83. Jahrgang. Nummer 11
Ii Bieleleider dcheral-Anzeiger und Handeisblanl
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Glertsern
Freitag, 13 Januar 1933
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Schleichers Antwork auf die Kampfansage des Landbundes
Berlin, 12. 1.
Der scharfe Konflikt, der zwischen Reichsregierung und Landbund ausgebrochen ist und am Mittwoch zum Abbruch der Beziehungen zwischen Regierung und Landbund geführt hat, findet seine Fortsetzung in gegenseitigen Erklärungen, in denen zunächst einmal die Frage eine Rolle spielt, wann die Landbundentschließung dem Reichspräsidenten bekannt wurde.
Die Regierungserklärung teilt hierbei mit, daß am Mittwoch zwei Aussprachen stattgefunden haben, zuerst zwischen dem Reichspräsidenten allein mit den Landbundführern und dann unter umgehender Hinzuziehung des Reichskanzler, des Ernährungsministers und des Wirtschaftsministers am Abend. Erst nach der Rückkehr von dieser letzten Konferenz in sein Büro habe der Reichspräsident von der verletzenden und schroffen Entschließung des Landbundvorstandes Kenntnis erhalten.
Die Agrarpläne der Regierung
Außerdem enthält die Erklärung der Regierung gleichsam als Antwort auf die Kampfansage des Landbundes umfangreiche Mitteilungen über die gegenwärtigen Arbeiten zur Landwirtschaftshilfe. Danach hat bei der gemeinsamen Abendkonferenz
bereits der Entwurf einer neuen Agrarverordnung vorgelegen, mit deren Herausgabe nach einigen Abschlußarbeiten in kürzester Frist zu rechnen sei.
Die Agrarhilfe der Regierung Schleicher richtet sich danach auf drei Fragenkreise. Zunächst einmal wird die Margarineverordnung als sehr problematisch bezeichnet. Genau wie in anderen Ländern könne die Butterbeimischung nur vorsichtig gehandhabt werden, damit nicht etwa das Gegenteil einer Hilfe für die Landwirtschaft erreicht werde.
Die Regierung denke aber nicht daran, den nur mit aller Vorsicht beschrittenen Weg aufzugeben, und man hofft nach wie vor, daß trotz aller bisherigen Ablehnung die Margarineindustrie den Weg zur Regierung zurückfinde.
Regierung auf Grund früherer Erfahrung als nicht ausreichend und zu unverbindlich erklärt. Der Anspruch der Regierung auf Vertrauen zu ihrer„Politik hinter verschlossenen Türen“ ließe sich nur durch Taten beweisen, die eine grundsätzliche Abkehr von der seitherigen verhängnisvollen Wirtschaftspolitik erkennen ließen.
Scharfe Kritik am Landbund
In der Presse wird an dem aggressiven Vorgehen des Reichslandbundes fast durchweg scharfe Kritik geübt. Man betont, daß sich der Landbund zu Unrecht zum Sprecher der Gesamtlandwirtschaft mache und spricht seinen
Berlin, 12. 1.
Nachdem ein Berliner Blatt der Sache auf die Spur gekommen ist, wird nun von unterrichteter Seite bestätigt, daß
Gregor Strasser vom Reichspräsidenten in der vorigen Woche empfangen worden ist. Wie jedoch gleichzeitig erklärt wird, hatte der Empfang nur den Zweck, daß der Reichspräsident sich über die Persönlichkeit Gregor Strassers orientieren wollte, weil sein Name in der Politik letzthin sehr häufig genannt wird. Der Reichspräsident hat bei dem Empfang auch davon abgesehen, sich zu dem zu äußern, was Strafser vorgetragen hat.
*
Ganz so belanglos, wie es diese Bestätigung darstellt, ist ja nun die politische Bedeutung des Empfanges nicht. Immerhin kann der Besuch Strassers bei Hindenburg von gewisser Seite als ein sanfter Druck auf Adolf Hitler aufgefaßt werden. Beachtlich ist dabei Hindenburgs ritterliche Geste gegenüber Hitler, daß er sich jeder Stellungnahme zu Strassers Darlegungen enthalten hat.
Führern teilweise sogar die persönlichen und sachlichen Qualitäten zur Rettung der Landwirtschaft ab. Auch der Reichsverband der Deutschen Industrie hat in einer scharfen Erklärung gegen das Vorgehen des Reichslandbundes Stellung genommen, ebenso der Reichsverband des Groß= und Ueberseehandels.
Wie im Zusammenhang mit dem Landbundkonflikt und den neuen Agrarplänen abermals betont wird, decken sich die Ansichten des Reichsernährungsministers von Braun vollkommen mit denen der gesamten Reichsregierung.
Hitler— Schleicher wird nach wie vor abgestritten. Auch Gerüchte, wonach Hitler eine Zusammenkunft mit Gregor Strasser gehabt haben soll, werden von der Reichspressestelle der RSDAP. als völlig aus der Luft gegrifsen bezeichnet.
Strasser sprach auch mit Brüning
Gregor Strasser, der sich in den Weihnachtsfeiertagen auch bei dem nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Fabrikant Kiehn in Trossingen(Württemberg) aufhielt, ist, wie die „Vossische Zeitung“ wissen will, von dort aus auch mit dem früheren Reichskanzler Brüning zusammengekommen, der während der Weihnachtsferien in Freudenstadt weilte. Die Unterredung fand in dem nahegelegenen Trossingen statt.
Posizei stürmt ein Haus
20 Tote bei Zusammenstößen mit Anarchisten in Spanien
Madrid, 12. 1.
In dem kleinen spanischen Dorf Casasviejas(Provinz Cadiz) ist es zu blutigen Zusammenstößzen zwischen Polizei und auarchistischen Elementen gekommen, die sich in einem Gebäude verschanzt und, um die Polizei abzuschrecken, an der Fassade des Hauses den Leichnam eines Polizisten befestigt hatten. Die Polizei stürmte das Gebäude mit Maschinengewehren und Bomben. Die Zahl der Toten wird mit 20 angegeben.
Nach dem Bombardement wurde das Gebäude in Brand gesteckt. Sämtliche Insassen kamen ums Leben. Man hat 19 verkohlte Leichen geborgen. Auf seiten der Polizei sollen drei bis vier Mann gefallen sein. Bei der Säuberung der Ortschaft wurde aus einzelnen Häusern geschossen.
Waffenruhe in China?
England vermittelt WaffenstillstandsVerhandlungen
Peping, 12. 1.
In Gegenwart eines englischen Marineoffiziers soll am Donnerstag in Tschingwangtau eine Zusammenkunft chinesischer und japanischer Vertreter stattgefunden haben, deren Ziel es war, die Form zu beraten, unter der
offizielle Verhandlungen über einen Wassenstillstand für die Zone von Schauhaikwan
eingeleitet werden könnten.
Die chinesische Regierung hat in einer an die Signatarmächte des Boxer=Protokolls vom Jahre 1901 gerichteten Note von der Besetzung Schanhaikwans durch japanische Truppen offiziell Mitteilung gemacht und darauf verwiesen, daß sie keine Verantwortung für Schäden übernehmen könnte, die etwa durch die legitime Gegenwehr chinestscher Verteidigungskräfte entstehen könnten.
Mensch und Maschinle
Das Für und Wider einer Arbeitszeilverkürzung
Krasser der hindendurg und dei Beantng
Kombinationen um Strasser aber nicht mehr aktuell, da Fühlungnahme der Regierung mit Hiller zustandegekommen
In der Zollfrage werden verstärkte Schutzmaßnahmen in Aussicht gestellt, wobei die besonderen Interessen des Kleinbauern gewahrt werden sollen. Einzelheiten können jedoch noch nicht bekanntgegeben werden.
Im Mittelpunkt des Schleicherschen Agrarprogramms steht der Vollstreckungsschutz, der voraussichtlich das ganze Reichsgebiet umfassen soll, ohne allerdings, wie es heißt, die Gläubigerinteressen außer acht zu lassen. Zwangsversteigerungen sollen bei der Landwirtschaft möglichst vermieden werden.
Im Zusammenhang mit diesen Agrarmaßnahmen weist die Regierung darauf hin, daß entgegen anderen Meldungen genügend Siedlungsland zur Verfügung stehe. In nächster Zeit werde außerdem noch sehr viel weiteres Land anfallen, und zwar schon bei der Entschuldung der größeren Güter(an die man also wohl jetzt energischer herangehen will).
neue Landbunderklärung
Der Landbund seinerseits hat eine neuerliche Erklärung herausgegeben, die an Schärfe des Tones der vorherigen Kampfansage kaum nachsteht. Man spricht in bezug auf die Regierungserklärung vom Mittwoch von„wesentlichen Lücken und Unrichtigkeiten, die geeignet seien, den wahren Tatbestand zu verdunkeln". Gemeint ist hierbei insbesondere die erst nachträgliche Bekanntgabe der Tatsache, daß erst auf Grund der ernsthaften landwirtschaftlichen Vorstellungen die erweiterte Konferenz mit dem Reichskanzler und den Ministern einberufen worden sei. Im übrigen unterstreicht die Landbunderklärung nochmals die
äußerst zugespitzte Verzweiflungsstimmung
in der Landwirtschaft,
während man die bisherigen Hilfszusagen der
Beachtlich ist hierbei noch eine Meldung, wonach die politischen Kombinationen, in denen Gregor Strasser eine große Rolle spielte, gegenwärtig etwas mehr in den Hintergrund getreten zu sein scheinen, weil
es der Reichsregierung gelungen ist, mit dem Führer der nationalsozialistischen Partei Hitler selbst in Fühlung zu kommen. Ueber die Art dieser Fühlungnahme verlautet jedoch nichts. Eine direkte Aussprache
Die Führer der
Graf Kalckreuth,
der Präsident des Reichslandbundes, dessen Rücktritt jedoch bevorstehen soll.
Genf, 12. 1.
Auf der internationalen Konferenz für die Einführung der 40=Stunden=Woche wurde die allgemeine Aussprache fortgesetzt. Sie ergab keine wesentlich neuen Gesichtspunkte. Die Vertreter der Arbeitgeber sprachen sich gegen den Abschluß einer Konvention aus. Die Arbeitnehmervertreter forderten sie mit größter Entschiedenheit, und die Regierungsvertreter verhielten sich teils zustimmend, teils zurückhaltend.
Der deutsche Arbeitnehmervertreter
„geatlen
von Sybel,
Vorstandsmitglied und Wortführer des Reichslandbundes.
Spliedt sprach die Erwartung aus, daß wenigstens eine Teillösung erzielt werde. Im Gegensatz zu dem dänischen Arbeitgebervertreter, der die Zuverlässigkeit der Statistiken über die technologische Arbeitslosigkeit bezweifelt hatte, stellte der Redner fest, daß
in Deutschland in den Jahren 1925 bis 1931 eine Million Arbeiter durch die Maschinen verdrängt
worden seien. Selbst die Krise habe die Rationalisierung nicht aufgehalten.
Die technischen Schwierigkeiten einer Verkürzung der Arbeitszeit würden von den Arbeitgebern stark übertrieben. In Deutschland arbeiteten heute schon ein Drittel der Arbeiter durchschnittlich nur 34 Stunden. Trotzdem blieben die betreffenden Betriebe konkurrenzfähig.
Eine geringe Zunahme der Produktionskosten sei nicht so schlimm, wie die Fortdauer der ungeheuren Arbeitslosigkeit.
Bemerkenswert war die Stellungnahme des italienischen Arbeitgebervertreters Olivetti, der sich bisher der Ablehnung der Arbeitgebergruppe nicht angeschlossen hatte, und zwar wohl, weil die Aktion für die Einführung der 40stündigen Arbeitswoche von der italienischen Regierung ausgegangen ist. Olivetti suchte in einer mehr als einstündigen Rede die Bedenken der italienischen Arbeitgeber gegen die allgemeine Einführung der 40stündigen Arbeitswoche zu begründen. Er ging sehr in Einzelheiten, um die praktische Undurchführbarkeit einer allgemeinen internationalen Regelung nachzuweisen. Er bestritt nicht, daß durch die Verkürzung der Arbeitszeit die Arbeitslosigkeit bekämpft werden könne, meinte aber, daß man dieses Ziel auch mit dem System der Kurzarbeit er