Montag, den 20. Januar 1896.

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28. Jahrgang.

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Organ für Stadt&amp Amt

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn= und Feiertage und kostet wierteljährlich inel. Botenlohn 2 Mk., in der Geschäftsstelle 1.75 Mk. vorauszahlbar.(Im Postgebiet 2 Mk.)

Kartenscheid& Lemr Kemendors.

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Schriftleitung, Druck und Verlag von Carl Busch in Wattensch­

Kriegs=Chronik.

Jur Erinnerung an die große Jeit 1876/71.

221. Depesche.

Versailles, 18. Jan.

Am 17. Januar erneuter Versuch Bourbakt's gegen den Ge­neral v. Werder, der seine verschanzte und mit schwerem Geschütze verstärkte Pasition siegreich behauptete und alle Angriffe abwies. Diesseitiger Verluste in den Ztägigen Kämpfen werden auf etwa 1200 Mann geschätzt.

Vor Paris Fortsetzung der Beschießung mit guter Wirkung. Diesseitiger Verlust: 2 Offiziere, 1 Mann tot, 1 Offizier, 6 Mann verwundet.

v. Podbielski.

222. Depesche.

Versailles, 18. Jan.

Die Armee des Generals Bourbaki ist nachdem durch die Ztägigen siegreichen Kämpfe des Generals v. Werder vereitelten Entsatzversuche von Belfort in vollem Rückzuge.

v. Podbielski.

223. Depesche.

Versailles, 19. Jan.

Der Kaiserin und Königin Augusta in Berlin.

Ich kehre soeben von einem Ausfallgefechte zurück, das heftig an Kanonade war, aber ohn: allen Erfolg.

Wilhelm.

224. Depesche.

Roupy, 19. Jan.

Nord=Armee vor St. Quentin in 7stündigem Kampfe geschlagen. Bis jetzt über 4000 Gefangene und 2 Geschütze.

v. Goeeben.

Ihraunde.

Perlin, 18. Jan. Die weihevolle Feier der 25jährigen Erinnerung der Begründung des Deutschen Reiches begann heute Morgen im Großen Schloß. Der Kaiser erschien um 11 Uhr im Weißen Saale und verlas in eigener Person nachstehende Allerhöchste Botschaft:Wir Wilhelm von Gottes Guaden, Deutscher Kaiser, König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem 25 Jahre verflossen sind seit dem Tage, an welchem Unseres in Gott ruhenden Herrn Großvaters Mojestät, der einmüthigen Aufforderung der deutschen Fürsten und Freien Städte und dem Wunsche der Nation entsprechend, die deutsche Kaiserwürde angenommen hat, haben Wir beschlossen, das Gedächtziß dieses denkwürdigen Ereignisses feierlich zu begehen, welches dem langen Sehnen

des deutschen Volkes endlich glänzende Erfüllung gebracht und dem Reiche die Stellung schuf, die ihm nach seiner kulturellen Entwickelung inmitten der Völker des Erdenreiches gebührt. Wir haben dazu die Bevollmächtigten Unserer hohen Verbündeten und Vertreter des Volkes, sowie diejenigen Männer entboten, welche in jener großen Zeit an der Einigung der deutschen Stämme hervorragend mitgewirkt haben. Umgeben von den Fahnen und Standarten ruhmreicher Regimenter, den Zeichen des Todesmuthes unserer Heere, die an jenem Tage den ersten deutschen Kaiser grüßten, erinnern Wir uns tief­bewegten Herzeus des erhebenden Bildes, welches das in seinen Fürsten und Völkern geeinte Vaterland den Zeitgenossen bot. Im Rückblick auf die verflossenen 25 Jahre fühlen Wir uns zunächst gedrungen, Unserem demüthigen Dank gegenüber der Vorsehung Ausdruck zu geben, deren Segen sichtlich auf dem Reiche und seinen Gliedern geruht hat. Das bei der Annahme der Kuserwürde von Uaseres verewigten Herrn Großvaters Majestät abgegebene und von seinem Nachfolger an der Krone übernommene Gelöbniß, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands zu sichern und die Kräfte des Volks zu stärken, ist mit Gottes Hülfe bis dahin erfüllt. Von dem Bewußtsein getragen, daß es berufen sei, niemand zu Liebe und niemand zu Leide im Rathe der Völker seine Stimme zu Gunsten des Friedens zu erheben, hat das jurge Reich sich ungestört dem Ausbau seiner innern Einrichtungen überlassen können. In freudiger Begeisterung über die heißersehnte und schwer errungene Einheit und Macht. stellung, im festen Vertrauen auf die Führung des großen Kaisers und auf den Rath bewährter Staatsmänner, irsonder­heit seines Kanzlers, des Fürsten von Bismarck, stellten sich die werkthätigen Kreise der Nation rückhiltlos in den Dienst der gemeinsamen Arbeit. Verständnißvoll und opferbereit be­thätigt das Reich seinen Willen, das Erworbene festzuhalten und zu sichern, die Schäden des wirthschaftlichen Lebens zu heilen und bahnbrechend den Weg zur Förderung der Zufrieden­heit der verschiedenen Bevölkerungsklassen vorzuzeichnen. Was in dieser Beziehung geschehen und geschaffen ist, dessen wollen wir uns freuen. Neben der Ausbildung unserer Wehrkraft, welche zum Schutz der Unabhängigkeit unseres Vaterlandes auf der Höhe der Leistungsfähigkeit zu erhalten Unsere kaiser­liche Pflicht ist, hoben Gesetzgebung und Verwaltung in deutschen Lunden die Wohlfahrt auf allen Gebieten des öffent­lichen Lebens und der wirthschaftlichen Thätigkeit zu pflegen sich angelegen sein lassen. Freie Bayn für die Entfaltung der geistigen und materiellen Kräfte der Nation, Hebung des durch die Entfaltung bedingten Wohlstandes, Herstellung ein­heitlichen Rechtes, Sicherung unparteiischer, achtunggebietender Rechtspflege und Erziehung der Jugend zur Gottesfurcht und Treue gegen das Vaterland, das sind die Ziele, welche das Reich unablässig zu erstreben hat. So werthvoll aber die bisher erreichten Erfolge auch sein mögen, nicht müde wollen

wir bi der Fortsetzung des uns bezeichneten Weges werden. Der weitere Ausbau der Reichseinrichtungen, die Festigung des Bandes, welches die deutschen Stämme umschlingt, die nothwendige Abwehr der mancherlei Gefahren, veren wir aus. gesetzt sind, erfordern neben den Ansprüchen einer schnell vor­anschreitenden Entwickelung aller Zweige einer nützlichen Thätig­keit dauernd unsere rastlose und hingebende Arbeit. Wie wir selbst aufs neue geloben, dem Vorbilde Unseres in Gott ruhenden Großvaters in treuer Pflichterfüllung nachzueifern, so werden Wir an alle Glieder unseres Volkes Unsere kaiser­liche Aufforderung richten, unter Hintansetzung aller Partei­interessen mit Uns und Unseren hohen Verbündeten die Wohl­fahrt des Reiches im Auge zu behalten, mit deutscher Treue sich in den Dienst des Ganzen zu stellen, um so in gemein­samer Arbeit die Größe und die Macht des geliebten Vater­landes zu fördern. Geschieht dies, so wird, das hoffen Wir zuversichtlich, auch ferner der Segen des Himmels nicht fehlen, dann werden wir, wie in jener großen Zeit, geeint und fest, allen Angriffen auf unsere Unabhängigkeit begegnen und uns ungestört der Pflege unserer eigenen Interessen hingeben können. Das Deutsche Reich aber wird, weit entfernt davon, eine Gefahr für andere Staaten zu sein, begleitet von der Achturg und dem Vertrauen der Völker, nach wie vor eine feste Stütze des Friedens bleiben. Daß dem so sei, das walte Gott.

Wilhelm. Hohenlohe.

Die Feier verlief programmgemäß und machte auf die An­wesenden den tiefsten Eindruck. Der Kaiser verließ sodann, nach allen Seiten sich huldvoll verneigend, den Weißen Saal. Die glänzende Erinnerungsfeier hat ihr Ende erreicht, aber unmittelbar daran schloß sich ein prachtvolles, militärisches Schauspiel, die Parade, welche der Kaiser über die Garden vor dem königlichen Schlosse bis zu dem Denkmal Friedrichs des Großen abhielt und welche ein fesselndes Bild bot. Eine gewaltige Volksmenge füllt die angrenzenden Straßenzüge und Plätze, begeisterte Hochrufe erklingen, wenn der Kaiser sicht­bar wird.

Deutschland.

Perlin, 19. Im. Der Kaiser hielt bei dem gestrigen Bankett im Schloß einen Trinkspruch, worin er die Bedeutung des Tages feierte, über dem der Geist Kaiser Wilhelms schwebe. Uns sei die Pflicht, das E kämpfte zu erhalten. Ueberall im Auslande wohnen tausende unserer Landsleute, deutsche Güter und deutsches Wissen gehen über den Ocean und die Werthe Deutschlands auf See bezfffern sich nach tausenden von Millionen. Es ist die ernste Pflicht, Mir zu helfen, dieses größere deutsche Reich auch fest an unser heimisches zu gliedern. Mein Ge­löbziß von heute kann nur Wahrheit werden, wenn Ihre patriotische Unterstützung zu theil wird Mit diesem Wunsche, daß Sie in vollster Einigkeit Mir helfen, Meine Pflicht nicht

Des Jehlktritts Sühne.

Roman von Hippolyte Montaubau. 3

Der Graf wandte sich nunmehr an die übrige Dienerschaft. Wo ist Ihre Gebieterin?" herrschte er die Kammerzofe der Gräfinan.

Diese seufzte und wandte den Blick hinweg.

Will mir denn niemand antworten? rief Herr von Lasson mit zornbebender Stimme, indem er das Mädchen am Arme erfaßte und sie derb schüttelte.

Sprechen Sie, ich befehle es Ihnen!

Ich weiß nichts, Herr Graf, gar nichts, entgeguete das Mäd­chen, an allen Gliedern zitternd.

Wieviel Uhr war es gestern abend, als Sie Ihre Herrin ver­ließen?

Die Frau Gräfin hat mich um halb elf Uhr fortgeschickt, indem sie mir sagte, sie lege sich nieder und bedürfe meiner Dienste nicht weiter. Als ich soeben hier eintrat, fand ich die Wärterin heiße Thränen vergießend. Ich befragte sie, was denn geschehen sei; sie aber antwortete mir nicht. Beunruhigt und geängstigt trat ich in das Zimmer der Frau Gräfin. Im Fluge hatte ich jeden Teil des Zimmers der Frau Gräfin überblickt und sah sogleich, daß das Bett nicht berührt sei, und begriff sofort, daß sie die Nacht nicht in ihrem Zimmer zugebracht habe.

Das Antlitz des Grafen war kreideweiß, seine Aagen fankelten anheimlich.

Ich war nicht wenig überrascht, berichtete der Haushofmei­ster,als ich heute morgen die nach dem Garten führende Thüre offen fand.

Herr v. Lasson wischte sich mit der Hand den kalten Schweiß von der Stirne, dann trat er abermals an die Wärterin heran.

Vermögen Sie jetzt mir zu antworten? fragte er mit halb­erstickter Stimme.

Das Weib erhob sich langsam. Die übrige Dienerschaft glaubte sich zurückziehen zu müssen und drängte der Thüre zu.

Theodor, rief der Graf, sich an den Haushofmeister wendend, wo ist der Kutscher?

Im Stalle, damit beschäftigt, die Pferde zu putzen.

Weiß er, daß die Frau Gräfiv die Nacht nicht im Haase zu­brachte?

Nein, Herr Graf!

Sa und der Vortter??

Weiß auch nichts!

Dann Theodor, hören Sie also den Befehl, welchen ich erteile, und für dessen genaue Befolgung Sie verantwortlich sind. Heute bleiben alle Thüren des Palais verschlossen, der Portier wird nie­mandem Einlaß gewähren. Verstehen Sie mich? Niemandem! Das genügt mir aber nicht! Keiner von Euch allen darf unterirgend einem Vorwande das Palais verlassen. Ihr seid alle treue, ehren­werte Diener; ich bin überzeugt, daß keiner von Euch sich ein­fallen lassen wird, meine Befehle zu mißachten.

Die Dienerschaft verneigte sich ehrerbietig und zustimmend.

Theodor, haben Sie mich verstanden?"

Ja, der Herr Graf können auf unseren Gehorsam bestimmt rechnen.

Für jetzt habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Ihr könnt gehen!" Alle leisteten dem Geheiß des Grafen Folge.

Jetzt, sprach dieser, sich an die Wärterin wendend,jetzt sprecht! Was wißt Ihr, was ist geschehen?

O, Herr Graf, wenn ich das geahnt hätte... o, verzeihen Sie mir. Gestern abend," berichtete die Wärterin,habe ich mich etwas vor zehn Uhr zu Bette begeben. Das Kind schlief ruhig, mit halbgeöffnetem, lächelndem Munde. Auch ich schlief bald fest ein; plötzlich vernahm ich ein Geräusch; es hatte mich aufgeweckt. Ich richtete mich auf meinem Lager empor und erkannte bei dem Licht der Nachtlampe die Frau Gräfin, über das Bettchen der Kleinen hingeneigt. Zu welcher Stunde dies gewesen sein mag, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben, gewiß hatte ich noch nicht lange geschlafen. Ah, Sie sind es, Frau Gräfin.Ja,ich bin's," entgegnete sie. Bevor ich mich zu Bettlege, wollte ich die Kleine umarmen zssie ist erwacht; sehen Sie, sie streckt mir die kleinen Aermchen entge­gen; ich nehme sie hinüber und lege sie in mein Bett. Ich er­laubte mir die Einwendung, daß die Kleine unruhig schlafe sund sie jedenfalls stören werde.Nein, nein, entgegnete die Frau Grä­fin, sie ermüdet mich nicht. Ueberdies kann ich ja, wenn sie ein­geschlafen ist, sie immer wieder in ihre Wiege zurücktragen. Es thut mir leid, Ihren Schlaf gestört zu haben; beunruhigen Sie sich nicht weiter, meine Gute. Und das Kind in ihre Armenehmend, entfernte sie sich. Ich schlief fast sofort wieder ein. Heute morgen um fünf Uhr erwachte ich. Ich erhob mich sofort und kleidete mich an, dann setzte ich mich nieder und wartete, daß die Frau Gräfin mich rufe.

Eine Stunde verging. Ich vernahm nicht das leiseste Geräusch in dem Zimmer der gnädigen Frau; endlich entschloß ich mich,

einzutreten, denn die Kleine konnte ja meiner bedürfen. Ich er­kannte natürlich sofort, daß die Frau Gräfin sich nicht niedergelegt haben könne und war förmlich verblüfft. Das, Herr Graf, ist alles, was ich weiß.

Ich danke," entgegnete Herr von Lasson, sich erhebend.

Schweigend stand er einen Augenblick, dann entfernte er sich langsam und kehrte in das Zimmer der Gräfin zurück.

Nun erst wich die mühsam aufrecht erhaltene Fassung and schluchzend sank er in einen Sessel, dann wieder sprang er auf und durchmaß in mächtigen Schritten das Gemach. Endlich brach er vollständig erschöpft, überwältigt von der Wucht des Vorkommnisses, zusammen.

Mehr denn eine Stunde blieb er so, vollständig regungslos, dann seufzte er schwer auf, und schluchzte endlich wie ein Kind. Nach dem Zorn trat auch der Schmerz in seine Rechte. Die Thränen ge­währten ihm doch einige Erleichterung. Es gelang ihm nach und nach, seine Gedanken zu sammeln. Er mußte sich mit dem Gesche­henen abfinden.

Die Gräfin Lasson, seine Gattin, war fort; bei Nacht und Nebel hatte sie sein Haus verlassen und ihr Kind mit sich genommen. Er fragte sich nicht, weshalb, er erriet es nur zu gut. Und nichts hatte vermocht, sie zurückzuhalten, weder die Scheu vor der Oeffentlich­keit, noch der Gedanke, welche Zukunft sie ihrer Tochter bereitete, noch die Schmach, mit welcher sie den Namen des Gatten bedeckte, oder der Schandfleck, den sie sich selbst auf die Stirne drückte.

3.

Der Graf hatte sich erhoben, seine Blicke irrten unstät im Zim­mer umher.Ah! rief er plötzlich erbebend. Seine Blicke waren auf einem hübschen kleinen Schreibtisch haften geblieben, auf welchem ein Brief lag; der Anblick desselben war es, welcher seinen Ausruf veranlaßt hatte. Hastig ergriff er den Brief.

Als er die Schrift der Gräfin auf der Adresse erkannte, er­faßte ihn nervöses Zittern; wie er es vermutet hatte, war das Schreiben an ihn gerichtet.

Er öffnete den Brief und las:Herr Graf! Ich bin tief an­glücklich! Ich habe Ihr Vertrauen mißbraucht, habe vergessen, was ich Ihrer treuen Freundschaft schuldete. Ich habe Sie hinter­gangen und bin Ihrer unwert. Ich kann, ich darf nicht mehr an Ihrer Seite leben. Der Name, welchen Sie mir geschenkt, er kommt mir nicht mehr zu, ich habe das Recht verscherzt, ihn tragen zu dürfen; ich richte mich selbst, indem ich Ihr Haus verlasse. 37,20