38. Jahrgang. Nummer 5
mit Bielefelder General-Anzeiger und Handelsblatt
Die„West. Neuesten Nachrichten“ mit den Bellagen für Sport, Untorhaltung, Literatur, Frau und Kind, Haus, Hof u. Garten, Ravensberger Blätter, Radio u Schach, erscheinen wöchentl. 6mal u. kosten monatl..00 RM., im Postbezug.00 RM., zuzüglich Bestellgeld. Sie können bei allen Trägerinnen, Agenturen, Postanstalten, Briefträgern und in unseren Filialen u. Geschäftsstellen bestellt werden. Hauptgeschäftsstelle u. Redaktion Bielefeld, Rohrteichstr. 9, Ruf für die Geschäftsstelle u. Redaktion durch die Gundlach-Zentrale: 4970—4973, nach 19 Uhr Geschäftsstelle 4972, Redaktion 4970 u. 4973.
Cleioseln
Freitag, 6. Januar 1933
Anzeigenpreis. Der Raum für die Anzeigenspalte(29 mm breit, 1 um boch) 15 Plg., für die Reklamezeile(70 mm breit. 1 mm hoch) 60 Pig. Rabatt nach besonderem Tarif. Bei verspätetem Eingang der Zahlung oder bei Zwangseinziehung des Betrages kommt der gewährte Rabatt in Fortfall. Beilagen 15 Mark das Tausend, bei Teilauflagen 20 Mark. Annahmestellen für Bielefeld lie Geschäftsstellen Rohrteichstraße 9, Alter Markt 2, Herforder Str 84, die Filialen Bahnhofstr. 34, Kreuzstr. 40. Arndtstr. 41, Bleichstr. 125; für Brackwede: Hauptstr. 60; für Bielefeld-Schildesche: Talbrückenstraße 4
Heumtreich siulen den Sseschag
Garnisonverstärkungen und umfangreiche Truppenverschiebungen an der deutschen Grenze
Expräsident Coolidge gestorben
New York, ö. 1.
Der frühere amerikanische Präsident Calvin Coolidge ist gestorben. Er wurde in seinem Heim von seiner Frau, die vorübergehend abwesend war, tot aufgesunden. Morzens hatte er sich, wie gewöhnlich, in sein Büro begeben, war jedoch gegen 10 Uhr wieder nach Hause gegangen. Als er von seiner Frau aufgefunden wurde, war der Tod vermutlich bereits vor einer Viertelstunde eingetreten. Seit etwa zwei bis drei Wochen hatte Coolidge unter einer Magenerkrankung zu leiden. Als Dudesursache wird eine Herzaffektion angenommen.
*
Calvin Coolidge wurde am 4. Juli 1872 in dem Bergdörschen Plymouth im Staate Vermont als Sohn eines Farmers geboren. Er studierte Mathematik und später Rechtswissenschaften. Im Alter von 27 Jahren war er bereits Präsident einer Bank in Northampton(Mass.), später trat er in den Dienst der Kommunalverwaltung, wurde Bürgermeister, Senator und schließlich stellvertretender Gouverneur von Massachusetts(1916 bis 1918). Als Gouverneur wurde dann Coolidge über die Grenzen des Staates durch die Unterdrückung eines Streiks der Bostoner Polizisten im Jahre 1919 bekannt. Den Gouverneurposten behielt er bis zum März 1921.
Damals wurde Harding zum Präsidenten und Coolidge zum Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Bis dahin war die Stellung des Vizepräsidenten völlig bedeutungslos. Harding aber räumte Coolidge einen Platz in den Kabinettssitzungen ein, sodaß Coolidge schon bei Lebzeiten des Präsidenten eine bedeutsame politische Rolle spielen konnte. Als dann Harding 19 Monate vor Ablauf seiner Amtszeit starb, folgte ihm Coolidge im August 1923 automatisch nach der Verfassung im Amte nach. Im Sommer 1924 wurde er für die Neuwahl als Kandidat der Republikaner aufgestellt und am 4. November 1924 mit sehr großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Am 4. März 1929 endete seine Präsidentschaft. Ihm folgte Herbert Hoover, den Coolidge selbst als seinen Nachfolger empfohlen hatte. Coolidge zog sich von der Politik zurück und wurde Direktor der New Yorker Lebensversicherungsgesellschaft.
Der große Schweiger, so hieß der Präsident, weil er in seiner politischen Tätigkeit und auch im politischen Kampfe die Taktik des Schweigens zur höchsten Kunst ausgebildet hatte, erfreute sich, zumindest in den ersten beiden Dritteln seiner Amtszeit ganz außerordentlicher Beliebtheit. In jene Zeit fiel die Hochblüte der amerikanischen Prosperität mit all ihren Folgeerscheinungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiete. Andererseits wurde Coolidge vielfach wegen wirtschaftlicher Skandalassären auch persönlich angegriffen. Man wollte insbesondere von großen Schiebungen der Petroleuminteressenten bei seiner
Wahl wissen.
Hoover hat in einer Proklamation dem amerikanischen Volk von dem Ableben Coolid= ges Mitteilung gemacht und angeordnet, daß die Flaggen 30 Tage lang halbmast gesetzt werden sollen.
Der ungarische Außenminister Puky ist am Donnerstag zurückgetreten. Sein Nachfolger ist der Berliner ungarische Gesandte Kanya. Der bisherige Außenminister Puky soll zum Präsidenten des ungarischen Verwaltungsgerichtshofes ernannt werden.
Paris, 5. 1.
Nach einer Meldung des„Matin“ aus Nancy sind durch Gesetz und entsprechende Verordnungen des Präsidenten der Republik der Kriegsminister und der Große Generalstab ermächtigt worden, bestimmte
neue Truppeneinheiten
zu schaffen, die für die Befestigungsanlagen an der Ostgrenze bestimmt sind. Die Durchführung der Grenzbefestigungsanlagen mache es notwendig, bereits zu Friedenszeiten nicht nur über besondere Fußartillerie= und Pionier= abteilungen zu verfügen, sondern auch über Infanterie= und Feldartillerieeinheiten, die dauernd in die Befestigungsanlagen gelegt
werden und eventuell für die Verteidigung ihres Frontabschnittes eingesetzt werden sollen. Zu diesem Zwecke würden acht französische Infanterieregimenter besonders
zusammengesetzt und verstärkt werden, und zwar zwei zu je sechs Bataillonen, zwei zu je fünf Bataillonen und vier zu je vier Bataillonen.
Ebenso würden die motorisierten Artillerieabteilungen der Grenzbefestigungsgegend umfassen: ein Regiment mit acht leichten und vier schweren Batterien und eine Abteilung mit vier leichten und zwei schweren Batterien. Die Luftschutzabteilungen würden von vier auf sechs erhöht werden. Im einzelnen seien Bestimmungen über zahlenmäßige Aenderungen entsprechend den verschiedenen Frontabschnitten vorgesehen.
Am französisch=deutschen Grenzabschnitt
werde diese Reorganisation bedeutende Aenderungen in der Garnisonierung mit sich bringen.
Diese Verstärkung der an der stehenden Regimenter bringt nach der Matin
meldung eine Verringerung der Truppenbestände anderer Divisionen mit sich. Die Umstellung soll am 1. April durchgeführt sein.
*
Die vom„Matin“ gemeldete Umorganisation der französischen Grenztruppen gegenüber Deutschland hat einmal den militärischen Sinn, daß das vom Panzerturm bis zum kleinsten Drahtverhau vorbereitete und zum großen Teil schon ausgebaute Netz der französischen Grenzbefestigungen an der Ostgrenze
zu höchster Schlagkraft befähigt
werden soll. Der Sinn des Grenzbefestigungssystems ist bekanntlich eine auf den Erfahrungen des Weltkrieges aufgebaute Tiefenstaffelung einzelner einander ergänzender befestigter Stützpunkte, die eine gewisse Elastizität in der Abwehr eines(immer wieder als bedrohlich hingestellten deutschen) Angriffs gewährleisten sollen. Dieser Be
weglichkeit des Grenzkampfes soll auch die Neugliederung der Grenztruppen dienen, die jetzt vom„Matin“ berichtet wird.
Außerdem haben gerade in diesem Zeitpunkte die französischen Maßnahmen aber wohl auch einen politischen Zweck. Frankreich hat bekanntlich bei den letzten Abrüstungsverhandlungen seine Sicherheitsforderungen gegenüber den deutschen Gleichberechtigungswünschen in etwa zurückstecken müssen. Durch eine
große Demonstration des Abwehrausbaues an der deutsch=französischen Grenze
will Frankreich nunmehr aller Welt offenkundig machen, wie sehr es genötigt ist, gerade gegenüber dem bedrohlichen deutschen Nachbar energische Verteidigungsmaßnahmen zu treffen. Der Widerhall der französischen Grenzverstärkungen auf der Genfer Abrüstungskonserenz wird bei deren baldigem Wiederzusammentritt daher nicht ausbleiben.
(Red.)
Aussprache Braun-Schleicher
Die Regierung Braun will den preußischen Etat nachzeichnen
Berlin, 5. 1.
Am Freitag wird voraussichtlich eine Unterredung zwischen Reichskanzler von Schleicher und Ministerpräsident Braun über den Preußen=Konflikt stattfinden.
Es verlautet, daß die preußische Staatsregierung bei dieser Gelegenheit auch darauf aufmerksam machen wolle, daß nach dem Leipziger Urteil sie als Hoheitsregierung allein berechtigt sei,
den preußischen Staatshaushaltsplan für
1933 dem Parlament vorzulegen und den Etat im Parlament zu vertreten.
Die Regierung Braun könne diese Verpflichtung jedoch nur durchführen, wenn man ihr nicht einen in der Kommissariatsregierung fertiggestellten Etat zur bloßen Uebermittlung an das Parlament überweise, sondern wenn sie selbst Gelegenheit erhalte, durch eigene Nachprüfung der Unterlagen für den Haushaltsplan und durch eigene Mitarbeit die Positionen des Etats verantwortlich vertreten zu können. In unterrichteten Kreisen wird hierzu bemerkt, daß gegenwärtig die Vorarbeiten für den Etat in den zuständigen Ressorts noch nicht zum Abschluß gelangt sind, weil man die Absicht habe, im neuen Haushaltsplan schon all die Aenderungen zu berücksichtigen, die durch die verschiedenen Reformmaßnahmen wie die„Auflösung des Wohlfahrtsministeriums usw. notwendig werden. Unter diesen Umständen ist nicht damit zu rechnen, daß der preußische Staatshaushaltsplan fristgerecht, d. h. bis zum 31. März d.., vom Parlament verabschiedet werden kann. Allerdings würden irgendwelche praktischen Schwierigkeiten für die preußische Verwaltung aus dieser Verzögerung nichtentstehen.
Die 759Ap. und Schleicher
Die Nationalsozialisten für Mißtrauensantrag
In München sprach am Donnerstag der Vorsitzende der nationalsozialistischen Reichstagsfraktion Frick über die
Einstellung der RSDAP. zum Kabinett Schleicher.
Der Redner erklärte, das Kabinett sei von
Die Karte der deutschfranzösischen Grenze
zeigt deutlich die bis ins Kleinste ausgebaute französische Grenzbefestigung. Angeblich nur zur Abwehr errichtet, bieten die weiten Befestigungsstrecken ein hervorragend gesichertes Aufmarsch= gelände gegen Deutschland, das nach dem Versailler Vertrag bekanntlich keinerlei Grenzbefestigungen besitzt und auch sein westliches Grenzgebiet entmilitarisieren mußte.
Anerkee ung 9,.....„....
Um die Eingliederung der AsDAp. in eine nationale Konzentration
Berlin, 5. 1.
Ueberraschend wird jetzt bestätigt, daß in iln am Mittwoch zwischen Hitler und dem üheren Reichskanzler von Papen eine
uterredung stattgefunden hat.
Die„Nationalsozialistische Korrespondenz“ eint, daß es sich lediglich um eine zwang
sse Unterhaltung über die politische ige gehandelt habe. Die Zusammenkunft ibe im Hause eines Freundes der Köln stattgesunden.
Reichskanzler a. D. von Papen äußerte 1f Befragen über die Gerüchte, die im Zummenhang mit seiner Aussprache mit Hitler Köln aufgetaucht sind, folgendes:
„Anläßlich meiner Reise nach Düsseldorf meiner Mutter habe ich mit Herrn Hitler ne politische Aussprache in Köln habt. Wie mir mitgeteilt wird, knüpft ein eil der Berliner Presse an die Meldung erüber Kommentare, die frei erfunden nd, so insbesondere die Darstellung, als ob Unterredung mit Herrn Hitler eine Spitze gegen den Reichskanzler oder
die gegenwärtige Regierung
gehabt habe. Das Gegenteil ist der Fall. Die Aussprache hat sich ausschließlich um die Lösung der Frage gedreht, der schon die Arbeit des letzten Halbjahres gewidmet war, der Frage der Eingliederung der NSADP. in eine nationale Konzentration.“
Auf die Bemerkung, daß es doch auffalle, wenn Hitler mit dem von ihm schrankenlos bekämpften Kanzler eine Unterredung gehabt habe, erwiderte von Papen:
„Herr Hitler hat immer betont, daß sein Kampf niemals meiner Person galt, und ich glaube, daß, wenn es das Ziel eines großen nationalen Zusammenschlusses gilt, jeder nach seinen Kräften mithelsen muß, gleichviel, was vorher einmal gewesen ist.“
Auf die Frage, ob der Nationalsozialismus heute noch die gleichen Bedin gungen an eine Regierungsbeteiligung knüpfen würde wie im November und Dezember oder ob in dieser Hinsicht die Ansprüche und Ansichten revidiert seien, gab der eheKanzler keine Antwort.