34. Jahrgang Nr. 164
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Vonn, Samstag, 18. Juli 1925
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Montags: Sportnachrichten= Mittwochs: Für unsere Frauen= Samstags: Familienblatt für das christl. Haus= Illustrierte Tinnjo=Beilage
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Verlag: Deulsche Reichs=Zeitung C. m. u. o. Druck: Biunio=Verlag Vonn. Sürk 1. 12 Verautwortlich: 500
Politik und Jeuilleton: Emil Schwippert für den übrig. redakt. Teil: Hugo Rudolp##, Anzeigenteil: Franz Kraty, alle in Vonn. Anzeigenverwaltung Sinnio=Vertag, Bonn, Fernspr. 59. 60, 2835, nach Geschältsschl. 171 Postscheckkonto Köln 24003 Banktonto 8076 Städtische Svarkasse Vonn.
Umschau.
Die Parität im Reiche und in Preußen.
In diesen Tagen haben in Borkin— ohne das in den Zeidungen, darüber viel zu lesen war— wichtige Besprechungen
des Gouverneurs der Bank von England Mr. Montagu Normann und des Gouverneurs Mr. Benjamin Strong mit dem Richsbankpräsidenten Schacht stattgefundnn. Diesen Erörterungen ist die allergrößte Bedeutung zuzumesson. Eo hat sich nicht nur um einen Höflichkeitsbesuch oder um eine Vergnürungsreise gehandelt, sondern eo sind sehr ernte Dinge hintr den Kulissen besprochen worden. Morgan und alle übrigon englischen und amerikanischen Finanzmagnaten sind in Wahrheit die ungekrönten Könige Europao. so sehr als Person, wie als Vertreter des Systems, unter dessen Druck heute ganz Europa steht. Wir wissen, daß die Disrositionen dieser Persönlichkeiten, die die Geldmacht der Welt repräsentieren, ohne weiteres die schwerwiegenden Rückwirkungen auch aus politischem Gobiete nach sich ziehen. Man braucht nur einmal zu beobachten, wie ein Wink der amerikani'chen Finanz, in dem Sinne etwa, daß Amerika die lung der Schuldverpflichtungen seiner Gläubiger aus dem Krieze verlange, auf die Maßnahmen in den Kabinetten der verschiedenen Länder. namentlich in denen, die von einer solchen Forderung unmittelbar betroffon werden, sich auswirkt. Der .such der obengenannten Bankgouverneure hatte den Zweck, sich durch eigenen Augenschein über den Stand der deutschen Wirtschaft und vor allem der deutschen Finanz= und Währungspolitik zu unterrichten. Diese Information dient zur Sicherung der Ansprüche, die Amerika aus der Dawes=Anleihe gegenüber Denschland herzuleiten vermag. In diesen Dawes=Vereinbarungen ist ja bekanntlich eine besondere Garantle für die Stabilisierung der deutschen Währung eingefügt wordon. Die krisenhaften Erscheinungen im deutschen Wirtschaftsleben, die ihren besonderen Ausdruck in den finanziellen Schwierigkeiten des für unüberwindlich gehaltenen Stinnes=Konzerng gefunden haben, Erscheinungen, die auch heute noch nicht abgeschlossen sind, ließen es offenbar für gerattn erscheinen, sich an Ort und Stelle über die Sachlage zu unterrichten. Dabei spielte naturgemäß die Nachprüfung der in dem Londoner Abkommen enthaltenen Vereinbarungen und der auf Grund dieses Abkommens geschaffenen gesetzzebevischen Maßnahmen eine Rolle. Die unmittelbare Aussprache der obengenannten Persönlichkeiten hatte aber auch zum Ziel, gewisse Schwievigkeiten, die sich bis jetzt noch aus den wechselseitigen Beziehungen zwischen dem deuischen Notenbank=Institut und den ausländischen Garantie=Instituten ergeben haben, zu beseitigen. Die Deutsche Reichsbank ist, wenn sie sich als Hüter der deutschen Währung belätigt und in Wahrnehmung dieser Pflichten zu leilweise recht empfindlichen Eingoiffen kommt, zugleich auch Sachwalterin der Interessen der ausländischen Geldgeber, die dann freilich auch ihrerseits an dem Schutz der deutschen Währung interessiert sind.
Die Ereignisse im Fernen Osten und in Nordafrika haben die Völker Europa= aufhorchen lassen und ihnen besonders eindvinglich die Bedeutung der praktischen Wiedererweckung des europäischen Solidavitätsbewußrseine, das der Kriogssturm verweht hatte, zu Gemüte geführt. Deut land dari für sich in Anspruch nehmen, am frühesten von den Teifnehmern am großen Kriege die Zeichen der Zeit erkannt und's erstes den Ruf nach der europäischen Verständigung erhoben zu haben. In den Ländern un erer ehematigen Kriegsgegner hat diese Entwicklung erheblich längere Zeit gebraucht und bezinnt jegentlich ert jetzt zu einem ernsthaften politischen Faktor zu werden. Erfteulicherweise braucht, wenn in diesem Sinne von einer Wendung zum Besseren gesprochen werden kann, Frankreich ncht ausgenommen zu werden. Mit dem Sturze des Poincarismus begannen in diesem Lande die ersten. wrn auch noch sehr unsicheren und von häufigem Abirren be#eiteten Gehversuche auf dem neuen Wege. Wie weil die richtie Erkenntnis inzwiichen gediehen ist, dafür liegen neuerdings zwei besonders bemerkenswerte Zeugnisse vor. Das erste ist ein von der„Westminter Gazeite“ ausführlich besprochenes Buch, das den Titel trägt:„Explication de notre temps“ und das einen hervorrapenden französischen Publizisten, Lucien Roman, von der„Journee Industrielle“ zum Verfasser hat. Darin wird die Alternative ausgestellt: Entweder Europa organisiert sich selbst oder er geht zu Grunde. Aus der Erwägung der Interessen seines Landes heraus kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, daß Frankreich, nachdem es bisher der Pionier des Nationalismus in Europa gewesen sei, nunmehr eine neue Mission übernehmen müsse, nämlich den Gedanken der Koordination der Staaten. der Vereinigten Staaten von Europa, zu proragieren. Euroräischen Gesst atmet ferner der von und wörtlich veröffentlichte Appol aux Consciences, der französische Aufruf gegen den Schuldparagraphen des Versailler Vertrages. Seinen prägnantesten Ausdruck findet er in den Schlußsätzen: „In diesen tragischen Tagen spielt die europäische Zivilisation ihre letzten Karten aus. Sie ist verloren, wenn ein mörderischer Krieg wieder beginnt.“
England steht heute vor der fast tragisch zu nennenden Alternative: Europa oder das bvitische Reich? Rettung der Kernlandes und volkes durch europäische Solidarität, dann aber unter bedrohlischer Lockerung des Gefüges seines unvergleich! chen Welthaues. Die„Daily Newe“ hatte füng't an den früheren südafrikanischen Premierminister General Snruts die Auforderung gerichtet, sich über den geplanten Sicherheitspakt zu äußern. Die Antwort des hochangesehenen Politikere ist betannt.„Warum nicht lieber Hand in Hand mit den junzen Ralionen des Reiches in die ungewisse Zukunft schreiten, als meit den Gespenstern Europas?“ So spricht der anerkannt be
deutendste Dominionpolitiker, der sich selbst als Enthusiasten des Reichsgedankens bekennt. Man muß an diese Dinge auf dem Kontinent mehr als bioher denken, wenn man sich ein Bild von den Aussichten für die Verwirklichung des Paktgedankons machen will. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß die kommenden Verhandlungen erweisen werden, daß die größten Hindernisse nicht in Pario und Berbin, sondern in London wegzuräumen sind.
Wir wollen jodoch die Hindernisse, die in Berlin von deutschnationaler Seite bereitet werden, nicht gering einschätzen. Wird es dem bewährten Geschick des Reichskanzlers, der als alter Oberbürgermeister über die nötige taktische Erfahrung verfügt, gelingen, die Parteien seines Kabinetts beisammen und insbesondere die Deutschnationalen bei der Stange zu halten? Oder kommt es über dem Gewirr der inner= und außenpolitischen Probleme schließlich zu einer Krise, vielleicht auch nur zu einer Krise Stresemann?
Man beantwortet diese Fragen am besten, soweit es zurzeit möglich ist, damit, daß man versucht, die andere Frage zu beantworten: Was würden die Deutschnationalen gewinnen bei einer Krise?. Sie würden ihre Freiheit gewinnen, die Freihett, wieder Opposition machen zu können, eine Opposition, die indessen doch kaum mohr den starken Resonanzboden, im Volk von ehedem haben würde, nachdem sie in der kurzen Zeit ihrer Regierungstätigkeit das„Hier stehe ich, ich kann auch anders“, das bei den Aufwertungsdobatten ihrem Führer Hergt zugerufen worden ist, verschiedentlich recht kräftig illustriert haben. Es ist fraglich, ob die Rechte wieder den Zulauf wie früher haben würde; ihr Gewinn bei einem Abmarsch aus dem Kabinett wäre höchst zweifelhaft, denn die Lösung der Aufwertungsfrage in der jetzt vorliegenden Form bedeutet eine gründliche Abwertung des Vertrauens, das viele deutschnationale Wähler in diese Partei gesetzt hatten. Das Kabinett Luther ist, wie die Dinge liegen, die bestmögliche Regierung, die die Deuschnationalen erreichen können. Eine neue Regierung würde ganz selbstverständlich ihren Schwerpunkt wieder mehr nach der Mitte oder nach links verlegen. Das ist eine sehr einsache Rechnung. Darum glauben wir nicht, daß die führenden Leute der Deutschnationalen, die sehr gut politisch zu rechnen verstehen und die reale Macht schätzen, ernstlich daran denken, aus der Regireung herauszugehen. Vorläufig wenigstens nicht. Behoben sind freilich die Dissonanzen innerlich nicht, die zum mindesten zwischen Stresemann und den Deutschnationalen bestehen. Sie können jederzeit wieder akut werden und zu einer Krise im Kabinett führen, da sie natürlich auch die Partei des Außenministers treffen. Die Deutschnationalen haben die Macht viel zu lieb, als daß sie sie ohne ganz dringende Notwehdigkeit verlassen würden.
Es gibt nur eine Möglichkeit, eine Gesundung und natürlichere Entwicklung des öffentlichen Lebens in Deutschland zu erreichen. Sie besteht darin, daß die Schichten unseres Bürgertums, die abseits standen, durch die Teilnahme an der Macht Verantwortung übernehmen und damit zu einem postlven Staatsbewußtsein erzogen werden, daß sie lehr:, daß Polttik nicht Romantik, sondern Wirklichkeit ist.
Goelhe sagt einmal in seinem Roman„Wilhelm Meisters Wanderjahre", daß die Natur wohlgeborenen, gesunden Kindern alles gegeben habe, was sie für Zeit und Dauer nötig hätten. Nur eines bringe niemand mit auf die Welt,— eines, auf das alles ankomme, damit der Mensch nach allen Seiten Mensch sei: die Ehrsurcht. Die Ehrsurcht vor allem vor dem anderen Menschen! Da sie von der Natur nicht gegeben sei, fordert er sie als Aufgabe der Erziehung. Denn ihr Fehlen mache den Menschen gegen seinesgleichen gehässig und führe ihn dahin, daß er im Mißwollen und Mißreden sein Behagen findet. Dies alles ist so wahr, daß jeder, der auch nur in bescheidenem Maße von Gemeinschaftsgeist beseelt ist, es erlebt und begriffen hat. Wenn Recht und Gerechtigkeit die Grundlagen des handelnden Staates sind, dann ist die Ehrfurcht die Grundlage der ihn tragenden menschlichen Gemeinschaft. Ohne Anerkennung und Achtung der Mitmenschen und seiner ganzen inneren und äußeren Persönlichkeit ist irgendwelche Gemeinschaft einfach unmöglich. Die Ehrfurcht erhält in dieser Beziehung einen ganz besonderen Sinn. den man mit dem Worte„Toleranz“ umschreibt, der seinsten Blüte echter Bildung und echten Menschentums. In einem Volte, dessen kulturelle Lebensäußerungen seit Jahrhunderten ausgeglichen und vereinheitlicht sind, und das daher starker Gegensätzlichkeiten im Gebiet= des Geistigen entbehrt, dessen gleicher Schritt und Tritt den kleinen Streit des Alltags übertönt, mag sich das Fehlen dieser Ehrfurcht nicht so stark geltend nachen. Aber in Deutschland, diesem konfessionell und rassig, politisch und wirtschaftlich so stark gespaltenen Lande, in diesem Volke, das zudem aus tausend Kriegswunden blutet und endlich wieder genesen muß, ist die Verletzung der Ehrsurcht ein Veobrechen, für das wir als Ganzes immer wieder büßen müssen. Und dieses Verbrechen begingen in diesen Tagen wiederum, zum tausendsten Male rückfällig, die Romseinde, als sie in dem Homburzer Gerichtsurteil den Beleidiger katholischer Ehre freisprachen und in einer Urteilsbegründung ohnegleichen erklärten, jeder nicht katholische Deutsche handle in Wahrung berechtigter Interessen, wenn er hervorragende katholische Würdenträger in schmählicher Weise beschimpfe; denn„Rom“ sei eine fremde, undeutsche und gesäheliche Macht. Gegen dieser groteske, jeder Gerechtigkeit hohnsprechende Urteil ist Berufung eingelegt worden, so daß wir noch erfahren werden, ob es in Deutschland noch gerechtdenkende Richter gibt, oder ob es wahr ist, daß die Fieberkrankheit unseres todwunden Volkes sich zu einem Irrsinn entwickelt, der, wie Kardinal Faulhaber vor einigen Tagen sagte, die Kultur an der Galgen liefert.
Der Dawesplan.
Die deutsche Wirtschaft nach dem 1. Jahr des Dawesplanes.
Düsseldorf, 17. Juli. Ein Bild über die Wirtschaftslage, wie sie sich unter dem Einfluß des Dawesschen Plans gestaltet hat, gab in der heutigen Sitzung der Industrie= und Handelskammer der Geschäftsführer Dr. Wilden. Er führte aus:
Wir stehen unmittelbar vor dem Ablauf des ersten Jahres der Wirksamkeit des Dawesschen Plans. An diesen Plan hat das deutsche Volk manche Hoffnungen und Erwartungen geknüpft. Sind sie erfüllt worden? Gewiß hat uns der Dawessche Plan gegen die frühere, das Wirtschaftsleben lähmende Unsicherheit eine klarere Lage, auch manche Erleichterung gebracht. Aber er kann uns nicht die unbedingte Zuversicht des Aufstiegs geben, deren ein Volk bedars, das wie das deutsche unermüdlich schaffen und Lasten tragen soll. Und dabei ist das erste Jahr noch eine Schonzeit gewesen, gleichsam eine Atempause, die uns den Anlauf ermöglichen sollte.
Wenn schon damals die Zweifler glaubten, nach Ablauf der Schonfrist werde die Wirtschaft den Druck der Lasten nicht tragen können, so ist es bereits heute offensichtlich, daß deren Befürchtungen sogar schon währen der Schonzeit in geradezu erschreckendem Maße übertroffen worden sind. Denn schon allein die laufenden Belastungen und Schwierigkeiten erdrücken geradezu die Wirtschaft. Die Steuern haben eine schier unerhörte Höhe erreicht. Der Steuerbedarf des Reiche, der Länder und der Gemeinden ist im Vergleich zur Vorkriegszeit stark ange
schwollen, namentlich bei den Gemeinden. Die Wirtschaft bemüht sich, bis jetzt allerdings durchweg vergeblich und ohne nennenswerten Erfolg, die Abgaben zu verringern.
Die Steuern werden nach rohen Maßstäben erhoben, indem man Umsatz und Vermögen zugrunde legt, um Einkommen= und Körperschaftssteuern sowie Gewerbesteuer zu bemessen. Es fehlen die Grundsätze steuerlicher Gerechtigkeit. Die gesamten Steuern, die aus dem Ertrag gezahlt werden sollen, verdienen den Namen Ertragssteuern nur deshalb, weil sie gute Erträge bringen, nicht weil sie aus dem Ertrag fließen, denn in vielen Fällen liegt ein Gewinn der Unternehmungen nicht vor, vielmehr muß die Substanz der Betriebe für die Steuern herhalten, zum Teil sogar müssen die Betriebe Kredite aufnehmen, um ihrer Steuerpflicht zu genügen. Ernsteste Sorge bereiten bei dieser Lage die ständigen Lohnsorderungen. Die Industrie fürchtet, weil die Unternehmen die hohen Löhne nicht mehr tragen können, daß bei jeder Lohnerhöhung Entlassungen unvermeidlich seien. Heftige Erschütterungen sind also unausbleiblich. Die Betriebe selbst sind der flüssigen Mittel beraubt. Kredite können sie im Inland nicht erhalten, im Ausland nur schwer und nur zu den höchsten Zinssätzen. Es fehlt allerorten an Kapital. Die gesamte Wirtschaft stockt. Selbst alte und gut gegründete Betriebe müssen Geschäftsaufsicht beantragen. Die Zahl der Konkurse wächst bedrohlich. Die Zahlungsschwierigkeiten häuen sich.
Das ist das traurige Bild unsrer Wirtschaftslage am Ende der Schonfrist. Wie wird es erst aussehen, wenn der Dawessche
Von einer besonderen parlamenterischen Seite gehen uns folgende, angesichts verschiedener Vorgänge in jüngster Zeit ganz außerordentlich beachtliche Ausführungen zu:
Wer die Lebensgeschichte der deutschen Katholiken— so darf man die Geschichte der Partei im Reiche und in Preußen charakterisieren— aufmerksam verfolgt, der wird sich der Tatsache nicht verschließen können, daß systematisch und traditionell, obald ausnahmsweise einmal ein Katholik auf einen höheren und verantwortungsvollen Posten gestellt wird, der Beunruhigungsbazillus in einer gewissen Presse auftritt. Man spricht dann von unerträglichem Einfluß des katholischen Volksteiles im Reiche und in Preußen oder gar von maßgebendem Beamteneinfluß der Zentrumspartei. Diese Tendenz ist allzu durchsichtig, als daß irgendeine Erläuterung noch angebracht wäre. Man will eben in gewissen Kreisen, die das Monopol der höheren Beamtenstellen für sich überlieferungsgemäß in Anspruch nehmen, systematisch alle anderen Kreise und insbesondere überzeugungstreuer Katholiken ausschalten. Diese Stellenbesetzung soll das reichspatentierte Privileg parteipolitisch abgestempelter Gruppen und studentischer Verbände sein und bleiben.
Neuerdings machte sich wieder einmal mit erfrischender Deutlichkeit diese Tendenz in jener Presse geltend, als ein anerkannt tüchtiger, hoher Ministerlalbeamter, nämlich der Ministerialrat Lammers, zum Staatssekretär im preußischen Kultusministerlum ernannt war. Kaum war diese Ernennung bekannt, da stimmte der Chorus jener Presse den Klageruf an, daß sich die Zentrumsherrschaft in einem immer beunruhigenderen Maße geltend mache. Insbesondere der Berliner„Tag“, der bekannte Vorkämpfer dieser edlen Bestrebungen, sprach in jammernden Tönen von der Futterkrippenpolitik des Zentrums und wies darauf hin, daß sich besonders auch im Reichsaußenministerium und in den übrigen Reichsministerien der Einfluß des Zentrums auf die Stellenbesetzung immer nachteiliger für die anderen Kreise durchsetze.
Diesen tendenziösen Darstellungen gegenüber, die den wahren Sachverhalt geradezu auf den Kopf stellen, muß mit besonderem Nachdruck immer wieder betont werden, daß allerdings bei der Stellenbesetzung im Reiche und in der Mehrzahl der Länder in einem durchaus ungerechten und unerträglichen Maße verfahren wird, aber keineswegs zu Gunsten, vielmehr zu Ungunsten der Katholiken und besonders auch der Zentrumsanhänger. Der letzte Reichsparteitag der Zentrumspartel gab darüber für jeden, der ehrlich und ernstlich eine Gleichstellung erstrebt, einwandfreien Aufschluß. Das im Anschluß hieran veröffentlichte Material über die Besetzung der höheren Beamtenstellen im Reiche und in Preußen läßt keinem begründeten Zweifel darüber Raum, daß, alten Traditionen getreu, mit
Plan mit seiner ganzen Wucht über uns niedergeht! Der völlige Zusammenbruch ist unvermeidlich, wenn wir uns nicht in letzter Stunde zu Taten aufraffen.
Räumung des Ruhrgebietes.
Mitteilungen der Besatzungsbehörde.
WTV. Düsselders, 17. Juli.(Telegr.) Der Regierugspeäsident von Düsseldorf erhielt heute vom Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen eine amtliche Mitteilung, nach der das belgisch besetzte Ruhrgebiet und der französisch besetzte Teil Westsalene bies zum 26. Juli mitternacht, der Rest des Ruhrgebiets. soweit es nach dem 11. Januar 1923 besetzt ist, die 31. Juli geräumt wied.
WTB. Paris, 17. Juli.(Telegr.) Wie dem Tempe aus Beüssel gemeldet wird, hat die belgische Regierung im Einverständnie mit der französischen und englischen Regierung beschlossen, daß die im Jahre 1921 besetzten Rheinstädte Düsselders, Dulsburg und Ruhrort in den nächsten Tagen zu gleicher Zeit mit den letzten Städten des besetzten Ruhegebieter gerkumt werden sollen
Verfrüht?
WIV. Pario, 17. Juli.(Havas.) In maßgebenden Kreisen wird erklärt, daß die Nachricht, wonach Ruhrort, Duisburg und Düsseldorf gleichzeitig mit dem Ruhrgebiet geräumt werden würden, verfrüht sei. Die 1921 erfolgte Besetzung dieser drei Städte sei von den internationalen Mächten beschlossen worden. Es werde gegenwärtig von den beteiligten Alliierten über die Bedingungen dieser Räumung beraten. Zwischen Frankreich und Belgien scheine in dieser Frage bereits eine Einigung erfolgt
zu sein, doch dauerten die Verhandlungen mit den übrigen staaten noch an. Ein Beschluß sei bioher noch nicht gesaßt worden.
Die Angestelltenversicherung.
Die Kompromißparteien, also die Deutschnationalen, Deutsche Volkspartei, das Zentrum, die Bayerische Volkspartei und die Wirtschaftliche Vereinigung gaben im Reichstag eine Erklärung ab, in der es u. a. heißt:
Die genannten Parteien sind der Auffassung, daß die Sozialpolitik nicht mit ungezählten Reden, sondern nur mit nüchterner Tatsachenarbeit gefördert werden könne. Die Sozialdemokraten träten nur aus politischen Gründen für die Angestellten ein. Sie wollten die Angestellten mit den Arbeitern zu einer Majorität zusammenschließen, um mit dieser Majorität ihre Staatspolitik zum Ziele zu führen. Die Kompromißparteien hielten an der paritätischen Beitragsleistung fest, weil das die Voraussetzung sei für eine paritätische Verwaltung der Versicherung. Die Vorlage bringe eine Aufwertung der bisherigen Leistungen, die fast an die Vorkriegsgrenze heranreiche. Gegenüber den Vorwürfen, daß die Angestelltenversicherung Vermögen anhäufe, müsse betont werden, daß die Zahl der Ruhegeldempfänger sich in wenigen Jahren verdoppelt haben werde. Für diese Zeit müßten die Leistungen gesichert werden. Eine solche Politik auf lange Sicht liege erheblich mehr im Interesse der Angestellten und des Vaterlandes als die agitatorische Phraseologie der Sozialdemokraten.(Beifall.)
Abg. Moldenhauer(DV.) betont, daß die Invalidenversicherungsnovelle eine Mehrausgabe von 100 Millionen Mark für die Wirtschaft bedeute.(Hört, hört!) rechts.) Die Deutsche Volkspartei könne einer solchen Mehrbelastung zurzeit nicht zustimmen, da schon die Angestelltenversicherungsnovelle eine Mehrbelastung von 40 Millionen M. betrage.
Abg. Esser(Zentr.) weist den Vorwurf zurück, als trete der sozialpolitische Ausschuß an die Lösung von Fragen, die die Wirtschaft berühren, mit einer gewissen Leichtfertigkeit heran. Der Antrog des Sozialdemokraten Karsten habe agitatorische Färbung, weil Abg. Karsten wohl selbst nicht an seine Durchführbarkeit glaube. Das Zentrum habe sich aber ernstlich die vorgelegt, ob die Wirtschaft in diesem Augenblick eine Gchöhung der Leistungen der Sozialversicherung tragen
solche
zweierlei Maß gemessen wird. Stände der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichberechtigung nicht lediglich auf dem Papier und machte man ernst mit dem Satze:„Gleiche Leistungen, gleiche Rechte“, dann wäre dieses schreiende Mißverhältnis bei den höheren Beamtenstellen zu Ungunsten der Katholiken einsach ausgeschlossen. Das Märchen von der Inferiorität der Katholiken wird niemand, der ernst genommen werden will, noch auftischen zur Rechtfertigung dieser schrelenden Disparität. Die Erfahrung hat gelehrt, daß mit tüchtigen und zuverlässigen Anwärtern auch für die höchsten Stellen der katholische Volksteil stets dienen kann, und daß er in der Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit seiner Beamten vor keiner anderen Richtung und keinem anderen Glaubensbekenntnis zurücksteht. Gerade die Aussprache auf dem Relchspar eitag der Zentrumspartei ergab die einmütige Ueberzeugung aller Delegierten, daß die Zustände so nicht weiter fortgehen können. Der katholische Volksteil und insbesondere auch die Zentrumspartei dürfen und wollen es sich nicht weiter gefallen lassen, daß sie zwar gut genug dafür sind, die Verantwortung für die Regierung im Reiche und in den Ländern zu tragen und sich dafür vielfach unerhörtesten Angriffen und Beschimpfungen auszusetzen, dagegen von den höheren Beamtenstellen geflissentlich ausgeschaltet zu werden. Es ist im Lande freudig begrüßt worden, daß von den Zentrumsfraktionen nunmehr ernstlich darauf hingewirkt wird, dem berechtigten Verlangen der Wählerschaft Folge zu geben. Selbstverständlich verlangt weder der katholische Volksteil noch die Zentrumspartet irgendwelche Bevorzugung. Beide aber wehren sich mit aller Entschiedenheit gegen die Fortsetzung der unerträglichen Zurüchksetzung, unter der sie nunmehr ungejähr ein Jahrhundert zu leiden hatten.
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In diesem Zusammenhang ist es übrigens von ganz außerordentlichem Interesse, zu hören, was wir zu erwarten haben, wenn die Nutznießer der Imparität ans Ruder kämen. In seinem Aerger über die Berufung eines Zentrumsmannes an eine leitende Stelle des preußischen Kultusministeriums spricht der deutschnationale„Tag“ die Drohung aus: Wenn die Umwandlung der preußischen Regierung zustande gekommen sei, werde man sich auch einmal die Verhältnisse im Kultusministerium genau ansehen. Mit anderen Worten also: Wenn wir ans Ruder kommen, werden wir den Katholiken schon wieder herauswerfen. Es ist nicht ohne einen pikanten Beigeschmack, jetzt zu sehen, wie die Deutschnationalen die Katze aus dem Sack herauslassen und wie sie brutal erklären: Eine Umbildung der preußischen Reglerung soll dazu dienen, uns die Macht in die Hände zu spielen und euch Katholiken wieder als die Staatsbürger zweiter Klasse zu behandeln. Das ist auch ein Beitrag zu der Psychologie der Regierungsbildung in Preußen! Dafür, daß wir den Deutschnationalen den Zugang zur Macht geben, sollen wir Zentrumsleute und Katholiken uns auch noch unterdrücken lassen
K
könne. Die Renten habe man im Ausschuß erhöht, soweit dies angängig erschien. Nun müsse aber für absehbare Zeit diese Frage endlich zur Ruhe kommen. Namens der übergrohen Mehrheit des Ausschusses bitte er um Annahme des Ausschußbeschlusses.
Hiermit ist die Aussprache über diesen Teil der Novelle erledigt. Er wird in der Einzelberatung unter Ablehnung sozialdemokratischer und kommunistischer Abänderungsanträge in der Ausschußfassung bewilligt. Annahme findet ein interfraktioneller Antrag, der den Grundbetrag der Invaliden= rente von 110 Mk. auf 180 Mk. erhöht. Ein sozialdemokratischer Antrag, der die Versicherungsgrenze in der Angestelltenversicherung von 6000 Mark der Vorlage auf 8400 Mark erhöhen will, wird in namentlicher Abstimmung mit 231 gegen 192 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. In einer weiteren Abstimmung wird ein anderer sozialdemokratischer Antrag mit 210 gegen 179 Stimmen abgelehnt, der das Heilverfahren für die Angestelltenversicherung zum Mußverfahren machen will, wenn der Vertrauensarzt der Versicherungsanstalt das Heilverfahren als notwendig bezeichnet. Die gesamte Vorlage wird dann auch in dritter Beratung angenommen.
Amundsens Gefährte.
Der Empsang des Nordpolflieger, Feucht in Stuttgart.
TU. Stuttgart 17. Juli. Von seiner Nordpolfahrt ist gestern der Mechaniker der Dornierwerke Karl Feucht in Stuttgart eingetroffen. Er wurde gestern früh vom württembergischen Staatspräsidenten empfangen, der ihn im Namen des württembeygischen Volker zu seiner glücklichen Heimkehr aus größter Gejahr beglückwünschte und ihm den Dank für seine mannhaften Leistungen aussprach. In einem darauf folgenden Empfang teilte Ministerrat Kelin mit, daß der Flugzengtyp der Dornierwerke, der wegen des Versoiller Vertrages auf der Werit in Pi'a erbaut werden mußte, auch bold in Deutschland seine Leistungen wieder zeigen werde. Dr. Dornier, der von Amundsen eingeloden wurde, ihn in Oslo zu besuchen, und der sich auzenblicklich dort befindet, hoffe, daß aus dem Zusammenarbeiten mit Amundsen noch glänzendere Fahrten im Dienste der Erforschung des Nordpols oder anderer noch unerforschter Gebiete sich ergeben werden. Nach diesen Ausführungen ergriff Kanl Feucht das Wort zu einem kurzen Bericht über seine Nordpolfahrt, dem er vorausschickte, daß er diese Reise nicht aus materiellen Gründen, sondern rein im Diente der Dornierwerke untemnommen habe. Die Benutzung des Dornierflugzeuges auf dieser Forschungsreise sei das einzige Mittel gewesen, um der Weit zu zeigen, daß die Knebelung der deutschen Luftfahrt durch den Versailler Vertrag eine Ungerechtigkeit darstelle. Dr. Eckener habe ihm gesagt, daß er ihn wahrscheinlich mitnehmen werde, wenn die nächste Exxedition mit einem Zeppelin=Luftschiff an den Nordrol gehe. Nachdem ihm auch der Chef der Pressestelle, Regierungsrat Vörele, den Dank der württembergischen Presse ausgesprochen und seine Leistungen gewürdigt hatte, folgte Feucht einer Einladung der Stadt Stuttgart zu einem offiziellen Empfang im Rathaus.
Mussolini soll operiert werden.
22 Rom, 17. Juli. Wie verlautet, soll Mussolini an einer Magenkrankheit leiden. Nachdem von den Aerzten alles mögliche versucht worden ist, soll jetzt zu einer Operation geschritten werden. Dem Vernehmen nach handelt es sich um Magenkreds.
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