28. Jahrgang Nr. 72

Bezugsperie monatlich S 46.-21.

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Nas Greise derneden no ltelbleidend.

Vond. Seeitag. 27 März 1923

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Montags: Svortnachrichten= Mittwochs: Für unsere Frauen= Samstags: Familienblatt für das christl. Haus Westdeutschland in Wort und Bild

Einzelpreis O 10 G M.

Vertag: Deutuche neuche-Betung v. u. u. 9. Deus: Linnio=Beitag Vonn. Surn 1. Berantwortlich:

Polltit und cemücton. Einil Schwvipvert, Haude und ab rischan: Lomi Weinans, füt den Abria redalt Teil: Huao Rudolpe,

Aateiceniell: Wrams Nratb iar in Ooan Anseigenverwaltune Linuie Geriaa. Genn, Gernipe. 59. ws. 285d, nach u chältsichl 171 Postschedtonte Rbir 8403: Bautionte BDT6 Stübticche Spastalle Denn.

1

Das ganze Deutschland soll es sein.

Nicht Schichten, nicht Berufsgruppen, nicht Konfessionen, nicht einzelne Landesteile sollen von dem künftigen Oberhaupt des Deutschen Reiches bevorzugte Behandlung ihrer Sonderin­teressen erwarten dürfen.

Ein Mann, der von bestimmten Interessengruppen lanziert wird, ist nicht geeignet zum offiziellen Vertreter des ganzen deutschen Volkes.

Auf den Präsizentenstuhl gehört eine Persönlichkeit, zu der jeder deutsche Mann und jede deutsche Frau ohne Unterschied des Bekenntnisses, der Parteizugehörigkeit, der Herkunft Ver­trauen haben muß.

Auch Ihr, die Ihr im Herzen die Liobe für das alte Reich bewahrt habt, denkt daran, daß der tiefste Grund seines Unter­ganges zu suchen ist in der Exkluslvität. Wenn damals der Gedanke der wahren Volksgemeinschaft in dem Hersen der Gewalthaber lebendig gewesen wäre, wenn man es unterlassen hätte, durch ungleiche Behandlung der Volksgenossen die vielberufene Reichsmüdigkeit weitester Schichten im Volke zu provozieren, wäre manches anders geworden.

Soll sich das nocheinmal wiederholen? Sollen wir dac, was die Geschichte uns lehrt, achtlos übersehen? Denkt daran, wenn Ihr zur Wahlurne geht. Wählt die wahre Volkszemeinschaft, die alle umfaßt, die durch die Tat, nicht durch pomphafte Worte nur, der Zukunft des neuen Reiches dienen will.

Wählt den einzigen Kandidaten, der diese Volks­gemeinschaft will, der durch ein Leben voll Arbeit, der durch zielklare und stetige Pa

daß ihm die wahre Volksgemeinschaft die einzige Bürgschaft für eine ersprießliche Zukunft, Herzenssache ist.

Wählt den Volkskandidaten Marz

Die Magier.

Als im Mai vorigen Jahres die Deutsche Volkspartei ihr Dopelspiel begann, als sie die ersten Zündjäden an die bewährte Koalition legte und mit den Deutschnationalen geheime Ver­handlun en pflog. als diese daraufhin ernstlich in dieGefahr" verieten, mitregieren zu müssen, da suchte der deutschnationale Abgcordnete Bazille in derSüddeutschen Zeitung" die Brücke zwischen Wahlversprechen und nüchterner Wirklichkeit zu schlagen mit den Woren:

Manche gründen wohl auf einen Eintritt der Rechten in die Regierung die Hoffnung, daß nun bald der Winter des deutschen Mißvergnügens zum glorreichen Sommer der Zufriedenheit werde. Solche Hoffnungen können sich nicht erfüllen, da auch die Rechte nicht über magische Kräffe ge­diete:"

Die Rechte hat seitdem öfter eingestehen müssen, daß sie diese magischen Kräfte nicht besitzt. Das hat sie aber nicht gehindert, bei jeder vorkommenden Wahl immer von neuem so zu tun, als ob sie den Stein der Weisen doch in der Tasche habr. Man denke an die letzte Reichotagswahl. Die wurde wesentlich unter dem Zeichen der Auswertung gemacht. Wie hot da die Rechtspresse die Lärmtrommel geschlagen, wie blendend waren die Reden, die von der Reichstags ribüne herab in die aufhorchende Menge der Wähler drangen, wie zu kräftig waren die Anträge, die von rechts her dem Reichstag unterbreitet wurden; Laßt uns nur aus Ruder, und Ihr werdet alle glücklich sein.

Und hinterher als die Schlacht geschlagen, als man behag­lich darin saß, in den Sesseln, die man so heiß sich gewünscht hatte? Ja, da warz eben anders. Da mußte man sich an dar

halten, was erreichbar war, da mußte man schließlich die eigenen Anträge desavouieren, da mußte man selber tun, was man an anderen in beredten Worten gegeißelt hatte.

Denke daran, deutscher Wähler, wenn Du zur Wahlurne gehst. Lasse Dich dieses Mal nicht blenden von denma­zischen Kräften, die wieder so verheißungsvoll winken, die Dir wieder versprechen. Dich hinauszuführen aus dem Winter deutschen Mißvergnügens in den glorreichen Sommer der Zu­friedenheit. Prüse ruhig undsachlich. Stelle alle Kan­didaten der Reihe nach vor Dich hin und vergleiche das, was sie gesagt, mit dem, was sie getan. Dann wirst Du richtig wählen!

Am Sichleriken und Bolkerouns.

Deutschland

und der Sicherkeitspakt.

TU London, 26. März. Der diplomatische Korrespon­dent desDails Telegraph gibt heute auf Grund der Rede Chamberlains und anderen Materialo eine Voraussage der künftigen Entwicklung der Dinge. Er meint, daß der französische Botschafter de Fleuriau, der inzwischen nach London zurückgekehrt ist, wahrscheinlich eine Reihe von Ange­boten und Randbemerkungen der französischen Regierung mit­gebracht haben wird, die voraussichtlich England und die Altier­ten instandsetzen werden, weitere Einzelheiten von Deutschland zu erbitten. In London ist man nicht der Ansicht, daß von den Alliierten eine sormelle Rote wegen der deutschen Vorschläge nach Berlin geschickt würde. Vielmehr würden für einige Zeit noch die Besprechungen auf dem Wege über die Boischafter stattfinden. Möglicher­weise würde die deutsche Regierung den beteiligten Mächten ein zweites Memorandum oder ein Hüls­memorandum zusenden, in dem die deutsche Negierung klar­legen würde, wie sie sich die Entwicklung eines Uebereinkom­mens zwischen den östlichen und westlichen Nachbarn dächte. Eo verlautet, daß die deutsche Regierung den Abschluß von Sondervertrögen mit den einzelnen Nachbarn beabsich­tige, Verträge, die je nach Lage der Dinge im einzelnen ver­schieden sein müßten, die aber alle Schiedegerichtsver­träge sein würden. Die schon bestehenden Schiedgerichts= und Schlichtungsverträge zwischen Deutschland auf der einen und Schweden, der Schwei: und Finnland auf der anderen Seite würden bei den künitig abzuschließenden Ver­trägen als Muster dienen. Indessen würden diese zwei Grup­ven von Verträgen in wichtigen Punkten voneinander abwei­chen. In den Verträgen mit den Neutralen sind Streit­fälle die Wirkunger deo Weltkriegeo sind, ausdrücklich ausge­schlossen, wohingegen diese Streitfälle einen wesentlichen Be­standteil der künftig mit den Alliierten zu verembaren­den Verträge bilden würden. Automatisch würde sich aus

dem Schiedogerichtsverttag der Eintritt Deutschlands in den Bölterbund ergeben, um Deutschland in die Lage zu versetzen, sich des Völterbundes zu bedienen.

Sensationelle Erklärungen.

Der Pariser Matin veröffentlicht sensationelle Gr. klürungen, die eine ungenannte Londoner hoch­sehende volitische Persönlichteit dem Bericht­erstatter des Blattes gemacht hat. Die betrefsende Persönlich­keit, die in nahen Beziehungen zum Nadinet: Baldwin stehen soll, hat folgendes erklürt:

Kommt Deutschland um vorbehaltlose Anf­nahme in den Bölkerbund ein, so wird der Saran­tlevakt im Westen ohne weiteres zustande kommen. Was die Ostarenzen aubelangt, so steht die englische Negie­rung auf folgendem Standpunkt: Wenn Deutschland nach Auf­nahme in den Bölkerbund sämtliche übernommenen Vervflichtungen ersüllt und damit den Beweis des guten Willens erbringt, so kann es kraft Art. 19 des Bölkerbunds­paktes geltend machen, daß seine Ostarenzen den wirtschaft. lichen Bedürfnissen der betreisenden Gebietsteile nicht entsprechen. Es können Zwischenfälle eintreten. Wenn diese nicht das Werk von Putschisten sind, so wäre der Bölker­bundsrat, der Deutschland anhören wird, in der Lage, die Ab­änderung gewisser Klauseln des Versailler Vertrages vorzu­nehmen.

Dem Einwand des Korrespondenten, daß die vorstehende Auffassung veraussichtlich nicht die Zustimmung der fran­zösischen Kreise finden wird, begegnete die englische Persön­lichkeit mit folgender Feststellung: Frankreich hat angesichts der Richtratifizierung des in Aussicht gestellten enalischeameri­kanischen Sarantiepaktes vom Juni 1919 naturgemäß durch sein Bündnig mit Polen das Gleichgewicht der Mächte, das vor dem Kriege durch die französischerussische Allianz be­standen hat, wieder herstellen wollen. Wir machen Frankreich daraus keinerlei Vorwurs. Warum sollen wir aber nicht ver­suchen, diesmal eine befriedigende Lösung durch die Zusammen­arbeit sämtlicher interessierten Staaten zu erzielen? Aus die­sem Grunde legen wir auf die deutschen Vorschläse grohen Wert und auch darauf, daß sie so weit wie möglich der Sicherheit Eurovas zugrunde gelegt werden. Gewisse Ovser werden von einigen Lündern(Polen) ge­bracht werden müssen. Aber hat Deutschland nicht schon ein empfindliches Opser gebracht, indem es endgültig auf Elsab=Lotheingen verzichtet?

Die vorstehenden, in Sverrdruck wiedergegebenen Ausfüh­rungen spiegeln, wie der Matin ausdrücklich hervorhebt, die Anssassung des englischen Kabinette wider.

Die Neureglung der Au wertung.

25 v. H. für Hypothetzen. 5 Prozent für öffentliche Anleihen

evorzugung der Allbesitzer

Der Regierunnsentwurf.

Berlin, 26. März. Von zuständiger Seite wird mitocteilt: Zur en gültigen Lösung der Aufwertungsfrage hat die Reichs­regierung den geetzaebenken Körverschaiten die Entwürfe eines Geseves über die Auswertung von Hopotheken und anderen privatrechtlichen Anprüchen(Aufwertungsgesetz) und eines Ge­setzes über die Ablesung ösientlicher Anleihen zugeleitet. Der Entwurf des neuen Aufwertungsgesetzes bringt für Hopotheken. Grundschulden und Reallasten sowie für hypothekarisch gesicherte Forderungen

eine Erhöhung des Aufwertunnssatzes von 15 auf 25 v.., wenn die genannten Rechte zur Zeit des Erwerbs innerhalb der ersten Hälfte des Wehrbeitragswerks des belasteten Grund­stücks lagen. Der Entwurf häl: unter Ablehnung der Indivi­dualauswerlung an der schematischen Aufwertung nach festen Hundertsätzen des Goldmarkbetrags des aufzuwertenden Rechts fest, wobei es bei der Möglichkeit der Herabsetzung zugunsten des Schuldners bleidt. Der Gotomarddetrag soll nicht mehr über den Dollar berechnet werden, sondern zur Berücksichtigung der innern Kauftraft der Mark nach einer aus Dollarinder und Sroßhandelsinder ermittelten, für bestimmte Zeitabschnitte fest­

gesetzten Meßzahl. Die neugewährte Zusatzaufwertung von 10 v. H. soll an dreitester Stelle in der zweiten Hälfte des jetzigen Grundstückswertes hinter einer für Kreditzwecke vorzubehalten­den Eigentümergrundschuld im Grundbuch eingetragen werden.

Nach dem Entwurf wird der Aufwerlungsbetrag vom 1. Ja­nuar 1925 an mit 2 v.., vom 1. April 1925 an mit 4 v. H. und vom 1. Januar 1926 an mit 5 v. H. verzinst. Die Ver­zinsung der Zusatzauswertung soll am 1. Januar 1928 mit 5 v. H.

beginnen. In keinem Falle sollen aber höhere Zinsen gezahlt werden als die vereinvarten. Die Zahlung des Aufwertungs­betrags soll, wie schon bisher, nicht vor dem 1. Januar 197 verlangt werden können; die Aufwertungsstelle kann aber Ab­schlagszahlungen bis längstens 1935 gewähren. Die Zusatzauf­wertung von 10 v. H. soll bis 1940 gestundet werden. In allen Fällen kann der Schuldner mit kurzer Kündigungsfrist vorzeitig zahlen. Für Hopotheken und andre dinglichen Rechte sowie hopothekarisch gesicherte Forderungen ist eine Rückwirtung bis zum 1. Januar 1923 zur Hälfte der Aufwertungsbeträge vor­gesehen. Geschlossene Vergleiche werden nicht berührt. Die Auf­wertung der hypothekarisch gesicherten persönlichen Restkaufgeld­sorderungen nach allgemeinen Vorschriften, also auch über den

Normalsatz hinaus, wird für alle nach dem 31. Dezember 1911 (bisher 1916) begründeten Forderungen zugelassen.

In dem Entwurf eines Geseves über die

Ablösung ösfentlicher Anleihen

ist eine endaültige und einheitliche Reglung aller Markanleihen des Reiche, der Länder und der Gemeinde vorgesehen. Die Markanleihen des Reichs, mit Ausnahme der Zwangsanleihe, sollen in eine Anleiheablösungsschuld des Deutschen Reichs um­getauscht werden. Das Umtauschverhältnis ist bei den Vor­kriegs= und Kriegsanleihen 5 v.., bei der Sparprämienanleihe v. d. des Rennbetrags. Die Anleiheablösungsschuld im all­gemeinen ist bis zur Erledigung der Entschädigungsverpflichtun­gen unverzinolich und nicht tilgbar.

Abweichend von dieser allgemeinen Regelung werden An­leihcaltbesitzer, das heißt Personen, die seit dem 1. Juli 1920 ihre Markanleihen ununterbrochen besitzen, derorzugt behandelt Für die Anleiheablösungeschult, die sie für ihre alten Anleihen erhalten, werden jährl ch rund 140 Millionen Reichsmark ver­auszabt. Dieser Betrag entspricht schätzungoweise 14 v. H. der Ablösungsschuld der Altbesitzer. Er ist mohr alo drei Viertel der Aufwendungen, die das Reich im Jahre 1914 für die Ver­zinjung seiner Anleihon zu machen hatte. 50 Millioren Reichs­mark dieser Summe werden bei Zugrundelegung ener Schätzung von 20 Milllarden Mark Altbesitzanleihen dazu verwandt, die Anle heoblösungsschuld der Altbesitzer mit 5 v. H. jährlich in Form einer selbständigen Rente zu verzinsen. 25 Millionen Reichsmart der Anleiheablösungsschuld der Altbaitzer werden jährlich zum Rennbetrag getlgt. Weitere 25 Milloonen wer­den für Prämien bis zum Vierfachen des Rennbetrags der aus­gelosten Arleihestücke verwandt. Auf diese Weise erhält ein Teil der Altbesitzer eine Auswertung die auf 25 v. H. ihrer alten Anleihen. Dies wird den Kurs der Wertpapiere der Altbesitzer günstig beeinflussen. Den Anle hebesitzern werden die Münder sowie die Stiftungen und Anstalten gleichgestellt, die zur Kündel­sichern Antage ihres Vermögens satzungogemäß verpflichtet waren, auch wenn sie Anleihen nach dem 1. Juli 1920, aber vor dem 1. Juli 1923 erworben haben.

Eine Unterbrechung der Auslosung soll nur für den Fall vorbetalten bleiden, daß die künft ge Finanzlage des Reiches er unbedingt erforderlich machen sollte. Neben dieser allgeneinen Prämienauslosung erhalten die Altbesitzer von Kregsanleihe im Falle ihrer Bedürftigkeit bis zu einem Höchstbetrage eine jähr­liche Rente von 2 v. H. ihrer akten Markanleihe. Dies wird schätzungsweise 40 Millionen Reichomark jährlch ersordern. Diese regelmäßigen Leistungen für die Anleiheablösungsschold sollen ergönzt werden durch künftige Einnahmen des Reiches aus den Dividenden der Deutschen Reichsbahngesellschaft. Mit desen Mitteln soll die Tülgung der Anle heablösungsschuld der Alt­besitzer verstärt werden. Ein Te'l der Mittel soll für die Tilgung der Ablösungsschuld der Neubesitzer Verwendung finden. Dar­über hinaus soll noch ein einmaliger Betrag von etwa 150 Mtionen Reichomark für eine erstmalige größere Vorzugst lzung der Altdesitzanle hen der Spartassen, der Träger der Sozalver­sicherung und der Bedürftigen mit einem Kriegsanleihealtbesitz von weniger als 1000 Mark zur Verfügung gestellt werden.

Die Markanleihen der Länder und Gemeinden werden gleichfalls im Verhältnis von 5 v. H. in Ablösungsanleihen um­getauscht. Den Ländern und Gemeinden ist es überlassen, ob auch sie eine Unterscheidung zw schen Alt- und Neubesitzern vorneh­men mollen. Die Anleihen der Länder und Gemeinden sind jährlich mit mindestens 5 v. H. und höchstens 10 v. H. zu ver­zinsen oder zu tilgen. Einnahmen der Länder und Gemeinden aus werbenden Betrieben sind zu einer Verstärtung des Anleihe­dienstes in gewissem Umfange heranzuz ehen.

Bei aller Anerkennung der Schwierigkeiten, die in der Auf­werdungsfrage liegen, kann man dem jetzigon Gesetzentwurf der Regierung doch nur mit den schwersten Bedenken gegenüderstehen. Vor allem ist mit einer rüchwrtenden Kraft der Privathypotheken nur dis zum 1. Januar 1923 alle denen nicht gedient, die in 1922 und 1921 in ditterster Not, meisten­auf Anraten der Notare sellst, ihre Hypotheken vorbehaltlos löschten. Genau so liegt der Fall bei den öffentlichen Anleihen. Nur die Zeichner werden beücksichtigt, die heute noch im Besitze der Stücke sind. Auch hier gehen dadurch gerade die Aernsten leer aus. Der Kampf um die Aufwertung ist noch nicht zu Ende, er beginnt erst. Am 8. Aprl soll bereits die Beratung des Regierungsentwurfs im Reichsrat stattfinden, der die Vorlage sofort an den Reichstag weiterleitet. Man kann heute schon sagen, daß der Entwurf bei den meisten Parteien heftigen Widerspruch finden wird.

Gegen Zerklüttung u. Bruderhaß

Wähit Warx!

Wert und Wirksamkeit relig öser Sorm.

I.

Rittwoch abend hielt Rabbiner Dr. Emil Cohen=Vonn der am 1. April'nom Rufe nach Berlin als Radbiner der kor­tigen Gemende Folge leisten wird, seinen Abschledsvortrag: Form und Gehalt in Religio'n und Judentum in einer auch von Nichtjuden stark besuchten Abendveranstaltung im Bürgerverein. Rabbiner Dr. Cohen geht ein guter literar.= scher Ruf vorauf. Durch seine formkünstler'sch bedeutende Ueber­tragung der Dichtungen des spanischen Juden Jehnda Ben Halevi und mehrere oft gespielte Bühnen:ramen wieAnna Voleyn, hat er nicht unbedeutendes dramatisches und lyrisches Können bewiesen.

Klar und ruhig spricht der Rabbiner, jedes Wort sicher und glatt geprägt. Er hat den Talt dei schlichten Rede, das edle Pathos ohne Schmelz. Er'st der Prediger voll Zucht und Ord­nung Manches Wort, das alltäglicher Gebrauch abgenutzt hat, fleßt ohne jede Pose im Rhythmus seiner Rede. Er verme idet das morische Suchen nach neuen Formulierungen. Als echter Jude hat er Sinn für Vitalität, die in den hart und müde ge wordenen Leib der Umdangssprache einströmt. Auch hierin zegt ei die Ehrsurcht vor den Lebensformen eines Volkes, das sich in seiner Sprache ein Bildn's geprägt hat. So war er, der jüdische Rabtiner, berufen, den tiesen Sinn und weihevollen Wert der Form der modernen Vergötzung desGehalt'es entgegen­zusetzen.

1I.

Die Kernfrage des retigösen Ledens unserer Tage ist die Frage nach Form und Gehalt der Religion Richts wird eifriger und einse tiger diskutiert, nichts öfter mißachtet als die sinnrolle Form, nichts mehr vergötzt als mißverstandener Gehalt. Seit Ausgang des vorigen Jahrhunserts konnten wir der schlech­ten Gewohnheit der Führer jener Zeit nicht entsagen einen künst­lichen Zwiespal: zwischen Form und Gehalt zu überwinden. Form gil: den K ndern des techn schen Zeitalters als rein äußerlich, man sieht nicht mehr recht den Unterschied zwischen Kuchon­sormen, Sandformen und religiösen Formen Religiöse Formen sind Lebensiormer, die nicht wie die Arselsine in Schale und Fleisch zu trennen unt zu zerlegen sind Schon die unzeistlichen Formen we Volkstracht sind geeignet den Wert des Trägers be­stimmten Lobensgefühls zu zeigen. Der Schweizer, od Tell, Andreas Hofer, oder der Heutige dokumentiert sich durch seine einheitliche Tracht als Schweizer, sie sind Träger einer lebendi­

gen Tradition, die das geschichtliche Sein ihres Volles aus­drücken. Die Salontraht dagegen, die nur der Morestimmung unterworsen ist, entbehrt jeder mehr als bekleidenden(nicht immer kleidsamen) Bereutung. Die Volkssitte wie Kirmes und Erntejest zeigen sich kagegen als Hüter ener Tradition und ale Erhaiter echten Volkslebeno. Der Formtrieb des Menschen ent­stammt der Kraft zum Leben, was gleichbedeutend ist mit Kraft zur Form. Die Lebensjorm ist eine gesellschaftliche(soz ologische) Erscheinung, einer Bndung des Menschen entsprossen hat sie die schöpferische Kraft, neue Gemeinschaften unter den Menschen zu stiften. Sünde gegen die Form ist Verrat am echten Leden eines Volkes. Die geistige Form des Menschen wirkt sich in Kunst und Dichtung aus. Diese Träger menschlichen Wesens leben gewissermaßen von ihrer eigenen Form. Der Expressio­niomus war die Empörung des Geistes gegen die Form. Deser Kampf zw schen Gehalt und Form wurde unschöpfertsch. Dagegen wirkt in Stesan George die Schövserkraft der Form, dieser Dichter ist als Zeuge der Innerlichkeit und Geistigkeit der Form anzu­sprechen. Selbst in der bewußten Auflösung l terarischer Werte, wie sie Christian Morgenstern in seinenGalgenliedern treibt, bewies sich seine Form als das Lebenfäh ge, während der Ge­halt sich selber auflöste. Die Form ist in direkter Nachbarschaft zum Gehalt.

Die rel.giösen Formen bewesen, daß leere Empfinzungen und unklare Gefühle vom Kosmischen naoch keine Religion sind. Echte Religiösität st formschöpferisch und lebt in der gäquat vergegenständlichten religiösen Form. Da Religion auch Ver­edlung des Irdischen st rurch Gott, drum ist religiöse Form die umfasseniste Lebensgestaltung des Menschen. Rel gion ist vom Menschen aus betrachtet: 1. eine soz.ologische, 2. eine histor sche, 3. eine vitale Aeußerung. Sie ist in der Gemeinschaft begründet. die nicht in einer vergänglichen Zeit, sondern in der Ueberzeit wurzelt. Drum ist hier eine Tradition zugeordnet. Schließlich bedeutet Religion Lebensausdruck. Die Sehnsucht nach dem Letzten, und Lösenden des Ewigen führt den Menschen aus der bloßen Empfindung zur höchsten lebendigen Steigerung in der Form der Religon. Diese ist Sunbild nicht Allegore. Sinn= bildhaft ist sie, weil sie unmittelbar auf das Objekt hinzielt. Nicht Erinnerungsbild, wie die Allegorie, sondern Leben, reli­giöse Wirklichteit(z. B. Host'e bei den Katholiken, Sabbatlicht bei den Juden). Eine rein äußerliche Scheidung der Form in ein Gehalthaftes und ein Formmäß ges trifft keineswege das Wesen der religiösen Form. Wer Anstoß nimmt an einzelnen Formen leugnet die Relig'on.

III.

Wert und Wirklichkeit der religiösen Form liegt darin, daß die Seole des Menschen durch die rehgiöse Form gebildet und ge­

läutert wrd. Die Bildung der Seele aurch die religiöse Form geschicht durch Gewöhnung, durch die das Kind in die Welt der relig ösen Tradition hine nwächst. Etwas Hemmendes liegt in der Form für den jugen#lichen Meisschen. Gehemmt wird aber nur die Leidenschaft, der srontane Impuls, der die Seele un­frei macht. So erhält die Seele durch die Gewöhnung an die rel giöse Form ihre Formung, die wahre Freiheit der Seele, nicht die des Gelstes. Revolutionen kämpfen um die Freiheit der Geistes nicht um die der Seele, die nur in der rel giösen Form begründet liegt. Erst heute erwacht wieder die Freiheit der Seele, als die Anwendung der Geistesfreihelt auf die Seele. Seel sches Leben ist Strömen, ist Dunkelheit, drum besarf gerade die Seele des Menschen der Bildung durch die religiöse Form. Sie schaltet die Hemmurgen aus und erhält die wahre Freiheit, Sicherheit und den Frieden des inneren Menschen. Bildung und Fre heit der Seeie sind Wirkungen der rel giösen Form auf den Menschen.Geprägte Form, die lebend sich entwickelt", dieses Wort Gocthes umjaßt nicht die ganze Wirtlichkeit der religiösen Form. Die Form ist wohl geprägt. Aber ihre Entwicklung schrei­tei nicht ins Unbegrenzte fort. Entwicklung undd Ew gleit der Religion bedingen sich gegenseitig. Der allgemeine Fortschritt begründet nicht die religiöse Form sondern der Religions­stifter. Das bloße relig öle Erleden bedarf der Vertiefung zum wahren relig ösen Leben und der endgültigen Prägung durch die von der Gemeinschaft getragene und erhaltene Form. Aus­druck der Zeit wie der Ewigkeit, des Menschen wie Gottes, des Wurses des Menschen ins Göttliche, wie Gottes in den Menschen das liegt in der religiösen Form als einer ganzheitlichen Le­

bensäußerung Formen können erstarren zur Seelenlosigkeit, dann scheidet sich Gehalt von Form. Religiöse Formen aber sind untrennbare gehaltvolle und=nahe Lebensäußerungen.

IV.

Das Judentum hat im 19. Jahrhundert eine Entartung der religiösen Form gezeigt. Es war das Jahrhundert der Re­sorm=Judentums. Die französische Revolution brachte den Aus­

tritt der Juden aus dem Ghetto in das Völkerleben mit sich. Die Folge war die Ersche nung des Assimilisations=Judentums. Ju­dische Religionoform erschien vielen als Ghetto, als Schranke. Das Jahrhundert der Vernunft=Anbelung entäußerte sich der reiigichen Tradition. Der reineGoholt wurde angebetet. Die großen 7deen von Freihet, Wahrheit und Menschlichket sollten ein Ersatz der alten Rel gion sein. Was mit diesem Ideal unver­einbar schien, wurde abgestoßen. Der Kampf zwischen Gepilt und Form begann. Amos und die Propheten wurden als die neuen Dogmatiker einer undogmatischen Religion ausgespielt. Damit verstieß man gegen di: Lebensgesetze des Judentums, welche in

der Trodition wurzeln. Im Ghetto degegen war die relig öse Ueberlieferung noch lebendig. Als Märtyrer wurde der Jude Blutzeuge seines Glaubens. Als er aber aus dem Ghetto heraus trat und ins allgemeine Völkerleben sich mischte, verachtete er den alten jüdischen Sinn für die Tradition. So mußte er ent­arten. Religiöse Form war nicht mehr Lebensäußerung, sondern erstarrtes Leden Moses Mendelsohn wurde der salsche Prophei seines Jahrhunderts. Die religiöse Tradition(z. B. das Weih­nachtssest bei den Christen, der Sabdat bei den Juden) sind aber die Erhalter reiigiösen Lebens. In diesen Formen liegt das Herz der christlichen und jüdischen Religion. Denn alles Geistige ist unlebendg dis zu seiner Erlösung und Erhöhung durch die religiöse Form. Ohne religiöse Form ist keine Erziehung denk­bar. Religions= und Kutechismuswissen st noch nicht Religion. Nur aus Leben kann Lebendiges erstehen, rel giöses Leben aber nur möglich durch Ausleben der religiösen Form, durch die eine Gemeinschaft sich auswirkt. Das Gehe mnis der Existenz der Judentums liegt darin, daß Israel das Volk der Tradition und der relig ösen Form ist. Ernst Renand, der Voltär der 19 Jahr­bunderts, sagte 1881 als Präsident der franz. Akademie bei Ein­führung eines franz. Schriftstellers:Wir haben alle Formen zer­schlagen Wir wissen nicht, wem wir unsere Tugend verdanken. Wir leben vom Dust einer leeren Vase, und unsere Kinder leben von ihrem Schatten, unsere Kindeskinder vom Schatten des Schattens". Auch wir haben lange Zeit vom Duft einer leeren Vase gelebt. Wenn unsere Kinder nicht vom Schatten des Schattens zehren sollen, sondern von der Religion unserer Vor­fahren, müssen wir die leer gewordene Vase neu füllen, aus tech­nischen Menschen wieder religiöse Menschen werden. Lebenzon­schauung und gestaltung müssen wieder unsere ewigen Leitsterne werden. so können wir das Jahrhundert des Friedens zurch die Religion heraufführen. Otto Steinbrinck.

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LUDWIG HUPFELD.-., KöLN

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