54. Jahrgang Nr. 167

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Alle Preise versieben sich freibleibend.

Vonn, Mittwoch, 22. Juli 1925

Montags: Sportnachrichten= Mittwochs: Für unsere Frauen= Samstags: Familienblatt für das christl. Haus= Illustrierte Tinnjo=Beilage

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Verlag: Dentsche Reichs=Zeilung C. M. v. p.

Druck: Tinnio-Vertag Vonn. Surst 1. Verantwortlich:

Politik und Feuilleton: Emil Schwippert,

für den Ubrig, redakt. Teil: Hugo Rudolph. Anzeigentell: Franz Krath, aule in Vonn. Anzeigenverwaltung Tinnio=Verlag, Vonn. Fernspr. 59, 60. 2835, nach Geschäftsschl. 171 Postschedkonto Koln 24093 Bankkonto 8075 Städtiche Sparkasse Vonn.

Die deutschle Ainddel.

Der neue Steuerabzug.

Die Regierungsparteien haben den neuen Steuerabzug im Einkommensteuergesetz wie folgt zur Regelung vorgeschlagen:

1. Vom Arbeitslohn bleiben für den Arbeitnehmer a) 600 Reichsmark jährlich(30 Reichsmark monatlich, 12 Reichsmark wöchentlich) als steuerfreier Lohnbetrag, b) 160 Reichomark jährlich(15 Reichsmark monatlich,.60 Reichsmark wöchentlich) zur Abgeltung der Sonderleistungen, c) 180 Reichsmark jähr­lich(15 Reichsmark monatlich,.60 Reichsmark wöchentlich) zur Abgeltung der Werbungskosten vom Steuerabzug frei.

2. Außer den in Absatz 1 bezeichneten Beträgen bleiben für die zur Haushaltung des Arbeitnehmers zählende Ehefrau so­wie für die zu seiner Haushaltung zählenden minderjährigen Kinder folgende Beträge vom Steuerabzug frei: 1. für die Ehe­frau 90 Reichsmark jährlich(7,50 Reichsmark monatlich,.75 Reichsmark wöchentlich); 2. für das erste Kind 120 Reichsmark jährlich(10 Reichsmark monatlich, 2,40 Reichsmark wöchent­lich): 3. für das zweite Kind 240 Reichsmark jährlich(20 Reichsmark monatlich, 4,80 Reichsmark wöchentlich); 4. für das dritte Kind 360 Reichsmark jährlich(30 Reichsmark monatlich, .20 Reichsmark wöchentlich); 5. für das vierte Kind 480 Reichs­mark jährlich(10 Reichsmark monatlich..60 Reichomark wöchentlich); 6. für das fünfte Kind und jedes folgende Kind 600 Reichsmark jährlich(50 Reichsmark monatlich, 12 Reichs­mark wöchentlich). Kinder im Alter von mehr als 18 Jahren, die Einrünfte beziehen, werden nicht gerechnet.

3. Von dem die steuerfreien Beträge(Absatz 1, 2) überstei­genden Arbeitslohn hat der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung einen Betrag von 10 v. H. für Rechnung des Arbeitnehmers als Steuer einzubehalten.

1. Der auf den Arbeitslohn entiallende Steuerbetrag wird nicht erhoben, wenn er a) bei Zahlung des Arbeitslohns für volle Monate 0,80 Reichsmark monatlich, b) bei Zahlung des Arbeitslohns für volle Wochen.20 Reichsmark wöchentlich nicht übersteigt.

5. Der Reichsminister der Finanzen ist ermächtigt, Be­stimmungen über die Abrundung des einzubehaltenden Betra­ges zu erlassen und für den Steuerabzug vom Arbeitslohn für bestimmte Personen Pauschbeträge festzusetzen.

Nach Lage der Dinge ist kein Zweisel, daß die Vollver­sammlung des Reichstags, wenn die Steuergesetze jetzt dorthin gelangen und das wird Ende dieser Woche sein diesem Antrag zustimmt.

Dr. Wirth über die politische Lage.

Auf der Westsalentagung der Windthorstbunde, die vor einigen Tagen in Münster stattfand, sagte der follhere Reichslanzler Dr. Wirthu..!

Wenn die unter seiner Kanzlerschaft eingeleitete Politik auch nur einen Augenblick umgebogen worden wäre, so hätte das ein großes Unglück für Deutschland bedeutet. Wir haben leit 1921 planmäßig begonnen, die Atmosphäre des Hasses zurückzu­dämmen und die wirtschaftlichen Fragen, vor allenn das Repa­rationsproblem, aus der Sphäre des gegenseitigen Nichtver­stehenwollens und=könnens herauszulösen. Wieviel sind auf dem Weg zu dieser wahren politischen Linie auf der Strecke geblie. ben! Dr. Wirth erinnert an Erzberger, Rathenau und Ebert. Marx konnte dann das Werk der Verständigung in London krönen, und ein Jahr später sehen wir die Befreiung Westfalene.

Zur Regelung der Zolkfrage müsse ein Ausgleich zwischen den Interessen der Landwirtschaft und denen der Ar­beiterschaft gesunden werden. Wenn man aber alles, was die Wirt haft jetzt drücke, lösen wolle, daß man die Löhne herabsetze. dann sei es ein Unding, über höhere Getreidezölle zu ver­handeln.

Der augenblicklichen Negierung stehe das Zentrum objektiv, aber wachsam gegenüber. Er, Rodner, habe diese Wachsamkeit durch sein Nein bei der damaligen Abstimmung etwas deutlicher unterstrichen.(Lebh. Beifall.) Mit welchen Illusionen sei diese Regierung und die Wahl Hindenburgs begrüßt worden!gebe keine Mächte, die plötzlich aus den Kieselsteinen der Rheins Gold machen könnten, um es denen geben zu können, die glaubten, daß an einen Namen plötzliche Besserung der Dinge geknüpft sei.

Die Arbeit des Zentrums am Wohl des Volkes finde in weiten Kreisen nicht das Urtoil, das sie verdiene. Im Gegen­teil: wir sehen wilde Orgien des Hasses, wie dier die Rede der Abg. Döring auf der Königsberger Tagung des Evangelischen Bunds gezeigt habe. Im folgenden kam Dr. Wirth auf die proletarische Bewegung zu sprechen; der Proleiarier von heute sei kein Landstreicher, sondern jener Lohnarbeiter, aus dessen Familie wieder nur Lohnarbeiter hervorgingen, da eine Gewinnung von Besitz für ihn nicht möglich sei. Da er, Wirth, Arbeitersohn sei, könne es ihm niemand verübeln, daß er für die Proletarier ein festes Wort gesprochen habe und immer srrechen werde.(Lebh. Beifall.)

Mit der Ueberreichung der deutschen Sicherheite­antwort beginne ein neues Kapitel der deutschen Außen­politik. Das Zentrum war mit der Antwortnote einverstanden, an wärmsten dafür waren die Sozialdemokraten, und je weiter nach rechts, desto reservierter stand man dem neuesten Schritt der Regierung Luther=Streiemann gegenüber. Aber die Deutschnatioralen machen mit, und sie setzen damit die Politik vor äufig fort. die Marx und nach ihm Stresemann und Luther geführt haben.

Der Gedanke. Frieden zwischen Frankreich und Deutschland zu stiften und den Osten wieder wirtschaftlich für uns zu ge­winnen, muß festgehalten werden. Wir lassen nicht davon ab, unsere Politik weiter zu führen bis zur Freiheit und bis unter Staat ein Staat der sozialen Gerechtigkeit geworden ist.(Stür­mischer Beifall.)

Argentinien wieder in der Bölkerbundsversammlung?

TU. Genf 21. Juli. Wie aus Buenos=Aires gemeldet wird. spricht sich der Bericht der argentinischen Parlamentskommission günstig über den Völkerbund aus, sodaß Aussicht vorhanden ist, daß Argentinien an der diesjährigen Völterbundsversammtung teilnehmen wird.

Die deutsche Luftschiffahet.

TU. London 21. Juli. Im Unterhaus wurde der Luft­jahrtminister gefragt, ab ihm bekannt sei daß eine holländische Flugzeugbaugesellschaft kürzlich einen Auftrag für tausend Flugzeuge erhalten habe, die durch eine deutsche Bank bezahlt würden. Der Abgeordnete verlangte ferner Auskunft darüber, wie groß die Anzahl der Flugzeuge sei, die sich gegenwärtig in Deutschland und unter deutscher Kontrolle befinden, gleich­gültig ob sie in Deutschland erhaut seien oder nicht, und ob bei der Bedeutung der Angelegenheit die Alliierten Vorstellungen bei der deutschen Regierung in dieser Frage erhoben hätten. Der Unterstaatssekretär für Luftschiffahrt erwiderte, daß er die Gerüchte über den angeblichen deutschen Flugzeugauftrag für falsch halte. Er könne auch nicht angeben, wieviel Flugzeuge sich in Deutschland befinden.

Zum Sicherheitspakt.

Der Wortlaut der Note.

(:) Berlin 21. Juli. Die deutsche Antwort auf Briands Rote hat folgenden Wortlaut:

Die deutsche Regierung hat die von Seiner Exzellenz dem französischen Botschafter de Margerie am 16. Juni überreichte Antwort auf das deutsche Memorandum vom 9. Februar einer eingehenden Prüfung unterzogen. Sie entnimmt aus der Ant­wort mit Genugtuung, daß die französische Regierung und ihre Alliierten grundsätzlich bereit sind, die Festigung des Frioden­gemeinsam mit der deutschen Regierung auf dem Wege der Verständigung heobeizuführen und hierüber in einen ge­genseitigen Meinungsaustausch einzutreten.

Die alliierten Regierungen wünschen indes vor der Ein­leitung sachlicher Verhandlungen eine weitere Klärung der in dem deutschen Memorandum berührten Fragen und machen ihrerseits eine Reihe konkreter Vorschläge, zu denen sie die Stel­lungnahme der deutschen Regierung erbitten. Diese Vorschläge sind zwar auf den Anregungen des deutschen Memorandums aufgebaut, geben diesen Anregungen aber in wichll­gen Punkten eine andre Richtung und fügen ihnen auch neue Vertragskonstruktionen hinzu. Die deutsche Regierung will in dem gleichen Geiste des Entgegen­kommens und der friedlichen Verständigung, aus dem ihre eige­nen Anregungen hervorgegangen sind, nachstehend ihre Ansicht über die alliierten Vorschläge darlegen. Sie glandt sich dabet jedoch auf eine allgemeine Aeußerung zu einigen grund. sätzlichen Fragen beschränken und ihre Stellungnahme zu den einzelnen Punkten bis zu den endgültigen Verhand­

lungen vorbehalten zu sollen.

I. Die alltierten Regierungen betonen in der Note vom 16. Juni, daß die Reglung der Sicherheitsfrage

keine Aenderung der Friedensverträge mit sich bringen dürfe. Die deutsche Regierung vermag aus den Ausführungen der Note über diesen Punkt nicht ohne weiteres zu erkennen, welche Absicht die alltierten Regierungen damit verfolgen. Der Abschluß eines Sicherheitspaktes, wie er in den deutschen Anregungen fixiert wird, bedeutet keine Aenderung der bestehenden Verträge. Es dürfte deshalb in dieser Hinsicht kein Anlaß zu besondern Feststellungen vorliegen. Die deutsche Regierung betrachtet es hierbei als selbstverständlich, daß nicht etwa für alle Zukunft die Möglichkeit ausgeschlos­sen werden solle, bestehende Verträge auf dem Wege fried­lichen Uebereinkommens zu gegebener Zeit veränder­ten Verhältnisser anzupassen. Sie darf darauf hinweisen, daß auch die Satzung des Völkerbundes derartigen Notwendig­keiten Rechnung trägt. Wenn die alliierten Regierungen z. B. hervorheben, daß der Sicherheitspakt die geltenden vertraglichen Bestimmungen über die milltärische Besetzung deut­scher Gebiete nicht berühren dürfe, so ist eo richtig, daß das deutsche Memorandum den Abschluß des Paktes nicht von einer Aenderung dieser Bestimmungen abhängig ge­macht hat. Sollten die alltierten Regierungen jedoch beabsich­tigen, jene Bestimmungen als für die Zukunft schlechthin maß­gebend hinzustellen, so möchte die deutsche Regierung demgegen­über darauf hinweisen, daß das Zustandekommen eines Sicher­heitspaktes eine so bedeutsame Neuerung darstellen würde, daß sie nicht ohne Rückwirkung aus die Verhältnisse in den besetzten Gebieten und überhaupt auf die Frage der Besetzung bleiben dürfte.

II. In dem System, das die alliierten Regierungen in der Note vom 16. Juni für den Sicherheitspokt entwersen, wird

eine hervorragende Rolle den Schiedeverträgen

zugewiesen, die Deutschland mit den benachbarten Signatar­staaten des Versailler Vertrags abzuschließen hätte. Die Ge­staltung der Schiedsverträge in diesem System gibt jedoch zu er­heblichen Zweifeln Anlaß, die noch der Aufklärung bedürfen. Die deutsche Regierung hat Schiedsverträge beabsichtigt, wie sie In den letzten Jahren sowohl von Deutschland als auch von einer Reihe andrer Mächte abgeschlossen worden sind. Verträge dieser Art, die in Analogie zu den entsprechenden Bestimmungen der Völkerbundsatzung aufgebaut sind, erschöpfen nach Ansicht der deutschen Regierung die unter den gegenwärtigen Verhältnissen gegebenen Möglichkeiten, eine schiedliche Reglung von Staaten­vonflikten mit Aussicht auf praktischen Erfolg herbeizuführen.

Bei den allierten Vorschlägen scheint an ein andres System gedacht zu sein. Was dabel vor allem in die Augen fällt, sind die von den alliierten Regierungen vor­gesehenen Ausnahmefälle, in denen ein gewaltsames Vorgehen der Staaten gegeneinander zulössig sein soll. Die deutsche Regierung kann in dieser Hinsicht die Ausführungen der Note vom 16. Juni wie auch den veröffentlichten Schriftwechsel zwischen der französischen und der königlich großbritannischen Regierung nur dahin verstehen, daß in diesen Fällen nach der An­sicht der alltierten Regierungen das gewaltsame Vorgehen ohne irgendein vorhergehendes objektives Ver­fahren(sei es ein Schiedsverfahren oder ein internationales Verfahren) erfolgen kann.

Wenn das zutrifft, so würde sich daraus ergeben, daß die alliierten Regierungen zum Beispiel die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Repressalien wegen der Reparationsverpflichtungen nicht einem objektiven Verfahren unterbreiten, sondern ihrem einseitigen Er­messen vorbehalten wollen. Es würde sich ferner er­geben, daß die deutsche Regierung den alliierten Regierungen ein vertragliches Recht einzuräumen hälte, ohne vorhergehenden objektives Verfahren gegen Deutschland militärisch einzuschreiten, wenn sie der Ansicht sind, daß ein deutscher Verstoß gegen die Be­

Ein Lob für Deutschland.

TU. Rio de Janeiro 21. Juni. Der brasilianische Gesandte in Berlin, Minister Guerra Duval, ist hier eingetroffen. Der Gesandte sprach sich über seinen Aufenthalt in Deutschland sehr günstig aus. Die Bemühungen der deutschen Regierung um die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zu Brasihien vor­dienten volle Anertennung. Die Anstrengungen Deutschlands, seine frühere Stellung unter den Völkern möglichst schnell wie­der zu erlangen, würden ihm die Achtung aller Völker einbrin­gen. Durch die Leistungen Deutschlands auf den verschiedensten Gebieten werde sich der Wiederausbau Deutschlands seneller vollziehen, als man je erwartet hätte.

Folgen der Beraubung der Schatzkammer von St. Peier.

Rom. Die Schatzkammer ist einstweilen für die Besucher ge­schlossen. Papst Pius XI. hat den Migr. Nardone, Domherrn von St. Peter, zum besonderen Schatzbewahrer ernannt mit der Verpflichtung stets genauer Kontrolle und eigener Verantwort­lichkeit für den Verbleib der einzelnen Stücke der Schatzkaumer. Die Sicherheitsmaßregeln werden verschärft und neue Siche­rungen angebracht. Die Polizeiagenten, welche die Diebe auf­deckten und zur Stelle brachten, erhalten Auszeichnungen.

stimmungen über die Demilitarisierung des Rheinlandes vor­biege.

Edenso bedenklich wären die Folgen, zu denen die in der französischen Note vorgeschlagenen Konsteuktionen der Garantie für die abzuschließenden Schiedsverträge führen könn­ten. Das Eingreifen des Garanten wird zwar von bestimmten Voraussetzungen abhängig sein, der Garant hätte aber das Recht, nach freiem und einseitigem Ermessen darüber zu entscheiden, ob diese Voraussetzungen im gegebenen Fall zutreffen. Das würde bedeuten, daß der Garant zu bestimmen hätte, wer bei einem Konflikt zwischen den beiden Kontrahenten des Schieds­vertrages als Angreiser zu gelten hal, und zwar würde er diese Befugnis selbst kann haben, wenn er gegenüber dem einen Kon­trahenten durch ein Sonderbündnis verpflichtet ist.

Es liegt auf der Hand, daß das Garantiesy'tem durch der­artige Konstruktionen einseitig zuungunsten Deutschlands durch­brochen weiden würde. Das Ziel einer wirklichen Befriedung, wie es von der deutschen Regierung in Uebereinstimmung mit den alltierton Regierungen angestrebt wird, wäre nicht erreicht. Die deutsche Regierung möchte sich derhalb der Hoffnung hin­geben, daß ihre Besorgnisse in diesen Punkten von den alliierten Regierungen beseitigt werden können. Sie glaubt dag um#o mehr erwarten zu dürfen, als sich das Garantiesystem sort mit dem Geist der Bölterbundsatzung nicht in Einklang beingen lassen würde. Während nach der Völkerbundsatzung die Fraze. ob eine Friedensstörung vorliegt, in einem genau gerezelten Verfahron entschieden und die Anwendung von Zwangsmaß­nahmen an bestimmte objektiv festzustellende Voraussetzungen ge­knüpft It, würden nach dem in der französischen Note ent­worfenen System alle diese Entsche'dungen in die Hand einer Vertragsrartei gelegt sein. Ein solches System würde die Friedenrordnung nicht stützen und könnie sozar die Gesahe ernster Verwicklungen heraufbeschwören.

III. Nach Aufsassung der deutichen Regierung würde für die Verwirklichung der Grundgedanken des deutschen Memo­randums

der Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund

keine notwendige Voraussetzung sein. Die ver­bündeten Regierungen dagegen sind ihrerseite der Auffassung. daß der in dem deutschen Momorandum angeregte Sicherheits­pakt nur denkbar ist, wenn Deutschland in den Völterbund ein­tritt. Bei der großen Bedeutung, welche die deutsche Rezie­rung der Sicherheitsfrage beilegt, will sie gegen die Verbin­dung der beiden Probleme keinen grundsätzlichen Widerspruch erheben. Sie muß indes darauf hinweisen, daß die Frage des deutschen Eintritts selbst noch sorgjältiger Klärung bedarf.

Der Standpunkt der deutschen Regierung in dieser Fraze ist den verbündeten Regierungen aus dem ihnen im September vovigen Jahres überreichten Memorandum sowie aus der deut­schen Note an den Völkerbund vom 12. Dezember v. J. bekannt. Die in der französischen Note angeführte Note des Völkerbund­rats vom 13. März d. J. hat die Bedenken, die auf deutscher Seite gegen die Uebernahme der Verpflichtungen aus dem Artikol 16 der Satzung geltend gemacht worden#ind, nicht ausgeräumt. Auch nach den Ausführungen des Völter­bundrats bleibt die Gefahr bestehen, daß Deutschland als ent­waffneter Staat, der von stark gerüsteten Nachbarn umgeben ist, der sich in zentraler Lage befindet und der in der Geschichte immer wieder Schauplatz großer Kriege gewesen ist, bei dom Eintritt in den Völkerbund unbeschränkt der Verwicklung in kviegertsche Konflikte dritter Staaten auszesetzt sein würde.

Deutschland kann als Mitglied des Völkerbundes erst dann als gleichberechtigt gelten, wenn seiner Abrüstung auch die in der Völkerbundsatzung und in der Einleitung zu Teil V des Versoiller Vertrags vorgesehene

allgemeine Abrüstung

folgt. Es muß deshalb, wenn der alsbaldige Eintritt Deutsch­lands in den Völkerbund ermöglicht werden soll, eine Lösung gefunden werden, welche die Zeitspanne bis zur Verwirklichung der allgemeinen Abrüstung überbrückt. Die Lösung müßte so­wohl der besonderen militärischen und wirtschaftlichen als auch der besonderen geographischen Lage Deutschlands gerecht werden.

Auf diese Bemerkungen zu den Ausführungen der Note vom 16. Juni möchte sich die deutche Rezierung vorerst beschränken. Trotz der angedeuteten Zweifel und Bedenken glaubt sie in wesentlichen Punkten bereits

eine bedeutsame Annäherung

der beiderseitigen Anschauungen jeststellen zu können. Die be­teiligten Regierungen sind grundsätzlich einig in dem ernstlichen Willen, die Sicherheitsfrage durch den von Deutschland ange­regten Garantiepakt und durch einen weiteren Ausbar des Systems von Schiedsverträgen zu regeln. Soweit wegen der Einzelheiten dieser Regelung noch Zweifel und Reinungsver­schiedenheiten bestehen, werden auch sie zu überwinden sein, wenn die Regierungen das anzustrebende Ziek fest im Auge behalten und dem znerläßlichen Erfordernig der Gleichberech­tigung und Gegenseitigkeit Rechnung tragen. Die deutsche Re­gierung glaubt deshalb hoffen zu dürfen, daß die weiteren Er­örterungen zu einem positiven Ergebnis führen werden. Sie würde es deshalb begrüßen, wenn diese Erörterungen beschleu­nigt werden könnten, damit dem dringenden Verlangen der Völker nach sicheren Bürgschaften für Ruhe und friedliche Ent­wicklung sowie für die Wiederherstellung der durch den Krieg zerstörten normalen weltwirtschaftlichen Beziehungen bald Ge­nüge geschieht.

Das Zollkompromiß.

TU. Berlin, 22. Juli. Die hauptsächlichsten Grundlinien

des Zollkompromisses bestehen darin, daß die Mindestzölle für Getreide fallen gelassen sind und daß man sich über eine untere Grenze für Handelsvertragsverhandlungen einigte. Als untere Verhandlungsgrenze sind 8 Mk. für Roggen und.50 Mk. für Weizen vereinbart, ferner 1 Mk. für Futtergerste und 2 Mt. für Mais. Die Verhandlungszölle für Fleisch und Vieh sind etwas erhöht worden und liegen etwa 50 Prozent über den Vertrags­zöllen der Vorkriegszeit für die gleichen Erzeugnisse. Inbezug auf das Gefrierfleisch wurde nach lanwierigen Auseinander­setzungen eine Einigung dahin getroffen, daß im nächsten Jahre ein Kontingent Gefrierfleisch zollfrei eingeführt werden darf, und zwar bis zur Höhe der vorjährigen Einfuhr. Das Kom­promiß sieht auch Sätze für Futtergerste, Mais und sonstige Ge­treidearten vor. Schließlich wurde vereinbart, die Gültigkeits­dauer der gesamten jetzt vorliegenden sogenannten kleinen Zoll­novelle auf 2 Jahre zu beschränken. Auf Grund der gestern er­zielten Einigung rechnet man damit, daß die Zollvorlage in der vom Ausschuß geänderten Form in der nächsten Woche ins Plenum gelang:.

Stimmen der Berliner Presse.

Zur neuen Rote.

(:) Berlin, 22. Juli. In ihren Kommentaren zu der deut­ichen Antwortnote betonen die Blätter aller Parteirichtungen, daß die Note in erster Linie eine Zwischennote sei, dazu be­stimmt, den Gang der Handlung ohne Hevbeiführung einer ent­scheidenden Wendung sachlich zu fördern. Nur dieDeutsche Zeitung" bezeichnet es als bedauerlich, daß durch die deu#sche Antwort auf dem unheilvollen Wege weiter geschritten widse, anstatt den ganzen Sicherheitsvorschlag in den Papierkorb zu wersen. Das Blatt begrüßt es, daß von deutscher Seite endlich amtlich die Forderung auf Abrüstung in den andern Ländern gestellt wird.

DieKrenzzeitung und dieDeutsche Tageszeitung önßern sich im allgemeinen zustimmend, heben aber hervor, daß sie in mancher Hinsicht eine deutlichere Sprache gewünscht hätten. Er­gänzungen im weitern Ver#auf der Erörterungen seinen notwen­dig. Unbedingt erforderlich sei die vorherige Reglung der Ent­waffnungs=, Luftjahrts= und Räumunzsfrage.

DieTägliche Rundschau" begrüßt es, daß man die Ver­handlungsbasis nicht von vornherein allzu sehr belaste. In wesentlichen Punkten bringe die Note eine Klärung der Sitna­tion. Dadurch, daß die Note sich für mögl'chste Beschleunigung der Erörterungen ausspreche, sei deutlich gesatt, daß die deut#e Regierung sich keinen Erfolg verspreche, wenn etwa im Alstano von vier zu vier Wochen Noien ausgetauscht werden.

Auch derLokal=Anze ger sieht den Hauptvorzug der Nole darin, daß sie erkläre, nur eine allgemeine Aeußerung zu grund­sätzlichen Frazen sein zu wollen. Selbstverständlich müsse die deutsche Regierung alles tun, um zu versuchen, zu einer Ein zung mit Frankreich zu gelangen. Der Abstand zwischen dem den schen und dem französischen Standpundt sei noch außerordentlich weit. Das Blatt teilt aus diesem Grunde nicht die Ansicht der Note, wenn sie am Schluß von einer bedeutsamen Annäherung der beiderseitigen Auschauungen spreche.

DieGermania" bezeichnet die Note als geschickt auf die Piychologie eines Vertragsge gners berechnet, bei dem erjahrungs­gemäß die Form meist eine wesentlichere Rolle spiele als der Inhalt.

Die Kölnische Zeitung schreibt zu der deutschen Antwortnote u..: Die Verbündeten haben nun das Wort. Nichts ist schari abgelehnt, was sie vorgeschlagen haben, außer dem bedingungslosen sofortigen Eintritt in den Völkerbund Aber gefragt ist verschiedenes, woraus sie wohl antworten müssen, entweder in einer Note oder etwa in einer persönlichen Zusammenkunft, wie sie von englischer und auch von französischer Seite schon angeregt worden ist. Die deutsche Antwort schlägt keinen Weg vor, sie überläßt alles den Verbündeten. Wenn die Annäherung wirklich soweit jortgeschritten ist, wie es beide Noten, die französische und jetzt die deutsche, betonen, so dürfte es nich: schwer sein, nach dieser Antwort die Sache des Frie­dens einen kräftigen Ruck vorwärts zu führen, wenn man will. Insofern scheint die jetzige Zwischennot#e einen vernün

Zweck zu erfüllen.

Die Johrtausendseier im Hunsrück.

MTB. Simmern, 21. Juli. Die Jahrtausendfeier des Huns­rücks, die am Samstag und Sonntag im Hauptorte des Hunsrück­stattsand, hat einen erhebenden Verlauf genommen. Aus allen Orten des Berglandes waren etwa 5 bis 6000 Teilnehmer in Sim­mern erschienen. Als Vertreter der Regierung nahm Regierungs­prasident Brandt an der Feier teil. Obermeister Mäckel mahnte in seiner Ansprache zur Einigkeit.

A. Fabre=Luce: Der Sieg.

(Schluß.)

Gerade die Schlußkapitel des Buches von Fabre=Luce, in denen er über die Pflichten des wahren Patriotismus spricht und über die Zukunft, die in ganz Europa gebaut werden müsse, ver­anlassen den Deutschen zu solchen Erwägungen. Denn was der Franzose von seinen Landsleuten fordert, den Mut zur unbeding­ten Wahrhaftigkeil, die Befreiung von allen Vorurteilen des Krieges. ein Teil Vergessenheit für das Gewesene und ein Ver­trauen auf Vorschuß in den ehemaligen Gegner das alles gilt in gleichem Maße auch für uns! Auch für uns gilt sein schönes Wort, daß wir die Toten nicht einer Partei zuschreiben dürsen. Sie kannten bei uns so wenig wie in Frankreich die Drahizieher der Ereignisse. Sie haben bei uns wie in Frankreich ihr Leben nicht nur hingegoben für die Sicherheit und die Ehre ihres Vater­landes, sondern auch in dem Glauben, daß dieser Krieg der letzte sei, daß er der Beginn eines besseren Zeitalters bedeute. Um es herbeizuführen, bedarf es, führt Fabre=Luce weiter aus, der Be­freiung der Geister von der Herrschaft der Schlagworte(conven­tions verbales), des Mutes, der Wahrheit unerschrocken ins Ge­sicht zu sehen. Dann werde man auch zu einer Verständigung mit Deutschland kommen, deren Notwendigkeit jeder fühle, die aber die wenigsten offen einzugestehen wagten. Wenn man den Mut habe, die Politik gegenüber Deutschland in andere Bahnen zu lenken, wenn man nicht mehr heimlich die Separationsgelüste unqualifizierter Menschen unterstütze, wie es im Rheinland und Bayern leider geschehen sei, wenn man vor allem mit den un­nützen, nur verbitternden Demütigungen Deutschlands aufhöre, dann werde auch die sog. Revanchegesinnung in Deutschland wieder schwinden. Diese sei ja vielmehr ein Produkt der französischen Nachkriegspolitik gewesen, als daß sie wirklich dem deutschen Volke eingeboren sei. Nur wenn Frankreich wieder die alten Traditionen von 1789 aufnehme, werde es wieder den mora­lischen Einfluß auf die Völker wiedergewinnen, der sein schönster Ruhmestitel seit je gewesen sei. Denn wie Carlyle richtig jage, es gebe in Wirklichkeit nur eine Art von dauernden Erobe­rungen, die im Reiche der Ideen!

Wie man sieht, sind die letzten Kapitel des Buches gans auf Frankreich eingestellt. Nach so viel negativer Kritik, so vielen herben Wahrheiten, die den Franzosen auf politischem, wirtschaft­lichem, geistigem Gebiet gesagt worden sind, hat der junge Ver­fasser mit feinem psychologischen Verständnis seine Betrachtungen ganz positiv ausklingen lassen. Er will ja nicht der Erforschung der Vergangenheit dienen um der Vergangenheit willen, sondern um der Zukunft willen. Sicher werden diese letzten Kapitel manchem Franzosen die herbe Pille versüßen helfen.

Daneben wird die Wirkung des Buches ohne Zweisel in hohem Maße von dem Ech oabhängen, den es in Deutschland findet. Sieht die deutsche Kritik darin nur das, was die Entente und besondere Frankreicho führende Staatsmänner belaster oder mit andern Worten, kann sie sich nicht losreißen von der allei­nigen Betrachtung des Juli 1914 und der allepletzten Jahre vor dem Kriege, dann wird dadurch die Erkenntnis der Franzosen für ihren und ihrer Bundesgenossen Schuldanteil am Kriege leicht wieder verdunkelt. Möchten wir darum die Einstellung des Werkes von Fabre=Luce, der ja in erster Linie zu seinen irregeleiteten Landsleuten spricht und darum die französische Seite des Kriegsproblems gegenüber der deutschen fast ausschließ­lich betrachtet, bei seiner Beurteilung nie aus dem Auge lassen. In dem Stadium der Entspannung, das augenblicklich sichtlich ganz Europa begonnen hat, kann nur aus der vollen Aufrichtig­keit aller ehemals kriegführenden Völker, nur aus dem unbeding­ten Willen, die Verfehlungen des eigenen Volker und der eigenetz Regierung über den Fehlern der Gegenseite nicht zu übersehen, der Friede gefördert werden. Der Friede, der doch letzten Endes nicht auf wirtschaftlichen Dingen beruht, mögen sie einen noch so großen Raum im Leben der Völker einnehmen, sondern### der Bereitwilligkeit der Herzen. An diesem Werk mitzuanbeites, ist jeder einzelne von uns berufen.

Kl. M. Faßbinder Saarbrücken.