59. Jahrgang
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Bonner Dolks-Zeitung
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Um Oberschlesien.
In der aufsehenerregenden Rede Lloyd Georges, deren Hauptstellen wir in unserer Pfingst=Ausgabe mitteilten, hat der englische Premier, nicht bloß den Polen ihr Unrecht vorzehalten, sondern auch den„verbündeten“ Franzosen gesagt, daß sie kein ehrliches Spiel treiben. Sogar Deutschlands Recht auf Selbstschutz erkennt er an. Das klingt so, als ob England entschlossen wäre, den Raub an Oberschlesien unter allen Umständen zu verhindern. Aber wir wissen aus bitteren Entläuschungen, daß Lloyd George im Reden kräftiger ist, als im Handeln. Er fällt im entscheidenden Argenblick leicht um. Wenn von England uns Gerechtigkeit und ehrliches Spiel versprochen werden, so dürfen wir niemals vergessen, daß die Engländer sich nicht von Idealen und edlen Gefühlen leiten lassen, sondern Weltpolitik gemäß ihrer eigenen Intcressen treiben.
Augenblicklich steht die englische Weltpolitik im Gegensatz zu der französischen Machtpolitik. Es fragt sich nur, ob der Ringkampf wirklich durchgeführt wird, oder ob die Herrschaften wieder ein Kompromiß schließen auf unsere Unkosten.
Die Lage ist dadurch verwickelt geworden, daß Nordamerika wieder seine starke Hand in das weltpolitische Getriehe gesteckt hat. Trotzdem läßt sich über das Spiel der Kräfte ein klärender Ueberblick gewinnen.
Die französischen Machthaber rechnen darauf, daß Nordamenska den Wettstreit mit England wegen der Vorherrschaft im Welthandel und auf dem Weltmeere entschieden durchführen will und demgemäß die Hilfe der Franzosen braucht, also nichts dagegen hat, wenn Frankreich die Vorherrschaft in Europa an sich reißt und die Engländer vom Festland zurückdrängt.
Daraufhin haben die Pariser ihre Kontinentalpolitik mit voller Rücksichtslosigkeit auf die Spitze getrieben. Es gibt ja auch in Deutschland sogen. Kontinentalpolitiker, die von einem deutsch=französischen Bündnis gegen England träumen. Die Pariser sind keine Träumer und denken nicht an Freundschaft mit Deutschland, sondern vielmehr an Eroberung und Vernichtung. Der große Schlag war zu Anfang Mai geplant, und zwar derartig, daß Deutschland zu gleicher Zeit im Westen und im Osten vergewaltigt und beschnitten werden sollte. Die Franzosen wollten sich der beiden großen Kohlen= und Industriegebiete Deutschlands bemächtigen; an der Ruhr unmittelbar durch die Truppen Focho, an der Oder mittelbar durch die Banden Korfantys und die nachrückende Armee des verbündeten PPolenstaates. Das Einverständnis zwischen Franzosen und Polen liegt so klar zutage, daß Lloyd George es öffentlich brandmarken mußte. Die Gleichzeitigkeit der französischen Mobilmachung und der polntschen Schilderhebung ist kein Zufall, sondern beruht auf sorgfältiger Berechnung. Auch für die Sicherung der Beute hatten die Franzosen schon vorgesorgt. Sie hatten sich die Leitung und Ausbeutung der oberschlesischen Gruben und Hüttenwerbe ausbedungen und obendrein die Kontrolle über die Petroleumfelder im Osten, deren Verlust England sehr bitter empfinden muß, wenn Nordamerika ihm das Petroleum sperrt.
Solchen Gefahren für England suchte Lloyd George auf der letzten Konserenz zu London dadurch entgegenzutreten, daß er den Aufschub des Vormarsches an die Ruhr durch das Ultimatum herbeiführte. Daher der lebhafte Wunsch der Engländer, daß Deutschland das Uktimatum annehmen möchte. Daher auch die Enttäuschung der französischen Machthaber, als Deutschland wirklich nachgab und sie so zum vorläufigen Rückzug hinter den Rhein nötigte. Aber die gleichzeitig vorbereitete Eroberung von Oherschlesien haben sie doch nicht aufgegeben. Das ist nun die peinliche Ueberraschung für Lloyd George, die ihn zu so scharfen Worten veranlaßte.
Aus dieser Betrachtung ergibt sich, daß es für Deutschland wirklich das größere Uebel gewesen wäre, wenn wir das Ultimatum abgelehnt und so gleichzeitig die beiden Lebensquellen unserer Volkswirtschaft, das Nuhr= und das Odergebiet, den Eroberern preisgegeben hätten.
Für die Gegenwart haben wir eine Erleichterung erreicht; aber wie steht es mit der Zukunft? Die hängt wesentlich davon ab, ob England jetzt tatkräftig seine bedrohten Interessen geltend macht oder wieder ins Schwanken und Zaudern gerät.
England ist stark, wenn es Wagemut hat; aber es hat Mangel an zuverlässigen Freunden. Das ebenfalls staele Nordamerika sucht sich mit Frankreich gegen England zu verbünden. Belgien ist ein Schleppenträger Frankreichs. Italien, dessen Ehre in Oberschlesien so empfindlich angetästet wurde,
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hat den ersten Entrüstungssturm schon wieder abblasen lassen, und der neu bestätigte Außenminister Graf Sforza setzt seine Polittk fort, die es mit Frankreich nicht verderben will. England findet einen zuverlässigen Helfer nur in Japan, das im scharfen Macht= und Interessenkampf mit Nordamerika steht. Daher das aufgefrischte englisch=japanische Bündnis.
Bei dieser Sachlage kann man noch nicht prophezeien, ob Llod George nunmehr Ernst machen werde mit der Verteidigung der englischen Weltstellung, oder ob er noch weiter mit Halbheiten lavieren will auf die Gefahr hin, daß die Franzosen und ihre Helfer Deutschland vernichten und die Herrschaft über den ganzen Kontinent an sich reißen. Briands Empörung.
Der französische Ministerpräsident Briand hat nach dem Bekanntwerden der Rede Lloyd Georges die Vertreter der Pariser Presse empfangen und ihnen u. a. erklärt:
Die französische Regierung erhede ernstlichen Widerspruch dagegen, daß ihre Streitkräfte in Oberschlesien es an der nötigen Pflicht hätten fehlen lassen. Briand vertritt den Standpunkt, daß es bedauerlich sei, daß die Franzosen und Italiener allein für die Ordnung zu sorgen haben. Nach seiner Ansicht ist es falsch, wenn man den Deutschen von außerhalb zugestehen würde, das schlesische Problem durch Gewalt zu lösen, denn es sei doch ein Unterschied, ob ein Aufstand von innen heraus ersolge oder ob Streitkräfte, die im Bezirk nicht beheimatet seien, eingriffen. Der englische Erste Minister habe gesagt, Schlesien sei seit Jahrhunderten ein deutsches Land. Das sei unrichtig. Schlesien habe dem Königreich Böhmen gehört, sei zusammengesetzt, aus slawischen und germanischen Elementen, könne also nicht als reindeutsch angesehen werden. Auch könne man den Gedanken der Nationalität, der sich auf Sprache und Abstammung begründe, als einen rein modernen Gedanken nicht annehmen. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert habe Schlesien zur Habsburger Monarchie gehört. 1740 sei es von Preußen annektiert worden. Die preußische Beherrschung sei also jüngeren Datums. In den Städten befinde sich eine deutsche Mehrheit; aber wenn man den Andreschen Atlas von 1914 betrachte, finde man die Vorherrschaft der polnischen Sprache eingezeichnet und nur einige kleine Inselchen, auf denen die deutsche Sprache vorwiege. Aus diesen Gründen habe auch die Friedenskommission Oberschlesien Polen zugeteilt, und erst auf deutsches Verlangen sei man zur Volksabstimmung geschritten.
Englisch=französischer Notenwechsel.
D3B. London, 16. Mai. Havas wird versichert, daß die englische Regierung durch Vermittlnug ihres Botschafters Lord Hardinge Briand eine Note über die Ereignisse in Oberschlesien überreicht habe. Die Note soll die Argumente entwickeln, die denjenigen, die der englische Premierminister am gleichen Tage in seiner Rede vorbrachte, sehr ähnlich seien. In dieser Note bat Lloyd George Briand, so bald wie möglich mit ihm in Boulogne zusammenzukommen, um die Lage zu prüfen. Briand soll Lloyd Gcorge geantwortet haben, indem er den französischen Standpunkt so ausdrückte wie er bereits bekannt ist und wie er ihn übrigens durch die Erklärungen Vertretern der Presse gegenüber bekannt gab. Der französische Ministerpräsident drückte den Wunsch aus, Oberschlesien in Gemäßheit des Friedensvertrages und der Volksabstimmung zugesprochen zu sehen. Der englische Ministerpräsident wisse, daß er über diese Sache nicht mit ihm verhandelt könne, bevor er mit dem französischen Parlamente Fühlung genommen habe.— Die Kammer soll am Donnerstag die Arbeit wieder aufnehmen.
An die Kulturnationen der Weit!
WTB Kattowitz, 15. Mai. Die deutschen Parteien und Gewerkschaften richten an die Kulturnationen der Welt folgenden Funkspruch:
Am 20. März 1921 hat die überwältigende Mehrheit des oberschlesischen Volkes sich für den Verbleib bei Deutschland entschieden. Diese Mehrheit sah mit vollem Vertrauen der Entscheidung des Obersten Nates entgegen. Am 3. Mai 1921 hat ein Teil der polntschen Minderheit, unterstützt durch landfremde Scharen, zu den Waffen gegriffen, um durch Gewalt der Entscheidung über das Schicksal Oberschlesiens vorzugreisen. Seit diesem Tage ist die friedliche Bevölkerung Oberschlesiens allen Schrecken und Grausamkeiten des bis auss kleinste vorbereiteten bewaffneten Aufruhrs ausgesetzt, der durch Mord, Raub, Plünderung und Verschleppungen gekennzeichnet ist. Die Interalliierte Kommission hat stets Mittel gefunden, die freie Willensäußerung der deutschgesinnten Bevölkerung Oberschlesiens zu zügeln, den bewaffneten Rebellen gegenüber findet sie nur papierne Bekanntmachungen. Während Italiener und Engländer in treuer Pflichterfüllung ihr Leben eingesetzt haben, steht die starke französische Truppe tatenlos dem Aufstand gegenüber. Französische Soldaten verbrüdern sich offen mit den Rebellen; unter den Augen des französischen Militärs werden Deutsche verschleppt, getötet, mißhandelt, beraubt und ausgeplündert. Die deutsche Presse wird mit schärfster Zensur an wahrheitstreuer Berichterstattung verhindert, die polnische Presse hetzt unter derselben Zensur tagtäglich gegen alles Deutsche, brinzt täglich neue blutrünstige Aufrufe und darf ungehindert die der Autorität der Interalliierten Kommission hohnsprechenden Verordnungen der Aufständigen veröffentlichen. Obwohl das Standrecht verhängt ist, plündern bewaffnete Aufständische unter Gebrauch von Schußwaffen und Handgranaten. Trotzdem versuchen französische maßgebende Stellen in Kattowitz, dieses verbrecherische Treiben der polnischen Rebellen den Deutschen zuzuschieben. Der französische Ministerpräsident fälscht die Wahrheit, indem er die von der Oberschlesischen Grenzzeitung, dem offiziellen Organ des Redellenführers Korfanty veröffentlichten aufreizenden Nachrichten als aus deutscher Quelle stammend bezeichnet. Französischer und polnischer Chauvinismus und Imperialismus haben sich in Oberschlesien vereinigt, um das Recht zu beugen. Nie ist eine hohe Mission schnöder mißbraucht worden,
nie ist stärker der Versuch in Erscheinung getreten, der Gewalt zum Sieg über das Recht zu verhelfen. Wiederholt haben wir die Hilfe der Interalliter= ten Kommission angerufen. Am 3. Mai hat sie öffentlich feierlich versichert, sie werde vor keinem Mittel zurückschrecken„die gesetzmäßigen Zustände wiederherzustellen. Von dieser Zusage ist nichts eingelöst worden. Der Aufstand hat weiter bis dahin unberührt gebliebene Gebiete erfaßt; ohne jeden Schutz sind wir von der durch den Friedensvertrag damit beauftragten Interalliierten Kommission der Gewalt der Nebellen ausgeliefert. In dieser höchsten Stunde der Not und Verzweiflung wenden wir uns mit dem ganzen sittlichen Ernst eines vergewaltigten Volkes an die Kulturnationen des Erdballes mit dem Ruse: Tretet ein für unsern sofortigen Schutz; helft uns zu unserm Rechte!
Die deutsche Antwort auf die Briand=Note.
WTB. Berlin 14. Mai. In Beantwortung der Rote Briands über den Aufruhe in Oberschlesien
ist der französischen Regierung heute folgende Note übergeben worden:
„Der Herr Ministerpräsident glaubt in seiner Note vom 7. d. M. den Ursprung des Aufstandes einer salschen deutschen Zeitungsmeldung zuschieben zu sollen. Demgegenüber muß festgestellt werden aaß es sich um die Oberschlesische Grenzzeitung, das Organ des bisherigen: politischen Plebiszitkommissars Korfanty, handelt. Diese absichtlich gefälschte Veröffentlichung sollte offenbar als Alarmsignal für die seit langem vorbereitete volnische Aufstandsbewegung dienen. Die Note geht mithin von einer salschen Voraussetzung aus, was übrigens auch Herr General Le Rond dem deutschen Bevollmächtigten in Oppeln gegenüber ausdrücklich auerkannt hat.
In der Note wird ferner gesagt, daß die aus deutschen Quellen stammenden Meldungen über die Lage in Oberschlesien tendenziös gesärbt seien. Demgegenüber muß die deutsche Regierung mit Nachdruck feststellen, daß die tatsächlichen Zustände in Oberschlesien einen viel ernsteren Charakter tragen, als sie in der Note vom 7. d. M. dargestellt sind. Trotz Wiederaufnahme der Arbeit an manchen Stellen ist irgend eine Besserung der Lage nicht festzustellen. Der Insurgentenführer Korfanty ist nach wie vor absoluter Herr der Lage, und es gelingt ihm täglich, seinen Machtbereich weiter auszudehnen; so ist am 10. Mai sogar der wichtige Eisenbahnknotenpunkt Kandrzin durch einen mit modernen Kampfmitteln und unter Verwendung von Artillerie durchgeführten Angriff in seine Hände gefallen. Die Interalliierte Kommission verfügt in dem größten Teile von Oberschlesien über keinerlei Macht.
Die in der Note erhobenen schweren Anschuldigungen sind demnach, wie dies auch bereits von Herrn General Le Rond ausdrücklich anerkannt worden ist, durchaus unbegründet.“
Amer kanische Befürchtungen. D3B. London, 16. Mai. Wie aus NewYork berichtet wird, hofft die amerikanische Presse, daß die Unterhausrede Lloyd Georges über Oberschlesien die Luft reinigen werde.— NewYork World glaubt, daß die Worte des britischen Premierministers ebenso an die Franzosen wie an die Polen gerichtet wären. Das Blatt schreibt: Wenn nicht durch die Festigkeit einer internationalen Autorität, die den Schiffbruch des Krieges überlebt hat, das Vertrauen wieder hergestellt wird, so würden die Folgen surchtbar sein. An der schlesischen Grenze sei das ganze Zeug zu einem neuen großen Kriege angehäuft. NewVork Times erklärt, Polen hat kein anderes Recht auf Oberschlesien als das, welches der Friedensvertrag ihm gibt.— NewYork Globe schreibt, die Alliierten seien ebenso verpflichtet, Deutschland gegen einen ungerechten polnischen Angeisf zu schützen wie umgekehrt.— Wie weiter zemeldet wird, verfolgen die Regierungskreise in Washington die Lage mit Aufmerksamkeit.
D3B. Paris, 16. Mai. Havas meldet aus Washington:: Nach Nachrichten aus amtlichen Kreisen erklärt man, daß die amerikanische Regierung die oberschlesische Frage für eine Angelegenheit von europäischem Interesse halte. Man glaubt in gut unterrichteten Kreisen, daß die amerikanische Regiekung keinerlei Stellung zu dieser Frage nehmen wird und daß sie bis jetzt keinerlei Maßnahmen getroffen hat, von denen man annehmen könnte, daß sie, sei es zur französischen, sei es zur englischen Auffassung neige. Da es jedoch Wunsch des amerikanischen Volkes ist, daß das Leben in Europa wieder normal werde, so ist die öffentliche Meinung der Ansicht, daß die amerikanische Regierung, wenn sich ein günstiger Augenblick dazu bietet, eingreisen werde, um die beiden Standpunkte zu vereinigen. Man glaubt jedoch, daß eine Lösung ohne Amerika gefunden werden wird.
Die polnische Presse tobt.
03B. Warschau, 16. Mai. Die Warschauer Presse äußert sich in maßloser Erbitterung zu der Rede Lloyd Georges über Oberschlesien. Die Gazetta Poranna führt in ihrem Leitartikel aus. Lloyd Georges Behauptungen zeugten von jener Ignoranz, die aus seiner bekannten Verwechslung von Cylizien und Schlesien hervorgehe. Es war in allen polnischen Fragen von Ostgalizien, Masuren, Wilna und Danzig Polens Feind. Nicht Polen, sondern Lloyd George breche den Versailler Vertrag und behandele ihn als einen Fetzen Papier. Seine Aeußerungen über die Teilnahme deutscher Truppen bei der Niederwerfung des Aufstandes in Oberschlesien kämen einer direkten Aufforderung an Deutschland zum Einmarsch gleich. Polen wolle den Krieg mit Deutschland nicht. Aber in diesem Falle müsse die Regierung aus ihrer passiven Neutralität heraustreten.— Kurier Poranna nennt Lloyd Georges Rede unerhört; aus jedem Satz habe seine Wut gegen Polen herausgesprüht. Es sei nicht die Rede eines Staatsmannes, sondern die eines Advokaten gewesen, der eine schlechte Sache vertrete. Seine Ausführungen waren nicht nur fair play, sondern nicht einmal gentlemanlike.— Strowski findet im Leitaufsatz in der Rzeczpospokita vier Elemente in Lloyd Georges Rede: Erstens die Entdeckung, daß die polnische Bevölkerung Oberschlesiens zugewandert sei; zweitens die Beleidigung, daß Polen für seine Freiheit nichts getan habe; drittens den Witz, daß Polen in Oberschlesien den Versailler Vertrag vergewaltigt habe, und viertens die Drohung, daß deutsche Truppen
sich auf Oberschlesien stürzen sollten. Niemand in Europa vergewaltige den Versailler Vertrag so, wie Lloyd George. Seine Aufforderung an Deutschland zu dem bewaffneten Einmarsch in Oberschlesien sei unerhört.— Der Tagesplauderer der Rzeczpospolita verhöhnt Lloyd George, der Schlesien, Cylicien und Silistria nicht unterscheiden könne. Preußen müsse Lloyd George zum Ehrengeneral der Reichswehr ernennen.
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Die gefährdete Einigkeit.
Der Pariser Vertreter der Köln. Zig. telegraphiert seinem Blatt unterm 16. d. Mis.:
Die oberschlesische Frage hat die Beziehungen zwischen England und Frankreich in den letzten drei Tagen dermaßen beeinträchtigt, daß man wohl die Behauptung ausstellen darf, daß noch niemals seit dem Waffenstillstand ein Konflikt von dieser Bedeutung die beiden Kabinette so stark beschäftigt hat. Das will jedoch nicht heißen, daß die Zeit schon gekommen ist, um von ernsten Nachwirkungen zu sprechen. Wenn man seit gestern von einer bevorstehenden Sitzung des Obersten Rates auf belgischem oder französischem Boden spricht, will man damit nur sagen, man werde sich wieder einigen, und wenn man sich einigt, dann kann es nur zum Schaden Deutschlands sein.
Eine neue Konserenz.
D3B. London, 16. Mai. Wie Neuter erfährt, werden Lloyd George und Briand in etwa einer Woche in Boulogne oder Lympne zusammentreffen.
Freie Stadt Danzig.
Danzig, 15. Mai. Der Hasenausschuß der Freien Stadt gibt bekannt, daß entgegen den Wünschen Polens sämtliche unmittelbar und mittelbar mit dem Hafen zusammenhängenden Schienenstränge, das heißt der größte Teil der Eisenbahnanlagen Danzigs, in seine Verwaltung übergehen. Die Einzelheiten werden durch Verhandlungen mit der polnischen Eisenbahndirektion geregelt werden.
Frau von Hindenburg f. Hannover, 16. Mai. Frau Generalfeldmarschall von Hindenburg geb. von Sperling ist nach achtmonatlichem schweren Leiden in ihrer Villa in Hannover sanft entschlafen. Sie wurde am 4. Dezember 1860 in Magdeburg geboren und heiratete am 24. September 1879.
Frau von Hindenburg war weit über die Kreise Hannovers hinaus als Wohltäterin bekannt und erFreute sich der größten Beliebtheit. Sie hat sich insbesondere während und nach dem Kriege der Kriegsblinden angenommen. Die Beisetzung der Leiche findet am Mittwoch, den 18. Mai, nachmittags 2 Uhr auf dem Städtischen Friedhof in Stöcken=Hannover statt.
Eigenhand=Wohnungsbau.
Fulda, im Mai. Nach einem Vortrag von Hauptmann Schmude hat sich hier zur Behebung des Wohnungsmangels ein Eigenhand=Bauverein von 149 Siedlern gebildet, die nach einem gemeinsamen Arbeitsvertrag den Bau von Siedlungshäusern unter eigner Mitwirkung beginnen werden. Die Stadt hat das Gelände für die Häuserbauten zur Verfügung gestellt, ebenso Baumaterialien zu Selbstkostenpreisen und Zuschußgelder. Zunächst werden von 18 Siedlern 9 Doppelhäuser errichtet werden.
Eine hochherzige Idee.
In den„Deutsch=Schwedischen Blättern, der von der Deutsch=Schwedischen Vereinigung im Verlage von E. S. Mittler u. Sohn, Berlin herausgegebenen verdienstlichen Vierteljahrsschrift, die sich für einen lebendigen Austausch schwedischer und deutscher Kultur einsetzt, lesen wir folgende Notiz: Was würdest Du mit dem Gelde machen?— nämlich, wenn Du eine Milliarde gewännest! Ueber dieses Thema plaudert in„Nya Dagligt Allehanda“. Annie Akerhielm mit einer Mischung von Scherz und Ernst. Sie kommt dabei für sich selbst zu folgendem Schluß:„Wenn ich jetzt ein Riesenvermögen hätte, so würde ich hier in Schweden eine große deutsche Schule errichten. Diese müßte die besten Lehrkräfte haben, die in Deutschland zu bekommen wären, und die Schüler sollten ausgewählt werden aus den Begabtesten an allen deutschen Schulen. Hier sollten sie die beste körperliche, Ernährung bekommen, die Schweden, und die beste sgeistige, die Deutschland bieten könnte.
65 Millionen Deutsche können nicht von 5 Millionen Schweden errettet werden von Hungersnot und Hungerstod; das ist selbstverständlich aber leider auch beim besten Willen unmöglich. Aber eine kleine, erwachsene, führende Gruppe könnte auferzogen werden, die die Aufgabe hätte, die degenerierte Zwergnation, welche der Versaillesfrie
den auf deutschem Boden schaffen will, zu einer besseren Zukunft zu führen. Das würde ich tun, wenn ich Geld genug hätte! Und du, mein Bruder, was würdest du tun?“— Die Idee dieser schwedischen Freundin des deutschen Volkes hat soviel Einleuchtendes, daß man nur wünschen möchte, sie verwirklicht zu sehen.
Jung=Jentrum in Julda.
In schwerster Zeit und bitterster Drangsal des deutschen Volkes rüstet sich die deutsche Zentrumsjugend, um morgen, 18., und übermorgen,
19. Mai in Fulda ihren großen gemeinsamen Jugendtag zum ersten Male nach dem niederschmetternden Erleben des Zusammenbruchs im Zeitraum der vergangenen Jahre zu begehen. Nicht in Festesfreuden, sondern in dem ganzen sittlichen Ernst tritt dieser erste Bundestag der deutschen Zentrumsjugend zusammen.
Windthorstbunde und Jungakademikerverbände
vereinigen sich in der alter Bischofsstadt, um in verständnisvollem Zusammenwirken und in brüderlicher Einmütigkeit kundzutun, daß die Zentrumsideale noch fortwirken und fortleben in einer begeisterten Zentrumsjugend zu einer festgefügten Ideengemeinschaft unter den Jungmannen führen, die, weil sie sich mit Bewußtheit dazu erziehen, Standesvorurteile zu überwinden, zu den schönsten Hoffnungen berechtigen und die schließlich in ihrem Endziel danach streben, daß sich die deutschen Voltsgenossen über alle die verderbenbringenden Zwistigkeiten und kleinlichen Hadereien hinweg
e eie er ie ber lce ber!
bundesgenössischer Arbeit.
Alt= und Neupensionäre.
Von Abg. P. Merx, M. d. L.
In den Kreisen der Pensionäre herrscht immer noch eine große Ungewißheit über die neuen Bezüge. Das beweisen mir die vielen Anfragen und Zuschriften, die mir täglich in erheblicher Anzahl aus beteiligten Kreisen zugehen. Zumal bei der Altpensionären und Hinterbliebenen von Beamten sind die Bestimmungen anscheinend noch sehr wenig bekannt. Daher einige Worte der Aufklärung.
Die ehemaligen preußischen Eisenbahnbeamten, die vor der Uebertragung der Bahnen auf das Reich gensioniert wurden, bleiben preußische Pensionäre, Die Kosten aber zahlt das Reich. Die Gleichstellung der Alt und Neupensionäre und Althinter= bliebenen mit den Neuwartegeldempfängern, Ruhegehaltsompfängern und Neuhinterbliebenen, die durch das Gesetz vom 17. Dezember 1920 erfolgte, wird auch in den Ausführungsbestimmungen ausdrücklich anerkann:.
Das Ruhegehali und das Wartegeld der zum 1. April 1920 oder zu einem anderen Zeitpunkt in den Ruhestand versetzen unmittelbaren Staatsbeamten und der vor dem 1. April 1920 im Amt verstorbenen Beamten ist für die Zeit vom 1. Arril 1920 an auf den Betrag jestzusetzen, der sich ergeben hätte, wenn der Beamte bei seinem Ausscheiden aus der zuletzt von ihm bekleideten Stelle nach der am 1. April 1920 geltenden Vorschrift brsoldet gewesen u. in den Ruhestand versetzt worden wäre.
Die Altwartegeldempsänger, Altruhegehaltsempsänger und Althinterbliebenen sind also den Neuruhegehaltsompfängern, Neuwartegeldempfängern und Neuhinterbliebenen grundätzlich gleichgestellt. Infolgedessen sind auch die im Beamtenruhegehaltsgesetz vom 7. Mai 1920 vorgesehenen Zuschüsse an Altruhogehalts=, Altwartegeldempfänger und Althinterbliebenen mit Wirkung vom 1. Axril 1920 an unter Anrechnurg auf die neu zu.rechnenden Versorgungsgebührnisse weggefallen. Bezüglich des Versergungszuschlages bestimmt die Ausführungsanweisung ferner: Nach§ 22 Abs. 2 des BlamtenDiensteinkommengesetzes wird der Versorgungszuschlag der Wartegeld= und Ruhegehaltsempfänger von deren Wartegeld= und Ruhesehiltsbezüren in derselben Art und in demselben Verhältns berechnet wie der Ausgleichszuschlag glein####er, im Dienst befindlicher Beamten, von dere: Grundgehalt oder Grundvergütung und Ortszuschlag berechnet wird, muß mindestens die Hälite desjenigen Betrages betragen, und lann auf Antlag beim Vorliegen besonderer Verhältnisse bis auf die volle Höhe desjenigen Betrages erhöht werden, die als Ausgleichszuschlag auf das zuletzt bezegene ruhegehaltsfähige Diensteinkommen, soweit es aus Grundgehalt oder Grundvergütung und Ortszuschlagsdurchschnitt bestand, entfallen würde. Der Peisorgungszuschlag, der Witwen beträgt die Hälfte derjenigen Betrages, der als Ausgleichszuschlag auf das zuletzt bezogene ruhegehaltsfähige Diensteinkommen, soweit es aus Grundgehalt oder Grundvergütung und Ortszuschlagsdurchschnitt bestand, entfallen würde, kann jedoch auf Antrag beim Vorliegen besonderer Verhältnisse bis auf die volle Höhe dieses Betrages erhöht werden.
Sodann wird den in den Ruhestand verjetzten unmittelbaren Staatsbeamten für die Zeit vom 1. April 1920 ab Kinderbeihilfe in der gleichen Weise wie den aktiven Beamten, sowie für die Kinder der im Amt oder im Ruhestand verstorbenen Beamten gewährt, und zwar auch für Vollwaisen und Kinder einer wiederverheirateten Beamtenwitwe, sowie wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, auch nach Wegfall des Waisengeldes bis zum vollendeten 21. Lebensjahr.
Zur Aufklärung kann ich nur diese kurzen Winke geben. Interessenten empfehle ich die Beschaffung der Ausführungsanweisung des ppeußischen Finanz= ministers vom 21. Januar 1921 zum Beamtendiensteinkommensgesetz und zum Beamtenruhegehaltsgesetz vom 17. Dezember 1920(B. 1626), welches als Sonderabdruck des Finanz=Ministerialblattes Nr.
23 vom 5. Februar 1921(S. 33 bis 64) erschienen ist.
Unsere Altpensionäre werden die Gleichstellung mit den Neupensionären freudig begrüßen. Die Auszahlung des Unterschiedes, welcher immerhin eine namhafte Summe darstellt, wird sich noch einige Wochen hinziehen, da dieses umsangreiche Vorarbeiten erfordert. Aber die Berechnungen sind in vollem Gange, und es wird seitens der den einzelnen Ministerien unterstellten Behörden(Direktionen, Aemter usw.) mit Hochdruck an der Feststellung der neuen Pensionen, welche bei jedem Pensionär anders berechnet werden muß, gearbeitet, damit sobald wie eben möglich die Auszahlung erfolgen kann.
Sollten sich aber Pensio täre oder Witwen in einer Notlage befinden, so kann auf Antrag eine Vorschußzahlung auf die neuen Bezüge, welche durch die Gleichstellung der Alt= und Neuxensionäre bewilligt worden sind, bei den zahle iden Kassen in Empfang genommen werden. Bezüglich der Wirtschaftsbeihilfe(Besetzungszulage) für Pensionäre erhielt ich auf meine Anfrage nachstehende Antwort des Finanzministers:
„Die Reichsregierung hat es abgelehnt, den Empfängern von Ruhegehalts= und Hinterbliebenenbezügen die Wirtschaftsbeihilfe(Besetzungszulage) für das besetzte Gebiet zu gewähren. Da die Preußische Staatsregierung sich in Uebereinstimmung mit der Landesversammlung zur Gewählung dieser Beihilfe entschlossen hat, um ihre Beamten usw. nicht schlechter zu stellen als die des Reiches, kann die Staatsregierung andererseits auch für ihre