54. Jahrgang Nr. 153

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Vonn, Montag, 6. Juli 1925

Sportnachrichten= Mittwochs: Für unsere Frauen= Samstags: Familienblatt für das christl. Haus

Einzelpreis.10.M.

Vertag: Deulsche Reichs-Zeitung C. m. u. H. Druck: Tinnto=Vertag Bonn, Sürst 1. Verantwortlich:

Politik und Feuilleton: Emil Schwippert, für den übrig. redakt. Tell: Hugo Rudolph. Anzeigentell: Franz Krath. alle in Vonn, Anzeigenverwaltung Bunio=Verlag. Vonn, Fernspr. 59. 60. 2835, nach Geschäftsschl. 171 Postscheckkonto Köln 24093 Bankkonto 8076 Städtische Svarkasse Vonn.

Entsche dungen.

Der Landtag ist am Samstag in die Ferien gegangen. Er tritt am 22. September wieder zusammen. Der Reichstag hat noch bedeutsame Aufgaben zu erledigen und schwerwiegende Entschlüsse zu fassen, bevor die Abgeordneten in die sommerliche Erholung entlassen werden können. Vorläufig streiten sich noch Volkspartei und Deutschnationale um Einzelheiten und Grund­sätzlichkeiten in der Behandlung des Stresemannschen Sicher­heitspaktangebotes. Die Deutschnationalen erheben gegen Strese­mann den Vorwurf, er habe das Memorandum an die Entente eigenmächtig abgeschickt, ohne es dem Reichskabinett und dem zuständigen Ausschuß vorzulegen; die Völkischen sind über den Sicherheitspakt Stresemanns so erbost(und zwar aus for­mellen und materiellen Gründen), daß sie einen, freilich wenig aussichtsreichen Mißtrauensantrag gegen den Reichs­außenminister eingebracht haben. Die Volkspartei verteidigt ihren Stresemann gegen die erhobenen Vorwürfe mit dem Hin­weis auf wiederholte(allerdings nur unvollständige) Erklärungen die der Außenminister über den Inhalt seines Sicherheitspakt= angebotes vor dem Auswärtigen Ausschuß, in einem Interview mit dem Berliner Vertreter der Kölnischen Zeitung, sowie in einer Denkschrift des Auswärtigen Amtes gegeben habe. Der Brief. in welchem der deutschnationale Reichsinnenminister Schiele dem deutschnationalen Abg. Brüninghaus seine Un­kenntnis vom Inhalt des Sicherheitsangebotes mitteilt, hat auf deutschnationaler Seite die Verstimmung gegen die zweifel­los vorhandene Heimlichtuerei Stresemanns vermehrt, wird aber durch die volksparteiliche Presse mit einer kühlen Geste des Er­staunens über Schieles Gebahren behandelt. In der Samstag­Sitzung des Reichstags vermieden Volkspartei und deutschnatio­nale geschickt eine Auseinandersetzung über diese Dinge. Die Sitzung wurde aber dennoch ein Tummelplatz der Leidenschaften, weil nicht Klarheit zu schaffen war über die Frage, ob die Ant­wort der Reichsregierung auf die Entente=Note zur Sicherheits­frage vor oder nach der von Dr. Luther angekündigten großen außenpolitischen Aussprache im Reichstag erteilt werden soll. Luther und Stresemann waren nicht im Parlament und über­haupt nicht in Berlin(sie haben sich gedrückt ries ein Abgeord­neter.) Die Sozialdemokratie, die Deutschnationalen und die Völkischen forderten den Beginn der außenpolitischen Aussprache für den heutigen Montag, und zwar die Sczialdemokraten, um Herrn Stresemann rechtzeitig sagen zu können, daß die(von uns am Freitag veröffentlichten) Richtlinien der Volkspartei zur Sicherheitsfrage nicht ausreichend seien zur Lösung dieses Prob­lems, während Deutschnationale und Volkspartei dieRichtli­nien als zu weitgehend empfinden. Die grundsätzliche Ausein­anbersetzung innerhalb der Parteien des sogenannten Reichs­blocks über den Kurs der deutschen Außenpolitik ist also genügend vorbereitet, um demnächst in der Vollsitzung des Reichstags aus­getragen zu werden. Der in der Samstag=Sitzung des Reichs­tags anwesende Arbeitsminister Brauns versicherte, Reichs­kanzler Luther sei bereit, vor Absendung der deutschen Antwort an die Entente mit den Fraktionen Fühlung zu nehmen und den Inhalt der Antwort mitzuteilen. Die Note werde nicht nur im Kabinett beschlossen. Darauf wurden von zwei Seiten Fragen an Dr. Brauns gerichtet.

Dr. Breitscheld(Soz.) sagte: Ich möchte den Arbeits­minister fragen, ob er uns sagen kann, ob diese Note auch dann abgeschickt wird, wenn sich bei der Fühlungnahme mit den Par­teien ergibt, daß ihr Inhalt nicht gebilligt wird.(Lärm und Lachen rechts.) Von rechts meldet sich v. Graefe(Völk.) mit folgender Frage:Der Arbeitsminister hat von einer Fühlung­nahme mit den Fraktionen gesprochen. Ich möchte fragen, ob das nicht etwa die berühmte Fühlungnahme hinter den Kulissen ist. Arbeitsminister Dr. Brauns erwiderte: Die Sache ist im Reichskabinett vom Reichskanzler noch nicht erörtert worden, als diese Mitteilung heute an den Reichstag erging. Ich bin also als Arbeitsminister nicht in der Lage, hier zu erklären, wie im einzelnen die Fühlungnahme vor sich gehen wird.

Nach weiteren Bemerkungen der Abgeordneten Stöcker (Komm.) und Fehrenbach(Ztr.), der betonte, es könne selbst­verständlich keine Rede davon sein, daß die Note vor der zuge­sagten Unterredung mit dem Reichskanzler abgehe, wurde der Antrag am Montag mit der außenpolitischen Aussprache zu beginnen, gegen die Stimmen der Kommunisten, Sozialdemo­kraten und Völkischen abgelehnt. Montag und Dienstag werden die Ausschüsse tagen, am Mittwoch wird der Vollreichstag wieder zusammentreten.

Ionen= und außenpolitische Fragen sind gegenwärtig in einer merkwürdigen Weise miteinander verbunden. Zu den Problemen der Innenpolitik gehört in erster Linie die Zoll­

vorlage. Was sie betrifft, so ist kaum noch Aussicht vorhanden, sie in der ursprünglichen Gestalt und den anfänglichen Dispost­tionen der Reichsregierung entsprechend parlamentarisch zu er­ledigen. Man beschäftigt sich deshalb mit dem Gedanken, zu­nächst nur gewissermaßen ein Zollnotgesetz zu schaffen, durch welches sowohl Industrie= wie Agrarzölle, letztere wohl in gleitender Skala geschaffen würden, während aber alle Einzel­heiten der großen Zollvorlage erst in der Herbsttagung des Reichstages eingehend beraten werden sollen. Dann soll auch erst die Entscheidung über den endgültigen Zoll­taris erfolgen. Eine Einigung der Parteien auf diese Richt­linien ist allerdings im Augenblick noch nicht erfolgt, doch ist der Stand der Verhandlungen als nicht ungünstig zu verzeich­nen. Freilich muß man sich klar darüber sein, daß die Sozial­demotraten auch gegen eine derartige Absicht scharfen Wider­spruch erheben und ihre Verwirklichung mit allen parlamenta­rischen Mitteln verhindern werden, weil ja in der Tat mit der Verwirklichung dieses Planes grundsätzlich die Zollfrage ent­schieden würde.

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Daneben harren die großen Fragen der Steuer= und Fi­

nanzpolltik des Reiches der Entscheidung. Hier haben die letzten Ausschußsitzungen die ernstesten Probleme aufgewor­sen. Da in diesem Rahmen auch die Aufwertungsfrage eine Rolle spielt, weil die Reichsregierung für die Gestaltung des Haushaltsplanes wissen muß, welche Summe sie für die Auf­wertungszwecke in den Etat einzustellen hat und da gerade die Entscheidung über diese Frage mehr oder minder unter politischen Gesichtspunkten steht, sind die Schwierigkeiten noch gehäuft.

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Dazu tritt in den Ausschüssen der Kampf zwischen dem Reich und den Ländern wegen des Finanzausgleichs. Die Reichsregierung will auf die 25 prozentige Quote des Aufkom­mens an Einkommen= und Körperschaftssteuer unter keinen Um­ständen verzichten. Die Länder erheben ihrerseits weitergehende Ansprüche. Demgegenüber ist in parlamentarischen Kreisen in den jetzigen Ausschußberatungen sehr nachdrücklich auf die un­wirtschaftliche Finanz= und Wirtschaftspolitik mancher Gemein­den, namentlich der großen Städte hingewiesen worden. Man hat mit aller Deutlichkeit ausgesprochen, daß hier eine größere Sparsamkeit Platz greisen muß. Wenn es richtig ist, daß die Bürgermeister und Beigeordneten großer Städte heute Ge­hälter von Staatssekretären, ja von Ministern und noch darüber hinaus beziehen und wenn es zutrifft, daß in diesen Instanzen nicht nur nicht ein Abbau Platz gegriffen hat, sondern die Stel­len noch erheblich vermohrt worden sind, dann wird freilich eine sehr ernste Nachprüfung dieser Finanzgebahrung Platz greifen müssen. Sie wird dann schon deswegen notwendig sein, damit die Frage der Aufwertung der kommunalen Ankeihen ein an­deres Gesicht erhält. Es ist deshalb im Reichstag bereits ange­

regt worden, diese Aufwertungsquote nicht, wie ursprünglich vor­gesehen mit 5 Prozent zu begrenzen, sondern sie wesentlich zu erweitern, entsprechend der Leistungsfähigkeit der einzelnen Ge­meinden.

Grüne Messe in

Die Eröffnung. Ein Bild echten, eheinischen Bauerntums.

Im Beisein hervorragender Vevtreter der Rheinischen Land­wir.schaft wurde Samstag morgen die zweiterheinische grüne Messe eröffnet. Der Präsident des Landwirtschaft­lichen Vereins für Rheinpreußen, Landesökonom erat Dr. Bes­senich, führte in seiner Eröffnungsansprache u. a. aus: Der Landwirtschaftliche Verein erstrebe mit dieser Ausstellung die Förderung der Technik, die Vermehrung des Wissens und des Könnens der Landwirte sowie die Vervesung der Erkenntnis von den geheimnisvollen Zusammenhängen zwischen wirkender Na­vur und unserer Arbeit. Der Verein kenne keine Schlagworte und wende sich niemals an die Masson. Auf dem Wege nach Herstellung eines bessoren und innigerer Kontaktes mit dem öffentlichen Leben gebe es kaum ein wirksameres Mittel als die Veranstaltung einer solchen Ausstellung. Der großen Menge solle die Ausstellung zeigen, wie unvergleichlich die Stelbung der Landwirtschaft im Rahmen der Gesamtwirtschaft unseres Volkes sich darstelle, wie sie in ihrer tausendjährigen Verflech­tung mit dieser Wirtschatt immer von neuem sie befruchtet.

Es war gewiß ein Wagnis in der heutigen Zeit der sich häufenden Ausstellungen dennoch auf dem Messegelände in Köln wiederum Landwirtschaft und Industvie des Rheinlandes zusam­menzuführen zur Erstellung eines wohlgelungenen Bildes von dam rastlosen Streben unseres heimischen Bauerntums auf rheinischer Schollle. Soviel läßt sich heute schon sa­gen, daß auch die diesjährige Kölner Messe sich würdig der vor­jährigen Veranstaltung des Landwirtschaftlichen Vereins an­reiht und daß sie in Ausmaß und Erfolg reiche Früchte zeitigen wird.

Von den zahlreichen Ausstellungsräumen müssen zunächst die Hallen erwähnt werden die in mustergültiger Anordnung die mannigfachen Erzeugnisse des Ackerbaus bergen. So haben wie­derum anerkannte deutsche Saatzüchter wie Ackermann, Voseler, Lochow, Paulsen, Heine, Strube und andere ihre hochwertige Saatware ausgestellt, indem sie immer für rhoinische Verhältnisse wichtige Merkmale besonders betonen. Der rheinische Saatbau­verein Vonn zeigt umfangreiche Kollektionen und bringt unter anderem interessante Anbauversuche von Gelb= und Weißhafer aus Flerzheim, Kreis Rheinbach, wo deutlich die in diesem Jahre durch die Trockenheit bedingte Ueberlegenheit des Gelbhafers zum Ausdruck kommt. Der Rheinische Bauernverein, Köln, stellt neben Modrowschen Kartoffel= vor allem Krafftsche Getreide­züchtungen aus, die bekanntlich im Rheinland sich einer wachsen­den Beliebthet erfreuen. Inhoffen, Euskirchen, hebi mit seinam in Frauenberg selbst gezogenen Kulturgräsern aller Art die Wich­tigbest der Erünlandkultur für die rheintschen Verhältnisse be­sonders hervor. Die Saatkartoffelstelle der Landwirtschaftskam­mer Bonn bringt in umfangreichem Materlal hochinteressante vergleichende Anbauversuche verschiedener Kartoffelsorten deut­lich zur Darstellung. Die Düngerindustrie ist dieses Mal auf der Kölner Schau sehr schwach vertreten und beschränkt sich im we­sentlichen auf die Darbietungen von Kalkdüngemitteln, deren landbautechnische Bedeutung gerade heute bei der zunehmenden Versaurung des Bodens auch im Rheinland nicht zu verkennen ist.

Besonders gut vertreten sind in diesem Jahre die weiterver­arbeitenden Industrien u. Hilfsgewerbe der Landwirtschaft, so­wie auch deren mannigfache Nebenzweige. Vor allem ist die Abb­teilung für Molkereiprodukte trefflich eingerichtet und bringt in der Hoalle für niederrheinische Käserei gute Darstellungen ver­schiedener Küesorten. Die volkswirtschaftliche Bedeutung und die Leistungsfählgkeit der niederrheinischen Käserei geht daraus hervor, daß hier die Jahresproduktion an Käse.5 Millionen Pfund ausmacht und somit der Beweis erbracht ist, daß unsere niederrheinische Käserei den Wettbewerb mit ausländischen Kä­sesorten mehr und mehr aufnehmen kann. Dieses im Interesse des industriell stark durchsetzten rheinisch=westfälischen Konsump­tionszebietes verdient als wertvoller Produktionsbezirk vor der, durch den fehlenden Zollschutz von Holland bedrohten Konturrenz unbedingt geschützt zu werden.

Sinnvoll ausgestattet, mit mannigsachen Sprüchen geziert. zeigt sich dem Besucher die freundliche, der Bienenzucht einge­räumte Halle Während diesmal die eigentlichen imbereitech­nischen Artikel etwas zurücktreten, zeigen sich um so besser die hervorragenden Proben aller Honigsorten. Auch diese Ausstel­lungsabteilung läßt erkennen, daß die Bienenzucht im Rhein­land erfolgreich im Fortschreiten sich befindet und nicht zuletzt durch die nere Lehranstalt für Bienenzucht in Mayen weitere Anregungen erfahren wird.

Auch die rheinische Fischerei ist auf der Ausstellung gebührend vertreten. Die bedeutendsten Nutzfische sind hier in zirka 40 Aquarien zu sehen, wobei unter anderem prachtvolle Eifler Regenforellen aus verschiedenen Eisler Fischzuchtanstalten das Auge des Beschauers entzücken.

Ein ganz eigener Reiz geht auch diesmal wieder von den Veranstaltungen des rheinischen Vereins für ländliche Wohljahrte und Heimatpflege, Bonn, aus, der in Verbindung mit gleich­gesinnten Vereinen und Firmen eine hübsch ausgestattete Halle mit seinen Darbietungen ausfüllt. In der AbteilungHaus­frau und Technik wird eine wirtschaftliche rationelle Haushalt­führung in acht Einzelräumen dargestellt, wobei trotz aller Fort­schrittlichkeit der innere ethische Wert gediegener alter Ueber­lieferung hochgehalten ist. Die AbteilungLändlicher Hausfleiß" birgt die Erzeugnisse der hausgewerblichen Spinnerei und We­berei, die in Verbindung mit mehr industriell eingestellten Fir­men ein Berufs= und Festkleid der Landfrau in farbenfrohen, überaus reizvollen Mustern zeigen. Zwei Eifler Webstühle aus Waldorf, Kreis Ahrweiler, bioten dem Besucher ein Bild von der gemütvollen Arbeit der fast totgeglaubten alten Eifler Web­kunst. In demselben Raume hat die deutsche Flachsbaugesellschaft Berlin, ihre Produkte ausgestellt und recht deutlich den Werde­gang und die Verarbeitung des Flachses zum Ausdruck gebracht. Gerade diese der rheinischen Landfrau gewidmete Halle läßt die fortgeschrittene Arbeit dieser mehr noch der ethischen Seite hin gerichteten Zweiges der Landwirtschaft erkennen und schafft so einen stimmungsvollen Einklang realer und idealer Kultur in unseren rheinischen Heimatzauen.6k.

Die Grundschule.

Berlin, 4. Juli 1925. In der gestrigen Sitzung des Land­tages hat der Zentrumsabgeordnete Wildermann zur Frage der Grundschule folgende Erklärung abgegeben:

Wir sind der Ansicht, daß die Ausführungsbestimmungen des preußischen Ministeriums für Wissenschaft. Kunst und Volksbil­dung zum Reichsgesetz vom 3. April 1925 betr. Grundschule im ganzen dem Sinne des Gesetzes entsprechen. Wir vermögen in­dessen nicht anzuerkennen, daß durch das Reichsgesetzvon dem vorzeitigen Uebergang auf eine höhere Schule alle Kinder aus­geschlossen sind, die auf Grund des§ 4 des Grundschulgesetzes aus Gründen körperlicher Leistungsfähigkeit vom Grundschul­besuch befreit sind, wie es die Nummer 3o der Ausführungs­bestimmungen will. Wir halten es daher für nötig und erwar­ten, daß die Ausführungsbestimmungen in diesem Punkte nach­geprüft werden und Bedingungen festgelegt werden, unter denen auch diesen Kindern die Möglichkeit einer vorzeitigen Aufnahme­prüfung geboten werden kann.

Die Winzer=Kreditaktion.

Ueber die Durchführung der Winzer=Kreditaktion teilt

der Oberpräsident der Rheinprovinz in einer

Bekanntmachung mit:

Fie Folgen des deutsch=spanischen Handelsvertrages neben anderen Ursachen haben die deutsche Winzerschaft in eine außer­ordentlich gejahrvolle wirtschaftliche Lage gebracht. Um die Aufrechterhalutng der Winzerbetriebe zu ermöglichen, hat das Reich Kredite zur Verfügung gestellt, mit denen die für die Fort­führung des Winzerbetriebes so bedeutsame Einbringung der diesjährigen Exnte gesichert und insbesondere die Bekämpfung der Rebschädlinge durchgeführt werden soll. Hierzu bemerke ich ausdrücklich, daß die vom Reiche gewährten, erhoblich verbillig­ten und langfristigen Kredite nicht nur für die Beschaffung der erforderlichen Schädlingsbekämpfungsmittel usw. gegeben werden, sondern daß vor allem auch damit die bisher zur Auf­rechterhaltung der Betriebe ausgenommenen, meist hoch zu ver­zinsenden Darlehen abgedeckt werden sollen. Gerade diese hoch­verzinslichen Schulden lasten bereits sehr drückend auf dem Win­zerstand. Es muß sein Bestreben sein, diese, die ordnungsmäßige Bewirtschaftung eines jeden Betriebes gefährdende und auf die Dauer den Betrieb zum Erliegen bringende Schuldenlast nach Möglichkeit zu beseitigen.

Die Kredite sind im Verhältnis der im Ertrag stehenden Weinbauflächen auf die Länder unterverteilt worden; sie werden den Winzern gegen Schuldschein zu 4 Prozent Jahreszinsen bis zum 31. Dezember 1926 gewährt.

Der auf die Rheinprovinz entfallende Kreditbetrag reicht aus, um den Winzern für je 1000 von ihnen bewirtschafteter Weinstöcke bezw. Quadratmeter Weinbergsland ein Darlehn von 80 Mark zu gewähren. Bei der Berechnung der Darlehnssumme werden für je 100 Stock 3 Mark in Ansatz gebracht.

Die Darlehen können von den Winzern auf Grund einer von dem Gemeindevorsteher ihres Wohnortes ausgestellten Be­scheinigung über die Gesamtzahl der von ihnen bewirtschafteten Weinstöcke(bezw. Quadratmeter) bei ihren Genossenschaftskassen oder bei den zuständigen Gemeinde= und Kreissparkassen gegen Hinterlegung eines Schuldscheines aufgenommen werden, sofern der Gesamtbesitz nicht mehr als 50.000 Weinstöcke(bezw. Quadrat= meter) beträgt und die vorevwähnte Bescheinigung auch die Berechtigung zur Inanspruchnahme des Kredites anerkennt. Weinbergsbesitzer mit mehr als 50000 Weinstöcken, die aus Mangel an eigenen Mitteln den Staatskredit in Anspruch neh­men wollen, haben ihre eingehend begründeten Anträge unter der Anschrift:An den Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Abteilung N. in Trier, Regierung" zur Entscheidung vorzu­legen.

Da der Rheinprovinz der anteilmäßige Betrag aus den Reichs=Winzerkrediten durch den Herrn Minister für Landwirt= schaft, Domänen und Forsten überwiesen wurde, und auch den Genossenschaftskassen sowie Kreis= und Gemeinde=Sparkassen der weinbautreibenden Kreise bereits ausreichende Mittel zur Ver­fügung gestellt worden sind, können die Kredite sofort nach Ein­holung der Bescheinigung des Gemeindevorstehers, der hierzu vorgeschriebene Formulare vorrätig hält, in Anspruch genommen werden.

Das Reich will trotz seiner gespannten Finanzlage nach besten Kräften den Winzern mit Krediten helfen. An den Win­zern liegt es, durch eine ordnungsmäßige und wirtschaftliche Verwendung sich die Kredite wirksam nutzbar zu machen. Es wird mein unausgesetztes Bestreben bleiben, dem schwer bedrück­ten Winzerstande mit allen Mitteln über die zeitige Krise hin­wegzuhelfen.

Sieben Todesopfer der Berge.

Graz 4. Juli. Im Säuser(Obersteiermark) ereignete sich ein großes Tourtstenunglück. Seit Dienstag werden dreizehn Touristen vermißt, die am Sonntag Bergtouren unternommen hatten. Nun wurden vier Touristen aus Wien erfroren ausge­funden. Auf der Planspitze fand man zwei Beamte der öster­reichischen Nationalbank und auf dem Oedstein einen weiteren Touristen aus Wien. Alle sieben waren tot. Die anderen kamen erschöpft ins Tal.

Aus Provinz und Reich

Dulsburg: Verurteilte Glücksspieler. Das Schössengericht verurteilte sieben Kaufleute, Gewerbetreibende und Beamte, die in der Wohnung eines Lehrers beim Glücksspiel überrascht wor­den waren, zu Gefängnisstrafen bis zu zwei Monaten und Geld­strafen bis zu 500 Mark.

Düsseldorf: Mord. Donnerstag vormittag wurde das Dienst­mädchen Gertrud Bendols, Rethelstraße 8, mit schweren Schuß­wunden ausgesunden. Eine Stunde nach der Ueberführung ins Hospital starb sie an den schweren Verletzungen. Die Unter­suchung ergab, daß die Schüsse am Vormittag während eines Dienstganges auf sie abgegeben worden waren. Der Tat dringend verdächtig ist der Arbeiter Philippi aus Dulsburg= Meiderich, der früher ein Verhältnis mit dem Dienstmädchen unterhielt. Er ist flüchtig.

Düsseldorf: Ohne Theaterintendant. Die städtischen Theater in Düsseldorf werden für die nächste Spielzeit ohne Intendanten sein. Der Posten soll für die nächste Spielzeit unbesetzt gelassen werden; die geschäftliche Leitung wird dem zurzeit als Spar­kommissar in den Theatern tätigen Stadtkassendirektor Heinrich Hattrop und die künstlerische Leitung den beiden Oberregisseuren Prof.'Arnals(Oper) und Münch(Schauspiel) anvertraut. Auf diese Weise hoffe die Stadt Luft zu bekommen, um die Suche nach einem Intendanten mit neuen Kräften wieder aufzu­nehmen.

Solingen: Die Einwohnerzahl von Solingen beträgt nach der letzten Zählung 51 946. Die Stadt hate schon einmal 52.000 Einwohner. Die Wohnungsknappheit ist schuld an dem Rück­gang.

Elberseld: Die Falschmünzerbande, die s. Zt. im Bergischen Land und im Wuppertal große Mengen gefälschter Ein= und Zehn=Billionenscheine verbreitet hat, sand jetzt vor dem Schöffen­gericht ihre Strafe. Vier der Falschmünzen wurden zu Zucht­hausstrafen von zwei bis vier Jahren und fünf Jahren Ehrver­lust verurtellt. Weitere vier Personen erhalten wegen Verbrei­tung der Scheine drei Monate Gefängnis bis zwei Jahre Zucht­haus.

Koblenz: Vom Auto überfahren. Ein älterer Mann, der infolge des Geräuschs einer Kreissäge das Herannahen eines Autos überhörte, wurde von ihm überfahren. Der Unglückliche wurde zwischen Kühler und Vorderachse eingeklemmt und mit­geschleift. Dabei erlitt er Kopf=, Arm= und Beinverletzungen sowie Rippenbrüche.

Bernkastel: Ein Fund aus der Römerzeit. In der Nähe des Dorses Widerath am Stumpfen Turm fand ein Einwohner beim Roden einen römischen Gedenkstein mit folgender Inschrift: Zur Verschönerung des Gotteshauses dem Gotte... geweiht. errichtet vom P. Capito zum Gedächtnis seines Vaters Capito. Der Stein hat die Größe einer Tischplatte und ist aus Wellener Kalkstein gehauen. Unter ihm wurde eine Münze aus dem Jahre 150 n. Chr. mit dem Bildnis der Kaiserin Faustina I. ge­funden. Der wertvolle Fund wurde dem Provinzialmuseum in Trier überwiesen.

Mainz: Französisches Militärpolizeigericht. Am 11. März d. J. mußte ein von Alzey kommender Personenzug, da er keine Einfahrt hatte, an einem Bahnübergang halten, wodurch eine Schadron französischer Kürassiere ebenfalls zum Halten ge­zwungen wurde. Nach Freiwerden der Straße gab der Lokomo­tivführer Anthes aus Alzezy starken Dampf, wodurch einige Pferde scheuten und ihre Reiter abwarsen. Der Schranken­wärter Ramb, der damas an der Rampe stand, soll den Vorsall lächerlich gefunden haben. Vor dem französischen Militärpolizei­gericht hatten sich jetzt Anthes und Ramb wegen des Vorfalles zu verantworten. Anthes wurde vorgeworfen, absichtlich starken Dampf gegeben zu haben. Das Gericht verurteilte Anthes zu 100 und Ramb zu 20 Mark Geldstrafe.

Hilden: Der neue Geschäftoführer. Die Blechwarenfabrik Hammerschmidt u. Co. hatte sich einen neuen Geschäftsführer engagiert, der sich als Müller anmeldete, in Wirklichkeit aber Wetzel hieß. Kurz nach einem Besuch seiner Braut fuhr Müller­Wetzel mit einem Auto nach Vohwinkel und hob dort von dem Konto seiner Firma 21000 Mark ab. Mit dem Geld verschwand der saubere Herr Geschäftsführer. Es ist anzunehmen, daß er ins Ausland geslohen ist.

Weltpolitische Umsckau.

Von Pertinax Germanus.

Die Luftsahrtnote.

Die Luftfahrtnote, welche der Reichsregierung im Auftrage der Botschafterkonserenz überreicht worden ist, kann unmöglich dazu beitragen, eine Friedensatmosphäre in Europa zu schaffen. Sie ist erfüllt von einer Mentalität, welche den Buchstaben über den Geist stellt. Gesetzt den Fall, die Entente hätte durch den Versailler Vertrag ein Recht zu ihren Forderungen, so ist es doch höchst unklug, sie gerade in einem Augenblick, wo die Verhandlungen über den Sicherheitspakt beginnen, zu erheben. Die Note der Entente ist geeignet, auch in jenen deutschen Krei­sen böses Blut zu schafsen, die einer nationalistischen Politik an und für sich abhold gegenüberstehen. Noch immer ist Dr. Ecke­ner jener Mann, der den R 3 3 über den atlantischen Ozean nach Amerika steuerte, in Deutschlandund weit über seine Gren­zen hinaus, der populärste Mann und die Entente be­harrt auf ihremRechte, den Bau großer deutscher Luftschiffe zu verbieten. Gerade hat der Deutschland=Flug wieder einmal in besonders starkem Maße das Interesse für das Flugzeug­wesen erregt und die Entente verlangt Anmeldung aller Flugzeugführer und=Schüler.

Die Note ist ausgerechnet von Briand unterzeichnet. Wir können diese Tatsache nur als ein ganz besonderes Unglück be­zeichnen. Briand hat auch die französische Antwort an die Reichsregierung über den Sicherheitspakt unterzeichnet und so ist es einer gewissen Agitation wiederum sehr leicht gemacht. die französischen Verständigungsabsichten zu verdächtigen.

Auf alle Fälle bedeutet die Luftfahrtnote der Botschafter­konferenz einen Rückfall in jene Methoden der kleinlichen Schi­kanen, die zuerst das Londoner, von Reichskanzler Marx er­reichte, Protokoll überwunden hatte. Wir hoffen, daß die Luftfohrtnote nur einen Rückfall bedeutet. Sonst müßte man mit noch mehr Pessimismus, als es heute schon der Fall ist, der europäischen Zukunft entgegensehen. *

Das Moskauer Todesurteil.

Prozeß gegen die drei deutschen Studenten(v. Ditt­mer, der dritte Angeklagte, ist zwar esthländischer Staatsange­hörtger, aber deutschen Blutes) hat wie vorauszusehen war mit drei Todesurteilen geendet. v. Dittmer, der eine Art Lock­spitzel zu sein scheint und als Hauptzeuge gegen die beiden Mit­angeklagten Dr. Kindermann und Wolscht, diente, wird sicher begnadigt werden und die beiden anderen Verurteilten werden von der Sowjetregierung gegen die im sog. Tscheka=Prozeß Ver­urtellten ausgetauscht werden.

Der Sowjetregierung kam es aber in ihrer phantastischen Anklage gegen zwei harmlose, wenn auch etwas großspreche­rische und unreife Studenten nicht nur darauf an, Austausch­objekte zu gewinnen. Generalstaatsanwalt Krylenko betonte gusdenüicklich in leinersiede, daß die owjetfustiz Klassenfusttz sei.

Und so kam es den Bolschewisten in ihrem Prozeß gegen Kinder­mann und Co. vor allem auf folgendes an: Erstens: Die deutsche Sozialdemokratie sollte als Feindin des Proletariates gebrandmarkt werden. Daher wurde die Organisation Consul in der Anklageschrift in engste Verbindung zur Sozialdemokratie gebracht. Daher derVersuch, das von Sozialisten geleitete Ver­liner Polizeipräsidium in Verbindung zu Kindermann und Wolscht zu bringen. Zweitens: Die Macht un völlige Unab­hängigkeit der Sowjetregierung sollte in eklatanter Weise de­monstriert werden. Der Prozeß sollte beweisen, daß die Sow­jets auch an das Deutschland des Rapallo=Vertrages nicht ge­bunden sind.

Es gilt also, das Urteil ohne jede Sentimentalität zu be­trachten. Das ungeheuerliche Urteil gegen die unschuldigen deutschen Studenten ist für die Sowjetregierung ein rein poli­tisches Druck= und Agitationsmittel. Das müssen gerade die Kreise in Deutschland beachten, welche aus der Furcht, Sowjet­rußland vor den Kopf zu stoßen, gegen den Abschluß eines Sicherheitspaktes für die Westgrenzen polemisieren. Rußland ist kein zuverlässiger Verbündeter. Seinem Prestige ideolo­gisch formuliert: Dem Klasseninteresse des Proletariates ist es bereit, alles, auch einebefreundete Macht zu opfern.

Wen der Prozeß Kindermann von dieser Tatsache nicht überzeugt, der sei auf den Stand der deutsch=russischen Handels­vertragsverhandlungen verwiesen. Sie kommen seit Monaten nicht vom Fleck. Rußland ist zu keinen Konzessionen bereit. Man sollte sich in Deutschland also davor hüten, aus Rücksicht auf Rußland auf den Abschluß eines Sicherheitspaktes zu ver­zichten. Treue usw. sind für Sowjetrußland veraltete, d. h. bürgerliche Begriffe. Und so kann es leicht sein, daß eine allzu­große Rücksicht auf Rußland Deutschland in die bekannte Situa­tion des Mannes zwischen zwei Stühlen bringen würde.

Mussolinis Versassungereform.

Mussolinis Entwurf einerVerfassungsreform" liegt end­lich der Oeffentlichkeit vor. Man kann ihn nicht alsEntwurf einer Verfassungsreform" bezeichnen. Der richtige Name wäre: Aufhebung der bestehenden italienischen Vorsassung. Geht näm­lich der Entwurf unverändert durch, so ist es mit dem italie­nischen Parlamentarismus zu Ende. Die Kammer wird zu einer Volksversammlung erniedrigt, die das Recht hat, zu den Maßnahmen der von ihr völlig unabhängigen Regierung Bei­fall zu klatschen. Hat sie dazu keine Lust, so wird sie einfach nicht einberufen. Mißtrauensvoten, die sie ausspricht, haben nicht die geringste Bedeutung. Gesetzesvorschläge, die von ihr gemacht werden, kann die Regierung unberücksichtigt lassen.

Der Entwurf Mussolinis ist also nichts anderes als eine nicht einmal durch äußere Formen verhüllte Rückkehr zum Systeme des ausschließlich vom König abhängigen, sonst all­mächtigen Kabinetts. Man darf gespannt sein, ob er ohne Mo­difizierungen durchgesetzt werden wird.