434 79. Jahrgang.

Montag, den 27. August 1906

ortmunder Zeitung

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Westfälischen Allgemeinen Zeitung

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Die Taufe des Sohnes des kronprinz chen Paares findet nächsten Mittwoch 1

I

Potsdam statt.

Clemenceau ist in Dresden eingetroffen

*) In Hamburg wurde eine russische Bom benfabrik entdeckt.

Im Vogelsberg ist starker Schnee­fall eingetreten. In der hohen Rhön schneit es seit 36 Stunden ununterbrochen.

*) Näheres siehe unten.

Staats= und Privatbahnsystem.

Es ist merkwürdig, teils Zufall, teils aus den inneren Verhältnissen erklärlich, wie sich das Eisenbahnwesen in den verschiedenen Ländern was die Grundlage des Privatbahnsystems oder des Staatsbahnsystems anlangt, entwickelt hat. In Seutschland ist letzteres weitaus am meisten

durchgeführt. Doch war das nicht von Anfang der Eisenbahnära an der Fall; Staat und Privat unternehmung wirkten früher nebeneinander, oder lösten sich ab, bis, nachdem in den süddeutschen Staaten und im Königreich Sachsen schon früher die Verstaatlichung stattgefunden hatte, mit der großen Verstaatlichungsaktion in Preußen Ende der siebziger und anfangs der achtziger Jahre

neu: Jehntel aller deutschen Eisenbahnen in Staatsbesitz und=Betrieb waren. Einen kleinen Rückschritt von diesem Wege zum Monopol machte man in Preußen mit dem Kleinbahngesetz von 1892, welches die Bahnen unterster Ordnung wie­der mehr der Privatunternehmung, den Gemein­den und Kreisen überließ. Bestimmt kann man behaupten, daß die Gegner der Staatsbahnen in Deutschland abgenommen haben. Die deutschen Eisenbahnen erfreuen sich im ganzen eines wohl­verdienten guten Ansehens über die deutsche Grenze hinaus, wennschon noch viel zu wünschen übrig bleibt. Zugleich ergaben namentlich die preußisch=hessischen Staatsbahnen eine sehr hohe kann ja bedauern, daß eine solche iskalische Entwicklung sich, anfänglich nicht beab sichtigt, herausgestellt hat. Wenn wir aber derzeit in Preußen nicht jährlich etwa 200 Millionen aus den Eisenbahnüberschüssen für andere Staatzwecke zur Verfügung hätten, so müßten die direkten Steuern beinahe verdoppelt werden.

Man kann auch wohl sagen, daß das deutsche Staatsbahnsystem Schule gemacht hat, wennschon das Eisenbahnwesen in andern Ländern noch mehr wechselnde Schicksale aufweist. In Oesterreich war schon zu früherer Zeit ein großer und wich­tiger Teil der Bahnen Staatsbesitz; aber sie wur­den aus Geldnot wieder verkauft. Dann begann vor 25 Jahren allmählich wieder die Verstaat lichung, die soeben mit dem Ankauf mehrerer gro­ßer Bahnnetze eine bedeutsame Fortsetzung er fährt. In Ungarn war die Verstaatlichung, entsprechend einer konzentrierteren und ener­gischeren Staatsgewalt, schon eher in großem Maße durchgeführt. Die Schweiz machte ahrzehntelang vergebliche Versuche, bis um die Jahrhundertwende die Sache glückte. Nun sind, außer der bis 1908 zum Rückkauf reifen Gotthard­

bahn, alle Hauptbahnen, die in Deutschland eben­falls dem Staat obliegen, sind in der Schweiz der Privatunternehmung bezw. den Kantonen über­lassen geblieben. Sonderbar ging es in Italien. Der Staat kam mit dem Betrieb der ihm gehören­den Bahnen nicht gut zurecht, so verpachtete er sie an große Privatgesellschaften(adriatische Bahn, Mittelmeerbahn, Südbahn usw.) Dies Systen hatte wiederum abgewirtschaftet, und seit vorigem Jahre hat Italien seine Bahnen aufs neue in Staatsregie übernommen.

In Rußland gehört gleichfalls die Mehrzahl der Eisenbahnen dem Staat; jüngst war infolge des Krieges und der Geldnot verschiedentlich davon die Rede, daß Rußland einen Teil seiner Staatsbahnen verkaufen wolle, woran indes ernst­lich noch nicht gedacht ist. Die nordischen Reiche, Skandinavien und Dänemark, haben größtenteils Staatsbahnen, ebenso Belgien.

Ganz anders liegen die Dinge in England und Frankreich. In England, dem eigent­lichen Sitze der individuellen Freiheit und des Manchestertums, besteht schon von Grund aus be­sondere Abneigung gegen den Staatsbetrieb. Auch würde jetzt eine Verstaatlichung wegen der erfor derlichen enormen Mittel die englischen Bah nen sind viel teurer hergestellt als die deutschen unmöglich sein. So hat England gar keine Staats­bahnen. In Frankreich besteht seit bald 30 Jahren ein kleines Staatsbahnnetz, das aber nur etwa den zwölften Teil aller Eisenbahnen des Landes um­faßt und ungünstig gelegen ist. Die zumeist von sozialistischer Seite betriebene weitere Verstaat­lichung hat die herrschende radikale Bourgeoisie u. a. mit der Begründung hintangehalten, daß damit ein zu gefährlicher Schritt zum Sozialismus getan werde. Was in Deutschland unter großer Staatsautorität und besserer Disziplin der Bevöl kerung möglich, sei in Frankreich mit der Parl. mentswirtschaft usw. nicht durchführbar. Die Ver­einigten Staaten von Nordamerika, deren Eisen bahnnetz größer ist als das ganz Europas, stehen nur unter dem Privatbahnsystem.

Der Kuba=Rummel.

Die neueste Auflage der soeben vomPan­american Kongreß neu versohlten Monroe=Dok­trin ist von demVolk Kubas geliefert worden: Kuba den Kubanern! Wie man's treibt, so gehts Die Kubaner sind die allerjüngste lateinische Republik Amerikas, sie sind erst durch den letzten Kriegvon Yankees Gnaden" selbständig gewor­den, und sie hätten allen Grund, sich nicht so un­geberdig gegen die Union zu stellen, wie ihre füd­amerikanischenälteren Schwestern", vorweg Ve­nezuela. Seit dem Frieden von 1898 sind erst fünf Jahre verstrichen, und nachdem die militärische Okkupation durch die Generäle Brooke und Wood einige Zeit die Verwaltung überwacht hatte, ließ nan die Republik 1902 sich selber zur Disposition. Ind die Kubaner gaben sich eine ideale Konstitu­tion, zu deren Schutz ein Amendement, im Senat zu Washington von Platt eingebracht, die Union ich verpflichtete. Auch wenn innere Unruhen die Autorität stören sollten, war eine Intervention vorgesehen. Nun ist jetzt diese innere Autorität n Gestalt des Präsidenten Palma angegriffen; er ist der Vorsitzende der revolutionären Innta gewesen, die vor dem Kriege in der Union tagte. Anfangs schien die neue Republik etwas zu ver­

sprechen, Ordnung und Frieden herrschten, und die Schäden des Krieges wurden wieder ausge wetzt. Englische und amerikanische Kapitalien dienten dazu, denspanischen Todesschlaf zu be­enden, man baute eine Eisenbahn von Havanna nach Santiago, schloß einen Handelsvertrag au Gegenseitigkeit mit Amerika, eine Konvention über Zucker und Tabak kam zustande, die Fi nanzen blühten und der Präsident Palma wurde ganz kürzlich für die Amtsperiode 19051910 wie dergewählt.

Aber es fanden sich doch Anzeichen von Miß behagen bei der neuen Wahl; Palma ist der Füh rer der Moderierten, die Liberalen aber wollten ihren Kandidaten General Gomez durchbringen der angeblich von der Union gewünscht wurde Und dieser hat sich mit der Zeit eine Partei gebil­det, die sich gegen dieOligarchie der jetziger Regierung wendet. Zu diesen Unzufriedenen ge hören vor allen Dingen die Veteranen vom Kubakriege, dieVäter der Unabhängigkeit". Si haben nämlich, in ihren Augen, für den Heeres­dienst keine entsprechnde Kompensation erhalten, und obgleich eine Anleihe im Interesse der Be­freier gemacht ist, sind sie in Not. Also dies sind Unzufriedene, und andere sind mißgestimmt, weil die Insel dem Handel der Briten, Yankees und anderer geöffnet ist. Das alles ist allerdings nicht das tiefgehendste Moment, welches vielmehr in den Befürchtungen der alten kreolischen Familien liegt, die eine Verschmelzung mit den Amerikanern fürchten und eine Aufgabe ihres Lateinertums als eine Einbuße betrachten. Und sie haben sich im Geheimen den Liberalen zur Verfügung ge­stellt, die infolgedessen in den Provinzen Pinar del Rio, Matanzas, Santa Clara und sogar in Habana starken Zuzug haben. Die Leute haben durch die Aufstände gegen Spanien von 18681878 eine große Uebung im Guerrillakrieg, und sie hof­sen sehr auf einen solchen. Man muß sich aber doch gefaßt machen darauf, daß derUncle Sam die Sache nicht allzu lange hingehen lassen wird, denn es schädigt das Ansnhen der großen Republik, das sie schon gegenüber Venezuela sich zu nichts ent­schließen kann.

Deutsches Reich.

Der Kaiser,

die Kronprinzessin von Griechenland, Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen sind heute früh um Uhr mit dem Sonderzuge in Wild parkstation eingetroffen und wurden von der Kaiserin empfangen. Nach kurzer Begrüßung be­gaben sich die Herrschaften in Automobilen zum Neuen Palais.

Bürgerliche und soziale Unterordnung

der Katboliken unter die Autorität des Papstes? Die in italienischer Sprache gehaltene und bejubelte Anrede des päpstlichen Legaten, Kardinals Vannutelli, stößt nach Schluß des Essener Parteitages doch auf starke Bedenken. Nach übereinstimmender Wiedergabe sämtlicher größerer katholischer und nichtkatholischer Blät­ter hat Kardinal Vannutelli zu der Versammlung gesagt:

Sie stehen groß da in den Augen des Hei­ligen Vaters, weil Sie, mit solcher Klugheit ge­schmückt, gern und bereitwillig auf das Wort Ihrer Bischöfe und in Ihrem ganzen Vorgehen, möge es sich auf die Religion, bürgerliche oder

6)

Ein tapferes Weib.

EBT K15

sozialeAngelegenheiten beziehen, ihrer und des Heiligen Stuhles Autorität sich unter­ordnen.

Kardinal Vannutelli nahm hier die Kirche auch für die bürgerlichen und sozialen Angelegenheiten in Anspruch. Er zerstörte damit einigermaßen den klassischen Ausspruch des vorigen Katholiken= tages von derbürgerlichen Toleranz und der dogmatischen Intoleranz der Kirche. Nach den Folgerungen, die man aus der Anrede des Kar­dinals Vannutelli ziehen muß, fällt für ihn, der im Namen des Papstes sprach, aber bürgerliche Toleranz und dogmatische Intoleranz zusammen. Auf einem Irrtum kann die Anrede, deren Ueber­tragung die nicht katholischen und katholischen Blätter im gleichen Wortlaut brachten, schwerlich beruhen. Doch sucht dieKöln. Vooksztg. heute einzulenken und meint, die Uebersetzung könne nicht dem richtigen Wortlaut entsprechen. Nie­mand werde bestreiten, daß es eine Menge Ange­legenheiten bürgerlicher und sozialer Art gebe, in denen ihrer Natur nachdas Wort der Bischöfe unddie Autorität des Heiligen Stuhles" nicht entscheiden könne, nicht entscheiden wolrr. Wird der Herr Kardinal mit dieser nachträglichen Korrektur seiner bejubelten Ansprache zufrieden sein?

Der Vorstand des preußischen Lehrervereins

hat an den Kultusminister eine Petition, betref­fend Neuordnung der Schulaufsicht abgesandt. Es wird darin gebeten, daß die hauptamtliche Kreisschulaufsicht all­gemein zur Durchführung gelange, daß zu Kreis­schulinspektoren nur Männer ernannt werden, welche sich im Volksschuldienst bewährt haben, und daß die Ortsschulinspektion überall in Wegfall komme. Zur Begründung dieser Petition wird u. a. folgendes ausgeführt:

Es ist ein alter Wunsch der Lehrerschaft, daß alle Schulaussicht ausgeübt werde von Fach­leuten, also von Männern, die die Pädagogik in allen ihren Verzweigungen eingehend studiert und sich in langjähriger praktischer Volksschul­arbeit als tüchtige Schulmänner bewährt haben.

Geistlichen, die gegenwärtig fast aus­schließlich die Schulaussicht nebenamtlich ausfüh­ren, zu nahe zu treten, kann man es doch aus­sprechen, daß sie nicht Schulmänner in dem Sinne sind, wie es Schulaussichtsbeamte sein müssen. Hieraus aber ergeben sich Folgen, die im Interesse der Schule nicht zu wünschen sind.

bemerkt dieVoss. Ztg.: Der Vorstand scheint noch immer zu hoffen, Trauben vom Dorn­

uraug und Feigen von der Distel ernten zu kön­

nen. Allen Respekt vor dem Lehrerverein, seinen Vorstand aber verstehen wir nicht.

Der Stettiner Hasenarbeiterstreik

vielt bereits nach England, Dänemark und Schweden über. Die dortigen Reeder bringen ihre eigenen Arbeiter zum Löschen der Fahrzeuge Wtz., Die. Jourendampfer, die regelmäßig zwischen

Stettin und anderen deutschen Häfen verkehren, fahren mit doppelter und dreifacher Besatzung. Auf diese Weise können wenigstens die Stückgut­ladungen geborgen werden.

Ein vergessenes Gesetz.

vergessenes Gesetz macht angesichts des Falles Tippelskirch=Podbielski dieNeißer Ztg.

1874 wurde infolge der Laskerschen Enthüllungen über den Eisenbahn­

Kriminalroman von F. Wicks. Autorisierte Verdeutschung von B. Katscher.

(Nachdruck verboten.)

Welche Bedingungen wollen Sie stellen?"

1. Daß er an unserem Hochzeitstage meinem Vater 55000 Pfund Sterling auszahle

Fünfundfünfzigtausend Pfund Sterling". wiederholte Ware erstannt.

2. Daß er in sicheren Wertpapieren eine Summe für mich deponiere, die ein Einkommen von fünftausend Pfund jährlich nach dem Ta geskurs natürlich ergibt. Dieses Vermögen muß zu meiner persönlichen Verfügung stehen und leicht flüssig zu machen sein.-­

Der alte Herr blickte bewundernd und auch verblüfft zu dem jungen Mädchen empor, das sich dadurch nicht im geringsten beirren ließ und mit vollster Ueberlegung fortfuhr:

3. das ist sehr wichtig da er verlangen wird, daß wir unter einem Dache leben, bestehe ich darauf, daß wir unsere separaten Gemächer und Dienstleute haben. Sie müssen mit der größt­möglichen Klarheit, die gar keinen Irrtum gestat­tet, folgendes formulieren: Er darf ohne meine besondere Erlaubnis unter gar keinem Vorwande meine Gemächer betreten. Um gerecht zu sein, soll dasselbe auch bei mir ihm gegenüber der Fall sein.

Hm, brummte der Alte, dessen Erstaunen den Höhepunkt erreicht zu haben schien.Sind wir fertig?

Nein. Ich bitte Sie, noch die Klausel hinzu­zufügen, daß ich mich verpflichte, einmal wöchent­lich drei Stunden mit ihm öffentlich zu erscheinen und ihn allsonntäglich in die Kirche zu begleiten. Im übrigen bleibe ich die Herrin meiner Hand­lungen und darf nach meinem Willen Besuche machen und empfangen.

Der Rechtsanwalt schrieb auch diese Klausel nieder und warf die Feder hin. Er blickte sehr ernst drein, schob den Stuhl geräuschvoll zurück

und starrte stirnrunzelnd seine Fingernägel an

sah

18,ur ernst und entschl

Wollen Sie meine Ansicht über diesen Vor

sabella wartete geduldig; sie sah nicht sehr be­kummert aus, nur ernst und entschlossen.

trag hören? fragte der Alte barsch.

Ich brenne darnach.

Es ist meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam iu machen, daß er nicht eingehalten werden

würde.

Weshalb nicht?

Weil seine Bedingungen den Absichten der Ehe widerstreben und, wenn wirklich erfüllt, den Zweck der Ehe vereiteln würden.

Aber das will ich ja begreifen Sie denn nicht? rief Isabella eifrig.

Sehr gut. Nehmen Sie an, der Vertrag wäre unterzeichnet, ich glaube Ihr Gatte könnte und würde trotzdem handeln, als ob der Vertrag über­haupt nicht existiert. Verstehen Sie mich?

Das fürchte ich ganz und gar, denn ich werde ihn zur Einhaltung der Bedingungen zu zwingen wissen, rief das Mädchen mit imponierender Ue­berzeugung.Die Frage, die ich gerne von Ihnen beantwortet gehört hätte, ist die: Können diese Be­dingungen in eine juristische Form gekleidet wer­den?

O ja; aber was wir berücksichtigen müssen, ist die Frage, ob es einen Zweck hätte, Bedingungen, die mit den Gesetzen des Landes unvereinbar sind, in eine juristische Person zu kleiden.

Das beunruhigte mich nicht, entgegnete Isa bella befriedigt.Ich will den Vertrag nur unter­zeichnet haben.

Der Rechtsanwalt wurde immer ernster, im­mer finsterer starrte er seine Fingernägel an, bis er endlich knurrte:

Ich habe noch etwas einzuwenden. Darf ich ganz offen und ehrlich mit Ihnen sprechen, als ob Sie mein eigen Fleisch und Blut wären? Ich habe fünf Töchter daheim, fügte er seufzend hin­zu.

Ich bitte Sie darum.

Isabella sprach mit vielem Ernst, bewahrte aber eine heitere Miene, kein Zug ihres Gesichtes verriet Kummer, Bedauern oder Angst. Sie hatte nach schwerem Kampfe endlich den Entschluß ge­faßt, nach einem Plan zu handeln, den sie für den besten hielt und fühlte auch die Kraft, ihn auszu­führen. Sie verhandelte mit dem Rechtsanwalt so, als ob sie eine dritte Person verträte; man merkte ihr nicht eine Spur von Erregung an, Ware machte im stillen diese Beobachtung und vermochte sie mit den außergewöhnlichen Vor­schlägen nicht in Einklang zu bringen, die seine Klientin erfüllt wünschte.

Fräulein Foyle, fangen wir lieber noch ein­mal von vorne an, bemerkte er nach einer länge­ren peinlichen Pause.

Sie nickte zustimmend.

Sie fühlen keine Zuneigung für Herrn Cope?

Wie können Sie noch fragen? Haben Sie ihn gesehen?

Ich kenne ihn, aber wir müssen beim Anfang anfangen."

"Ich weiß schon, auf was Sie hinzielen. Alle Rechtsanwälte beginnen ihre Akten mit der For­merva. Auch Sie müssen den Vertrag so an­fangen:Da Herr Cope und ich uns entschlossen haben, eine Ehe einzugehen und da ich keinerlei Zuneigung für meinen künftigen Gatten empfin­de, auch nie etwas anderes als Abscheu empfinden werde, haben wir uns dahin geeinigt und nun folgen meine Bedingungen, die Sie bereits ken­nen.

Der Alte war starr von Erstaunen. Am lieb­sten hätte er sich geweigert, diesen entsetzlichen Kontrakt aufzusetzen mit der Begründung, daß ein Advokat von Ruf keine ungesetzliche Urkunde ausstellen könne, aber er sah ein, daß er es mit einer entschlossenen, energischen Klientin zu tun habe, die sich nicht so leicht abschrecken lassen wür­de, daher versuchte er es gar nicht, sondern sagte bloß:

verlangen, daß Cope Ihrem Vater 55000 Pfund*) zu zahlen und für Sie eine Summe zu deponieren hätte, die Ihnen 5000 Pfund Rente

soll. Das ergibt ein Vermögen von über

200 000 Pfund.

Isabella nickte zustimmend.

Aber bemerken Sie denn nicht, meine liebe, junge Freundin, daß Sie sich damit in brutaler Weise für so und so viel Geld verkaufen?

Das ist doch ganz klar.

Und halten Sie das nicht für einen Ihrer un­würdigen Handel?" fragte der alte Herr mit Wärme.

Gewiß. Aber ich will ja, daß er in die Augen fallend brutal erscheine, rief sie mit hervorbre­chender Leidenschaft.Cope soll diesen schmählichen Kontrakt mit offenen Augen unterzeichnen, und wenn er ihn nicht ehrlos findet, so ist es seine Schuld.

Aber mein liebes Kind, werden Sie selbst ihm auch nicht ehrlos erscheinen?

Nein, denn Cope weiß nur zu gut, daß ich aus einem Grunde zustimme, der für mich ehrenvoll ist, weil er der Selbstaufopferung entspringt. Kennt er Ihre Absicht bereits?

Nein, er hat mich noch nicht angesprochen; aber ich erwarte ihn morgen um elf Uhr Vormittag und will ihm diese Urkunde als meine Antwort vorlegen.

*) 1 Pfund= 20 Mark.

"Rech eine Frage. Sie sagten, daß Sie sich im Interesse Ihres Vaters zu opfern gedenken kenne die näheren Umstände, die Sie dazu trei­

üver ich muß Ihnen bemerken, daß

Motiv nicht stichhaltig ist. Keinerlei Um­stände können dieses Opfer rechtfertigen ich bin der Rechtsvertreter Ihres Vaters, schloß Ware

###e Klientin mit beinahe strengen Blicken mes­

Die Umstände, die diesen Schritt notwendig machen, können Ihnen nicht bekannt sein. Wenn

Sie sie kennten, würden Sie zugeben, daß sie stich­haltig genug sind.

Verwirrung und Bestürzung hatte ih­

renhe## erreicht. Er gab es auf, das Rätsel zu lösen und sagte bloß tiefbetrübt:

Ich will Ihnen weder meinen Rat aufdrän­noch Sie veranlassen, mir Dinge zu enthül­len, die Sie geheim halten wollen; aber ich kann es auch nicht unterlassen, zu wiederholen, daß nach meiner Ansicht nichts das Opfer, welches Sie zu bringen entschlossen sind, zu rechtfertigen vermag.

##. bin Ihnen#r Ihre Liebenswürdigkeit und Rücksicht sehr verbunden, aber das Opfer ist

nicht gar so groß. Es kann mich zehn Jahre mei­

aufs Spiel setzen, ich bin ja noch so jung!

7. Kapitel.

Manche Leute brüsten sich damit, jedermann ungeschminkt ihre Meinung zu sagen, d. h. die Ge­wohnheit zu haben, sich unangenehm zu machen: Söcb#an-###schen vertragen alles eher als die

Wahrheit. Josua Cope machte es ein unbändiges Vergnügen, die Gefühle anderer zu verletzen; das WortRücksichtnahme stand in seinem Sprach­schatz nicht. Wozu auch? Er hatte es ja nicht nötig, rücksichtsvoll zu sein; seine geschäftlichen Erfolge hatten ihn reich und unabhängig gemacht er war unter allen Umständen Herr der Situation. Heute freilich hatte sich der Spieß ein wenig um­gedreht, er kam als Bittender zu Isabella. In einem Auftreten lag infolgedessen keine Spur seiner gewöhnlichen Brutalität, Rücksichtslosigkeit und Anmaßung. Als kluger Mensch hatte er sich gesagt, daß er in keiner Weise den Vergleich mit seinem Rivalen, David Thresher, aufnehmen könne, da dieser jung, hübsch und liebenswürdig, er aber alt, häßlich und unangenehm war. Wollte er bei seiner Werbung auf Erfolg rechnen, mußte er seiner innersten Natur Zwang antun und sich in seinem besten Lichte zeigen. Zur festgesetzten Stunde ließ er sich bei Isabella melden. Sie emp­fing ihn stehend im Salon.