Nr. 294.

Bonn, Sonntag den 24. October 1875.

pmncl Phie oer,), PoezgaserZersemn uob i Ergan für das katholische deutsche Bolk.

Gicktenaich. 1rr.

Die Deutsche Reichs=Zeitung erscheint täglich, an den Abends, an Sonn= und Festtagen Morgens. Insertionsgebühren für die Petitzeile oder deren Raum 15 RPf.(1 1/ Sgr.).

* Berlin, 22. October. DieNordd. Allg. Ztg. Im Cultusministerium beschäftigt man sich zur Zeit mit einer allgemeinen und festen Regelung in Bezug auf die Leitung des Aeligionsunterrichtes in den Volksschulen, und zwar besonders Rücksicht auf die Ertheilung des katholischen Religions­unterrichtes Seitens der Geistlichen selbst. Es kommt zunächst darauf an, die in dieser Beziehung in den einzelnen Provinzen naßgebenden Gesichtspunkte allseitig zu prüfen. Die Provinzial­

behörden sind daher zu einer genauen und umfassenden Bericht­erstattung über diesen Gegenstand veranlaßt worden. Bei der definitiven Regelung wird namentlich darauf zu sehen sein, daß er Religionsunterricht eben so wie jeder andere Lehr­gegenstand des Volksunterrichts nur im Auftrage des Staates und nur von solchen Personen ertheilt vird, welche der Staat für qualificirt erach­

. Fürst Bismarck wird vor Mitte November nicht nach Berlin kommen, daher der Eröffnung und dem Beginn der Ar­

heiten des Reichstages fern bleiben. Das Staatsministerium trat heute Nachmittag 2 Uhr unter Vorsitz seines Vice=Prä­sidenten, des Finanzministers, Camphausen, zu einer Berathung

Die Angst vor dem Sturmwind, zu dem der conservative

bereits angeschwollen ist, hat, so schreibt dieFrankfurter Zta., die Nationalliberalen auf den Gedanken gebracht, ihr be­drohtes Schifflein einstweilen durch Laviren zu schützen. Ihr Organ plaidirt für eine kurze Reichstagssession, in der man nur den Etat und einige durchaus nothwendige kleinere Vorlagen erledigen solle; das Uebrige möge auf eine Frühjahrssession, die ja doch wegen der Justizgesetze erforderlich sei, vertagt werden.

Es ist die Angst vor der Strafgesetznovelle, die aus diesem Vor­schlag spricht; der Entschluß zum Biegen ist noch nicht gefaßt, aber die Furcht vor dem Bruch ist so groß, daß um jeden Preis die Auseinandersetzung, auf die es der Reichskanzler wirklich abgesehen zu haben scheint, vermieden werden soll., es fragt sich nur, ob man in Varzin nicht gerade denkt, es sei die höchste Zeit, die Probe anzustellen, ob sich der Liberalismus als Re­gierungspartei quand-meme verwenden lasse. Und dazu ist die Strafgesetz=Novelle, die den Herren zumuthet,alle Errungen­schaften der letzten Jahre preiszugeben, gar trefflich geeignet.

Erst wenn der Liberalismus auch noch dieses Joch passirt hat, kann der Kanzler sich jeder Besorgniß vor einem Rückfall seiner Getreuen entschlagen.

Man schreibt derElberf. Ztg. von hier:

Dem Grafen Arnim ist kein sonderlicher Dienst geschehen durch die Veröffentlichung seines Schreibens vom 10. Juni d. J. an das Kammer­gericht. Die Publication des Briefes, von dessen öffentlicher Vorlesung das Kammergericht bekanntlich Abstand nahm, gerade an dem Tage, an welchem der Proceß zur letzten Entscheidung dem Obertribunale vorlag, muß den Glauben bestärken, daß Graf Arnim mit der Veröffentlichung der übrigen in dem Processe geheim gehaltenen Schriftstücke früher oder später vor­pteu wird. Der von derNeuen freiea Presse publickrte Brief, bs Groien Amim an das Kammergericht ist stylistisch von unleugbarer Meisterschaft.

Der Inhalt des Schreibens, welcher übrigens wenig Neues enthält, gewährt nicht die gleiche Befriedigung. Als wenig bekannt heben wir hervor, daß Graf Arnim sich die indireete Autorschaft an der be­kannten Papstwahldepesche des Fürsten Bismarck zu­schreibt. Die Verhandlungen, welche wegen der zukünftigen

Papstwahl mit den fremden Mächten von dem Fürsten Reichs­kanzler angeknüpft wurden, sollen, wie Graf Arnim bestätigend meldet, erfolglos geblieben sein.

Was dasJournal des Debats" und hiesige regierungsfreund­liche Blätter denItalienischen Nachrichten über Versöhnungs­schritte des Papstes beim Kaiser Wilhelm unter Beihilfe einer einflußreichen Persönlichkeit nacherzählen, ist eitel Dunst. Es ergiebt sich schon aus des Behauptung, daß eines der Ergebnisse dieser Schritte eine dem Monsignore Ledochowski bewilligte Er­mäßigung seiner Strafhaft um ein Jahr gewesen sei, daß Papst dem Kaiser für diese Gnade seinen Dank abgestattet und der Vatican neuerdings die Gewißheit erhalten haben soll, daß Monfignore Ledochowski eine weitere Strafermäßigung erlangen werde. Cardinal Graf Ledochowski ist nämlich, wie alle Welt weiß, überhaupt nur zu einer Gefängnißstrafe von zwei Jahren verurtheilt worden, wovon er 18 Monate oder darüber bereits verbüßt hat. Ein Strafnachlaß von einem Jahre hätte ihm also schon vor sechs Monaten zur Freiheit verhelfen müssen; jeden­falls aber bedürfte es zur Erlangung der letzteren keiner weiteren Strafermäßigung.

Stuttgart, 21. October. Laut einer demMerkur zuge­gangenen Nachricht sind in Hohenzollern 120 liberale und 111 ultramontane Wahlmänner gewählt worden. Bei der letzten Wahl für den Landtag waren es 88 Liberale und 135 Ultra­wvontane, an

0 Rünchen, 21. Octkr. Das Handschreiven des Konigs an das Ministerium und die Zurückweisung der Adresse der Abgeordnetenkammer ist Ihren Lesern bereits bekannt. Beide Actenstücke sprechen für sich selbst und bedürfen keines Commen­tars. Die Minister bestanden sicherem Vernehmen nach auf Ausstellung eines kgl. Vertrauensdekrets. Weder Ultramontane, noch Liberale sind sonderlich erbaut von diesen Ministern. Da wollten sie schwarz auf weiß besitzen, daß sie ehrliche Leute seien. Noch interessanter ist das Actenstück an die Kammer. Die Minister ließen den König ein Signat unterzeichnen, wel­ches das allerhöchste Befremden über den Ton einzelner Reden ausdrückt. Ein solches Hereinziehen eines constitutionellen Monarchen in die Debatte der Kammer war dem jetzigen bayer. Ministerium vorbehalten. Das ist auch noch nie dagewesen, um mit dem Minister Pfretzschner zu sprechen. Allgemein herrscht de Ansicht, daß mit der Vertagung der Kammer die Krisis nur vrzögert, nicht aber gelöst ist. Da das Ministerium vom 1. Ichuar ab die Bewilligung der provisorischen Steuererhebung muß bis dahin die Kammer wieder einberufen werden. Die Reichstagssession dürfte also sehr kurz werden und nicht einmal bis Weihnachten dauern.

Die Frankfurter Ztg. bemerkt zuIder bayerischen Königs­entschließung:

Od König Ludwig sich mehr den=Roi Soleile#als die bayerische Ver­sanung zur Richtschnur genommen, als er an den Reden der Abgeordneten, kon lediglich der Beurtheilung des Präsidenten und der Kammer He#.#uterliegt, Censur übte und nicht nur den Empfang der Adreß­Seyulann, sondern auch der Adresse, der Willenskundgebung der ver­senungsm ßigen Repräsentation des Landes, ablehnte das zu untersuchen bürfte den Ziberalen heute als Majestätsbeleidigung gelten, aber die Frage wird damit icht beseitigt, ob in Bayern nicht mit der ultramontanen Najortiät zleich der Constitutionalismus seine königliche Abweisung er­Lalten habe. Es liegt nicht in der königlichen Prärogative, bemerkte mn##r der katscheidung des Königs dieBoss. Zig. zutreffend,eigen­Tachng über die Stimmung des Landes zu befinden, wenn diese dem Siactsoberhaut in constitutioneller Form zum Ausdruck gebracht wird. König hat zur das Recht, die Bevölkerung des Landes sich frei über

ie bisher befolg: Politik seiner Regierung erklären zu lassen. Fällt diese

Erklärung durch die Wahlen im verneinenden Sinne aus, so kann das bis­herige Ministerium nur im Amte verbleiben, wenn der König gegeg den ausgesprochenen Willen des Landes, d h. gegen das constitutioneur necht, die Regierung zu führemn enschlosen iv. gillt des Gänias bat bie

* München, 21. Oet. Das Handol#####es#onigs hat hier einen überraschenden Eindruck gemacht. Ich glaube recht unter­richtet zu sein, wenn ich dem Könige Ludwig II. bei diesem bedeutungsvollen Erlasse nicht bloß die Unterschrift, sondern auch die Autorschaft zumesse. Das Handbillet ist in einer Auf­lage von 10,000 Exemplaren gedruckt worden und wird durch oie äußeren Behörden an sämmtliche Bürgermeister des Landes (8015 an der Zahl) zur Verlesung vor versammelter Gemeinde versendet werden. Nach hieher gelangter Nachricht wird die Königin=Mutter am 10. November zum Winterausenthalt von Hohenschwangau hier eintreffen und das kgl. Hoflager am 12. desselben Monats von Berg nach Hohenschwangau verlegt wer­den. Den offenen Brief des Bischofs von Regensburg will Staatsminister v. Lutz, wie in Abgeordnetenkreisen ver­sichert wird, in einigen Tagen beantworten. Bezüglich der Beschwerde, welche Herr Domkapitular Hohn wegen seiner theil­weisen Suspendirung durch den Bischof von Würzburg an die Staatsregierung eingereicht hat, wird die Entscheidung der letzten in einigen Tagen zu erwarten sein. DasRegensburger Morgenblatt enthält weitere Erklärungen der Dekane von Thum­stauf, Abensberg, Pföring und Eilsbrunnen für die Geistlichen der betreffenden Kapitel, daß ihnen keine Weisungen des Bischofs von Regensburg für die Landtagswahlen zugekommen seien.

* Wien, 21. October. Der Gemeindeausschuß von Teschen wies ein Gesuch der Oberin der Congregation der barmherzigen Schwestern vom h. Vorromäus in Preußen wegen Niederlassung und Errichtung eines Convents ab.

+ Wien, 21. Octbr. Ihre Zeitung bringt uns von Zeit zu Zeit interessante Berichte über die Geheimbünde. So erlaube auch ich mir ein Scherflein beizusteuern. Am 17. Juni d. J. hielt die hiesige HauptlogeHumanitas die Wahl ihres Be­amten=Kollegiums, die nach demZirkel vom 1. Juli 1875 zu folgenden Ergebnissen führte:Meister vom Stuhl: Br..

Ritter von Maurer, der Nämliche, der an der Spitze der Wiener Industrie=Ausstellung stand und so die zwei großen internatio­nalen Maurer=Versammlungen bei der Ausstellung ermöglichte.

1. Deputirter Meister: Dr. Chr. L. Prätorius. 2 Deputirter Meister; Dr. F. I. Ennemoser. 1. Aufseher: A. F. Bechmann.

2. Aufseher: L. Pschikal. Redner Dr. L. L. Fürth. 1. Sekretär: Aug. Janotta. 2. Sekretär: F. G. Hertrich. 1. Schatzmeister: Heinr. Landy, 2. Schatzmeister. Mark. Fein. 1. Schaffner: V. Schmidt sen. 2. Schaffner: I. Radschopf. 1. Bibliothekar: Herm. Sternberg. 2. Bibliothekar: Joh. Haupt. Ceremonien­meister: L. S. Singer. Revisoren: Rud. Schmidt, Dav. Klein, Heinr. Hoffmann. Die Wahl wurde unter Anwesenheit des Dr. Gebhardt als landesfürstlichen Kommissars vollzogen, und am

Schluß das obligate, immer so........ aufrichtige Hoch

auf den Kaiser ausgebracht. Aus dem Vorstehenden ersehen Sie zugleich, daß sich dieHumanitas" durch Doppelbesetzung ihrerWürden auf hohem Fuß einrichtet, oder auch viele Br.. zählt, die eben gern Etwas sein mochten. Der unvermeid­liche" Dr. Klum, im Leben k. k. Hofrath a.., und im Stillen seit 23. Nov. 1872 Freimaurer, zuletzt Obmann im maurerischenAgi­tations=Comité" zu Wien, ist am 15. Juli zu Karlsbadin den ewigen Osten eingegangen", d. h. gestorben. Da ihm auch die Freimaurerei nicht als Leiter zum ersehnten Emporsteigen diente, soermüdete er im Kampfe und trat vorerst zurück, wie der Zirkel vom 1, Aug. d. J. sich ausdrückt. Wir haben hieran einen neuen Beweis dafür, daß in den maßgebenden Kreisen Oesterreichs gegenwärtig für das Schurzfell conträrer Wind weht, und wünschen dem Kaiserstaate von Herzen Glück dazu.

* Lemberg, 21. October. Anläßlich des Todes Fränkel's, welcher vorgestern im Kerker angeblich den Folgen erlittener Mißhandlungen erlag, werden die galizischen verfassungstreuen Deputirten den Justiz=Minister wegen der hierländischen Justiz­zustände interpelliren. Bekanntlich hatte die vor Monaten erfolgte Verhaftung Fränkel's so wie die Art der Behandlung seiner Prozeßsache die Intervention des Justiz=Ministers zur Folge, welche Seitens der polnischen Presse als eine gesetzwidrige Beeinflußung der galizischen Gerichte in der lebhaftesten Weise angegriffen wurde.

Italien.

0 Rom, 19. Oct. Der heutigeOsservatore bringt die ge­treue Uebersetzung von dem persischen Originale des Briefes, den der Schah von Persien am 8. October durch den General Mazorne=Aga, außerordentlichen Gesandten Sr. Kais. Majestät bei Sr. Heiligkeit, dem Papste überreichen ließ. Der Brief lautet, wie folgt:

An Se. Ehrwürdigste und Erlauchtigste Heiligkeit den Papst, geziert mit einem Charakter des Messias, erzogen wie die Bewohner des himmlischen Reiches. Möge er begleitet sein von der Gnade des Herrn. Es ist zu uns, die wir von den Gefühlen aufrichtiger Freundschaft beseelt sind, der freundschaftliche und verehrungswürdige Brief Eurer Heiligkeit von eng­lischen Gaben begleitet, der von Ihnen in Ueberfülle Ihrer Freundschaft ge­schrieben wurde, welcher Brief Se. Excellenz dem verehrtesten Erzbischofe von Heraklea von Ihnen anvertraut und an uns gerichtet war, angekommen zugleich mit den Geschenken, welche die theuersten und kostbarsten Unterpfänder und die herrlichsten Erinnerungen sind, welche die Bestimmung haben, für uns ein Grund zu sein, unsere Liebe immer mehr zu vergrößern. Um zu erkennen zu geben, und zwar in ganz besonderer Weise, welchen Werth und welche Achtung wir dem Briefe und den Geschenken Eurer Heiligkeit und dem Erzbischofe Augustin beilegen, so haben wir sie in unserer eigenen Kais. Person angenommen und haben in Gegenwart von Allen, wie es sich ge­ziemte, von der Freundschaft und Liebe Eurer Heiligkeit für uns gesprochen. Außerdem haben wir es für nothwendig erachtet, indem wir diesen Brief, erfüllt von unserer Freundschaft, an Sie richteten, unsere herzliche Freude und unsere innigste Befriedigung für diesen Beweis von Freundschaft und aufrichtiger Liebe Eurer Heiligkeit gegen uns Ihnen auszusprechen und Eurer Heiligkeit zu versichern um den Wünschen und freundschaftlichen Bitten Eurer Heiligkeit gerecht zu werden, daß die Delegaten der kath. Nation, wie auch alle Privat=Personen dieser Nation, wie in der Vergangen­heit der Gegenstand unseres Wohlwollens und so zu sagen nach den Ministern unseres hohen Reiches die Auserwählten sind und sein werden. Um diese Rücksichten zu vermehren, wurden von uns, nach der Festsetzung dieser von uns so sehr gewünschten Beziehungen, an die Gouverneurs der Provinzen formelle Befehle promulgirt und erlassen, welche die Rechte, die Beschützung und die Freiheit der Katholiken bezüglich ihres religiösen Glaubens enthalten. Und in der That wollen wir die Zugehörigen dieser katholischen Nation, welche Unterthanen des persischen Reiches sind, als ein Gut betrachten, das von Eurer Heiligkeit unserer Fürsorge anvertraut wurde; deshalb wollen wir auch Ihre Person als die größte unter den Jüngern des Messias (Heil ihm!) betrachten und aus diesem Grunde der Verehrung würdig. Wir wünschen, daß Sie Dank der Reinheit Ihres Herzens, in Ihrem Gebete nicht auch uns vergessen und daß die guten Beziehungen zwischen uns und Eurer Heiligkeit immerwährend fortdauern möge. Geschrieben in unserem königl. Schlosse im Monate des Ribi=vub=Sami 1292(Mai 1875). Folgt das Siegel und die eigenhändige Unterschrift des Schah von Persien. Ist dieser Brief auch in seiner Art höchst seltsam

und eigenthümlich, so könnte er doch den katholischen Höfen als beschämendes Beispiel dienen. Ein muselmännischer Kaiser ver­spricht nicht nur, die Katholiken in seinem Reiche bezüglich ihrer Rechte, ihrer religiösen Freiheit zu beschützen, sondern er bittet, obwohl er sich für den Mächtigsten der Erde hält, den hl. Vater um sein Gebet. Heute hat endlich der Prozeß Luciani vor dem Assisen=Hofe begonnen. Die Neugierigen strömten massen­haft nach dem Gerichtssaale. Für die Journalistik wurden eigene Plätze reservirt. Die Angeschuldigten wurden schon in früher Morgenstunde nach dem Gerichtspalaste escortirt. Ich werde den Prozeß genau verfolgen und Ihnen allemal unver­züglich alle wichtigen Enthüllungen mittheilen.

Frankreich.

* Paris, 22. October. In dem heutigen Ministerrathe kam Rouher's Rede zur Sprache. Es wurde beschlossen, keine Maßregeln zu ergreifen, sondern der Nationalversammlung volle Freiheit des Handelns in dieser Sache zu überlassen. Falls es zu einer Besprechung über die Rede in der Kammer kommt, werden, wie dieKöln. Ztg. erfährt, die Legitimisten und Kle­ricalen für Rouher eintreten; ein Anzeichen des sich entwickeln­den Einverständnisses derselben mit den Bonapartisten. Der Bürgermeister von Ajaccio, welcher mit seiner Schärpe geschmückt Rouher überall hin begleitete, ist abgesetzt worden; die Reser­visten, welche ihm ein Hoch brachten, haben acht Tage Gefäng­niß erhalten. Heute empfing Mac Mahon den italienischen Gesandten, der ihm die neuen italienischen Militärbevollmäch­tigten, einen Obersten und einen Hauptmann, vorstellte.

* Perpignan, 21. October. Der Carlisten=Oberst Pedrals, Commandant von Ripoll, wurde auf französischem Gebiet todt aufgefunden. Man glaubt, daß er an Wunden gestorben ist, die er in Spanien erhalten hat.

Spanien.

* Madrid, 22. October. Nach Meldung der amtlichen

Gaceta ist neuerlich eine große Anzahl Carlisten, darunter 5 Generale, 16 Obersten, 8 Kommandanten, 54 Kapitäns, nach Frankreich übergetreten und dort internirt worden(?). In

Gerona hat sich der General Pucheta mit 2 Adjutanten und 98 Mann der Regierung unterworfen; auch in den nördlichen Provinzen und in Aragon haben viele Carlisten sich den Regie­rungsbehörden gestellt. Die schwebende Schuld der spanischen Regierung belief sich am 1. October c. auf 519 Millionen Pe­setas; die Kosten für den Unterhalt des päpstlichen Nuntius und für Bestreitung der Ausgaben des Cultusdepartements über­haupt sind auf 2,670,000 Pesetas festgesetzt worden.

* Haag, 21. October. Der frühere holländische Gesandte in Petersburg, Graf Zuijlen de Nijevelt ist an Stelle des Baron de Heeckeren van Beverwaard, welcher von seinem Posten zurücktritt, zum holländischen Gesandten in Wien ernannt

* Amsterdam, 21. Oetober. Dem Vernehmen nach hat das hiesige Börsencomité gegen die jüngsten Finanzmaßregeln der türkischen Regierung energischen Protest bei der Pforte er­

boben. Kutzland.

* Petersburg, 21. October. Der russische Botschafter bei der Pforte, General Ignatiew, hat sich am 19. d. von Konstan­tinopel nach Livadia zum Kaiser begeben und wird erst zu Ende des Monats auf seinen Posten zurückkehren. In der rus­

<space> s i s c h e n<space> A r m e e<space> h a t<space> e i n<space> j u n g e r<space> I s r a e l i t,<space> N a m e n s<space> F r e h m a n n,<space> v o m<space> Kaiser Officiersrang verliehen erhalten. Es ist das der erste Fall dieser Art.

* Die Katholikenversammlung zu Münster.)

Münster, 19. October.

Zu der auf heute Nachmittag 5 Uhr anberaumten öffentlichen Versamm­lung hatten sich aus allen Theilen unserer Provinz viele Tausende katho­lischer Bewohner zusammengefunden. Galt es doch in der so brennenden Schulfrage einmüthig den heiligen Ueberzeugungen Ausdruck zu geben, welche jeden gläubigen Christen beseelen müssen. So waren sie men aus den verschiedenen westfälischen Gauen, die treuen Söhne des heil. Liborius und Ludgerus, Männer zähen Sinnes und nie wankend in dem alten Glauben, den Eichen ihrer Wälder gleich, um gemeinsam für das Wohl der Familie, der Jugend einzustehen. In dem leider viel zu be­schränkten, festlich geschmückten Saale erinnerten die Namen Overberg und Fürstenberg an die Organisation des Schulwesens, welche Kirche und Staat stets zum Besten gereicht hat. Lange vor der zur Eröffnung festgesetzten Frist war in den weiten Räumen jedes Plätzchen besetzt. Als um 5 Uhr Se. Excellenz der Staatsminister a. D. Windthorst eintrat, erhob sich alsbald ein unbeschreiblicher Jubel, durch welchen die hochverdienten Führer des Centrums ihre Verehrung und Liebe kundgaben. Im Namen des Comités leitete nun Herr Kaufmann Hüffer, die Ver­handlungen ein, indem er mit Bedauern der Nichtbenutzung des großen Rathhaussaales gedachte und den Landrath z. D. Freiherrn v. Land!

berg= Steinfurt zum Vorsitzenden vorschlug. Dieser übernahm mit einigen Worten des Dankes für das ihn ehrende Vertrauen dium. In dem zahlreichen Erscheinen erblickte er das beste Verständniß für die dem Wohl der Kinder drohenden Gefahren und gab das wort zuerst dem Freiherrn v. Schorlemer=Alst. Derselbe sieht in der freudigen Aufnahme, welche ihm zu Theil geworden, die Anerkennung für die Bestrebungen des Centrums. Die Mitglieder desselben legten Werth auf die Zustimmung des Volkes. Sie würden ausharren auf dem Platze, auf welchen sie berufen seien und ihn nicht verlassen, so lange es durch Gewissensbedenken nothwendig werde. Daß man nicht im Rathhaus­saale tage, erinnere an die veränderte Zeit. Wie O' wir auf dem Boden des Gesetzes und reclamirten unsere Rechte. Er wolle nicht über die Maigesetze sprechen, deren Mißerfolg vorausgesagt sei, son­dern über die Frage der Gegenwart und Zukunft: die Vorher sei ein Blick auf die Lage im Allgemeinen angebracht. Mit Schmerz erfülle Jeden der Gedanke an Rom, die Bischöfe, den Clerus, an die Or­den, unter denen vielleicht auch bald die barmherzigen gel der Liebe, über die Grenze ziehen müßten. Andererscitz, 8e geich;, ober

auch die Fesigkeit des Papstek, der Bschifg, 8. g, uud des Volles

wohlthuend. Niemand dürfe verzagen, da die katholische Kirche

Stürmen siegreich hervorgegangen sei, unter Führung des heil. Michael mit dem Wahlspruche:=Quu sicut Deus?: In der Unterrichtsfrage gehr der Vortragende aus von dem Satze, daß der Mensch für den Himmel geschaffen ist und alles im Staate diesem höheren Ziel dienen muß. Diese Forderung richte sich besonders an die Schule, welche nicht blos lehren, sondern auch erziehen solle. Daraus ergebe sich 1) daß die Leitung des Religionsunterrichtes gemäß Art. 24 der Verfassung den Religionsgesell­schaften überlassen bleiben; 2) daß die Schule confessionell sein müsse. Nur in letzterem Falle rechtfertige sich der Schulzwang. Die coufessionslose Schule biete nicht die Garantie der Erziehung für den Himmel. Sie diene der Partei. Die Religionsgesellschaften müßten mindestens den Religions­Unterricht ertheilen laut§ 24 der Verfassung in der Unterrichtszeit, in der Schule selbst. Werde dies aber versagt, so wäre keine Garantie vor­handen für eine katholische Erziehung. Der Staat vermöge nicht dafür zu garantiren; denn dann müßte er alle Confessionen mit gleicher Liebe

*) Nach derKöln. Volisitg.: