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74. Jahrgang.
Erkeleng, Dienslag, den 26. Juli 1927.
Nummer 170.
Austrili des Reichskanzlers Dr. Marx aus dem Reichsbanner.
Besprectzung führender Zentrumsmitglieder.
Berlin, 25.Juli1927. Reichskanzler Marx hat aus seinem Urlaubsaufenthalt in Ober=Grainau unter dem 23. Juli 1927 in einem Schreiben an den Bundesvorstand des Reichsbanners seinen Austritt aus dieser Organisation erklärt. Das Schreiben des Reichskanzlers hat folgenden Wortlaut:
An den Vorstand des Reichsbanners, zu Händen des Herrn Oberpräsidenten Hörsing, Magdeburg.
Mit Rücksicht auf verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit, insbesondere auf die Kundgebung des Vorstandes des Reichsbanners an den Republikanischen Schutzbund in Wien, die eine unberechtigte Einmischung in die politischen Verhältnisse des befreundeten Oesterreichs und eine schwere Herabsetzung und Beleidigung der Bundesregierung enthält, erkläre ich meinen Austritt aus dem Reichsbanner.
Wie uns mitgeteilt wird, hatten führende Reichsbannermitglieder der Zentrumspartei zu der gestrigen Tagung des Reichsbanners in Magdeburg eine Erklärung abgeben lassen, in welcher bezüglich des bekannten Aufrufes Hörsings nach der formalen Seite hin dagegen Einspruch erhoben wurde, daß dieser Aufruf vom Bundesvorsitzenden erlassen wurde, ohne daß die der Zentrumspartei angehörenden Mitglieder des Vorstandes befragt oder auch nur in Kenntnis gesetzt worden
sind. In dieser Erklärung war nach der inhaltlichen Seite in Verwahrung gegen die Vorwürfe, die in diesem Aufruf gegen die österreichische Regierung erhoben worden waren, zu einer Zeit, als eine einwandfreie Beurteilung der Wiener Vorgänge noch ganz unmöglich war, eingelegt worden. Außerdem wird in der Erklärung die Erwartung ausgesprochen, daß gegen die Wiederholung ähnlicher unliebsamer Vorkommnisse Sicherungen getroffen werden.
Auf diese Erklärung ist, wie weiter mitgeteilt wird, der Bundesvorsitzende Hörsing in einem Schlußwort eingegangen, indem er zugab, den Aufruf ohne Befragen aller Vorstandsmitglieder abgesandt zu haben. Er habe dabei aber auch zugleich versprochen, künftig Derartiges zu vermeiden. Hörsing schloß: Daß durch diesen Aufruf im Lager des Zentrums und der Demokratischen Partei Unruhe erzeugt worden ist, bedauere ich aufs tiefste. Ein ernster Konflikt zwischen diesen Parteien und dem Reichsbanner darf aber daraus bestimmt nicht entstehen.
Im Laufe des Tages haben dann zwischen den Mitgliedern des Bundesvorstandes wiederholt Besprechungen stattgefunden. Eine endgültige Stellungnahme zu der Erklärung der Zentrumsmitglieder im Reichsbanner ist für die nächsten Tage vom Bundesvorstand zugesagt worden. Außerdem werden die der Partei angehörenden führenden Mitglieder des Reichsbanners zu einer Besprechung im Laufe dieser Woche in Berlin zusammentreten.
Hörsings Amtsrücktritt als Oberpräsident
An verschiedenen Kundgebungen des Gesamtbundesvorsitzenden des Reichsbanners, des sozialdemokratischen Oberpräsidenten von Sachsen, Hörsing, hatte sich besonders in Jentrumskreisen starke Kritik geltend gemacht. Ein Telegramm, das Hörsing aus Anlaß der Wiener Anruhen an den Deutschösterreichischen Schutzbund gerichtet und in dem er u. a. der österrreichischen Regierung Hilflosigkeit vorgeworfen hatte, hat die deutsche Reichsregierung bei der österreichischen Regierung sogar ausdrücklich bedauern müssen Hörfina bat nun am Sonntag in Magdeburg bei der regel
mäßigen Reichskonferenz des Reichsbanners seinen Entschluß bekanntgegeben, von seinem Amte als Oberpräsident zurückgetreten. Hörsing erklärte, diesem Entschlusse sei eine Rücksprache mit dem preußischen Ministerpräsidenten Braun und dem Innenminister Grzesinski vorausgegangen.Er könne sich, so sagte er, als Vorsitzender des Reichsbanners nicht mundtot machen lassen, und in seiner Eigenschaft als Abge ordneter und Bevollmächtigter für den Reichsrat sei er verpflichtet, Kritik zu üben. Er stehe jetzt vor der Wahl, entweder auf die Kritik oder auf seinen Oberpräsidentensessel zu verzichten; er tue das letztere, besonders deswegen, um der preußischen Regierung keine Schwierigkeiten zu machen und um alles aus dem Wege zu räumen, was den Bestand der preußischen Regierungskoalition und das Zustandekommen einer republikanischen Regierung im Reich für die Zukunft gefährden könnte. Die Haltung des Reichsbanners bleibe unverändert; er habe nun als dessen Vorsitzender größere Ellenbogenfreiheit und werde sie auch gebrauchen.
Daß damit die parteipolitische Krise im Reichsbanner noch nicht gelöst ist, geht aus verschiedenen Arteilen vor Zentrumsblättern hervor, die von der„Ellenbogenfreiheit“ Hörsings eine verschärfte agitatorische Tätigkeit des Reichsbannerleiters im sozialdemokratischen Interesse und gegen die Reichsregierung befürchten. Die der Zentrumspartei angehörenden führenden Mitglieder des Reichsbanners sind, wie die„Germania“ mitteilt, zu einer Besprechung im Laufe dieser Woche nach Berlin berufen worden
Was den Nachfolger Hörsings auf dem Magdeburger Oberpräsidentenposten betrifft, so dürfte das preußische Staatsministerium kaum vor Mittwoch dieser Woche darüber Beschluß fassen. Die Nachricht von der Berufung des ehemaligen Innenministers Severing als Nachfolger Hörsings ist inzwischen bereits überholt. Es dürfte zwar richtig sein, daß sich die preußische Staatsregierung darum bemüht hat, Severing zur Annahme des Magdeburger Oberpräsidentenposten zu bewegen; indessen hat Severing die Uebernahme dieses Amtes bereits endgültig abgelehnt, und zwar mit der Begründung, daß er sich gesundheitlich noch nicht kräftig genug fühle, um die Anstrengungen einer leitenden und exponierten Stellung im preußischen Staatsdienst übernehmen zu können. Für den Magdeburger Oberpräsidentenposten ist nun, laut„Voss. Itg.", der langjährige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Otto Landsberg, s. J. „Volksbeauftragter“ und danach bis 1924 Gesandter in Brüssel, in Aussicht genommen.
...
Otto Hörsing wurde 1874 in Östpreußen geboren, war Schmied, drei Jahre Grenadier und von 1905 bis zum Kriege Gewerkschafts= und Parteisekretär in Beuthen. Den Krieg machte er als Vizefeldwebel mit und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Später wurde er Reichskommissar für Schlesien und Westposen. Er hat der Nationalversammlung und dem ersten neuen Reichstag angehört. Nach seinem Rücktritt als Reichskommissar wurde Hörsing 1920 Oberpräsident von Sachsen. Nachdem er als Vertreter Sachsens Mitglied des Reichsrats geworden war, schied er 1923 aus dem Reichstag aus. Jetzt ist er noch preußischer Landtagsabgeordneter.
Der Reichspräsident empfing am Sonntag den in Deutschland auf Arlaub weilenden deutschen Botschafter in Washington, Frhrn. v. Maltzan. Am Sonntag machte der Reichspräsident einen privaten Besuch in Doberan an der Oftsee; überall auf der Reise, besonders in Rostock, wurde v. Hindenburg herzlichst begrüßt; Sonntag abend kehrte er nach Berlin zurück.
Der Schachteinsturz auf Zeche Auguste Viktoria.
WIB Essen, 25.Juli1927.(Drahtb.) Der in der Nühe des Lippe=Seitenkanals gelegene eben fertiggestellte Schacht III der Zeche Auguste Viktoria in Hüls (Kreis Recklinghausen) ist gestern vormittag durch Wassereinbruch mit sämtlichen Tagebauten vollständig zerstört worden. Alle Anlagen sind
in einem Krater von etwa 200 Meter Durchmesser verschwunden. Die Nachtschicht von 15 Mann konnte sich im letzten Augenblick vor dem Zusammenbruch noch retten. Die über Tage beschäftigte Belegschaft von 30 Mann entging nur durch schleunige Flucht dem Tode. Die Schachtanlagen I und II der gleichen Zeche, die mit Schacht III durch Querschläge in Verbindung stehen, sind schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die 3. Sohle steht unter Wasser, die 2. Sohle hat einen Meter hoch Wasser. Ein Pferdejunge auf der 3. Sohle wird vermißt. Ein Steiger und vier Mann, die zur Abdämmung des Wassers auf die 3. Sohle vorzudringen versuchten, sind von den Fluten überrascht und abgeschnitten worden.
Man hofft jedoch, daß sie sich retten konnten. Die Rettungsarbeiten wurden sofort aufgenommen.
Zu dem Zusammenbruch des Schachtes III der ZechAuguste Viktoria erfahren wir weiter:
Der neue Schacht ist 700 Meter tief. Die mit den Schachtausbauarbeiten beschäftigte Nachtschicht von 15 Mann bemerkte gegen Ende der Schicht ein starkes Geräusch in der Anlage, die sie zunächst auf ein Unwetter zurückführte und deshalb nicht ausfuhr. Plötzlich hörte sie unter sich ein gewaltiges Krachen
und eilte schleunigst zum Förderkorb und ließ sich rasch zutage fördern. Nun wurde festgestellt, daß in etwa 200 Meter Tiefe durch den Bruch der Tübbinge ein Wassereinbruch erfolgt war. Die Nachtschicht sowie die ganze Belegschaft über Tage von etwa 30 Mann verließen fluchtartig die Anlage, die innerhalb einer Viertelstunde unter lautem Getöse vollständig zusammenbrach und in einem Krater von etwa 200 Meter Durchmesser versank. Von dem Förderturm, den Maschinenanlagen und sonstigen Uebertageanlagen ist nichts mehr vorhanden. Alles bietet
ein wüstes Chaos,
ein Gewirr von Eisen= und Maschinenteilen. Zwei in der Nähe aelegena Beamtenwohnungen mußten schleuniast ae
räumt werden, da die Ränder des Kraters dauernd nachstürzen und sich in den Mauern der beiden Häuser Risse zeigen. Die Unglücksstelle ist in einem Umkreis von einem Kilometer durch starkes Polizeiaufgebot abgesperrt, da das Betreten der Stelle mit Lebensgefahr verbunden ist. Oberbergrat Meier und Bergrat Wißmann sind von der Bergbehörde zur Unglücksstelle entsandt worden.
Essen, 25. Juli 1927.(Drahtber.) Zu dem Schachteinsturz bei der Gewerkschaft Auguste Viktoria in Hüls hören wir von der Verwaltung, daß woyl kaum noch Hoffnung besteht, die im Unglücksschacht eingeschlossenen fünf Bergleute zu retten. Sie sind wahrscheinlich bereits gestern schon durch die herabstürzenden Wassermassen zu Tode gekommen. Gestern abend mußten die zu ihrer Rettung aufgebotenen Mannschaften zurückgezogen werden, da sie ebenfalls in Lebensgefahr schwebten. Eine neue Rettungskolonne unter Zuziehung des Betriebsrates konnte heute vormittag gleichfalls nicht von den Abgeschlossenen entdecken.
Durch das Unglück sind auch die Schachtanlagen I und 11 in Mitleidenschaft gezogen worden. In diesen beiden Schachtanlagen sind die Strecken vollkommen verschlammt, so daß der Betrieb der Schachtanlagen dadurch stillgelegt worden ist. Wie lange die Aufräumungsarbeiten in den letzten Schachtanlagen dauern und wann die Kohlenförderung wieder aufgenommen werden kann, läßt sich noch nicht übersehen. Die Verwaltung hofft indessen, im Laufe des heutigen Nachmittags die Wasserhaltung wieder in Gang setzen zu können.
Die Gewerkschaft Auguste Viktoria, die sich im Besitze des Interessengemeinschaft Farbenindustrie befindet, erleidet durch den Schachteinsturz einen Verlust von Milé lionen. Die Arbeit von zweieinhalb Jahren ist dadurch vollkommen vernichtet. Der Schacht ist gänzlich verloren Die Abteufungsarbeiten waren fast beendet. Allerdings waren die Nebengewinnungsanlagen über Tage noch nicht gebaut worden. Das Ereignis erinnert an den Einsturz des Schachts Franz Haniel der Gutehoffnungshütte vor zwei Jahren, wobei die gesamten Anlagen zerstört worden waren Die Gewerkschaft Auguste Viktoria hatte beim Kohlensyndikat für den neuen Schacht eine Beteiligungsquote von 500 000 Tonnen beantragt.
Fünf Opfer der Grubenkatastrophe.
Essen(Ruhr), 25. Juli 1927.(Drahtbericht.) Nach den letzten Nachrichten über die furchtbare Gewalt des Wassereinbruches auf Zeche Auguste Viktoria III in Hüls (Kreis Recklinghausen) darf jetzt als sicher angenommen werden, daß die fünf im Schacht III durch Wasser= und Schlammassen eingeschlossenen Bergleute überrascht wurden und den Tod gefunden haben, ehe sie sich der Gefahr bewußt wurden. Die Leichen zu bergen besteht vorläufig keine Aussicht.
Die Lage in Rumänien
Bukarest, 25. Juli. In dem Ministerat vom Samstag wurde die Frage der Thronfolge besprochen. Nachdem Prinz Michael zum König proklamiert worden ist, hat Rumänien keinen Thronfolger. Der Ministerat beschloß daher, den Prinzen Nikolaus, den Bruder des Exkronprinzen Carol und Mitglied des Regentschaftsrats als einziges jetzt in Betracht kommendes Mitglied der königlichen Familie zum Thronfolger zu ernennen. Zu diesem Zwecke soll in einer gemeinsamen Sitzung des Senats und der Kammer eina Gesetzesvorlage über die Abänderung der Thronfolge erledigt werden, die auch die Seitenlinie des königlichen Hauses zur Thronfolge berechtigt.
Bukarest, 25. Juli. Am Sonntagvormittag fand das feierliche Leichenbegängnis König Ferdinands statt. Seit den frühesten Morgenstunden umsäumte eine nach Hunderttausenden zählende Menge die Straßen, die der Leichenzug passieren sollte. Anmittelbar hinter der Lafette, die des Königs Sarg trug, schritt Ministerpräsident Bratianu, zusammen mit dem Senatspräsidenten und den Kammerpräsidenten, sowie dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes. Ihnen folgten König Alerander von Juzoslavien, Prinz Nikolaus, die Neffen des Königs, darunter 2 Prinzen aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen, sowie die Minister und das diplomatische Korps. Die weiblichen Mitglieder der königlichen Familie nahmen an dem Trauerzuge nicht teil. Auf dem Nordbahnhofe von Bukarest, wohin die Leiche gebracht wurde, warteten vier Sonderzüge, um den Sarg nach Curtea de Arges zu begleiten. Von dem dortigen Bahnhof begleiteten etwa 1000 Priester den Zug nach dem Kloster, in dem König Ferdinand neben den Gräbern König Karols und der Königin Elisabeth seine letzte Ruhe finden soll.
Reichsbankpräsident Dr. Schacht ist wieder in Berlin eingetroffen. Er hat Montag vormittag seine Amtsgeschäfte wiederaufgenommen.