2: Jahrganz

Bonn, Dinstag den 28. Januar 1873.

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Grgan für das katholische deutsche Volk.

Nr. 27.

Die Deutsche Reichs=Zeitung erscheint täglich, an den Wochentagen Abends, an Sonn= und Festtagen Morgens. Insertionsgebühren für die Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr.

*mp; Vor hundert Jahren.

VII.

Wie in Allem, was die Verschworenen im Kampfe gegen das * Christenthum unternahmen, war der Plan zur Aufhebung und Ver­nichtung des Jesuitenordens, ohne dessen Entfernung aus den Schu­len und Universitäten die Sache des Fortschrittes nach Tocqueville nun einmal nicht durchführbar schien, schlau angelegt und alle Mittel, alle Umstände wurden benutzt, welche zur Erreichung des Zieles zweckdienlich schienen. Die Todtseindin des Jesuitenordens seit dem siebenzehnten Jahrhunderte war die besonders in Frank­reich mächtige und einflußreiche Sekte der Jansenisten, die in den Jesuiten ein Haupthemmniß ihrer allgemeinen Ausbreitung fanden. Wie ihre heutigen Nachäffer, die deutschen Neuprotestanten, ver­folgten sie daher mit wahrhaft infernalem Haß das Institut und die Personen der Väler der Gesellschaft Jesu und wo die Wahr­heit fehlte, war die Lüge und Verleumdung ihnen eine Waffe, welche die Wirkung nicht versagte. Vorzüglich aber war es der Jansenist Pascal, der das verdiente Ansehen, dessen sich die Je­suiten allerwärts erfreuten, in seinen verleumderischen, im Jahre

Issenguicn aue Wit ahgrsahten und in dr housen Spahze

erschienenenProvincialbriefen" nicht ohne Erfolg angegriffen und untergraben hatte. Diese Provincialbriefe waren und sind noch heute für die Feinde des Ordens die unerschöpfliche Fundgrube, welcher sie ihrer Waffen entlehnen, obschon wiederholt die Schwä­chen, Unrichtigkeiten und Verdrehungen des Pascal'schen Werkes von sonstigen Gegnern des Ordens und den bedeutendsten literari­schen Größen, wenn sie auch immerhin den sprachlichen Werth des Bu­

el ee. einem unbewachten Augenblicke dem Voltaire(Siecle de Louis XIV), der, wie wir schon gesehen, sicherlich kein Freund und Ver­theidiger der Jesuiten war, über die Provincialbriefe folgendes merkwürdige Geständniß:Das ganze Buch geht mit Betrüge­reien um; die irrigen Ansichten einiger spanischen und niederlän­dischen Jesuiten werden boshafter Weise dem ganzen Orden aufgebürdet". Auch Villemain(discours et mélanges litéraires)

theilt ganz Voltaires Urtheil in Betreff der Angriffe Pascal's auf die Jesuiten und Chataubriand nennt Pascal sogar einengenialen Verleumder". Was also Wunder, wenn den Philosophen des vori­gen Jahrhunderts, deren Hauptwaffe ja die Lüge und Verleum­dung war, das Pascal'sche Buch höchst willkommen war und sie sich dessen Verbreitung nicht minder angelegen sein ließen, als dies von den Jansenisten, deren sie sich überhaupt als Sturmböcke bedienten, geschah. Denn so sehr sie sonst diese Sekte verachteten, ebenso fehr lag ihnen, wie den heutigen Christusfeinden, an einer Spaltung innerhalb der Kirche und die Jansenisten wurden wie die heutigen sogenannten Altkatholiken von den Adepten der Loge gehätschelt und gepflegt. Dann aber suchten die Philosophen an den Höfen, wo sie ihre Adepten in den Ministerien bereits besaßen, die Jesuiten zu diskreditiren. Vorzüglich waren es die bourboni­schen Höfe, vo die Jesuiten bisheran als Beichtväter einen großen Einfluß ausgeübt hatten, wo gegen den Orden von den Verschwore­ nen eifrig gearbeitet wurde. Jede Blöße, jede Schwäche, die sich irgend ein Jesuit gab, wurde benutzt, um den Orden überhaupt zu verdächti­

gen und seine Entfernung als ein Glück für den Wohlstand des Lan­des darzustellen. Und da die Minister der katholischen Höfe meist alle selbst zu den Verschworenen gehörten, oder doch den Grundsätzen der Encyklopädisten huldigten, so wurde es leicht, die Könige für die Aufklärung zu gewinnen und den Einfluß der Jesuiten auf dieselben für immer zu beseitigen. Zuerst brach 1757 der Sturm gegen die Jesuiten in Portugal los, wo der herrschgewaltige, den Verschworenen ergebene Minister Pombal scheußlichen Andenkens das Ruder führte, der mit der brutalsten Härte und Grausamkeit

die Väter der Gesellschaft Jesu verfolgte, und sie nach Confiscation ihrer Güter aus dem Lande warf. Damit nicht genug hungerten und moderten ohne Urtheil und ohne Recht hunderte der armen Väter in düstern und feuchten Kerkern, ja der ehrwürdige, im Ruf der Heiligkeit stehende Pater Malagrida wurde sogar der Ketzerei und der Mitwisserei an einem angeblichen Mordversuch gegen den König, der aber von Pombal selbst angezettelt zu sein schien, dem Scheiterhaufen überliefert. Dem Beispiele Pombal's folgte bald 1761 der gleichfalls der Sekte angehörige französische Minister

Jesuiten war. Ebenso wie der Herzog von Choiseul steckte die einfluß eiche Maitresse des Königs, die Marquise von Pompadour, die beide damals unter dem Namen und dem Scheine Ludwig XV. das unglückliche Frankreich regierten, unter allen Geheimnissen der Titschworenen, wie aus einem Brief des Voltaire an Marmontel vom 14. August 1761 klar hervorgeht. Die Hofdame wollte sich an dem Jesuitenpater Sacy rächen, weil dieser sich weigerte, ihr die heiligen Sakramente zu spenden, wenn sie nicht den Hof ver­lassen und so das Aergerniß ihres öffentlichen Lebens mit Ludwig XV. zuvor gutmachen wollte. Der Minister Choiseul aber gehörte zu der Zahl derjenigen Leute, welche als Verschworene in ihrem ganzen Betragen aus ihrer feindlichen Gesinnung gegen das Chri­stenthum keinen Hehl mehr machten und offen der Gottlosigkeit huldigten. Der Anschlag gegen die Jesuiten war also beschlossen,

ai! durch ihr wüthiges Geschrei gegen die Jesuiten betäuben sollten. Die Parlamente beschlossen dann die Aufhebung. Doch bevor es dazu kam, erhoben die Bischöfe Frankreichs noch einmal für den verfolgten Orden ihre Stimme. Denn nie hatten sich Priester um die Erziehung der Jugend, die Leitung der Gewissen und die Uebernahme der Missionen, wozu sich die Jesuiten bekanntlich durch ein besonderes Gelübde, überall dahin zu gehen, wohin die Päpste sie zur Verkündigung des Evangeliums schicken würden, mehr verdient gemacht. Die Art und Weise, mit der sie all diesen Obsorgen entsprachen, kann man denn auch aus dem Zeugnisse schätzen ler­

neu, das ihnen die Versammlung des französischen Klerus, welche aus fünfzig Prälaten: Cardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen be­stand, in ihrem Berichte vom Jahre 1761 gab, als die Aufhebung der Gesellschaft Jesu in Frankreich in Frage stand.Die Jesuiten, sagte diese Versammlung, sind unseren Kirchensprengeln sehr nützlich durch Predigten, durch die Leitung der Seelen, wodurch sie den Glauben und die Frömmigkeit befördern, erhalten und erneuern, durch ihre Missionen, Congregationen und Exercitien, welche sie mit unserer Erlaubniß und unter unserer Autorität ins Werk setzen. Aus diesen Ursachen glauben wir, Königliche Majestät, daß, wenn man den Vätern der Gesellschaft Jesu den Unterricht verbietet, unsere Kirchensprengel großen Nachtheil leiden werden. Es würde schwer sein, diese Väter mit ebendemselben Nutzen durch andere zu ersetzen, besonders in den Provinzen, wo sich keine hohen Schulen befinden. Aber eben die Beweggründe, welche die Bischöfe leiteten, die Er­i haltung des Jesuitenordens zu betreiben und vorzüglich die Leich­tigkeit und Gelegenheit, welche die Leitung des öffentlichen Unter­;<space> r i c h t s<space> u n d<space> d e r<space> E r z i e h u n g<space> d e n<space> J e s u i t e n<space> g a b,<space> d e r<space> J u g e n d<space> c h r i s t ­<space> liche Grundsätze einzuflößen, waren gerade die Ursachen, welche die Philosophen bewogen, gegen die Jesuiten vorzugehen und bei k ihnen mit der Zerstörung aller religiösen Orden und Corporatio­i nen anzufangen. Um aber zu beweisen, welchen Antheil die Ver­schworenen an den Ränken zum Untergange der Jesuiten nahmen, wird es genügen, wiederum zu ihren Briefen zu greifen.

So schreibt'Alembert, den wir hier vor Allen hören wollen, in einem Briefe vom 4. Mai 1762 an Voltaire:Vernichte und zertritt die Infame, wiederholst Du mir ohne Unterlaß. Ach mein Gott, lasse sie nur sich selbst in den Abgrund stürzen. Weißt Du indeß, was Astruk sagt? Die Jansenisten sind es nicht, welche die Jesuiten tödten, sondern, bei meiner Treu, die Encyklopädie, und nur sie allein ist es. Es könnte wohl etwas Wahres hieran sein und der Schelm ist wie der Pasquinus, er redet manchmal ziemlich gut. Was mich betrifft, so'halte ich in diesem Augenblicke Alles für gut und sehe rosern in die Zukunft, ich sehe die Jänsenisten ihres schönen Todes sterben, nachdem sie dieses Jahr die Jesuiten eines gewalkthätigen Todes haben sterben gemacht, ich sehe die Toleranz wiederhergestellt, die Protestanten zurückberusen, die Priester verheirathet, die Beichte abgeschafft und den Fanatismus, d. h. die Infame vernichtet, ohne daß man es wahrnimmt.Die Räumung des Collegiums zu Clermont(das von den Jesuiten unterhaltene Collegium Ludwig des Großen) beschäftigt uns viel, schreibt er an demselben Orte. Bei meiner Treu, die Parlamente greifen das Werk nicht mit todten Händen an. Sie glauben der Religion zu dienen und sie dienen der Vernunft, ohne sich dessen zu versehen. Sie sind die Vollzieher der hohen Gerichtsbarkeit der Philosophen, von denen sie den Befehl annehmen, ohne es zu wissen. So ließ'Alembert in demselben Zeitpunkt, wo die Vertreibung der Jesuiten zur Ausführung gekommen, den Jansenisten und den Parlamenten keinen anderen Ruhm und keine andere Ehre, als daß sie nur die niederträchtigen Werkzeuge der sogenannten Philo­sophen gewesen seien. Und in der That,'Alembert konnte mehr als jeder andere sagen, daß die Unterdrücker der Jesuiten hiermit seine Befehle in Vollziehung gebracht hatten. In seinen vielen Schriften gegen die Jesuiten hatte er diese Befehle ergehen lassen, vorzüglich aber in der berüchtigten Petition, dem verfänglichsten und heftigsten von allen Schriftstücken, welche damals in den Par­lamenten gegen die Jesuiten vorgetragen wurden und von der man weiß, daß es von'Alembert selbst geschrieben, obschon es von einem ihm anscheinend fremden Advocaten verlesen wurde. Und in der Folgezeit noch nicht zufrieden damit, zu sehen, daß die Gesellschaft Jesu aus Frankreich und Portugal vertrieben sei, schrieb er an Voltaire, seinen Vertrauten, in einem Briefe vom 29. December 1763 noch Folgendes:Mein ehrwürdigster Patriarch(so pflegte 'Alembert den Voltaire alle Zeit zu nennen), beschuldige mich nicht, daß ich den guten Handel nicht befördere. Vielleicht leistet ihm Niemand so gute und nützliche Dienste als ich. Weißt Du wirklich, woran ich jetzt arbeite? Das Jesuitengesindel aus Schlesien jagen zu helfen.

Ichschreibe keinen Brief nach Berlin, worin ich nicht einfließen lasse, daß alle Philosophen in Frankreich darüber staunen, daß der König der Philosophen, der aufgeklärte Schutzherr der Philosophie, so lange zaudere, den Köni­gen von Frankreich und Portugal nachzuahmen. Diese Briefe sind dem Könige vorgelesen worden und er ist, wie Du weißt, sehr empfindlich und über Alles begierig zu wissen, was die wahren Gläubigen von ihm denken, und dieser Saamen wird zweifelsohne mit der Gnade Gottes eine gute Frucht hervor­bringen, welcher ja, wie so gut die Schrift sagt, die Herzen der Könige wie einen Hahn am Fasse wendet." Doch die Hoffnung, die hier'Alembert über den König von Preußen in Betreff der Jesuiten äußerte, wollte aus den schon angeführten Gründen nicht in Erfüllung gehen, indem Friedrich II. an Voltaire über denkost­baren Saamen, den dieser in den Wind gestreut, spöttisch schrieb, daß er ihn bewahren wolle, um denen davon liefern zu können, die später diese schöne Pflanze zurückverlangen möchten".

:: Berlin, 27. Jan. Den Motiven zu dem Gesetzentwurfe über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen ist eine Ueber­sicht der in den Diöcesen des preußischen Staates vorhandenen katholischen Priester= und Knabenseminarien(Knabenconvicte) bei­gegeben, dieein lehrreiches Bild geben soll, eine wie ausgedehnte Entwickelung das kirchliche Erziehungs= und Unterrichtswesen ge­wonnen habe. Man sollte darnach meinen, nur die Katholiken

hätten derartige Anstalten; aber auch die Protestanten haben sie: sie haben sog. Prediger= und Diakonenhäuser. Diese werden nun freilich ebenso wenig wie die katholischen Priesterseminarien durch den vorliegenden Gesetzentwurf aufgehoben; aber hier in Berlin be­steht auch eine Anstalt, die den katholischen Knabenseminarien durch­aus ähnlich ist, das sog. Paulinum,dessen Ziel es ist, die Zög­linge so zu erziehen, daß sie in freier Selbstthätigkeit jene Festig­keit des Charakters erlangen, welche erwarten läßt, daß sie bei höherer Ausbildung nicht nur ernstlich an ihrer eigenen Vervoll­kommnung arbeiten, sondern auch in der Kraft des Glaubens und der Liebe sich berufen fühlen werden, vornehmlich als Geistliche und Lehrer ihren Brüdern zu dienen. Bei ihrer Auf­nahme müssen die Zöglinge bis zur Tertia vorbereitet sein. Sie genießen den Unterricht auf einem nahe gelegenen evangelischen Gymnasium. Für die häusliche Erziehung ist ein theologisch ge­bildeter Inspector angestellt. Zur Wahl des geistlichen oder Lehrer­berufs findet keinerlei Nöthigung oder Ueberredung statt. Es dürfen auch Knaben aufgenommen werden, die für einen andern Beruf bestimmt sind, wenn sie nur im entschieden evangelischen Glauben erzogen werden sollen; es soll jedoch deren Zahl nicht die Hälfte der Gesammtzahl erreichen, damit der vorherrschend religiöse Cha­rakter der Anstalt nicht beeinträchtigt werde. Nur die vermögenden Zöglinge bezahlen. Ihre Zahl beträgt 2530. Man sieht, es ist gar kein Unterschied zwischen diesem evangelischen und einem katholischen Institute der Art. Mit dem Joachimsthalschen Gym­nasium in Berlin ist ein Alumnat verbunden, welches 120 Stellen hat. Unter diesen sind sechs Stellen für junge Leute evangelischen Glaubens aus dem ehemaligen Polen, die sich dem Studium der evangelischen Theologie widmen wollen. Zur Aufnahme ist die

Reife für die Tertia erforderlich: sie findet statt, nicht vor dem 13. und nicht nach dem 15. Lebensjahre. Also jene sechs müssen wenigstens vor dem 15. Lebensjahre den Entschluß gefaßt haben, daß sie den geistlichen Beruf zu ihrem Lebensberuf machen wollen. Wird Herr Dr. Falk auch diese sechs Stellen unterdrücken oder sie ihrem stiftungsmäßigen Zwecke entziehen? wird er auch das Paulinum aussterben lassen? Der in Rede stehende Gesetzentwurf soll für die evangelische und römisch= katholische Kirche Geltung haben, also auch wohl§ 14, der das Verbot der Knabenconvicte ausspricht, auf beide Confessionen Anwendung finden. Aber es be­findet sich in dem Paulinund auch eine Anzahl solcher Jünglinge, die nicht zum geistlichen Stande bestimmt sind; und solche finden sich auch in größerer oder geringerer Anzahl in den katholischen Knabenseminarien: sie werden von den Eltern der Anstalt über­geben, weil diese nach allen Seiten hin eine bessere Bürgschaft bietet: sollen auch solche Zöglinge künftig in den Knabenseminarien keine Aufnahme finden? und auch für solche die Errichtung neuer Institute untersagt sein? Nach denMotiven soll der§ 14 des Gesetzentwurfes über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen nur verbieten, junge Leute behufs ihrer Heranbildung zu Geistlichen in ein Knabenseminar, Knabenconvict, oder, wie man die Anstalt nennt, aufzunehmen: die Aufnahme von anderen verbietet er nicht.

:: Berlin, 27. Januar. DieMagdeburger Ztg. bespricht in einem längeren Artikel die neueste Schrift des Bischofs von Mainz:Die Katholiken im deutschen Reiche. Entwurf zu einem politischen Programm". Sie beschuldigt den Bischof mit Rücksicht auf diese Schrift der Heuchelei und meint, sie übertreffe an poli­tischer Heuchelei alles, was bisher in den kirchenpolitischen Kämpfen der Gegenwart von jesuitischer Seite geleistet worden sei. Nun, die Verwirrung der Begriffe, die über uns gekommen, ist eine furchtbare: ganze große Parteien wissen nicht mehr Rechts von Links zu unterscheiden, sie nennen schwarz, was weiß, weiß, was schwarz ist. Viele Worte gegen Leute und Blätter dieser Sorte zu verlieren, hilft nicht: die Verwirrung der Begriffe, verbunden oft mit bewußter Unehrlichkeit, ist zur zweiten Natur geworden.

Der Bischof von Mainz soll Heuchelei treiben.Die Wege, auf welchem das deutsche Reich entstanden ist, sagte er, kann ich mit Ausnahme dessen, was seit der französischen Kriegserklärung ge­schehen, nicht billigen. Das wäre ein Aufgeben der Grundsätze der Gerechtigkeit, eine der Nichtigkeitstheorie dargebrachte Huldi­gung. Wir fragen: Ist das die Sprache des Heuchlers?Ebenso wenig kann ich, sagt der Bischof, das Resultat des jetzigen Krieges mein Ideal nennen. Mein Ideal wäre ein deutsches Reich gewe­sen, in welchem das Recht aller deutschen Völker auf Reichseinheit volle Befriedigung gefunden hätte. Ein in dynastischem Interesse verstümmeltes deutsches Reich ist nicht mein Ideal. Ist das Heuchelei, wenn einer so offen spricht? Nur eine durch und durch verlogene Natur kann eine so offene Sprache eine heuchlerische nennen. Der Bischof forderte seine Glaubensgenossen im deut­schen Reiche auf, sich zu einigen und sich zu organisiren; in un­serer Zeit sei im politischen Leben nur das stark, was mit voller Klarheit über Ziel und Mittel geeinigt und organisirt sei.Wenn wir die Religion lieben, die wir bekennen, sagt er, wenn wir ein christliches Vaterland behalten wollen, so müssen wir uns organi­siren u. s. w. Die Sprache ist ganz klar: es ist dem Bischofe zu thun um Sicherung des christlichen Glaubens.Ein kostbareres Zeugniß, sagt aber dieMagdeb. Ztg., für die Wahrheit der

Worte Bismarcks, daß die Ultramontanen dem jungen deutschen Reiche unvermuthet uund unprovocirt den Krieg erklärt haben, kann es gar nicht geben, als dasjenige, welches Herr v. Ketteler hier mit klaren Worten ablegt. Eine Aufforderung an die deutschen

Katholiken, sich zu einigen zum Schutze ihrer Religion, zum Schutze des Christenthums, ist in den Augen derMagb. Ztg. eine Mo­bilmachung gegen das Reich. Wer übt da Heuchelei, dieMagd.

Ztg. oder der Bischof von Mainz? Oder fragen wir vielmehr:

Erlaubt sich dieMagd. Ztg. da nicht eine nicht zu enschuldi­gende, perfide Verdrehung?Die bloße Wiederaufrichtung des deutschen Reiches war für die Ultramontanen eine Provocation,