4. Jahrgang.

Bonn, Freitag den 15 October 1875.

Nr. 285.

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sdonnement: Bierteljährlich pränum. für Bonn incl. Traglohn RMark(1 Thlr. 10 Sgr.); bei den deutschen Postämtern und für Luxemburg 4 RMark(1 Thlr. 10 Sgr.).

Die Deutsche Reichs=Zeitung erscheint täglich, an den Wochentagn

Ergan für das katholische deutsche Bolk.

1 Der

russische Socialisten=Proceß St. Petersburg.

in

I.

Die Völker Rußlands sind schauerlich vom religiösen, politischen socialen Nihilismus zerfressen. Dies erhellt aus der Anklageschrift des russischen Staatsanwalts im letzten Sceialisten=Proceß, des Herrn Zichareff. Schade, daß die Ver­hndlungen nicht öffentlich waren, und daß die russische Presse dem Grundsatze huldigt, daß Vorsicht die Mutter der Klugheit ist. Doch haben die im Auslande lebenden Häupter des russischen Seialismus so innige Beziehungen mit der Heimath, daß die leitenden Comité's zu London und zu Genf äußerst schnell und gut bedient werden. So erfahren auch wir Abendländer, was da droben im Kosakenreiche vorgeht; und dies ist wichtig, iberaus wichtig zu wissen, besonders wenn die Be­wegung der Christen in der Türkei wirklich den Diplomaten über den Kopf wächst.

Das Londoner Organ der russischen Nihilisten, der alle 14 Tage erscheinendeWpierod(Vorwärts), bringt in seiner Nummer vom 15. August einen Auszug aus der Zichareff'schen Anklage­schrift. Dieser zufolge bemerkte man im Jahre 1874 die ersten () Anzeichen einer revolutionären, auf den allgemeinen Umsturz berechneten Propaganda in den östlichen und mittleren Gouver­nements Rußlands. Anfangs wurden sich die Beamten nicht klar über den eigentlichen Zweck und die Tragweite der Ver­schwörung, erhielten aber baldetwas mehr Licht"; und so be­gann am 31. Mai(12. Juni) 1874 die Untersuchung zu Saratoff. Den Anlaß dazu bot eine Masse revolutionärer Bücher und Beoschüren, die man reichlich unter das Volk vertheilt hatte. Bald kam man darauf, daß viele Jünglinge, unter ihnen besonders ehemalige Studenten, als Bauern oder Handwerks­gesellen verkleidet und mit falschen Pässen versehen, sich in den untersten Schichten des Volkes umhertrieben und die anarchischen Principien durch Wort und Schrift verbreiteten. Man entdeckte ferner: 1. daß seit längerer Zeit in Moskau eine geheime Presse verbotene Bücher und Flugblätter für's Volk druckte; der Eigen­thümer dieser Presse war Myschkin, Regierungs=Steno­graph(!); Direktor derselben ein gewisser Utkin, Kanzlei­beamter des General=Gouverneurs von Moskau; 2. daß die Propaganda vorzüglich in Groß= und Klein=Rußland, d. h. im europäischen Rußland mit Ausschluß der ehemals polnischen Provinzen, sich verzweigt hatte; 3. daß die Agenten der Propa­ganda einheitlich organisirt waren und mit den nämlichen Mitteln nach einem und demselben Ziele hin arbeiteten.

Sobald man die ersten Fäden sicher hatte, war es unschwer, auch die Verzweigungen zu entdecken. Die Ausbreitung des Socialismus in Rußland erwies sich denn als geradezu unge­heuer und höchst bedrohlich für die Zukunft der russischen Re­gierung und Gesellschaft. Zichareff verfolgt die Geschichte der russischen Socialisten bis hinauf zum Jahre 1860. Um jene Zeit war es bei den Petersburger und Moskauer Studenten Mode geworden, kleine Clubs und Verbindungen zum Zwecke gegenseitiger Hilfe in Tagen der Noth, zur gegenseitigen Be­lehrung, Discussion und Lektütre zu stiften. Allmälig kam man auch auf mögliche oder wünschenswerthe sociale Reformen zu sprechen. Den ersten Anstoß hierzu hatte bei der Jugend die sog. denunciatorische Literatur gegeben, d. h. russische kleine Schriften, worin Mißbräuche, Schändlichkeiten und Ungerechtig­keiten russischer Beamten, sogar auch das Privatleben anderer Bürger entschleiert wurden, um auf solche Weise die Nothwen­digkeit einer socialen Reform zu beweisen. Die studirende Jugend stürzte sich mit aller Heftigkeit in diese Pläne.

So lagen bereits 1872 in den Studenten=Clubs revolutionäre Echriften auf, die einen vollständigen Umsturz aller Grundlagen des heutigen officiellen Rußlands, die sog. tabula rasa, pre­digten, und größtentheils von der russischen Emigration, d. h. vom russischen Aste der Internationale ausgingen. Den Grund­stock der Verschwörung bildeten russische Studenten, die im Aus­lande die modernen Ideen aufgeschnappt hatten und ihre Hin­und Herreisen vorzüglich auch zum Einschmuggeln der socialistischen Brand=Literatur benützten. Unter ihnen zeichnete sich Sergius Kowatek aus, früher Schüler der Universität Kiew und bald nach Vollendung der Studien zum Präsidenten des Friedens­gerichtes zu Mglina im Gouvernement Tscherniegoff befördert. Aus diesem Beispiele kann man abnehmen, wie sehr der Socialismus in der jüngeren Beamtenwelt des Reiches vertreten ist; ein Uebelstand, der sich mit jedem Jahre verschlimmert, weil das leitende socialistische Comité die Augen am allermeisten auf die russischen Studenten richtet, weil es in diesen Kreisen die feurigsten, thätigsten und emsigsten Apostel findet. Sie selbst nannten diesdas Apostolat der Wahrheit und Guten."

Die erste derartige Studentenverbindung nannte sich Hapkamee, d. h. Theeliebhaber, setzte sich in St. Perersburg fest und verästete sich allmälig in's Innere des Landes. Sie gehörte ganz und gar den Bakunin'schen Lehren an. Ausgehend von den Fehlern des gegenwärtigen socialen Le­vens, suchen sie das Volk zu überzeugen, daß alles Erdenelend von unserer falschen Staats=Idee herrühre. Der Staat habe die tsprünglich gute Einrichtung der russischen Commune verfälscht zertreten; daher müßten sich alle Ehrlichen und Gut­schagron: u die socialistische Fahne mit folgenden Grundsätzen Umsturz aller Staaten; Vernichtung ovurgeoisie=Civilisation; von Unten nach ##. sortschreitende Organisation vermit­

#(Tiheitlicher Vereine; Regeneration der edweder Selaverei emancipirten Volks­####sen und der gesammten Menschheit zur ganse Peten Freiheit; Aufbau eines neuen, die zmanzt###nschheit umfassenden Baues. Die letzt­zinigter Devise bezieht sich offenbar auf die geplantenVer­Freistaaten". Kurz, wir haben hier die nin'schen Principien ganz und unverhüllt vor uns. en furcht= und rückhaltslose Einstehen für diese Grundlagen gungu Gesellschaft wurde den feurigen und phantasiereichen Ressigg.3aar nie Hochschule als edelster Heroismus, als wahrer Hauptmitzer u. der unterdrückten Menschheit dargestellt. Das ution: zur Durchführung dieser letzten und größten Revo­um fa.: eine schlagfertige revolutionäre Propaganda, welche .geichter auszuüben sei, weil das Volk immer und überall und in hasse, unter welcher Form er auch constituirt sei, und Unwiderstee Person er auch sich zuspitze. Das Volk sei eine kommen g21ic Macht, gegen welche keine Regierung aufzu­einer argeröge. Damit nun aber das Volk zum Bewußtsein ebendarum u zum Siege gelange, müsse es organisirt sein;

m musse das intellectuelle Proletariat die Studenten

als Brücke zwischen den wirklichen Proletariern und den so­cialistischen Häuptern dienen.

Trotz ihrer Ungeheuerlichkeit übten die Bakunin'schen Theo­rien einen desto bestechenderen Einfluß auf die studirende Ju­gend und das niedere Volk, je weniger die rationalistisch zer­fressene und in Formalismus versunkene Orthodoxie des Reiches im Stande war, den Gegenbeweis anzutreten und die Geister zu regieren. So verloren die verschiedenen Verbindungen immer mehr ihren anfänglich theoretischen Charakter und wurden prak­tische Revolutions=Heerde. Das mit Anfang des J. 1873 er­schienene russische Socialisten=Blatt zu London, derWpierod, unter der Redaction Lawroff's, trieb und treibt die stürmische Jugend der Hochschulen immer weiter auf der abschüssigen Bahn.

Gegen Neujahr 1874 beschloß man in den socialistischen Studenten=Bünden, daß der Augenblick des Handelns gekommen sei, wo die Vereinigung mit dem Volke bewerkstelligt werden, und der Losschlag geschehen müsse.

Aber wenn man auch über das Was? und Wann? vollkom­men Eins war, so zerfielen doch die Verschworenen in Betreff des Wie? in drei Hauptparteien.

Die erste Partei=Gruppe glaubt, daß ein höherer Unterricht zum Zwecke der socialistischen Propaganda durchaus unnöthig ist; Lesen, Schreiben und noch einige ganz elementäre Kenntnisse seien genug; aber wesentlich sei es, sich mit dem Volke zu iden­tificiren, thatsächlich Bauer oder Arbeiter zu werden und sich als solcher zu kleiden. Nur so könne man Proselyten gewinnen und die große Revolution vorbereiten. Man sieht auf den ersten Blick die Aehnlichkeit dieser Partei mit den Egalitaires der französischen Revolution.

Die zweite Partei hält den höheren Unterricht zur Einwirkung auf das Volk für nöthig, verwirft aber alle Universitäts=Diplome und die amtliche Schul=Organisation, welche nur den Einzelnen demoralisire, zum Sclaven gewisser Ideen und conventionellen Formen, kurz, zum dummen Bourgeois mache. Der Mensch müsse sich durch eigene Geistesarbeit aus seinem Inneren her­aus selbst bilden. Man erkennt hier unschwer Pestalozzi'sche und Fichte'sche Gedanken.

Die dritte und gefährlichste Partei endlich verlangt von den Aposteln des Socialismus eine umfassende Bildung und fertige Ideen über Alles, anerkennt daher den Werth der akademischen Grade und Diplome. Man dürfe die socialistische Propaganda nicht auf die Masse des Volkes beschränken, sondern Jedermann müsse in seiner Sphäre wirken, sei es Oben, sei es Unten; ja gerade in den Kreisen der Verwaltung, des Militärs und der Universität, bei Aerzten und anderen Gebildeten, deren Beruf einen häufigen Contact mit dem niedrigen Volke herbeiführe, müsse man die emsigste Propaganda machen.

Deutschland.

* Berlin, 14. October. DieNorddeutsche Allg. Ztg. so­wohl als dieNationalzeitung machen die Lombardenfahrt des deutschen Kaisers wiederholt zum Gegenstande ihrer Besprechungen und excerpiren besonders die Artikel der hochofficiösenOpinione, welche über dieses bevorstehende Ereigniß handeln. Darnach sei das Project der Kaiserreise Anfangs deßhalb nicht recht ge­diehen, weil die italienische Regierung sich lange habe nicht für die Ueberzeugung gewinnen lassen, daß sie mit in den Cultur­kampf eintreten müsse. Jetzt endlich sei auch die italienische Regierung dieser Ueberzeugung zugänglich geworden. DieNa­tionalztg. citirt folgende Sätze aus derOpinione:

Der von den Regierungen ausgenommene Kampf ist politischer Natur, und es gereicht ihnen zur Stärkung und Unterstützung, den Kaiser Wil­helm zum Führer zu haben.... Und die Wuth, welche die Klericalen gegen Deutschland antreibt, rührt daher, daß der Kaiser Wilhelm als das Oberhaupt des mächtigen Heeres anerkannt worden ist, welches sich zur Ver­theidigung der werthvollsten Errungenschaften des modernen Zeitalters schlägt. Italien sieht in Wilhelm I. nicht bloß den Freund und Verbündeten auf dem Schlachtfelde, sondern auch den Fürsten, der den Anstrengungen einer Partei Widerstand leistet, welche die Rechte der Vernunft und der Staats­gesetze angreift. Der verehrungswürdige Monarch, welcher in Mailand abermals die Rechte Bictor Emanuels schüttelt, bestätigt den Bund der Staaten gegen den Geist der Reaction, der über dem Vaticnn die Fittige ausbreitet. Jeder Staat hat die Verpflichtung, diejenigen Waffen anzu­wenden, welche dem Temperament der eigenen Nation mehr entsprechen; aber alle Mächte müssen denselben Zweck anstreben: die nationalen Einrich­tungen auf der breiten Grundlage der bürgerlichen, politischen und religib­sen Freiheiten zu befestigen. Wer sich weigert, an diesem Kampfe innerhalb der von seinen inneren Lebensbedingungen gezogenen Grenzen theilzunehmen, trennt sich von der liberalen Bewegung und verzichtet darauf, eine wohl­

thätige Wirkung auf die europäische Politik auszuüben."....Einen

Mittelweg gibt es nicht: entweder mit den Klericalen oder mit dem Staat, Verbündete des Vaticans oder Deutschlands. In diesem Kriege kann keine Macht neutral bleiben, weil in ihm die höchsten Interessen aller Bölker ver­pfändet sind.

Mit großem Interesse folgt man hier sowohl seitens der Reichsregierung als auch namentlich seitens der Mitglieder des Reichstages und des volkswirthschaftlichen Congresses den Ver­handlungen des in Eisenach tagenden Vereins für Social­politik. Ist man in unseren liberalen Kreisen über die Strafgesetznovelle aufs Höchste empört[], dieNationalztg. droht heute sogar der Regierung mit einem von einem grellen Mißklang begleiteten Abschluß des jetzigen Reichstages so steigert sich die Entrüstung noch mehr, wenn man hört, daß die beiden Schildknappen des Geh. Raths Wagener, die Herren Ru­dolph Meyer und Joachim=Gehlsen, in Eisenach das große Wort führen wollten, welches ihnen durch einstimmigen Beschluß ab­geschnitten worden ist. Aus Magdeburg schreibt man:In einer kürzlich stattgehabten Bürgerversammlung erklärte der Vor­sitzende, daß er sich mit dem bisherigen Abgeordneten Dr. von Sybel wegen der Neuwahl in Verbindung gesetzt, und dieser er­klärt habe, daß ihm sein neues Amt wie sein früheres eine voll­ständig unabhängige Thätigkeit als Abgeordneter gestatte und der Umstand, daß er seinen Wohnsitz in Berlin habe, ihm die Erfüllung seiner parlamentarischen Pflichten wesentlich erleich­tere, weßhalb er eine Wiederwahl anzunehmen gern bereit sei. Eine bessere Wahl auf Bismarck's Namen können die Magde­burger auch gar nicht treffen."

Der Anschluß des Fürsten Bismarck zur Begleitung des Kai­sers nach Italien wird in Innsbruck stattfinden. Die Rückkehr des Kaisers ist auf den 23. Oct. festgesetzt.

Binnen Kurzem wird der russische Reichskanzler Fürst Gortschakow auf der Durchreise nach Petersburg hier einige Tage verweilen. Fürst Gortschakow wird seinen kurzen Aufent­halt dazu benutzen, um mit den maßgebenden Persönlichkeiten über die Vorgänge im Orient zu conferiren. Im Kaiserhof sind heute Hunderte von Feuerwehrmännern damit beschäftigt, den Schutt aus dem vierten Stockwerk und dem Speisesaal zu entfernen. Auch heute war über die Ursache der Entstehung des Feuers Nichts bekannt geworden. Die Direction hofft, bei guter

Witterung den Neubau des Hotels bis Ende Februar zu Ende führen zu können. Die Läden im Hotel waren theilweise ge­öffnet, das Wiener Café von Neugierigen überfüllt. Bezüglich dieser Katastrophe läßt sich der(protestantische)Reichsbote" also vernehmen:

Sic transit gloria mundi! Ein echtes Bild unseres Gründerthums. Alles kolossal, überladen, mit Pracht und Luxus gebaut und kaum unter Dach und Fach, so kracht's zusammen; Hunderte von Arbeitern haben Sonntag und Werktag daran gebaut, und nun brennt's an einem Sonn­tag nieder! Aber ein Mene Tekel läßt man nicht mehr gelten; das Haus ist ja versichert, und man wird es womöglich noch herrlicher wieder ausbauen.

DerNordd. Allgem. Zeitung entnehmen wir Folgendes:

Wie schon mitgetheilt, sind die Provinzial=Regierungen aufgefordert wor­den, sich über den Entwurf einer Fischerei=Ordnung gutachtlich zu äußern. Die Regierungen ihrerseits fordern Genossenschaften und Personen, welche sich mit Fischerei beschäftigen oder ein Interesse an Fischerei und Fischzucht haben, auf, ihre Ansichten über den Entwurf zu entwickeln. So waren zu diesem Zwecke von der Regierung der Provinz Schleswig=Holstein * Delegirte der dortigen Fischer einberufen worden, welche unter der Leitung eines Regierungs=Commissars den vorgelegten Entwurf besprachen. Im Großen und Ganzen waren sie mit den Bestimmungen desselben einver­standen. In Bezug auf das Ruhen der Fischerei an den Sonntagen, wie dies in der entworfenen Fischerei-Ordnung bestimmt ist, erhoben sich ab­weichende Meinungen, schließlich jedoch einigte man sich über die Festsetzung eines Fischerei=Sonntags, der von Samstag 6 bis Sonntag Nacht 12 Uhr reichen soll: am Sonntage sollte jedoch mit Schleppgeräthen gefischt werden können. Man verständigte sich über die Marktgröße der Fische dahin, daß Störe unter 30 Pfd., Lachse unter 3 Pfd. oder 50 Cm. Länge, Forellen unter 28 Cm. Länge, Hechte unter 25 Cm. Länge, Schleie unter 20 Cm. Länge u. s. w. nicht zu Markte gebracht werden sollten.

DerSchles. Ztg. zufolge sind das fürstbischöfliche General­Vicariatsamt und das fürstbischöfliche Consistorium durch Schrei­ben des Herrn Fürstbischofs aus Johannisberg vom gestrigen Tage aufgelöst worden, die Beamten ihres Eides entbunden. Ob das eigentliche fürstbischöfliche Bureau, die geheime Kanzlei, weiter arbeitet, bis die amtliche Bekanntmachung desAbsetzungs­urtheils gegen den Herrn Fürstbischof erfolgt, scheint noch un­gewiß zu sein.

Der Reichskanzler hat dem Bundesrath einen Handelsvertrag zwischen Deutschland und der Republik Costarica vorgelegt.

Der Ausschuß des königlichen Landesökonomie=Collegiums hat heute nach zweitägiger Berathung über den Antrag seines Mitgliedes Rey von Burg=Gladbach betreffend die Eisenzölle folgenden Beschluß gefaßt;

Das Collegium wolle beschließen, Se Ercellenz den Herrn Minister für die Landwirthschaft zu ersuchen, daß derselbe in seiner Eigenschaft als Mit­glied des königlich preußischen Staatsministeriums dahin wirken wolle, daß die Stimmen Preußens im Bundesrathe des Deutschen Reiches dahin ab­gegeben würden, jede Modification oder Sistirung des Gesetzes vom 7 Juli 1873 so wie sonstige Anträge im protektionistischen Sinne abzulehnen. Man schreibt uns:

In der Nummer 272 derDeutschen Reichsztg. las ich, daß Don Carlos das Placet für die Bullen, Breven 2c. in seinem Gesetzbuch Codigo auf­genommen haben solle. Diese Nachricht, die Sie liberalen Blättern ent­nommen hatten, ist, wie Sie sofort die Vermuthung aussprachen, durchaus falsch. Der Wortlaut der bezüglichen Ordonnanz wurde von derCivilta Cattolica(Serie IX Vol. VIII quad. 607. 2 Ottobre 1875 pag. 112) angeführt, und lautet wie folgt: Nr. 1. Die Bullen, Breven, Rescripte, Briefe des hl. Stuhls, werden von den Prälaten und Personen, an welche sie gerichtet sind, ohne irgend eine Verpflichtung des Pace Regio(exe­quatur oder placet) frei veröffentlicht und ausgeführt, und die frühere Ver­bindlichkeit ist aufgehoben. Damit aber verzichte ich nicht auf die legitimen Rechte, die von den Päpsten an meine Vorgänger als Lohn für der Kirche erwiesene Dienste zugestanden wurden. Nr. 2. Jede andere Person,(außer den Prälaten oder Adressaten der Rescripten) die obige Erlässe, ohne die nöthige Bewilligung, veröffentlichen würde, oder sie ausführen wollte, soll in die Strafen verfallen, die durch den Artikel 141 des Strafgesetzbuches vom 15. Mai 1873 bestimmt sind. Nr. 3 Diejenigen, welche oben genannte Doku­mente mißbrauchen, oder falsche Dokumente als wahre veröffentlichen, oder die Veröffentlichung oder Ausführung der authentischen verhindern, sollen eben­falls im Sinne des oben genannten Gesetzbuches bestraft werden. Nr. 4. Diese Entschlüsse werden ihre Kraft behalten bis eine definitive Regelung dieses Gegenstandes durch eine Vereindarung mit dem hl. Stuhl festgestellt wird. Tolosa 29. Juli 1875. Ich der König. Wahrscheinlich hat zu dem Mißverständnisse oder zu der Erfindung der Satz Nr. 2 Anlaß ge­geben, der aber in seinem Zusammenhange vollkommen correct erscheint.

Don Carlos und die Carlisten sind die betes noires der Li­beralen und der Preßjuden, die alles Mögliche erfinden, um sie zu verschwärzen.

Man meldet derDeutschen Ztg. aus Prag, 11. Oct.: Graf Harry Arnim hat das Graf Harrach'sche Waldgut Schluckenau um eine Million Gulden angekauft.

Von dem Bundesrathe ist nunmehr auch die Klasseneintheilung der Ver­gütungssätze für den Militär=Vorspann festgestellt worden, nach welcher in der Rheinprovinz künftig der Vorspann bezahlt werden wird. Nach dieser Festsetzung betragen die Vergütungen in den Gemeinden, welche zur I. Klasse gehören: Für ein mit einem Pferde bespanntes Fuhrwerk mit Führer 8 ½/ Mark, für jedes weitere Pferd2 Mark und für ein mit 2 Pfer­den bespanntes Fuhrwerk mit Führer 13 M. Für die Ortschaften 11 Klasse sind die Vergütungen auf 8 M. 7., M. und 10½ M. und für die Gemeinden IV. Klasse auf 6 M. bezw. 3 M. und 9 M. bestimmt. Bei der Klassificirung ist der Kreis Bonn in die II. Klasse gestellt worden, so daß also für eine hier gestellte zweispännige Fuhre künftig pro Tag 12 M. aus der Staatskasse vergütet werden. In die I. Klasse wurden nur die Städte Aachen, Köln und Düsseldorf aufgenommen.

Dem Bundesrathe ist der Entwurf einer Bekanntmachung zugegangen, welche die Außercourssetzung der auf Grund der Zwölftheilung des 1/##­Thalerstückes ausgeprägten Dreipfennigstücke deutschen Gepräges auf den 1. November ds. Is. festsetzt. Motivirt wird dieser kurze Termin damit, daß die Seitens der Landesregierungen getroffenen Maßregeln zur allmäli­chen Einziehung der Dreipfennigstücke bisher keinen Erfolg gehabt, da bis zum letzten Sept. d. J. überhaupt nur 209306,38 M. in Dreipfennig­stücken eingezogen, bezw. bei der Reichshauptkasse als eingezogen verrechnet worden sind, während Preußen allein in dem Zeitraum von 1857 bis 1873 an Dreipfennigstücken ca. 1,600,000 M. ausgeprägt hat. Nach vor­liegenden Berichten zeigt das Publikum wenig Neigung, sich der erwähnten Münzen zu entledigen; die letzteren bleiben vielmehr fortgesetzt im Umlaufe, und die Folge ist, daß im kleinen Verkehr die Rechnung nach Thalerpfenni­gen sich erhält, und für die Reichs=Kupfermünzen das Eintreten in diesen Verkehr erschwert ist. Es sind sogar öfter Fälle vorgekommen, daß die an Lohnarbeiter vorausgabten Reichspfennige in großer Menge bei den Detail­händlern zusammenströmten, welche letzteren dieselben wieder zu verausgaben nicht in der Lage waren, sondern um die Umwechselung ungewöhnlich hoher Beträge solcher angesammelter Münzen bei den preußischen Kassen nachsuchten. Zur Beseitigunz dieser Uebelstände erscheint die schleunige Außer­courssetzung der Dreipfennigstücke dringend geboten.

Aller Augen wenden sich nach Bayern. Die gestrige erregte Debatte in der Münchener Kammer hat gezeigt, daß eine Ver­söhnung, ein Ausgleich zwischen diesem Ministerium und der Majorität der Kammer nicht möglich ist. Die Erklärung des Ministers Lutz, trotzdem nicht zu gehen, wirft ein recht helles Schlaglicht auf unseren Constitutionalismus, der sich immer mehr als ein Schattenbild von Volksfreiheit erweist. Was soll einem Lande eine constitutionelle Verfassung, wenn dessen Mi­nister absolut regieren? Die Erklärung der bayerischen liberalen Abgeordneten klingt wie ein Hohn auf die Rechte der bayerischen Volksvertretung.