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Jahrg. 47, Nr. 313
Mittwoch, 26. Oktober 1932(Morgen=Ausgabe)
Einzelpreis 10 Pf.
Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofes
Die Niederlage papens
Die„autoritäre Regierung“ hat Schiffbruch erlitten
Berlin. 25.Okt.
Das Urteil des Staatsgerichtshofs rechtfertigt zwar die Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen, schränkt dessen Befugnis aber stark ein und bestätigt die bisherige preußische Regierung Braun in ihrem Amt, wenn auch mit verminderter Kompetenz.
Das ist der Kern der Leipziger Entscheidung, die eine Fülle staatsrechtlicher und politischer Probleme aufwirft. Der Staatsgerichtshof stellt ausdrücklich fest, daß es nicht angängig sei, dem Reichskommissar die Rechte der Landesregierung zu geben und die verfassungsmäßig bestellten Minister ihres Amtes zu entheben. Der Reichskommissar tritt demnach keineswegs an die Stelle der rechtmäßigen Landesregierung. Lediglich ein Teil der Befugnisse dieser Regierung geht auf ihn über. Diese Feststellung des höchsten Gerichtshofs bedeutet zunächst eine Rehabilitierung der preußischen Regierung im allgemeinen und des Ministers Severing im besonderen. Denn es wird unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Behauptung, die preußische Regierung habe die ihr nach der Reichsverfassung obliegenden Pflichten vernachlässigt, nicht bewiesen worden und damit der Absatz 1 des Artikels 48 der Reichsverfassung nicht anwendbar sei. Der Reichskommissar kann vorübergehend den preußischen Ministern gewisse Amtsbefugnisse entziehen, er darf aber nicht dem Ministerium die Vertretung des Landes Preußen in allen gesetzgebenden Körperschaften und gegenüber dem Reich vorenthalten. Er kann weiter Beamte absetzen und neue ernennen.
Wir haben jetzt in Preußen zwei Gewalten, den Reichskanzler und die preuzische Regierung. Das ist eine Lage, die Preuzen nicht lange aushalten kann, wenn nicht eder Begriff von Autorität erschüttert und die Beamten in schwere Gewissenskonflikte getrieben werden sollen. Denn zum mindesten ein Teil der Beamtenschaft ist an die Weisungen der alten Regierung gebunden. Vielfach überschneiden sich die Befugnisse der beiden Regierungsgewalten, und der scharfsinnigste Staatsrechtslehrer wird nicht immer in der Lage sein, klar zu bestimmen, wo hier die Grenzen laufen. Das ist der Zustand, den die Regierung Papen mit ihrem Experiment vom 20. Juli herbeigeführt hat. Ihre hinterher abgeschwächte Absicht war, die preußische Regierung ihres Amtes zu entheben und den Reichskommissar gleichzeitig als Landesregierung einzusetzen. Das hat der Staatsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt. Somit bedeutet dieser Teil der Entscheidung eine schwere politische und moralische Niederlage des Kabinetts von Papen. Die ursprüngliche Absicht der Reichsregierung muß man sich vor Augen halten, um die reichsamtliche Auslegung des Leipziger Urteils richtig zu würdigen Fix, wie immer, erklärt nämlich die Regierung, das Urteil bestätige die Verordnung des Reichspräsidenten in vollem Umfang, und es entspreche auch dem Standpunkt der Reichsregierung. Das sind sehr seltsame Auffassungen. In der ersten Sitzung des Reichsrats nach der Einietzung des Reichskommissars erschien Minister Hirtsiefer als Bevollmächtigter Preußens. Er wurde aber von dem Reichsinnenminister ersucht, von der Sitzung fernzubleiben, weil er Preußen nicht mehr vertreten könne. Inzwischen hat auch die kommissarische Preußenregierung einen hauptamtlichen Vertreter Preußens für den Reichsrat ernannt. Das läßt doch die klare Absicht erkennen, auch die preußischen Stimmen im Reichsrat in Zukunft von Reichs wegen zu führen. Trotzdem der Staatsgerichtshof die verfassungsmäßige Unmöglichkeit dieses Vorgehens feststellt, behauptet die Reichsregierung, als wäre nicht das mindeste geschehen, sie hätte in vollem Umfang recht bekommen
Damit wird nicht die Tatsache verdunkelt daß der Staatsgerichtshof genau im gegenteiligen Sinne entschieden und festgestellt hat. daß dieses Vorgehen mit der Reichsverfassung nicht zu vereinbaren ist. Nimmt man noch hinzu, daß die andere Absicht der Reichsregierung, das Kabinett Braun endgültig zu besei
tigen, fehlgeschlagen und der Vorwurf der Pflichtverletzung durch die preußische Regierung ausdrücklich vom Staatsgerichtshof zurückgewiesen worden ist, so wird niemand die Behauptung der amtlichen Erklärung begreifen können. die Verordnung des Reichspräsidenten sei im vollen Umfange bestätigt worden.
Die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem Leipziger Spruch ergeben, mögen die Rechtsgelehrten im einzelnen untersuchen. Das politische Ergebnis liegt klar auf der Hand. Die Staatsautorität hat durch das Vorgehen der Regierung Papen einen schweren Stoß erhalten und der Reichsregierung ist vom höchsten Gerichtshof bescheinigt worden, daß sie die Verfassungsgrenze an bestimmten Stellen nicht respektiert hat. Als die moralisch Verurteilte kehrt sie aus den Leipziger Verhandlungen nach Hause. Sie hat ein hohes Spiel gewagt, die Autorität des Reiches und des Reichspräsidenten in einer Sache eingesetzt, die einer unparteiischen verfassungsmäßigen Nach prüfung in wesentlichen Punkten nicht standgehalten hat. Dadurch ist ein verfassungsrechtlicher Wirrwarr in Preußen entstanden, der erheblich schlimmer ist als die angeblichen Uebelstände, die durch die Verordnung vom 20. Juli beseitigt werden sollten. Die grundsätzlich neue Staatsführung und die autoritäre Regierung haben schweren Schiffbruch gelitten.
Das alte preußische Staatsministerium versammelt sich morgen unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Braun zu einer Sitzung, um zu dem Leipziger Urteilsspruch Stellung zu nehmen. Wie diese auch immer ausfallen mag — ein Nebeneinanderregieren von preußischer Regierung und Reichskommissar ist auch für eine kurze Frist nicht möglich. Die politischen und persönlichen Gegensätze haben sich dafür zu sehr zugespitzt. Es kann sich jetzt nur darum handeln, in kürzester Zeit wieder verfassungsmäßige Zustände in Preußen herzustellen Ein Teil der Regierungspresse, vor allem die Deutsche Zeitung und die Börsenzeitung, fordern die Reichsregierung zum Verfassungsbruch auf und suchen sie auf die abschüssige Bahn weiterzudrängen. Jetzt oder nie, ruft die Deutsche Zeitung aus, würde die Regierung zeigen müssen, ob sie fähig sei, den Gedanken der soviel zitierten autoritären Staatsführung in die Tat umzusetzen. Nachdem die Staatsautorität durch den Leipziger Spruch schon genügend erschüttert ist, halten wir es für ganz ausgeschlossen, daß die Regierung diesem verhängnisvollen Rate folgt und nunmehr auch noch das Rechtsgefühl völlig untergräbt Der erste Schritt ist getan worden, ohne alle Folgen richtig abzuschätzen. Die Konsequenzen sind nicht abzusehen, wenn dem ersten Fehler ein zweiter folgen sollte
In politischen Kreisen wurde heute abend zwar kolportiert, die Reichsregierung würde ihre weiteren Entscheidungen von der Haltung des Preußenkabinetts abhängig machen, aber sowohl das alte preußische Kabinett wie die Reichsregierung sind an das Leipziger Urteil gebunden Es enthält einen gewissen Zwang zum Ausgleich. Dieser muß unter Wahrung der Rechtsgrundsätze und der Verfassung ge sucht werden Mit neuen Notverordnungen, von denen schon heute gewispert wurde, kommt man jedenfalls nicht aus der Sackgasse heraus, in welche die Reichsregierung sich hineinmanövriert hat. Neue Gewaltakte würden das Uebel nur vergrößern
Gewiß sagt das Urteil, daß weitergehende Eingriffe in die Rechtsinstanz auf Grund des Artikels 48 möglich seien, sofern die Landesregierung in dem ihr verbleibenden Bereich die Geschäfte in einer Art führen sollte, in der eine Pflichtverletzung gegenüber dem Reich ersichtlich wäre. Aber es liegen nicht die geringsten Anzeichen vor, die auf eine solche Absicht der preußischen Regierung schließen ließen Ebenso wie nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs bisher die preußische Regierung sich keine Pflichtverletzung hat zuschulden kommen lassen, wird sie sich auch in Zukunft streng in dem ihr in Leipzig gezogenen Rahmen halten müssen.
Der Hund als Schutz gegen Autobanditen
Durch das Ueberhanduchmen von Ueberfällen auf Automobilisten sahen sich englische Hundezüchter veranlaßt, Hunde speziell auf Aulobandilen zu dressicren. Unser Bild zeigt, wie ein Schäferhund einen„Auloräuber“ abwehrt
Hugenbergs Klage
Göbbels soll 300000 Mark Schadenersatz zahlen
Berlin, 25.Okt. Drahtb.
Der Scherlverlag hat gegen Göbbels eine Schadenersatzklage von 300000 Mark angestrengt, weil er durch seine bekannte Boykotterklärung den Hugenbergverlag geschädigt haben soll. Die Rechtsvertreter Dr. Göbbels erklären, daß unlauterer Wettbewerb nicht vorliege, weil die Mitglieder der ARSDAP nur darauf hingewiesen worden wären, daß eine Unterstützung des politischen Gegners nicht im Parteiinteresse lage.
Der Einnahmerückgang bei Scheel sei auf den Rückgang der Deutschnationalen Partei zurückzuführen. Dafür könne aber Dr. Göbbels nicht verantwortlich gemacht werden. Das Urteil soll am nächsten Montag verkündet werden.
Der Vortrag des„Ketzers“
Der Reichsinnenminister greift ein
Berlin, 25.Okt. Eig. Drahtb.
Der Reichsinnenminister Freiherr von Gayl hat vom Reichsrundfunkkommissar einen Bericht über den Vortrag des„Ketzers“ in der Berliner Funkstunde angefordert und nach einer amtlichen Mitteilung Ministerialrat Scholz beauftragt, dafür zu sorgen, daß sich solche Vorfälle in Zukunft nicht mehr ereignen. Zugleich solle auf die Programmleitung eingewirkt werden, daß sie bei der Auswahl der Vortragenden mehr Vorsicht walten läßt.
Darin kann man zwar eine Rüge für die verantwortlichen Stellen erblicken, aber leider ist damit eine Gewähr gegen die Wiederholung solcher Vorgänge noch nicht gegeben.
Es dürfte wenia Wert haben, die weiteren Entschlüsse der Reichsregierung auf diese Stelle der Urteilsbegründung aufzubauen. Reibungs flächen sind zwar genügend vorhanden, aber nicht nur die preußische Regierung, auch das Reichskabinett hat die Pflicht, zu verhindern, daß sich an dieser Fläche neue Konflikte entzunden. Das würde sofort eintreten, wenn die Regierung sich zu den„Taten" entschließen würde, zu denen sie eine verantwortungslose Presse aufmuntert.
Eine Erklärung der preußischen Staatsminister
Berlin, 26.Okt. Drahtb.
Die alten preußischen Minister, die Ministerpräsident Braun für gestern vormittag zu einer Sitzung zusummenberufen hatte, erlassen zu der
Entscheidung des Staatsgerichtshofes eine Erklärung, in der es heißt:
„Die Erklärung der Reichsregierung, daß die Verordnung vom 20. Juli in vollem Umfange durch das Urteil bestätigt werde, entspricht in mehrfacher Beziehung nicht den Tatsachen. Sie
ist offenbar vor genauer Kenntnis des vollen Inhalts der Entscheidung und ihrer Begrün
dung abgegeben worden.
Der Staatsgerichtshof stellt zunächst fest, daß die Verordnung nicht auf den Artikel 48 Abs. 1 der Reichsverfassung gestützt werden konnte. Er stellt fest, daß das Land Preußen seine Pflichten gegen das Reich nicht verletzt hat und daß daher eine Reichsexekution gegen Preußen nicht zulässig sei. Damit hat der Staatsgerichtshof in dem Punkt, den Preußen von vornherein als
den wichtigsten Punkt seiner Klage bezeichnet hat, vell und ohne Einschräntung Preußen recht gegeben.
Der Staatsgerichtshef stellt ferner fest, daß die Verordnung den Reichskommissar zur endgültigen Absetzung der preußischen Minister ermächtigen wollte, daß der Reichskommissar auch anfangs eine endgültige Absetzung beabsichtigt hat, daß aber weder eine solche endgültige noch auch nur eine vorübergehende Absetzung der Staatsminister zulässig war.
Der Staatsgerichtshof stellt weiter fest, daß in keinem Augenblick der Reichskommissar zur Landesregierung geworden ist, obwohl er sin stän ig so bezeichnet hat, daß vielmehr Landesregierung nur die geschäftsführenden Staatsminister waren und sind. Er stellt fest, daß der Reichskommissar zwar 5orübergehend Zuständigkeiten des Landes auf das Reich übernehmen konnte, aber keineswegs alle Zuständigkeiten.
Der Staatsgerichtshof stellt insbesondere fest, daß nicht der Reichskommissar, sondern nur die Lindesregierung, d. h. die Staateminister und ihre Bevollmächtigten, das Land Preußen im Rechsrat, Reichstag, im Landtag und im Staatsrat zu vertreten haben und daß sie allein zur Vertretung Preußens gegenüber dem Reich und gegenüber den anderen deutschen Ländern bezugt sind.
Aus alledem ergibt sich, daß durch die Entscheidung des Staatsgerichtshofes die Verordnung vom 20. Juli nicht etwa in vollem Umfange bestätigt sondern sowohl in ihrer rechtlichen Grundt oe in der von ihr ausgesprechenen Ermächtigura wesentlich eingeschränkt wird.
Die preußischen Staatsmin ster werden in Ruhe prüfen, welche Folgen sich aus der Entscheidung des Staatsgerichtshofes ergeben und sich bei ihren weiteren Schritten von strengster Sachlichkeit leiten lassen.