33. Jahrgang. Nummer 150
mit Bielefelder General-Anzeiger
Die„Westfällschen Neuesten Nachrichten“ unt den Beilagen für Sport. Unter haltung. Literatur, Frau und Kind. Haus. Hol und Garten. Ravensberger Blätter, Ra lio und Schach erscheinen wöchentlich 6mal und kosten monatlich .00 RM., im Posthinzug.00 RM. einschließlich.48 RM Zeitungsgebühr. aber ohne Bestellgel1. Sie können bei allen Trägerinnen. Agenturen. Postanstalten, Briefträgern und in unseren Filialen und Geschältsstellen bestellt werden Im Falle höherer Gewalt, oder infolge Störung des Betriebes hai der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung odler Nachlieferung oller auf Rückzahlung de: Rezugspreise: Hauptgeschältastelle und Relaktion Hielefeld. Rohrteichstr 9
Cieloser“
Freitag, 30. Juni 1933
und Handelsblatt
Anzuigenpreis: Der Raum für die Anzeigenspalte(29 mm breit, 1 mm boch) 15 Plg., für die Reklamezelle(70 mm breit, I mm boch) 60 Pig Rabatt nach besonderem Tarif Rei verspätetem Eingang der Zahlung oder bei Zwangseinziebung des Betrages kommt der gewährte Rabatt in Forttall. Beilagen 15 Mark das Tausen I. bei Teilauflagen 20 Mark Annahmestellen für Bielefeld die Geschäftsstellen Rohrteichstr 9. Alter Markt 2. Herforler Str 84. die Filialen Bahnhofstr 84. Kreuzstr 40. Arnitetr 41. Bleichetr 125: für Brackwede: Hauptstr 60; für Bleiefel! Schillesche: Talbrückenetr 4 Fernruf Gun llachZentrale 4970—4973 nacb 19 Uhr Geschäftastelle 4972 Redektion 4970 u 4073.
Der Kurswechsel
Bielefeld, 30. 6.
Die neuen Männer
Hugenbergs Rücktritt ist vollzogen.
Das zeitliche Zusammenfallen seines Rücktrittsgesuchs mit dem Selbstauflösungsbeschluß der Deutschnationalen Front hat beide Ereignisse in eine Verbindung miteinander gebracht, durch die Hugenbergs Rücktritt den Stempel einer innerpolitischen, vorwiegend parteipolitischen Aktion erhielt. Hugenbergs Rücktritt stand in den Würdigungen der Presse fast völlig unter dem Motto: Das Ende des Parteienstaats. Daß sich hierin aber die Bedeutung seines Rücktritts nicht erschöpft, lehren uns jetzt die Namen seiner Nachfolger. Es ist nicht nur der Parteiführer Hugenberg, der zur Kennzeichnung innerpolitischer Gleichschaltung seinen Rücktritt erbat und jetzt erhielt: heute, nach der Ernennung seiner Nachfolger ist es in erster Linie der Wirt
Carnera Weltmeister
Der Voxkampf um die Weltmeisterschaft zwischen Charkey und Carnera endete mit einem..=Eiege Carneras in der sechsten Runde.
(Ausführlicher Bericht im Sportteil).
schaftspolitiker Hugenberg, der seine Aemter freigab, damit ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel eintreten könne. An Stelle von Hugenberg und Bang bestimmen jetzt drei programmatische Namen: Schmitt, Darré und Gottfried Feder, den Kurs der deutschen Wirtschaftspolitik.
Klarblickende Führer des Nationalsozialismus haben von Anfang an erklärt, daß die nationale Revolution in Wahrheit eine nationalsozialistische sei. Ihr Wort hat auf dem Gebiete der Politik unbedingte Geltung gewonnen. Politische Taten haben es erhärtet. Die Selbstauflösung der Deutschnationalen Front, die freiwillige Eingliederung der gesamten Stahlhelmorganisation haben es bewiesen. Der deutsche Staat ist heute ein rein nationalsozialistischer Staat. Denn auch die Stunden des Zentrums sind gezählt. Das Ende dieser Partei, der letzten des alten Parteienstaates, ist nur noch eine Formsache. Die Selbstauflösung der Berliner Stadtverordnetenfraktion des Zentrums spricht eine deutliche Sprache, ob sie mit oder ohne Zustimmung von Herrn Brüning erfolgt ist. Es gibt heute kein Volk der Parteien mehr, es gibt nur noch ein Staatsvolk. Und sein Staat ist nationalsozialistisch.
In der Wirtschaftspolitik lagen die Dinge bisher anders. Hier war die Revolution bisher eine nicht nur nationale, sondern eine ausgesprochen deutschnationale geblieben. Geführt von zwei Männern unmißverständlich deutschnationaler Prägung. Jetzt sind Hugenberg und Bang dem vorwärtsdrängenden Tempo der deutschen Revolution gewichen, deren unermüdliche Vorkämpfer sie über ein Jahrzehnt waren, mit der sie aber schließlich nicht mehr Schritt zu halten vermochten. Heute ist auch die Wirtschaftspolitik nationalsozialistisch geworden. Neue Männer haben das Steuer ergriffen. Generaldirektor Schmitt vom Allianz=Konzern, dessen Name in den letzten Jahren schon wiederholt im Zusammenhang mit neuartigen Plänen genannt wurde und der in den Vereinigten Staaten einen guten Ruf besitzt; Walter Darré, der gegenüber dem konservativen Hugenberg den Typ des jungen revolutionären Bauern verkörpert, der das Buch vom„Neuadel aus Blut und Boden“, schrieb; und schließlich Gottfried Feder, der Schöpfer des urnationalsozialistischen Wirtschaftsprogramms, der einst die Parole von der„Brechung der Zinsknechtschaft" ausgab.
Gerade Feders Name spielt im Dreiklang der neuen Männer eine bedeutsame Rolle. Hitler hat wiederholt betont, wie stark der Nationalsozialismus Feder Dank schuldet, der einst der noch suchenden Bewegung mit dem Kampfruf gegen die Zinsknechtschaft den festen Mittelpunkt gab, um den sich das Gedankengut der Bewegung kristallisieren konnte.
Die Aufgabe, die die neuen Männer übernehmen, ist groß und schwer. Die Voraussetzungen erfolgreicher Arbeit sind ihnen in den letzten Wochen geschaffen. Die politische Einigung Deutschlands bildet die Grundlage ihres wirtschaftlichen Aufbaues. Der geschlossene Freiheits= und Arbeitswille des
„* Barke und GeitstleeIr...
Hugenbergs Rücktrikt genehmigt— Bang wird durch Feder ersetzt— Staatssekretär von Rohr bleibt zunächst
Berlin, 29. 6.
Reichskanzler Adolf Hitler ist am Donnerstag nachmittag nach Marienburg geflogen und hat sich von dort aus im Kraftwagen zum Gut Neudeck begeben, wo er um 17.30 Uhr eintraf und unverzüglich eine Unterredung mit dem Reichspräsidenten hatte.
Als Ergebnis der Besprechung wurde bekanntgegeben: Reichspräsident von Hindenburg hat auf Vorschlag des Reichskanzlers dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und Reichswirtschaftsminister Dr. Hugenberg die erbetene Entlassung aus seinen Aemtern erteilt und den Generaldirektor der Allianz=Versicherungs=.=G. Dr. Schmitt zum Reichswirtschaftsminister, sowie das Mitglied des Reichstages)r. Walther Darré zum Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ernannt.
Der Reichspräsident hat ferner den Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Dr. Bang einstweilen in den Ruhestand versetzt und zum Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium das Mitglied des Reichstages, Diplomingenieur Dr. Gottfried Feder ernannt.
min ist bekanntlich in den letzten Monaten in scharfen Gegensatz zu den nationalsozialistischen Bauernführern geraten, insbesondere neben Walther Darré zu dem Präsidenten des Reichslandbundes Meinberg, mit dem er einen aufsehenerregenden Briefwechsel geführt hat. Meinberg ist aber wiederum im agrarpolitischen Apparat der NSDAP. der engste Mitarbeiter des neuen Reichsernährungsministers Dr. Darré.
Man glaubt daher in politischen Kreisen nicht, daß die Zusammenarbeit zwischen Darré und von Rohr auf die Dauer möglich sein wird.
Ueberrascht hat allgemein die Ernennung des bekannten uationalsozialistischen Wirtschafts= und Finanztheoretikers Gottfried Feder zum Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium.
Darrés Mitarbeiter
Der neue Reichsernährungminister Darré wird in seinem neuen Amt sicherlich einen völlig neuen Kurs einschlagen, insbesondere plant er eine erheblich stärkere Förderung der bäuerlichen Siedlung und eine umfangreiche Entschuldung des bäuerlichen Besitzes. Dagegen
ist er ein Gegner der Entschuldung großer Latifundien, die er zur Siedlung freigegeben wissen will.
Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, wird Darré die Führung des Reichsstandes der deutschen Landwirtschaft, in dem alle Spitzenverbände zusammengesaßt sind, beibehalten. Sein Stellvertreter, der praktisch die Geschäfte führen wird, wird der Präsident des Reichslandbundes Meinberg werden. Reichsernährungsministerium wird außer dem persönlichen Adjutanten des neuen Reichsernährungsminister von Zeppelin ein besonders verantwortungsvolles Arbeitsgebiet der preußische Landtagsabgeordnete der NSDAP. Herbert Backe erhalten, der bereits Leiter der Hauptabteilung(Reichsführergemeinschaft des deutschen Bauerntums) im Rahmen der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung ist. Backe ist Domänenpächter und Dipl.= Landwirt. Er wurde am 1. Mai 1896 zu Batum im Kaukasus geboren, in Rußland erzogen, wurde während des Krieges von den Russen in einem Gefangenenlager interniert und kam dann nach Deutschland, wo er als Arbeiter tätig war. Nebenbei studierte er Landwirtschaft in Göttingen, war dann landwirtschaftlicher Beamter, von 1924 bis 1927 Assistent an der Technischen Hochschule Hannover, dann Domänenpächter.
Es verlautet noch weiter, daß der Staatssekretär im Reichsernährungsministerium von Rohr vorläufig im Amte bleiben wird.
Wieder Personalunion mit Preutzen Zu der Ernennung der neuen Reichsminister verlautet noch von amtlicher preußischer Seite, daß Reichsernährungsminister Dr. Walther Darré auch zum preußischen Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten und Reichswirtschaftsminister Dr. Kurt Schmitt auch zum preußischen Minister für Wirtschaft und Arbeit ernannt werden wird.
Die Ernennung der neuen Reichsminister par an sich bereits vorbereitet.(Wir konnten eben Darré bereits auf Generaldirektor schmitt hinweisen. Red.) Es mußte nur noch ie Vollziehung der Ernennung durch den keichspräsidenten erfolgen. Dazu war die keise des Reichskanzlers nach Neudeck notsendig. Sie diente bekanntlich auch der Ausbrache über die politische Lage, die jetzt durch ie Auflösung der neben der NSDAP. noch orhandenen Parteien geschaffen worden ist. luch die Frage der Auflösung der Zen
rumspartei dürfte eine Rolle dabei gevielt haben. In der amtlichen Mitteilung ber die Ernennung der neuen Minister, von enen Dr. Darré schon seit Monaten als kom
nender Reichsernährungsminister galt, ist be
onders darauf zu achten, daß die Entlassung dugenbergs aus seinen Aemtern auf Vorchlag des Reichskanzlers erfolgt ist. damit ist jener Legendenbildung ein Ende bereitet, die immer geflissentlich das Gerücht erbreitete, als sei Reichskanzler Adolf Hitler erjenige, der unter allen Umständen bestrebt ei, Reichsminister Hugenberg im Amte zu alten. Derartige Gerüchte waren nach der kücktrittserklärung Hugenbergs aufgetaucht, veil die erbetene Entlassung ihm erst zwei Lage nach seinem Rücktritt erteilt worden st.
Die Tatsache, daß der Staatssekretär im
keichsernährungsministerium v. Rohr=Dem
nin im Amte geblieben ist, wird allgemein ehr beachtet. Staatssekretär von Rohr=Dem
anzen Volkes ist die Waffe, mit der se. den lampf aufnehmen können, dessen Ziel lautet: hrot und Arbeit für ein freies deutsches
Houte=HoudrnmtP.serz.
Der Parteivorstand berät— Die Selbstauflösung beginnt bereits
Berlin, 29. 6.
Der engere Parteivorstand der Zentrumspartei trat, nachdem, wie bereits gemeldet, schon in den letzten Tagen, insbesondere am Mittwoch, längere Vorberatungen stattgesunden hatten, am Donnerstag in Berlin mit führenden Mitgliedern der Zentrumspartei aus dem Reiche zusammen, um über die durch die Auflösung der Deutschnationalen Front und die zahlreichen Austritte von Zentrumsparlamentariern und Fraktionen aus der Zentrumspartei geschaffene Lage zu beraten.
Schon vorher hatte man mit führenden Persönlichkeiten der RSDAP. Fühlung gesucht, und die junge Generation in der Zentrumspartei, die ihre Verbindung mit dem Vizekanzler von Papen niemals aufgegeben hatte, förderte diese Entwicklung mit aller Macht. Es ist von vornherein klar, daß für die Zentrumspartei die einzig mögliche Lösung die ist, sich selbst aufzulösen und die Vertretung katholischer Interessen unter Lösung von ihrem bisherigen politischen Chaxakter anderen katholischen Organisationen zu übertragen. So spricht man insbesondere von der Gründung eines katholischen Bundes, der die katholischen Organisationen umfassen soll und dem die Rechtsaufgaben der Zentrumspartei zu übertragen wären.
Ein Empfang des Zentrumsführers Reichskanzler a. D. Dr. Brüning bei Reichskanzler Adolf Hitler, von dem man vielfach gesprochen hat, dürfte zwar noch nicht erfolgt sein, doch glaubt man, daß um einen solchen Empfang von seiten des Zentrums nachgesucht worden ist.
Die Entscheidung über die Auflösung der Zentrumspartei dürfte schon am Freitag fallen.
Die Beschlüsse des engeren Parteivorstandes dürsten zur Grundlage der weiteren Verhandlungen mit der NSDAP. dienen, insbesondere der Frage, was mit den Zentrumsabgeord
neten geschehen soll. An sich wäre ihre Aufnahme als Hospitanten in die Fraktionen der NSDAP. zu erwarten, doch steht wohl schon jetzt fest, daß
gegen einen Teil der Zentrumsparlamentarier aus früheren Kampfzeiten her eine unüberwindliche Abneigung
bei den örtlichen Organisationen der RSDAP. besteht. Ob man durch Aufforderung zur Mandatsniederlegung an solche Parlamentarier eine Erleichterung der Lage schafft oder andere Möglichkeiten findet, darüber läßt sich vorläufig noch nichts sagen.
Die Verhandlungen über ein Reichskonkordat dürften es der Zentrumspartei noch leichter machen, sich selbst aufzulösen, weil ja tatsächlich eine politische Vertretung konfessioneller Interessen im Reiche des Nationalsozialismus nicht nötig ist, weil Reichs= und Staatsführung sich ihrer Verantwortung gegenüber den Konsessionen in hohem Maße bewußt sind. Das gilt gleichmäßig sowohl für die evangelische als auch für die katholische Kirche.
Wie verlautet, weilt als Vertrauensmann der Zentrumspartei der Erzbischof von Freiburg, Gröber, ebenfalls in Rom, sicherlich um dort auch Fragen, die mit der Zentrumspartei zusammenhängen, zu besprechen.
Die Auflösung beginnt
Im Lande draußen geht die Entwicklung auch im Zentrum weiter ihren Gang. Bisher maßgebende Zentrumszeitungen wie die „Schlesische Volkszeitung“ in Breslau, die „Grenzwacht“ in Schneidemühl und andere Blätter teilen bereits mit, daß sie als unabhängige Tageszeitungen künftig erscheinen und lediglich die katholischen Interessen besonders vertreten wollen; sie bekennen sich aufrichtig und ohne jeden Hintergedanken zum neuen Reich und seinem Führer Adolf Hitler. Ein Teil der Zentrumspresse hat schon