No 38. Mittwoch den 8.

1843.(Joh v. M.)

5. Jahrg.

Geschichts-Kalender.

8. Februar.

1807. Schlacht bei Eylau in Preußen.

An die Jünglinge.

Von Friedr. Hebbel.

Trinkt des Weines dunkle Kraft,

Die Euch durch die Seele fließt,

Und zu heil'ger Rechenschaft Sie im Jnnersten erschließt!

Blickt hinab nun in den Grund,

Dem das Leben still entsteigt, Forscht mit Ernst, ob es gesund Jedem Höchsten sich verzweigt.

Geht an einen schaur'gen Ort,

Denk't an aller Ehren Strauß,

Sprecht dann laut das Schöpfungswort, Sprecht das Wort: es werde! aus.

Ja, es werde! spricht auch Gott Und sein Segen senkt sich still,

Denn den macht er nicht zum Spott,

Der sich selbst vollenden will.

Betet dann, doch betet nur

ZulEuch selbst, und Jhr beschwört Aus der eigenen Natur

Einen Geist, der Euch erhört.

Leben heißt tief einsam sein;

Jn die spröde Knospe drangt Sich kein Tropfe Thau's hinein,

Eh' sie inn're Glut zersprengt.

Gott dem Herrn ist's ein Triumph,

Wenn Jhr nicht vor ihm vergeht, Wenn Jhr, statt im Staube dumpf Hinzuknieen, herrlich steht,

Wenn Ihr stolz, dem Baume gleich,

Euch nicht unter Blüten bückt,

Wenn die Last des Segens Euch

Erst hinab zur Erde drückt.

Fort den Wein! Wer noch nicht flammt, Jst nicht seines Kusses werth,

Und wer selbst vom Feuer stammt,

Steht schon lange Glut verklärt.

Euch geziemt nur Eine Lust,

Nur ein Gang durch Sturm und Nacht, Der aus Eurer dunklen Brust Einen Sternenhimmel macht!

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Die Verstorbene.

Noveltette von Foulas.

Indem ich meine Vorliebe für alte Frauen aufrichtig gestehe, mag es vielleicht widersprechend erscheinen, wenn ich zugleich versichere, daß ich mir immer einen Scherz mit ihrem Aberglauben gemacht habe. Alter Frauen Mährchen, zumal wenn darin ein Gespenst vorkam, wurden von mir seit meiner frühesten Jugend mit Hohnlachen empfangen. Aber dies ist darum noch kein Beweis, daß meine Liebe für alte Frauen eine unaufrichtige war. Sind wir nicht Alle nur zu geneigt, mit den Schwächen derer zu spielen, die uns am theuersten sind?

Dieser Unglaube von meiner Seite war indessen nicht geeignet, bei meinen greisen Geliebten eine wechselwirkende Anhänglichkeit zu erwecken, und vorzüglich war es eine alte Frau, welche mein unehrerbietiges Lachen augenschein­

lich mißbilligte, dessenungeachtet aber doch entschlossen schien, mich für die Gebilde ihrer Phantasie empfänglich zu machen.

Und sie war so außerordentlich phantastisch, daß sie je­dem alten Hausecksein Gespenst, jedem Eckschrank seinen mitternächtlichen Besucher andichtete. Sie konnte die voll­kommenste Version aller alten Mährchen geben und wenn sie géheimnißvolle und übernatürliche Dinge erzählte, pflegte sie mit Indignation auf den zu blicken, der ihre Geschichten vielleicht durch aufgeregte Nerven eines Individuums oder durch andere natürliche Ursachen zu erklären wagten

Sie lebte in einem Hause, das zu ihrem Temperamente genau paßte, in einer alten, ehemaligen Abtei, welche drei Seiten eines Quadrats bildete, einen großen, hohen, finstern Saal, sehr lange Gänge und tapezirte Zimmer hatte und mit einem Graben umgeben war. In diesem Hause habe ich einige der glücklichsten Tage meines Lebens ver­bracht; nes war in meiner Jugend, während der langen Winterabende meiner Ferien, als ich zuerst die wunder­vollen Geschichten der alten Frau Sally Douce anhörte und belachte.

Obwohl Sally eine sehr wichtige Person auf Maltby Hall war, so muß der Leser doch nicht glauben, daß sie etwa die Frau vom Hause gewesen wäre. Mein Wirth war Herr Karl Maliby, ein junger Baronet von 23 Jah­ren, und meine Wirthin, seine Frau, stand in ihrem neun­zehnten Jahre. In meinen Schuljahren, wie ich schon er­wähnt habe, war ich oft der Gast des Vaters und der Mutter meines Freundes Karl, der damals mein Schul­kamerad war, aber jetzt ruht jenes ehrwürdige Paar in Frieden in der Familiengruft der benachbarten Kirche, und Karl, mein vormaliger Spielgenoß, der nun Baronet und verheirathet ist, gewährt mir unveränderlich eine gastfreie Aufnahme.

Frau Sally Douce war seit 50 Jahren Haushälterin auf Maltby Hall gewefen, und weil sie in einer zu diesem Gute gehörigen Hütte geboren war, so betrachtete sie sich als zur Familie gehörig, und in der Wirklichkeit schien dies auch von meinen Freunden zu geschehen. Karl pflegte ihr größter Liebling zu sein. Während ich über ihre wunder­baren Erzählungen überlaut lachte, lachte er sich nur in's Fäustchen, und wenn ich die ehrwürdige Mährchenerzählerin durch ein freiwilliges und sehr unnöthiges Geständniß mei­nes Unglaubens beleidigte, so pflegte er sie lächelnd dadurch zu besänftigen, daß er einen Schauder affectirte, und zu­gleich erklärte, sie habe ihn so sehr geängstigt, daß er den Kopf nicht umzudrehen wage, weil er fürchte, das Gespenst an seiner Seite zu sehen. Dessenungeachtet aber gläube ich dennoch, daß ich ein großer Günstling von ihr war, denn, mochte auch vorgefallen sein, was da wollte, ich war immer sicher, ihre besten Geschichten und diese im besten Styl erzählt zu hören. Dies war aber auch ganz natür­lich, da sie einen so großen Skeptiker, wie ich zu sein be­kannte, zu bekehren wünschte.

Dem Leser will ich offenbaren, was ich nie im Stande war, der alten Frau zu gestehen, daß ihre Geschichten, oder besser vielleicht, ihre Art sie zu erzählen, oft einen recht tiefen Eindruck auf mich machten, und daß meine Ungläu­bigkeit anfänglich daher entstand, weil ich meinte, die Welt schriebe dem, der an solche Geschichten glaube, Feigheit zu, späterhin aber fortdauerte, theils weil ich mich fest zu zei­gen wünschte, theils aber auch und vorzüglich, weil ich Frau Douce ärgern wollte.