ruhestand versetzt und zum Staatssekretär im Reichswirtschafts­ministerium das Mitglied des Reichstages, Diplomingenieur Dr. Gottfried Feder ernannt.

min ist bekanntlich in den letzten Monaten in scharfen Gegensatz zu den nationalsozialistischen Bauernführern geraten, insbesondere neben Walther Darré zu dem Präsidenten des Reichs­landbundes Meinberg, mit dem er einen auf­sehenerregenden Briefwechsel geführt hat. Meinberg ist aber wiederum im agrarpoli­tischen Apparat der NSDAP. der engste Mit­arbeiter des neuen Reichsernährungsministers Dr. Darré.

Man glaubt daher in politischen Kreisen nicht, daß die Zusammenarbeit zwischen Darré und von Rohr auf die Dauer mög­lich sein wird.

Ueberrascht hat allgemein die Ernennung des bekannten uationalsozialistischen Wirt­schafts= und Finanztheoretikers Gottfried Feder zum Staatssekretär im Reichswirt­schaftsministerium.

Darrés Mitarbeiter

Der neue Reichsernährungminister Darré wird in seinem neuen Amt sicherlich einen völlig neuen Kurs einschlagen, insbesondere plant er eine erheblich stärkere Förderung der bäuerlichen Siedlung und eine umfangreiche Entschuldung des bäuerlichen Besitzes. Dagegen

ist er ein Gegner der Entschuldung großer Latifundien, die er zur Siedlung freigegeben wissen will.

Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, wird Darré die Führung des Reichsstandes der deutschen Landwirtschaft, in dem alle Spitzenverbände zusammengesaßt sind, beibe­halten. Sein Stellvertreter, der praktisch die Geschäfte führen wird, wird der Präsident des Reichslandbundes Meinberg werden. Reichsernährungsministerium wird außer dem persönlichen Adjutanten des neuen Reichs­ernährungsminister von Zeppelin ein besonders verantwortungsvolles Arbeitsgebiet der preußische Landtagsabgeordnete der NSDAP. Herbert Backe erhalten, der bereits Leiter der Hauptabteilung(Reichsführer­gemeinschaft des deutschen Bauerntums) im Rahmen der landwirtschaftlichen Selbstverwal­tung ist. Backe ist Domänenpächter und Dipl.= Landwirt. Er wurde am 1. Mai 1896 zu Ba­tum im Kaukasus geboren, in Rußland er­zogen, wurde während des Krieges von den Russen in einem Gefangenenlager interniert und kam dann nach Deutschland, wo er als Arbeiter tätig war. Nebenbei studierte er Landwirtschaft in Göttingen, war dann land­wirtschaftlicher Beamter, von 1924 bis 1927 Assistent an der Technischen Hochschule Han­nover, dann Domänenpächter.

Es verlautet noch weiter, daß der Staats­sekretär im Reichsernährungsministerium von Rohr vorläufig im Amte bleiben wird.

Wieder Personalunion mit Preutzen Zu der Ernennung der neuen Reichs­minister verlautet noch von amtlicher preußi­scher Seite, daß Reichsernährungsminister Dr. Walther Darré auch zum preußischen Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten und Reichswirtschaftsminister Dr. Kurt Schmitt auch zum preußischen Minister für Wirtschaft und Arbeit ernannt werden wird.

Die Ernennung der neuen Reichsminister par an sich bereits vorbereitet.(Wir konnten eben Darré bereits auf Generaldirektor schmitt hinweisen. Red.) Es mußte nur noch ie Vollziehung der Ernennung durch den keichspräsidenten erfolgen. Dazu war die keise des Reichskanzlers nach Neudeck not­sendig. Sie diente bekanntlich auch der Aus­brache über die politische Lage, die jetzt durch ie Auflösung der neben der NSDAP. noch orhandenen Parteien geschaffen worden ist. luch die Frage der Auflösung der Zen­

rumspartei dürfte eine Rolle dabei ge­vielt haben. In der amtlichen Mitteilung ber die Ernennung der neuen Minister, von enen Dr. Darré schon seit Monaten als kom­

nender Reichsernährungsminister galt, ist be­

onders darauf zu achten, daß die Entlassung dugenbergs aus seinen Aemtern auf Vor­chlag des Reichskanzlers erfolgt ist. damit ist jener Legendenbildung ein Ende bereitet, die immer geflissentlich das Gerücht erbreitete, als sei Reichskanzler Adolf Hitler erjenige, der unter allen Umständen bestrebt ei, Reichsminister Hugenberg im Amte zu alten. Derartige Gerüchte waren nach der kücktrittserklärung Hugenbergs aufgetaucht, veil die erbetene Entlassung ihm erst zwei Lage nach seinem Rücktritt erteilt worden st.

Die Tatsache, daß der Staatssekretär im

keichsernährungsministerium v. Rohr=Dem­

nin im Amte geblieben ist, wird allgemein ehr beachtet. Staatssekretär von Rohr=Dem­

anzen Volkes ist die Waffe, mit der se. den lampf aufnehmen können, dessen Ziel lautet: hrot und Arbeit für ein freies deutsches

Houte=HoudrnmtP.serz.

Der Parteivorstand berät Die Selbstauflösung beginnt bereits

Berlin, 29. 6.

Der engere Parteivorstand der Zentrums­partei trat, nachdem, wie bereits gemeldet, schon in den letzten Tagen, insbesondere am Mittwoch, längere Vorberatungen stattgesun­den hatten, am Donnerstag in Berlin mit füh­renden Mitgliedern der Zentrumspartei aus dem Reiche zusammen, um über die durch die Auflösung der Deutschnationalen Front und die zahlreichen Austritte von Zentrumsparla­mentariern und Fraktionen aus der Zen­trumspartei geschaffene Lage zu beraten.

Schon vorher hatte man mit führenden Persönlichkeiten der RSDAP. Fühlung gesucht, und die junge Generation in der Zentrums­partei, die ihre Verbindung mit dem Vizekanz­ler von Papen niemals aufgegeben hatte, för­derte diese Entwicklung mit aller Macht. Es ist von vornherein klar, daß für die Zentrums­partei die einzig mögliche Lösung die ist, sich selbst aufzulösen und die Vertretung katholischer Interessen unter Lösung von ihrem bisherigen politischen Chaxakter anderen katholischen Organisationen zu übertragen. So spricht man insbesondere von der Gründung eines katho­lischen Bundes, der die katholischen Organi­sationen umfassen soll und dem die Rechtsauf­gaben der Zentrumspartei zu übertragen wären.

Ein Empfang des Zentrumsführers Reichs­kanzler a. D. Dr. Brüning bei Reichskanzler Adolf Hitler, von dem man vielfach gesprochen hat, dürfte zwar noch nicht erfolgt sein, doch glaubt man, daß um einen solchen Empfang von seiten des Zentrums nachgesucht worden ist.

Die Entscheidung über die Auflösung der Zentrumspartei dürfte schon am Freitag fallen.

Die Beschlüsse des engeren Parteivorstandes dürsten zur Grundlage der weiteren Verhand­lungen mit der NSDAP. dienen, insbesondere der Frage, was mit den Zentrumsabgeord­

neten geschehen soll. An sich wäre ihre Auf­nahme als Hospitanten in die Fraktionen der NSDAP. zu erwarten, doch steht wohl schon jetzt fest, daß

gegen einen Teil der Zentrumsparlamen­tarier aus früheren Kampfzeiten her eine unüberwindliche Abneigung

bei den örtlichen Organisationen der RSDAP. besteht. Ob man durch Aufforderung zur Mandatsniederlegung an solche Par­lamentarier eine Erleichterung der Lage schafft oder andere Möglichkeiten findet, darüber läßt sich vorläufig noch nichts sagen.

Die Verhandlungen über ein Reichs­konkordat dürften es der Zentrumspartei noch leichter machen, sich selbst aufzulösen, weil ja tatsächlich eine politische Vertretung konfes­sioneller Interessen im Reiche des National­sozialismus nicht nötig ist, weil Reichs= und Staatsführung sich ihrer Verantwortung gegenüber den Konsessionen in hohem Maße bewußt sind. Das gilt gleichmäßig sowohl für die evangelische als auch für die katholische Kirche.

Wie verlautet, weilt als Vertrauensmann der Zentrumspartei der Erzbischof von Frei­burg, Gröber, ebenfalls in Rom, sicherlich um dort auch Fragen, die mit der Zentrums­partei zusammenhängen, zu besprechen.

Die Auflösung beginnt

Im Lande draußen geht die Entwicklung auch im Zentrum weiter ihren Gang. Bisher maßgebende Zentrumszeitungen wie die Schlesische Volkszeitung in Breslau, die Grenzwacht in Schneidemühl und andere Blätter teilen bereits mit, daß sie als unab­hängige Tageszeitungen künftig er­scheinen und lediglich die katholischen Inter­essen besonders vertreten wollen; sie bekennen sich aufrichtig und ohne jeden Hintergedanken zum neuen Reich und seinem Führer Adolf Hitler. Ein Teil der Zentrumspresse hat schon