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Antrüches Rreseiall
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für den kreis börde.
Schwerter Volksblatt
Verbunden mit:
General-Anzeiger für den Kreis horde
Schwerter Volks-Zeitung
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Alie kreis- und lokalpolizeilichen Verordnungen für den Kreis Hörde erlangen gemäss Bekanntmachung der Königl. Regierung durch Ueröttentlichung in der„Schwerter Zeitung“ rechtso o o o o o verbindliche Kraft oo oc c c Druck und Verlag von Carl Braus, Schwerte-(Ruhr). Fernsprecher Nr. 62. Celegr.-Adresse: Braus, Schwerte-Ruhr.
Nr. 2°6.
Donnerstag, den 14. September 1911.
43. Jahrg.
stes Blatt.
Das Reden vom Krieg.
In allen besonnen denkenden deutschen Kreisen ist niemals ernstlich daran gezweifelt worden, daß die Marokkoverhandlungen mit Frankreich zu einem friedlichen Abschluß führen würden, aber es ist eine Tatsache, daß in sehr weiten Volksschichten wirklich mit der Möglichkeit eines Feldzuges gerechnet worden ist. So war es in den Gegenden, durch welche der volle Verkehrsstrom flutet, wie in einsamen Dörfern, in die ein Sonntagsurlauber aus der nächsten Garnison die Kunde mitbrachte:„Vater, Mutter, es gibt bald Krieg!“. Und da selbst eines einfachen Soldaten Wort einen gewissen Nachdruck ausübt, so war die Nachricht schnell bekannt. Daß sich die Gerüchte dann bis zu bestimmten Behauptungen von bereits erfolgten Mobilmachungsordres anwuchsen, war nur ein Schritt; das haben, die unliebsamen Anstürme des Publikums auf verschiedene Sparkassenanstalten bewiesen.
Erfreulicherweise ist dieses Reden vom Krieg unbegründet und wird es bleiben, aber diese Episode gewährt doch interessante Einblicke in die Volksseele. Ueber vier Jahrzehnte haben wir keinen großen Feldzug gehabt, die Bevölkerung hat in dieser Zeit nur Frieden und Friedensarbeit gekannt, und die militärischen Bilder der Manöver haben die Einsicht genährt, daß unsere Armee in ihrer Stärke das beste Mittel ist, Kriege zu verhüten. Aber die uralte deutsche Tatenlust ist in den verwichenen Jahren nicht eingeschlafen, das konnten wir schon bei den zahlreichen Freiwilligen=Meldungen für die größeren Expeditionen in China und in Deutsch=Südwestafrika sehen. Jetzt, bei den Kriegsgerüchten, sist die Waffenlust wirklich hell aufgeflammt. Nicht, daß ein Feldzug unter allen Umständen herbeigewünscht wurde, aber in den blitzenden Augen von Tausenden junger Leute war zu lesen:„Wenn ein Krieg kommt, uns soll er recht sein!“. Und in den Großstädten, in Berlin, wo gegen den„Marokkorummel“ demonstriert wurde, sprachen viele Arbeiterkreise genau so, wenn die Rede darauf kam. In dem unerbittlichen und ernsten Wort„Krieg“ liegt doch nun einmal eine ganz merkwürdige Schwungkraft, wie es sich auch im Kampfe bei Tausenden erst zeigt, welche Helden in äußerlich bescheidenen, schlichten Menschen stecken.
Wer sich der Vorgänge im Juli 1870 vor dem Kriegsanbruch noch genau entsinnen kann, der wird eine große Aehnlichkeit in der Volksstimmung von damals und heute feststellen. Vor 41 Jahren war man, um den Ausdruck zu gebrauchen, mehr an blutige Auseinandersetzungen„gewöhnt"; wir hatten 1864 und 1866 soeben erst hinter uns, in Nordamerika war der große Bürgerkrieg ausgefochten, die Franzosen hatten in Mexiko gekämpft, der französisch=italienisch=österreichische Krieg und der Krimfeldzug hatten stattgefunden, und so wurde eine neue Mobilmachung nicht als ein Unglück empfunden. Aber wir können von heute sagen, daß die Bereitwilligkeit, wenn es sein mußte, zu schlagen, der von 1870 glich. Und wenn die Siegeszuversicht jetzt nicht geringer war, wie damals, so wollen wir mit einzelnen kräftigen Worten nicht deuteln; wer an einen Sieg nicht glaubt, erringt ihn auch nicht.
Mag ein Krieg auch noch so furchtbar erscheinen, die Empfindung, mit dabei zu sein, Blut u. Leben mit in die Schanze schlagen zu können, ist doch eine gewaltige, und wir wollen uns freuen, daß sie in all den Jahren, die den Deutschen in mancher Beziehung umgemodelt haben, unverändert geblieben ist. Wer diese Volksströmung erkannt hat, der sieht auch, welcher Unterschied sich zwischen unseren britischen Vettern und uns aufbaut. Die allgemeine Dienstpflicht schlingt um alle Deutschen, die den „Waffenrock getragen chaben, ein einziges, einigendes Band, während man in England von dem wahren Volk in Waffen und von seiner Voraussetzung, dem allgemeinen Militärdienst, wenig wissen will. Dieser Umstand erklärt allerdings auch die englische Politik, die stets und ständig einen Staat auf dem europäischen Festland gebraucht, den sie für ihre Interessen ausspielen kann. Deutschland verfügt über eigene Machtmittel, und im Bewußtsein seiner Stärke kann es friedlich sein bis zur Grenze seiner Ehre.
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Politische Uebersicht.
Der Thronfolger der schwarzburgischen Fürstentümer. Der
regierende Fürst von Schwarzburg=Sondershausen und Schwarz= burg=Rudolstadt, Fürst Günther, hat dem präsumtiven Thronfolger beider Länder, dem Prinzen Sizzo von Leutenberg, den
erblichen Titel„Prinz zu Schwarzburg“ verliehen. Prinz Sizzo ist ein Sohn des im Jahre 1897 verstorbenen Fürsten Friedrich Günther von Schwarzburg=Rudolstadt und seiner zweiten Gemahlin Helene v. Erdmannsdorfer, späteren Prinzessin von Anhalt. Seine Ernennung zum Thronfolger beider Länder erfolgte durch einen im Jahre 1896 mit Zustimmung beider Landtage abgeschlossenen Staatsvertrag.
Reform der Fahrkartensteuer. Die Vorberatungen für die Reform der Fahrkartensteuer zwischen Preußen und den größeren Bundesstaaten werden im Herbst zum Abschlusse gebracht werden, so daß dem neuen Reichstage der neue Entwurf zu Beginn des nächsten Jahres zugehen kann. Die bisherigen Verhandlungen haben zur Genehmigung des preußischen Vorentwurfes im allgemeinen geführt. Nach diesen Vorschlägen wird der geltende Steuertarif abgeändert, ohne eine Erhöhung zu bringen; er soll vor allem die größere Belastung der beiden oberen Wagenklassen mindern. Eine Besteuerung der vierten Klasse ist nach wie vor nicht beabsichtigt. Möglich ist auch, daß die unterste Steuergrenze, jetzt 60 J, auf 1 A heraufgesetzt
wird, um dem Stadt= und Vorortverkehr entgegen zu kommen. Durch die Reform sollen die Einnahmen des Staates nicht gekürzt werden, da, man hofft, durch sie die Benutzung der oberen Klassen zu heben.
Zur Sicherung von Bauforderungen. Auf Grund eines Beschlusses des preußischen Landtages ist durch den Handelsminister die Aufnahme einer Statistik angeordnet worden, durch welche festgestellt werden soll, ob Bauschwindel in größerem Umfange betrieben wird und welche Verluste in demn letzten drei Jahren die Handwerker bei Zwangsversteigerungen erlitten haben. Zu diesem Zwecke werden nunmehr laut„Tägl. Rdsch.“ die Erhebungen in einer Reihe größerer und mittlerer Städte angestellt.
Die Schulden der Städte. Es war selbstverständlich, daß sich der in diesem Jahre in Posen zusammengetretene deutsche Städtetag auch mit der Frage der üblen Schuldenwirtschaft der Städte beschäftigen würde, nachdem die Schulden der Städte die des Reiches bei weitem übertroffen haben. Der Städtetag hat seinen Mitgliedern dringend empfohlen, außerordentliche Bedürfnisse mehr, als bisher geschehen, durch Fondsbildung zu decken und dadurch das Anschwellen der städtischen Anleihen zu vermeiden und den Wohlstand der Städte zu heben. Es muß zugegeben werden, daß die Städte viel in kultureller Hinsicht getan haben, es war gewissermaßen ein Wettlauf auf sozialpolitischem Gebiet, den man veranstaltete. Schuldenwirtschaft ist aber auf alle Fälle ungesund, zumal man die Deckung bisher eigentlich nur auf eine wachsende Steuerkraft des Bürgertums basierte. Wenn diese aber ausbleibt? Dann werden die großartigen städtischen Anlagen unangenehm empfunden, dann wird Wohltat Plage. Keine Entwickelung darf überhastet werden.
Ein neues Mutungsrecht. Ein Entwurf betreffs der Gewinnung von Steinkohlen durch Privatpersonen ist nach der „Post“ im Handelsministerium fertiggestellt und wird demnächst das Staatsministerium beschäftigen, nachdem der Entwurf bergbaulichen Kreisen zur Begutachtung vorgelegt sein wird. Der Entwurf ist eine Folge des Berggesetzes, das im§ 2 bestimmt, daß dann das Recht der Ausnutzung und Gewinnung von Steinkohlen durch Privatpersonen Kraft hat, wenn sie auf eine Ausnutzung bestimmter Felder verzichten.
Der preußische Handelsminister besichtigt Bergwerke. Der Handelsminister wird laut„Tägl. Rdsch.“ im Laufe dieses Monats oberschlesische Staatswerke besuchen, um sie kennen zu kernen. Am 25. September trifft der Minister iin Zabrze ein und wird auf dem Ostfelde der„Königin=Luise=Grube“ einfahren. Dann folgt eine Besichtigung der Delbrück= und Rheinbabenschächte, sowie der Besuch mehrerer nicht fiskalischer Hüttenwerke. Nicht übel wäre es vielleicht, wenn ein solcher Besuch eines Ministers in Staatswerken eine Ueberraschung bilden würde.
Die Marokkofrage und die Parlamentarier. Von sonst gut unterrichteter Seite hören wir, daß der Staatssekretär von Kiderlen=Wächter bezw. der Reichskanzler Gelegenheit gehabt hätte, mit verschiedenen Abgeordneten über die MarokkoSache zu sprechen. Dazu können wir aus unserer Kenntnis des Sachverhaltes mitteilen, daß eine Fühlungnahme der angedeuteten Art weder mit den leitenden Kreisen der konservativen, noch der nationalliberalen Partei hergestellt worden äst. Immerhin mag der eine oder der andere an der äußeren und der Kolonialpolitik besonders interessierte Abgeordnete sich mit den verantwortlichen Männern im Meinungsaustausch getroffen haben.
Oesterreich= Ungarn.
Zum drohenden Eisenbahnerstreik weiß die Wiener„Zeit“ folgendes mitzuteilen: Die Regierung hat militärische Vorkehrungen getroffen, und zwar will sie für den Fall eines Streikes sowohl direkte militärische Hilfe durch Einstellung des kriegsstark gemachtem Eisenbahner= und Telegraphen=Regimentes und die für den Eisenbahndienst tauglichen Pionier= mannschaften heranziehen, wie auch die militärischen Eisenbahner durch Einberufung als Resewisten und Ersatzreservisten zum Militärdienst einziehen. Nach der„Zeit“ sind die Einberufungskarten für diese, ein Siebentel des gesamten Personalstandes ausmachenden Eisenbahner bereits ausgefüllt und liegen fertig zur Versendung.
Rußland.
Die sozial=revolutionäre Bewegung in Rußland ist nicht tot zu kriegen. Bei dem soeben verhafteten Sozialdemokraten Rykow, der mit falschem Paß von der Parteikonferenz in Paris nach Petersburg zurückkehrte, wurden bei einer Leibesvisitation Zettel mit 48 Adressen von Revolutionären gefunden, darunter diejenigen der Tochter des Staatsrats Rublik und mehrerer anderer Persönlichkeiten in hervorragender Stellung.
England.
Deutsch=englische Freundschaftsbezeugungen gab es in Queenstown und Dover. In Queenstown bot dazu ein Bankett Anlaß, das der dortige deutsche Konsul den Offizieren des deutschen Schulschifses„Hansa“ gab, in Dover das erste Anlaufen durch den neuen deutschen Dampfer„Henny Wörmann“. Wir wissen leider aus den jüngsten Erfahrungen, wie wenig praktischer Wert derartigen deutsch=englischen Freundschaftskundgebungen beizulegen ist.„ 7
Persien.
Das Chaos in Persien. Während noch am Sonntag die Sache des früheren Schahs als verloren bezeichnet wurde, hat sich plötzlich das Geschick wieder zu ungunsten der Regierung gewandt. Auch abgesehen von dem siegreichen Salar ed Dauleh, der bei Hamadan die Lage beherrscht, haben die Anhänger Mohamed Alis an verschiedenen Stellen Erfolge errungen, und es macht den Eindruck, daß die Regierung die Herrschaft über die Lage vollkommen verloren hat. Ueberall finden Kämpfe statt. in denen die Regierungstruppen keine Lorbeeren ernten. Der Regierung fehlt es überdies an Geld, und die Soldaten und ihre Heerführer, die im Felde stehen, erklären, sie seien zu schwach, um sich halten zu können. Auch Mohamed Ali selbst soll wieder einen bedeutenden Sieg erfochten haben. Es ist nicht leicht, aus dem Gewirr einander widersprechender Meldungen ein klares Bild zu bekommen, soviel geht aber aus den Nachrichten hervor, daß der jetzige Zustand bei der Schwäche der Regierung einer allgemeinen Anarchie ziemlich nahe kommt, und daß bei seiner Fortdauer eine Einmischung Rußlands nicht zu verhindern sein wird.
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Um Marokko.
Der Marokkostreit ist geschlichtet, wenn die Meldungen über die Beschlüsse des jüngsten französischen Ministerrats zutreffen und unerwarkete Ueberraschungen ausbleiben. Die französischen Vorschläge, deren endgültige Fassung am Mittwoch abend zwischen dem Präsidenten der Republik und den zuständigen Ministern festgelegt werden sollte, enthalten etwa 20 Artikel und gipfeln in folgenden drei Hauptpunkten: Frankreich erhält vollständige und klarste politische Freiheit in Marokko. Sämtliche Mächte, Frankreich mit einbegriffen, sind wirtschaftlich vollständig gleichberechtigt ohne Unterschied und Sonderrechte. Frankreich gibt die bestimmtesten Garantien für die Sicherung der wirtschaftlichen Gleichheit. Als Entschädigung soll Deutschland den mittleren Teil der Kongokolonie erhalten, der im Süden durch den Fluß Sangha begrenzt wird, einschließlich eines schmalen Landstreifens, der bis zum Atlantischen Ozean geht und etwas nördlich Libreville erreicht. Eigentliches Küstenland würde Frankreich danach nicht abtreten; das fragliche Gebiet soll dagegen sehr reich an Kautschuk und Elsenbein sein. Die wirtschaftlichen Garantien würden im wesentlichen den Forderungen Deutschlands entsprechen, das entgegen allen böswilligen Unterstellungen in dem scherifischen Reiche keine Sondervorteile, sondern nur wirtschaftliche Gleichstellung mit allen andern Mächten, einschließlich Frankreich, verlangt. Am heutigen Donnerstag soll die Antwort Frankreichs nach Berlin abgesandt werden, so daß dort die entscheidende Besprechung am Sonnabend, spätetens am Montag der kommenden Woche zwischen dem Staatssekretär v. Kiderlen=Wächter und dem Botschafter