4. Jahrgang.
Bonn, Donnerstag den 21. October 1875.
Nr. 291.
ArscherG
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U. Die zwei gegenwärtigen Häupter der italienischen Loge:
grotzmeister Joseph Mazzoni und Groß=Sekretär Luigt Castelagge.
Für uns Katholiken ist Italien immer ein hochwichtiges ###nd; wir dürfen über unsern inneren Kämpfen und Leiden am ###nigsten die Halbinsel, auf welcher unser h. Vater wohnt, ###rgessen. Dort aber, wie überall, sind es nicht sowohl die #entlich auftretenden Personen, welche bestimmend auf die Geiticke des Reiches einwirken, sondern die geheimen Mächte
es leibt
##nter den Coulissen. Das ganze regno’ltalia, wie ###nd lebt, zappelt und rumort, ist ja das Werk einer frei##naurerischen Filiale, der Carbonari. Denselben ist aller##ings die politische Einigung Italiens seit 1870 gelungen; aber doch ist„der Wolf(die Monarchie) noch Bnicht aus dem Walde(Lande) gejagt"; demnach erübrigt noch ein Guttheil des Programms. Seitdem nun
#Liemont unter Karl Albert offen mit den Geheimbündlern Hand n hand geht, hörte die Carbonaria als solche auf, d. h. die Verschworenen traten in die Freimaurerei, und zwar ausnahmslos in die hohen Grade, über. So lange Br.“. Cavour lebte, drückten sich die rothen Elemente der Loge in die sicke, denn die Wirksamkeit der Blauen genügte. Erst mit dem Jahre 1862 rang die rothe Loge nach oben, so daß am 23. Nai 1864 alle Stimmen auf Br.:. Garibaldi als Großmeister eutfielen, der allerdings einen Stellvertreter ernannte. Für
seine Person ist er ja„EhrenGroßmeister auf Lebenszeit.“ Seit jeuer Zeit ist das Roth Herr im italienischen Groß=Oriente geblieben; Roth aber ist soviel wie Republik, und wie socialtmokratische Republik.
Von großer Wichtigkeit für genaue Kenntniß des italienischen Maurerthums ist die Person des jeweils gewählten Großmeisters. seitdem der Br.“. Nigra, italienischer Gesandter in Paris, nur nit kleiner Majorität, wie 1861 und 62, oder gar nicht mehr uu dieser„Würde" gewählt worden war, ist der Stern der Blauen unwiderruflich gesunken, und das rothe Gestirn auf
gegangen. Im Frühjahre 1871 wurde nun Joseph Mazzoni (man verwechsle ihn nicht mit Jos. Mazzini) zum Großmeister ertoren; er herrscht und lebt auch jetzt noch im ausonischen Groß=Criente, und der Stuhlmeister der deutschen Loge Pestalozzi in Neapel, Dr. M. G. Conrad, schildert uns denselben in der FFreimaurer=Zeit“ vom 26. Juni 1875, S. 203 ff. Dieser Conrad, wahrhaft’enfant terrible der italienischen Maurerei, dat uns schon Manches ausgeplaudert, was er besser verschwiegen hätte; wir sind ihm daher zu Dank verpflichtet, und schicken denselben hiemit an seine Adresse: S. Maria Apparente 27. Napoli.
„Joseph Mazzoni, schreibt der Br.:. Conrad a. a.., ist zu Prato(12,000.) im Toskanischen geboren. Stattlicher Schsziger, macht seine kräftige Figur mit den strengen Zügen und dem schneeweißen Haar einen imponirenden Eindruck. Hohe Intelligenz, Lauterkeit des Charakters, unbeugsame Sittenstrenge, erprobter Patriotismus— diese Eigenschaften wagen selbst seine erbittertsten Gegner nicht in Zweifel zu ziehen. Mazzoni ist eine Cato=Natur. Als Advokat in Florenz hatte er seiner Zeit bedeutenden Ruf. Nachdem der Großherzog Leopold II. seinem Lindchen eine Verfassung bewilligt, wurde Mazzoni als Vertreter seiner Vaterstadt in die Deputirtenkammer gewählt. Der Leputirte Mazzoni avancirte zum Justizminister. Nach der Flucht(d. h. Vertreibung 1848) des Großherzogs bildete er mit Guerazzi und Montanelli das Triumvirat. Dann kam der raktionäre Wirbel, der den Großherzog wieder zurückführte und ten Triumvirn lebenslänglichen Unterhalt im Zuchthaus diktirte. Vom grünen Tisch in's schwarze Loch? Durch rechtzeitige Flucht ließz sich ein erträglicherer Aufenthalt gewinnen. Mazzoni floh. Seine Existenz in der Heimath war vernichtet, die Proceßkosten erschlangen den größten Theil seines Erbgutes. Da ging
Razzoni nach Paris und gab Sprachunterricht. Das Jahr 1859 führte ihn wieder seiner Vaterstadt zu. Dort lebte er eingeschränkt und zurückgezogen, jede öffentliche Stellung beharrlich ablehnend. Erst 1872 willigte er in die Wahl eines Abpordneten zum Parlament. Er behauptet seinen Platz auf der kinken und stimmt mit der Opposition. Wer die italienische kammer und das Ministerium Minghetti kennt, muß die politige Haltung des Großmeisters Mazzoni durchaus korrekt finden.
gidt keinen verständigen Maurer auf der Halbinsel, der nicht euch in diesem Stücke mit seinem vortrefflichen Großmeister mpathifirte. Mazzoni's Name an der Spitze der italienischen
S Eine Familienintrigue.
Original=Erzählung von*“.
(Fortsetzung.)
War Lilli früher still und verstimmt gewesen, so schien sie En ihre ganze Liebenswürdigkeit entfalten zu wollen. Sie Kauderte und scherzte und suchte ihren einsilbigen Begleiter zu cheitern oder machte ihn wohl auch auf die wundervolle Schön## vom Mondlicht beglänzten Gartens aufmerksam.
— Wenn sie an meiner Seite wäre, wenn ihre liebe Stimme #mir spräche! dachte Otto, und fast unwillig schaute er auf sie. detzt waren sie in die Nähe des Pavillons gelangt, junge gan au umgaben ihn, es war ein gar lauschiges, stilles Lochen, das auch jetzt nur dämmerig vom Mond erhellt wurde.
geworden; so pikant ihr früher die kleine Nlatz dargarschien, so ward ihr doch jetzt, je näher sie dem Schau
* derselben kam, beklommen zu Muthe. Es that ihr leid um lungen Mann, der sich so ahnungslos von ihr zu dem Platze hicht. ß wo ihn so herber Schmerz erwartete; hätte sie sich z# vor Reginens Vorwürfen geschämt, so würde sie am Lieb
## noch jetzt mit Otto umgekehrt sein, aber sie war zu weit greugen; schon sah sie durch die Zweige der Bäume ein helles häimper schimmern, schon ließ sich des Rittmeisters geFahren Stimme vernehmen. Deutlich konnte man es jetzt ge#sen aß auf der Bank vor dem Pavillon zwei Gestalten hlick Linzze der Ausruf des Schreckens, der sich in diesem Augenlammert.###ppen entrang, war nicht geheuchelt. Krampfhaft sehen##r#e sich an Otto fest, als wollte sie ihn am Weiter
sehen verhindern.
eehaligeni um, flüsterte sie ihm zu, er aber zog sie fast weiter und einige Secunden später standen sie dem
Der er und Madelon gegenüber. in der#####cier hatte seinen Arm um sie und hielt ihre Hand auf senen;: ein Mondesstrahl, der durch die Zweige sein Licht Littmein.““ ließ die Züge der Beiden deutlich erkennen. Der hr leiigr beugte sich gerade zu Madelon herab und flüsterte ##r einige Worte zu, während ihre Blicke zu Boden gesenkt
Freimaurer bedeutet für diese unentwegten Freisinn, strenges Halten am Recht, weise Disciplin, unermüdliche Arbeit.“ Soweit die Conrad'sche Canonisationsbulle für den Großmeister. Um die Wahrheit zu sagen, ist Mazzoni von jeher Erzrevolutionär und rother Republikaner gewesen, also für Toskang dasselbe, was Farini für Parma, Mazzini für Rom, Manin für Venedig, Prim für Spanien und Gambetta für Frankreich. Feind und Aufwiegler gegen seinen Großherzog im I. 1848, ist er rother Republikaner bis heute geblieben, nahm daher von der consorteria kein Amt an, um sich für die republikanische Zukunft unversehrt zu bewahren. Ein solcher * Mann als Großmeister bezeichnet viel, besonders wenn man bedenkt, daß über die Hälfte der Deputirten in Monte Citorio Freimaurer sind, und daß ein gewisser Gesandter zu Rom im Juni 1875 innigste Fühlung mit der Linken daselbst hatte und noch hat.
Groß=Secretär, wenn man will: das litterarische Haupt des Groß=Orients zu Rom ist Luigi Castellazzo. Von ihm sagt Br.. Conrad:„L. Castellazzo heißt der Mann der Feder in der Groß=Loge. Seine Vergangenheit ist reich an glorreichen Beweisen, daß er das Schwert ebensogut zu führen weiß, als die Feder. Er ist ein Groß=Secretär, wie ihn Italien braucht. Ich kenne weder Zeit noch Ort seiner Geburt, vermuthe aber, daß er die Grenze des Schwabenalters bereits überschritten habe. Sein Aeußeres läßt uns auf den Demokraten vom reinsten Wasser schließen: sein schmuckloses, nüchternes Gebahren und der spitze Accent deuten auf den Oberitaliener. Man glaubt es ihm beim ersten Blick, daß er die eine Hälfte seines seitherigen Lebens auf den Schlachtfeldern, die andere in den Kerkern darangesetzt und dazwischen gepfefferte Zeitungsartikel und Tendenzromane losgelegt hat. Nach dem Helden seiner jüngsten halb=historischen Erzählung hat sich sogar eine römische Loge „Tito Bezio“ benannt. Ein brüderliches Compliment, das der brave Literat verdient hat! Im J. 1848 kämpfte er in der Studenten=Legion der piemontesischen Bersaglieri(Scharfschützen), zog mit Garibaldi nach Rom, wo er sich tapfer hielt, bis ihn die Franzosen erwischten und einsperrten; 1859 stritt er in der regulären Truppe der Piemontesen wacker mit und 1860 schlug er mit Garibaldi am Volturno sein Leben in die Schanze. Bei dieser Affaire trug er eine schwere Verwundung davon, war aber bereits 1866 mit den Garibaldianern wieder auf den Beinen. Das Jahr 1867 führte ihn nach Rom, wo er die Revolution vorbereiten sollte. Die Schergen des Kirchenfürsten wurden seiner habhaft und legten ihn hinter Schloß und Riegel. Erst als die italienische Armee 1870 in Rom einzog und der päpstlichen Regierung den Garaus machte, wurde Castellazzo aus dem Kerker befreit.“—„Seine hohe Begabung, seine Begeisterung für die maurerischen Ideale und sein grundehrlicher Charakter rechtfertigen das Vertrauen, das die italienischen Brüder bei ihrer Wahl geleitet hat. Für die Entwicklung unseres Bundes sind erprobte Männer der That(im Originale gesperrt], wie Castellazzo und Mazzoni, von Bedeutung. Was unter der thatenscheuen Reflexion verkümmern würde, rüttelt ihr energisches Wesen zu lebendiger Bethätigung auf.“
Aus diesen gewiß unverdächtigen Worten erhellt zur Genüge, daß auch das andere, das geistige Haupt der italienischen GroßLoge ein Mann der rücksichtslosesten Action ist. Von jeher wilder Revolutionär und einer der wüthendsten Garibaldianer, ist er jetzt auch einer der leidenschaftlichsten Socialisten der Halbinsel geworden und als solcher schon wiederholt mit den Gerichten in Conflict gerathen. Er war der HauptMotor beim geplanten Socialisten=Congreß am 26. Nov. 1872 im Colosseum zu Rom, bei den darauf gefolgten socialistischen Unruhen von Mittelitalien 1873 und 1874. So aber ist es kein Wunder, wenn die vorderhand noch zahmere deutsche Maurerei mit den ausonischen Brüdern, wenigstens äußerlich, nicht zu eng lürt erscheinen will, und wenn z. B. die Berliner Groß=Loge„Royal York“ unter dem 23. October 1874 („Freimaurer=Ztg." Nr. 49 vom 5. Dec. 1874) in einem Rundschreiben räth,„noch in Beziehung auf Italien zurückhaltend zu bleiben", weil„der Schwerpunkt der italienischen Maurerei nach der Seite der Hochgrade(d. h. der Actionsloge) verschoben sei“.
Bedenkt man nun, daß der Thron des regno'ltalis von des Maurerthums Gnaden lebt, daß zwei Männer der rothesten Action an der Spitze des ganzen italienischen Logenwesens stehen, daß überall die Unzufriedenheit überhand nimmt, so braucht man eben kein großer Politiker zu sein, um die Zukunft zu errathen.
waren. Sie hatte Otto näher und näher kommen gehört, und ihr Herz schlug in lauten, ungestümen Schlägen, als wollte es ihr den Athem rauben. Sie wußte, sie fühlte selbst, wie grausam sie gegen sich und ihn war, sie wollte aufspringen, sich zu seinen Füßen werfen und ihm den abscheulichen Betrug abbitten, zu dem sie sich herbeigelassen, aber wie gelähmt an allen Gliedern, war sie nicht fähig, sich von ihrem Platz zu rühren.
— Madelon! stieß Otto hervor, und wie ein unarticulirter Schmerzenslaut klang ihr der Name von seinen Lippen.
Bei diesem Ton fuhr Madelon von ihrem Sitz auf, und wie ein aus seinem Versteck aufgescheutes Reh, entfloh sie mit Blitzesschnelle. Niemand machte einen Versuch, ihr zu folgen.
— Dein Weg hat Dich zur Unzeit hieher geführt, unterbrach endlich der Rittmeister die unheimliche Stille, daß Fräulein Lilli Zeugin dieser Scene werden mußte, bedauere ich sehr, aber Dir ein Recht gab, Madelon so zu erschrecken, möchte ich von Dir erfahren. Meines Wissens ist sie Dir für ihr Benehmen keine Rechenschaft schuldig.
Dunkle Glut färbte Otto's Antlitz, jede Fiber in ihm zuckte und wüthend hätte er sich auf den Mann, der sich seinen Freund nannte, stürzen wollen.
Und doch, welches Recht hatte er, ihn anzuklagen? Wenn Madelon dem Rittmeister den Vorzug gab, wenn sie so falsch und ehrvergessen war, diesem ein heimliches Rendezvous zu bewilligen, während sie ihm gegenüber die Tugendhafte spielte, so war er grausam von ihr getäuscht worden, durfte aber den begünstigten Nebenbuhler nicht des Verrathes beschuldigen.
— Du haft Recht, sagte er mit Bitterkeit, wenn Madelon ihre Ehre nicht besser zu wahren weiß, kann es mir gleichgiltig sein, ob die Erde um eine Betrügerin mehr zählt.
Und mit diesen Worten wandte er ihm den Rücken und verließ den Platz. Schweigend folgte ihm Lilli, ein Grauen erfaßte sie vor Otto, aber größer noch als das Grauen, war das tiefe Mitleid, das sie mit ihm empfand und angstvoll fragte sie sich:
— Wird sein Herz stark genug sein, diesen Schlag zu überwinden?
Deutschland.
:; Berlin, 19. Oct. Der Reichstag wird am 27. d. M. eröffnet werden. Ob er sofort seine Thätigkeit wird beginnen können, ist nach allem, was man hört, sehr zweifelhaft: vermuthlich wird er in der Lage sein, sich sofort nach der Eröffnungsfeier wieder auf einige Tage Ferien zu geben. So meint man hier wenigstens ziemlich allgemein. Da es nun keineswegs angenehm ist, das theure Berliner Pflaster zu treten, wenn man nicht muß, so wird wohl ein großer Theil der Reichstagsmitglieder bis in die ersten Tage des folgenden Monates hinein am heimischen Heerde bleiben. Voraussichtlich haben wir also abermals das Schauspiel eines beschlußunfähigen Reichstags. Gleich wahrscheinlich aber ist es, daß der so spät berufene und noch später mit dem Arbeitsmaterial versehene Reichstag vor Schluß des Jahres nicht zu Ende kommt: ein zeitweiliges Zusammentagen des Reichstages mit dem preußischen Landtage steht wieder in sicherer Aussicht. Doch das alles sind Nebensachen. Die Hauptfrage ist die, ob es denkbar ist, daß der Reichstag auf eine so maßlose Beschränkung der Rede= und Preßfreiheit sich einläßt, wie die Reichsregierung sie beabsichtigt. Soll ich meine Ansicht äußern, so glaube ich nicht, daß er auf dieselben eingeht. Allerdings ist bei unserm jetzigen Reichstage sehr viel möglich; aber zu einem Preisgeben des Restes bürgerlicher Freiheit halte ich ihn trotz alledem nicht für fähig. Als im vorigen Frühjahr der famose Paragraph 20 des Preßgesetzes, der gleiche Bestimmungen enthielt, zur Abstimmung kam, erhob sich auf allen Seiten des Hauses nur ein einziges Mitglied, nämlich der damalige Regierungspräsident von Marienwerder, jetzige Präsident der Staatsschuldenverwaltung, ein Oheim des Ministers Grafen zu Eulenburg. Mögen, wenn jener§ 20 in neuer Auflage erscheint, gewisse Herren sich zu dem Grafen Eulenburg bekehrt zeigen: es wird immerhin eine große Mehrheit gegen solche freiheitsmörderische Bestrebungen sich erheben, und Fürst Bismarck wird seine Vorlage zurückziehen müssen. Es sind ja überhaupt nur wenige Blätter, die diesen gegen unsere Freiheit gerichteten Bestrebungen günstig sind: die meisten sprechen sich mit Nachdruck dagegen aus, und wie ich sehe, sogar die„Bonn. Ztg.“ thut das, und das will viel sagen. Daß selbst solche Blätter, die sonst nicht müde werden, den Polizeistock herauszurufen, gegen die Strafgesetznovelle sind, das befestiget auch in der Hoffnung, daß Fürst Bismarck mit seiner Vorlage wieder ein glänzendes Fiasko machen wird.
Die„Elberf. Ztg.“ bringt in ihrer gestrigen Abendnummer unter der Ueberschrift„Herkules am Scheidewege“ folgenden nationalliberalen Krachstimmungsartikel:
„Sollte der Reichskanzler wirklich schon in seine Stein=Zeit eingetreten sein? in jene unerquickliche Geistesverfassung des Greisenaliers, die wir von dem großen Freiherrn von Stein her kennen, und in welcher die starr conservativen Begriffe der Jugendzeit wieder vorschlagen, weil das männliche Vertrauen auf Volk und Freiheit mit der männlichen Vollkraft und Frische abhanden gekommen ist? Die Wagener, Rudolf Mayer, Joachim Gehlsen und Consorten möchten es uns gern glauben machen. Die Novelle zum Strafgesetzbuch zusammen mit der hartnäckigen Ausbeutung des Zeugenzwanges wider eine mißliebige Zeitung müssen darauf hindeuten, und was von der Sommer=Lectüre in Barzin seinen Weg durch die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" in's Publikum gefunden hat, widerspricht nicht. Ein dänischer und ein belgischer Salbaderer sind da würdig befunden worden, dem deutschen Volk über seine bisherige unmoralische Auffassung des wirthschaftlichen Lebens die Augen zu öffnen; während der Geheimrath Wagener gleichwohl nach wie vor in Barzin aus= und eingeht! Die„Elderfelder Zeitung" darf sich sagen, daß sie schon zur Zeit des preußischen Verfaffungsstreits nicht blind gewesen ist gegen Herrn v. Bismarck's Initiative zu einer wahrhaft nationalen Politik, und unter den Ersten dazu beigetragen hat, daß auch das liberale Publikum über seinen oft bedenklichen Mitteln seine halbverschleierten großen Zwecke nicht ganz übersehe. Aber an dem Heroen=Cultus, der nach den militärisch=diplomatischen Kämpfen von 1866 ausbrach, hat sie sich aus guten Gründen nie betheiligt. Machthaber können durch allzu unbedingte Hingebung nur verwöhnt und verdorden werden. Einem großen Künstler oder Gelehrten, einem Staatsmann außer Diensten mag man schrankenlose Huldigung widmen, soweit immer ein dankbares Gefühl Einen treibt; ein Staatsmann im Dienst aber hat ein zweischneidiges Schwert in der Hand, und wer sich gar zu gärtlich an ihn hinandrängt, den kann die nach iunnen gewendete Scheide leicht verletzen. Wir glauben, die schlimme Wirkung übermäßiger Berehrung wahrzunehmen, wenn wir in angeblich liberalen Blättern, darunter sogar einem, das unter den Augen eines Führers der nationalliberalen Partei in einer benachbarten preußischen Provinz erscheint, den Fürsten Bismarck geradezu auffordern sehen, sich nicht allzuviel mehr um die liberale Mehrheit des Reichstags zu bekümmern, sondern bei den nächsten Neuwahlen seinerseits zur Bildung einer specifisch Bismarckischen Partei aufzurufen und dann seine eigene höchst persönliche Politik ohne fernere Rücksicht auf solche abgenutzte Leute wie Camphausen und Delbrück, v. Bennigsen, v. Forckenbeck und
XII.
Belladonna.
Der Wagen stand schon lange vor dem Thore der Villa, gestern noch war dem Kutscher eingeschärft worden, pünktlich die Stunde einzuhalten, damit Baronesse Ella und Mademoiselle sicher zur rechten Zeit am Bahnhof einträfen; heute kümmerte sich Niemand darum; zu wiederholten Malen hatte der Kutscher an der Hausglocke geläutet und in immer ungeduldiger werdendem Tone seine Reisenden ermahnen lassen, nicht länger zu säumen.
In der allgemeinen Bestürzung, die im Hause herrschte, dachte Niemand daran, seinen Auftrag auszurichten und was sich in demselben zugetragen, war wohl geeignet, die Aufmerksamkeit von einer wichtigeren Mahnung als dieser abzulenken. Auf Aller Mienen las man den Ausdruck des Entsetzens, die Einen rannten in geschäftiger Eile Treppe auf und Treppe ab, die Anderen standen geheimnißvoll flüsternd in Gruppen beisammen. Bisweilen ertönte ein lauter, gellender Schrei, ein Laut, der kaum ans einer Menschenbrust zu kommen schien, und mit schreckensbleichen Mienen wandten sich dann Aller Blicke nach einem Finster im oberen Stockwerk, woher der Schrei kam,
Bald blieben aber nur mehr die Mägde zum müßigen Geplauder zurück, die Diener wurden nach dem oberen Stockwerk berufen, um bei einem Unglücklichen Wache zu halten, der im furchtbaren Rasen sein eigenes Leben und das seiner Umgebung bedrohte.
Noch war Alles im ruhigen, ahnungslosen Schlummer gelegen, als die Nacht des Wahnsinns sich auf Otto's Geist senkte und wilde Tobsucht ihn ergriff. Frau Regine träumte eben, sie hätte, um Otto's Verlobung zu feiern, ein Ballfest veranstaltet und stünde in ihrem glänzend erleuchteten Salon, um mit lächelnder Miene ihre Gäste zu empfangen, als ein läutes Klopfen an der Thüre ihre Aufmerksamkeit auf den Ankösumling lenkte. Aber so neugierig sie auch war, dem seltsamen Besucher, der sich, allem von ton entgegen, aufo so altfränktsche Weise durch Pochen ankündete, kennen zu kernen; et wollte ucht vorwärts kommen. 14110#3% Mmug
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