Gelsenkirchener Volkszeitung

BESTANDHALTENDE INSTITUTIONEN

Stadtarchiv Gelsenkirchen/Institut für Stadtgeschichte

BESCHREIBUNG VERFASST VON

Nathan Ames (2025), Westfälische Hochschule Gelsenkirchen

Gelsenkirchener Volkszeitung (1900-1907[?])

Geschichte und Entwicklung

Die „Gelsenkirchener Volkszeitung“ erschien das erste Mal am 16. November 1900 als ein „Bochumer Fabrikat“ (Emscher Zeitung, 15.11.1900). Das Tageblatt wurde in Gelsenkirchen verbreitet, der zuständige Verlag war (spätestens ab dem 1. Mai 1903) die Märkische Vereinsdruckerei, welche auch die Westfälische Volkszeitung in Bochum auflegte. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine gleichnamige Zeitung in Gelsenkirchen vertrieben, es liegen jedoch keine direkten Verbindungen zwischen beiden Blättern vor (Koszyk, 1975).

Der verantwortliche Redakteur war zunächst F. Z. Knappe aus Bochum, der ebenfalls den Rotationsdruck übernahm. Ab dem 11. August 1904 wurde P. Steigleder als Herausgeber genannt. Dies änderte sich jedoch bereits nach einem Monat: Seit dem 15. September 1904 übernahm Hans Schlöder die Rollen des Herausgebers und des Hauptredakteurs, welche er auch mindestens bis zum 31. März 1905 beibehielt. Zudem wurde Schlöder ab der Ausgabe vom 24. November 1904 als Verleger (bzw. als Verlag) genannt. Ferner wurde der Titel von diesem Tag an von „Gelsenkirchener Volkszeitung. Politisches Tageblatt und Insertionsorgan für Gelsenkirchen und Umgebung“ in „Volks-Zeitung: für den Stadt- und Landkreis Gelsenkirchen und angrenzende Bezirke“ geändert. In anderen Blättern wurde die Zeitung jedoch immer beim alten Namen genannt. Darüber hinaus führte die Ausgabe ein modernisiertes Layout ein: Seitdem war das Tageblatt dem Jugendstil nachempfunden.

Das Ende der „Gelsenkirchener Volkszeitung“ lässt sich nicht sicher nachvollziehen. In Zeitungskatalogen wird sie nur bis 1907 gelistet, was zunächst für das Ende ihres Erscheinens spricht. Jedoch wird in der Duisburg-Ruhrorter Zeitung vom 11. Januar 1911 eine „Gelsenkirchener Volkszeitung“ erwähnt, ebenso in der Dortmunder Arbeiter-Zeitung vom 23. Mai 1913. Auf Basis des Zeitungsverzeichnisses des Gelsenkirchener Stadtarchivs wurde die „Gelsenkirchener Volkszeitung“ erst 1911 in "Volkszeitung" umbenannt, was jedoch nicht mit dem vorhandenen digitalen Bestand von Zeitpunkt.NRW übereinstimmt.

Inhalte und politische Ausrichtung

Die Gelsenkirchener Zeitung war keinesfalls ein Unterhaltungsblatt. Vielmehr zählte sie sich zu den Blättern, die durch „ihren politischen und wirtschaftlichen Standpunkt die Interessen der Arbeiter […] [vertrat]“ (17.11.1904). Die Zeitung beschäftigte sich aus der Perspektive ihrer parteiischen Agenda mit neuesten politischen Nachrichten – nicht nur aus dem Ausland und deutschlandweit, sondern spezifisch mit Neuigkeiten aus Westfalen und aus Gelsenkirchen (siehe z. B. wiederkehrende Rubriken wie „Provinzielles“ oder „Gelsenkirchen und Umgebung“, vgl. 1.5.1903, 2.11.1904). Darüber hinaus berichtete sie regelmäßig in „Soziales“ über arbeitsrechtliche Fortschritte, gerade in Bezug auf die christliche Arbeiterschaft.

Wie im Rest von Preußen fand auch in Gelsenkirchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts der öffentlich-politische Konflikt zwischen Nationalliberalen, Sozialdemokraten und dem Zentrum statt, so auch in der Presselandschaft. Die Gelsenkirchener Volkszeitung zählte sich dabei zu letzterer Partei und zielte spezifisch auf die „christlich-soziale Arbeiterschaft“ ab, die in der Stadt u. a. durch die Kohle- und Bergarbeiter vertreten war (17.11.1904).

Bei der Gründung der Volkszeitung im Jahr 1900 gab es bereits ein alteingesessenes, katholisch-konservatives Blatt, die „Gelsenkirchener Zeitung“, seit 1865. Diese Dopplung in der städtischen Presselandschaft fiel auch der lokalen „Emscher Zeitung“ auf, welche die Nationalliberalen vertrat. Schon vor der ersten Ausgabe des neuen Blattes berichtet sie spöttisch über die Gründung, dass „die beiden Besitzer der hiesigen schwarzen, ebenfalls kopflosen Kollegin (gemeint war die „Gelsenkirchener Zeitung“) […] außer sich vor Freude [wären]“, und fragte sich, ob „da etwa eine Schwarze die andere weiß machen [wolle]“ (Emscher Zeitung, 14.11.1900 und 15.11.1900).

Tatsächlich gab es Gemeinsamkeiten zwischen der „Gelsenkirchener Zeitung“ und der „Gelsenkirchener Volkszeitung“. So arbeitete F. Z. Knappe zuvor als verantwortlicher Redakteur bei Ersterer, bevor er den gleichen Posten bei der „Volkszeitung“ annahm – die Chefredakteure der beiden Blätter standen einmal sogar wegen öffentlicher Beleidigung des nationalliberalen Amtssekretärs Sühring gemeinsam vor Gericht (Westfälisches Tageblatt, 12.4.1899, und Gelsenkirchener Volkszeitung, 16.10.1903).

Es kam öfters vor, dass die „Volkszeitung“ inhaltlich aneckte. So musste sich F. Z. Knappe nach einer Gerichtsverhandlung am 16. Oktober 1903 öffentlich entschuldigen. Er wurde angeklagt, nachdem er im Blatt behauptet hatte, dass der Reichstagsabgeordnete Sachse in einer Rede „die katholische Geistlichkeit in […] pöbelhafterweise […] verleumdet hätte“ (16.10.1903).

Periodizität, Auflage und Format

Periodizität:
Erschien täglich (ausgenommen sonn- und feiertags), in der Regel 6x pro Woche, vierseitiger Bogen (ohne Beilage)

Auflagen:
In Zeitungskatalogen finden sich keine offiziellen Angaben zur Auflage, was auf eine kleine Auflagenzahl schließen lässt. Mehrere, unbestätigte Angaben zu dieser gab es jedoch durch einen öffentlichen Streit zwischen der Gelsenkirchener Volkszeitung und Gelsenkirchener Zeitung.

Im Januar 1903 zweifelte die „Gelsenkirchener Zeitung“ in ihrer Tagesausgaben an den veröffentlichten Auflagezahlen der „Volkszeitung“, welche 7.500 bzw. 9.000 betrugen. Stattdessen behauptete sie zunächst, dass die wahre Auflagezahl „kaum den zehnten Teil“ darstelle, was die „Volkszeitung“ wiederum als Unwahrheit zurückwies. Daraufhin drohte die „Gelsenkirchener Zeitung“ die Angelegenheit gerichtlich zu klären. Die „Volkszeitung“ entgegnete der „Gelsenkirchener Zeitung“, dass diese ihre Abonnenten abwerben würde, und behauptete ebenfalls, dass deren Auflagenzahlen wiederum falsch wären (Gelsenkirchener Zeitung, 13.1.1903 und 15.1.1903). Bevor die Situation weiter eskalieren konnte, trat die Leitung der Zentrumspartei in Bochum dazwischen und half, den Disput durch die geteilte politische Affiliation mit der Partei zu einem Ende zu bringen.

Am 29. Januar 1903 veröffentlichte die „Gelsenkirchener Zeitung“ nach Rücksprache dazu eine Erklärung des Verlages, in der für den Parteifrieden von weiterer Polemik gegenüber der „Volkszeitung“ abgesehen wurde. Fest steht, dass die „Gelsenkirchener Zeitung“ wesentlich höhere Auflagen hatte als die „Volkszeitung“: Während letztere sich scheute, offizielle Angaben für die Zeitungskataloge freizugeben, lassen sich bei ersterer zu Beginn des 20. Jahrhunderts konstant offizielle Auflagenzahlen von über 20.000 feststellen.

Beilagen

Eigene Beilagen:

  • Spätestens vom 1.5.1903 – 23.11.1904: „Der Erzähler" und „Sonntagsfreude"
  • Ab 24.11.1904 – (frühstens) 31.3.1905: „Heimchen am Herd“, „Haiderosen“ und „Hänsl und Gretl“

Fremde Beilage in bestimmten Orten:

Konkurrenzblatt

„Gelsenkirchener Zeitung“, Zentrum
„Emscher Zeitung“, nationalliberal
„Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung“, liberal

Literatur und Quellen

  • Koszyk, K. (Hrsg.). (1975). Verzeichnis und Bestände westfälischer Zeitungen. Aschendorff.
  • Host, D. (2007). Verzeichnis der Zeitungen (Institut für Stadtgeschichte & Stadtarchiv Gelsenkirchen).

Zeitungskataloge:

  • Joseph Kürschner (1902). Handbuch der Presse
  • Sperling (1906). Sperlings Zeitschriften-Adressbuch
  • Sperling (1908). Sperlings Zeitschriften-Adressbuch
  • Mosse, R. (1900). Zeitungskatalog Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition
  • Mosse, R. (1903). Zeitungskatalog Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition
  • Mosse, R. (1907). Zeitungskatalog Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition
  • Mosse, R. (1910). Zeitungskatalog Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition
  • Mosse, R. (1912). Zeitungskatalog Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition