Nr. 227.(1. Blatt) Samstag, den 2. Oetober 1897. 8282 S, 29. Jahrgang.
Organ für Stadt& Amt
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Wattenscheid& Amt Aeckendorf.
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Schriftleitung, Druck und Verlag von Carl Busch in Wattenscheid.
Telephon Nr. 181.
Die Politik der Sammlung
aller produktiven Stände, die der Vizepräsident des Staatsministeriums, Dr. v. Miquel, im Juli in Solingen angekündigt hatte, ist in verheißungsvoller Weise eingeleitet worden. In der im Reichsamt des Innern zur Vorbereitung der Handelsverträge abgehaltenen Konferenz haben sich die 3 großen Erwerbsgruppen: Landwirtschaft, Industrie und Handel entschlossen, möglichst einig vorzugehen. Nebensächliches und alles das, was einen trennenden Einfluß ausüben könnte, soll im Interesse unserer wirtschaftlichen Zukunft beiseite gelassen werden. Es soll die Thatsache in die Praxis übersetzt werden, daß die Interessen der drei großen Erwerbsgruppen im wesentlichen dieselben sind. Ein solches Zusammenarbeiten von Landwirtschaft, Industrie und Handel gewinnt angesichts der nächsten Reichstagswahlen eine besondere Bedeutung. Die produktiven Stände können sich, wenn sie sich verständigen, endlich den Einfluß auf die Gesetzgebung verschaffen, der ihnen gebührt. Wegen ihrer Uneinigkeit hat es ihnen bisher daran gefehlt. In den Parlamenten führen viele das große Wort, die an der nationalen Arbeit nicht beteiligt sind. Den Ausschlag geben vielfach nicht die Bedürfnisse des praktischen ebens, sondern Fraktionsinteressen. Da diese Zustände nicht das allgemeine Wohl fördern, davon hat die Geschichte unseres Reichstages manches Beispiel aufzuweisen. Ein Wahlbündnis zwischen Landwirtschaft, Industrie und Handel würde hier Wandel schaffen. Grundsätzlich erscheint es bereits jetzt als gesichert, nachdem von ihren Vertretern der ernste Wille bekundet ist, über Meinungsverschiedenheiten hinwegzusehen und das Gemeinsame, Verbindende in den Vordergrund zu stellen. Der Berührungspunkte giebt es wahrlich genug. Die Industrie wünscht vor allem die Erhaltung des Weltfriedens und eine normal fortschreitende Entwickelung des nationalen Lebens. Auch Landwirtschaft und Handel können in Kriegszeiten und bei Störungen in der inneren Politik nichts gewinnen, wohl aber viel verlieren. Industrie und Landwirtschaft vertreten hauptsächlich die nationale Produktion; der Handel ist notwendig als Vermittler zwischen Produzenten und Konsumenten. Alle 3 sind deshalb Anhänger und natürliche Vorkämpfer einer wahrhaft nationalen Politik. Die Bestrebungen ihrer Begner dagegen sind nicht den nationalen Daseinsbedingungen angepaßt. Man gebe ihnen die Bahn bei den künftigen Wahlen frei, und man wird es erleben, was für Rückwirkungen ein weiteres Hinabgleiten unserer Verfassungszustände auf der schiefen Ebene zu einer Parlamentsherrschaft ausüben muß, die dem maßgebenden Einflusse einer weder monarchischen noch reichsfreundlichen Reichstagsmehrheit gehorcht. Daß der Friede nach innen so wenig wie der Friede nach außen dabei gewinnen können, liegt in der Natur der Sache. Zum Schutze dieser unschätzbaren Güter sind nicht diejenigen Parteien berufen, deren Schwerpunkt außerhalb der Grenzen des nationalen Gedankens liegt. Hier müssen vielmehr jene Volkskreise heran, welche mit allen Fasern ihres Lebens im Boden des Vaterlandes wurzeln und welche wissen, daß sie ihr eigenes Interesse wahrnehmen, indem sie die Interessen von Kaiser und Reich fördern. Wir begrüßen das Zusammengehen der produzierenden Stände in der Hoffnung, daß bei den nächsten Wahlen jeder mit allen Kräften dafür sorge, daß eine national gesinnte Mehrheit ihren Einzug in den Reichstag halte.
Berlin, 1. Okt. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe vird in der Nacht zum Sonntag hier zurückerwartet— Das Staatsministerium trat heute Nachmittag unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten Dr. von Miquel zu einer Sitzung zuammen.
— Die Abreise des Kaisers aus Rominten erfolgt nach en bisherigen Bestimmungen Dienstag, 5. October, vormittags.
in Danzig trifft der Kaiser nachmittags 4 Uhr mit seinem Jonderzuge an der Schichauschen Werft ein.
— Die Kaiserin hat für die von der Ueberschwemmung am keisten betroffenen Kreise Schlesiens, soweit bisher bekannt eworden ist, folgende Summen gespendet: Während ihres besuches in den Ueberschwemmungsgebieten an Einzelbeträgen isgesamt 24 600 M., für die Kreise Görtlitz, Löwenberg, und tothenburg je 20000 M., für den Kreis Sprottau 15000 M., r den Kreis Lauban 21 000 M., zusammen also 120 600 M.
— Der Kaiser wird Anfang November Jagdgast des Grafen
Tschirschky=Renard auf dem Schlosse Groß=Strehlitz in
berschlesien sein.
— Im Prozeß v. Tausch hatte der Reichstagsabgeordnete sebel ausgesagt, der vielgenannte Normann=Schumann habe inem seiner Parteigenossen eine Abschrift von Welfenfondsnittungen verkauft. Diese Angabe nimmt Bebel als auf inem Irrtum des betr. Parteigenossen beruhend heute durch ine Erkläcung im„Vorwärts" zurück, wobei das sozialdemokratische Blatt noch mitteilt, daß Normann=Schumann gegen Bebel ei der Berliner Staatsanwaltschaft eine Denunziation wegen Neineides eingereicht hat.
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— Ein Reichsversicherungsgesetzentwurf ist vollendet und wird in der ersten Oktoberwoche zur Begutachtung an die Mitglieder des Versicherungsbeirath übersandt werden. Es soll eine amtliche Veröffentlichung des Entwuifs erfolgen.
— Am 2. Oktober vollendet der Minister Freiherr von Hammerstein=Loxten sein 70. Lebensjahr.
— Der Bureaudirektor des Abgeordnetenhauses Geh. Rath Kleinschmidt, der, wie mitgerheilt, erkrankt war, befindet sich erfreulicherweise auf dem Wege der Besserung.
Hamburg, 30. Sept. Graf Herbert Bismarck veröffentlicht in den„Hamb. Nachr.“ folgenden Dank: Die freundlichen Beglückwünschungen, durch die ich zur Geburt meines Sohnes erfreut worden bin, sind so zahlreich geworden, daß ich mich außer Stande sehe, den Versuch, sie im einzelnen zu beantworten, rechtzeitig durchzuführen. Ich erlaube mir daher, die Vermittelung der Presse in Anspruch zu nehmen, um allen, die bei diesem Anlaß ihr Wohlwollen für den Namen Bismarck unter meiner Adresse zum Ausdruck gebracht haben, die Gefühle meines herzlichsten Dankes für ihr liebenswürdiges Gedenken auszusprechen. Graf Bismarck=Schönhausen.
Cuxhafen, 1. Okt. Wie verlautet, soll die Leiche des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg, die noch im Exerzierschuppen aufgebahrt ist, nicht durch den„Beowulf" übergeführt werden, sondern zunächst noch hier verbleiben und am Sonntag Vormittag auf der Eisenbahn nach Schwerin gebracht werden.
Plauen, 30. Sept. Bei der Landtagswahl hat das Vogtland trotz geheimer Abstimmung ausschließlich nationalliberal gewählt: Kellner in Plauen, Georgi in Mylau, Paulus in Markneukirchen. Die Kandidaten des Freisinns und der Sozialdemokratie erzielten nur geringe Minderheiten.
Wiesbaden, 30. Sept. Laut„Rhein. Courier" trifft am 18. Oktober auch die Kaiserin hier ein.
— 1. Okt. Generalfeldmarschall Graf v. Blumenthal sagte heute sein Erscheinen bei der Enthüllung des Denkmals für Kaiser Friedrich zu.
1. Okt. Heute Vormittag traf die Kaiserin hier ein und wurde am Bahnhof vom Kaiser empfangen. Sie sieht wohl aus.
Bern, 1. Okt. Der Nationalrath beendete nach längerer Erörterung die Beratung der Errichtung der Bundesbahnen. Die Abstimmung wird morgen erfolgen.
Kopenhagen, 1. Oct. Ein von dem Prinzen Karl von Dänemark befehligtes Torpedoboot wurde gestern steuerlos und konnte nur mit knapper Noth die Rhede von Borhon wieder gewinnen.
Paris, 30. Sept. Der Minister Hanotaux hat dem englischen Premierminister vorgeschlogen, wiederum Kommissare zur Prüfung aller zwischen Frankreich und England noch schwebenden westafrikanischen Fragen zu ernennen, um diese Fragen der endgültigen Erledigung zuzuführen.
— 1. Okt. Der Prinz Ludwig Napoleon Bonaparte, Oberst der Garde=Ulanen der Kaiserin von Rußland, befindet sich gegenwärtig in Paris. Conservative Blätter zollen ihm bei der Gelegenheit nochmals Bewunderung wegen seiner Weigerung, das Kreuz der Ehrenlegion aus der Hand des Präsidenten Felix Faure anzunehmen.
— Bei der durch das Genie=Corps erbauten Adourbrücke bei Tarbes explodirte eine Bombe. Der Sachschaden ist unbedeutend.
Athen, 30. Sept. Delyannis nahm eine oppositionelle Stellung in der Deputirtenkammer ein.— Das von Rallis verlangte Vertrauensvotum wurde verworfen; das Ministerium wird deshalb abdanken.