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Amtliches Kreisblatt für den Kreis Hörde

Nr 294(Erstes Blatt)

Erstes und ältestes Cagesorgan des Kreises.*

Generalanzeiger für den Kreis Hörde.

Schwerte[Kubr), Donneretag den 16 bezenber 1926. 89. Johrgang.

Neues in Kürze.

Reichstagsuntersuchungsausschuß für die Ruhrkredite.

vdz. Berlin, 15. Dez.(Tel.) Der Reichstagsunter­suchungsausschuß für die Ruhrkredite schloß heute nach ungefähr zweijähriger Dauer seine Beratungen ab und stellte u. a. fest, daß der Bergbau wesentlich günstiger be­handelt worden sei, als die übrigen Geschädigten, und daß es erwünscht sei, die dem Ruhrbergbau gewährte Begün­stigung durch ausreichende Entschädigung der Arbeiter, der Angestellten und des Mittelstandes zu mildern.

Die Frage der Erhöhung des Zuckerzolles.

vdz. Berlin, 15. Dez.(Tel.) Der wirtschaftspolitische Ausschuß des vorläufigen Reichswirtschaftsrates nahm mit 12 gegen 6 Stimmen einen Antrag an, der eine Zollerhöhung für Zucker um höchstens 5 Rm. für den Doppelzentner, wenn möglich eine Ermäßigung der Zuckersteuer um den gleichen Betrag und eine Befristung des erhöhten Zolles bis zum 1. Oktober 1930 vorschlägt.

Reichsbahnsiedelungsgesellschaft.

bb. Berlin, 15. Dez. Die Deutsche Reichsbahngesell­schaft hat unter der Firma Reichsbahnsiedelungsgesell­schaft, Berlin, eine neue Gesellschaft errichtet. Gegen­stand des Unternehmens ist die Beschaffung von gesun­den und zweckmäßig eingerichteten Kleinwohnungen zu billigem Preise für die im Dienst der Reichsbahngesell­schaft, des Reiches, der Staaten oder der Gemeinden stehenden minderbemittelten Beamten, Angestellten und Arbeiter.

Das Analphabetentum in Polen.

bb. Berlin, 15. Dez. Nach dem Ergebnis der jüngsten Volkszühlung besitzt Polen 6581 307 Analphabeten, vom zehnten Lebensjahre an gerechnet. Davon entfallen auf die Altersstufe von 1014 Jahren 1 051 450 Analpha= beten, von 1519 Jahren 517749 von 2029 Jahren 1025 191. von 3039 Jahren 918 137, von 4059 Jahren 1835 302, während 1000 748 Analphabeten das 60. Lebensjahr überschritten haben.

Neuer großer Hoteldiebstahl.

wtb. Berlin, 15. Dez.(Tel.) Schwer bestohlen wurde gestern ein schlesischer Großindustrieller, der in einem größeren Hotel im Zentrum der Stadt wohnte. Während seiner Abwesenheit drang der Dieb mit Nachschlüsseln ein und erbeutete eine goldene Uhr, mehrere Schmuck­stücke, 2500 polnische Zloty und 100 Dollars in barem Gelde. Man vermutet, daß der Dieb auch die beiden kürzlich in einem anderen Hotel verübten Diebstähle ausgeführt hat Von den bei diesen gestohlenen Gegen­ständen ist bisher nur der Reisepaß und der Jagdschein von Dr. Silverberg aufgefunden worden.

Besichtigung der Königsberger Festungsanlagen durch einen italienischen Oberst.

wtb. Königsberg, 15. Dez.(Tel.) Wie die Abend­blätter melden, ist das Mitglied der interalliierten Militärkontrollkommission. der italienische Oberst Asariti, in Königsberg, um die Festungsanlagen zu inspizieren.

Im Zeichen der Abrüstung.

wtb. Paris. 15. Dez.(Tel.) Bei der Beratung des Budgets der Kriegsmarine im Senat teilte Senator Raiberti als Berichterstatter mit, daß von den 33 durch das Gesetz vom Jahre 1922 bewilligten neuen Schiffen inzwischen 16 in Dienst gestellt seien. Für 1927 sehe man die Kiellegung von 33 neuen Einheiten vor. Exkaiserin Zita in Paris.

wtb. Paris, 15. Dez.(Tel.) Wie das Petit Journal mitteilt, befindet sich die Exkaiserin Zita von Oesterreich augenblicklich zwecks Erledigung persönlicher Angelegen­heiten in Paris.

Turati auf der Reise nach Paris,

wtb. Paris, 15. De:.(Tel.) Dem Oeuvre wird aus Nizza gemeldet, daß der Führer der italienischen Soziali­sten Filippo Turati, der in Calvi auf Korsika einge­troffen war, nach Nizza gereist sei und von dort die Weiterreise nach Paris angetreten habe. Turati habe erklärt, man mache sich in Frankreich nur eine schwache Vorstellung von dem, was in Italien vorgehe. Zahl­reiche Politiker seien verschwunden und man wisse nicht, was aus ihnen geworden sei.

Aenderung des Titels des englischen Parlaments.

wtb. London, 15. Dez.(Tel.) In der heutigen Unter­haussitzung erklärte der Ministerpräsident, daß ent­sprechend den Beschlüssen der Reichskonferenz der Titel

Reichsparlament in den TitelParlament des Ver­einigten Königsreichs von Großbritannien und Nord­irland abgeändert werden soll. Beide Häuser des Parlaments vertagten sich heute auf den 8. Februar 1927. Das Befinden des Kaisers von Japan.

wtb. London, 15. Dez.(Tel.) Wie Reuter aus Tokio meldet, hat Außenminister Shidehara mit Rücksicht auf den kritischen Gesundheitszustand des Kaisers alle gesell­schaftlichen Veranstaltungen abgesagt. Er hält sich in dem kaiserlichen Schloß Hayama auf.

Ein Mißverständnis.

wtb. Angora 15. Dez.(Tel.) Entgegen den Bestim­mungen des bis zum Abschluß des endgültigen Zollver­trages geltenden provisorischen deutsch=türkischen Handels­vertrages erhöhten die türkischen Behörden plötzlich will­kürlich die Zollrichtzahl von 5 auf 8, was eine schwere Schädigung der deutschen Kaufleute bedeutet. Der deutsche Botschafter erhob bei der türkischen Regierung in Angora

Einspruch.. Juug, Tephuc usnu 8.

Ein später eingegangener Funkspruch meldet, die ver­tragswidrige Zollerhöhung sei auf ein Mißverständnis der türkischen Generalzolldirektion zurückzuführen. Die Zolldirektion sei angewiesen worden, die zuviel erhobenen Beträge zurückzuzahlen.

Einwanderungsgesetzgebung in Amerika.

wtb. Washington, 15. Dez.(Tel.) Der Senat nahm einen Antrag an, der die Zulassung von 35,000 Frauen und minderjährigen Kinder von Einwanderern, die vor dem 1. Juli 1924 zugelassen worden sind und um Natu­xalisierung nachgesucht haben, vorsicht.

Die Feiebeneinsglichten 1317.

wtb. Berlin, 15. Dez.(Tel.) Vor dem Untersuchungs­ausschuß des Reichtages für die Friedensmöglichkeiten, der am Mittwoch unter dem Vorsitz des Abg. Dr. Philipp(DN.) und im Beisein der Mitglieder des ehe­maligen Siebener=Ausschusses des Reichstages erneut zusammentrat, waren Reichskanzler a. D. Dr. Michaelis und Staatssekretär a. D. v. Kühlmann als Zeuge erschienen...... 8.hlmaun Fihrt­

Staatsminister a. D. v. Kuhlmann führte

Ich möchte, da wir in breiterer Oeffentlichkeit ver­handeln, eines feststellen, was der Zweite Untersuchungs­ausschuß in seinem publizierten Konklusum festgestellt hat, allerdings in einer verhältnismäßig diplomatisch gefaßten Form: die Friedensaussichten des Jahres 1917, welche der Hl. Stuhl durch seine Note bis zu den Ver­handlungsmöglichkeiten zu verdichten hoffte, haben ihr Ende gefunden am 26. August 1917. Alles, was nach­her geschehen ist, unsere Verhandlungen mit den Ver­bündeten, unsere Diskussion mit den Neutralen, unser Schriftwechsel mit der Kurie und unsere Arbeit im Siehener=Ausschuß haben an diesem Resultat, das, falls

Siebener=Ausschuß haben an biesem Resultät, bas, salls überhaupt eine Friedensmöglichkeit bestanden hat, mit

dem 26. August endgültig erledigt und eingesargt war, nichts mehr ändern können. Durch diese Feststellung dürfte der wichtigste Teil der Legendenbildung end­gültig zerstört sein. Die begreifliche Erregung im deutschen Volke kam daher, daß sich der Glaube bildete, es habe eine greifbare Friedensmöglichkeit bestanden und sie sei durch fahrlässiges oder schuldhaftes Handeln oder Unterlassen der Reichsregierung versäumt worden.

von Kühlmann gibt dann einen Ueberblick über die Ereignisse und weist darauf hin, daß auf Frankreichs Seite damals nie die leiseste Geneigtheit zum Frieden bestanden habe. Ob auf englischer Seite eine Geneigt­heit vorhanden war, muß jetzt zweifelhaft erscheinen. Immerhin sei es aber möglich, daß gewisse Unter­strömungen der englischen Regierung einer Fühlung­nahme durch den Vatikan nicht ablehnend gegenüber­standen, da, wie sich aus der jetzigen Tagespolitik noch höufig zeige, in England weitere Gesichlspunkte herr­schen, als bei einem Teil der französischen Staats­

männer. Mit der Erklärung des französischen Außen­ministers, daß er sich unter keinen Umständen auf den Weg schleppen lassen werde, auf den der Vatikan ihn zu ziehen bereit scheine, war die Angelegenheit damals vollkommen abgebrochen. Bei meinem Amtsantritt habe ich dem Reichskanzler Dr. Michaelis präzise erklärt, daß ich die militärische und innere Situation Deutschlands so beurteile, daß ich es für unbedingt nötig halte, so­bald wie möglich zum Frieden zu kommen. Unsere poli­tischen Verhältnisse waren jedoch überaus schwierig, da ein neuer Faktor, die Oberste Heeresleitung, entstanden war. Es wurde damals beschlossen ourch eine geeignete neutrale Persönlichkeit feststellen zu lassen, ob bei Eng­land irgendwelche Friedensgeneigtheit bestünde. Es

war vollkommen klar, daß neben der elsaß=lothringischen Frage, die anscheinend im Hintergrunde stand, aber an Bedeutung alle anderen überragte, der belgischen die Hauptbedeutung zukam. Wir waren bereit, die Un­verletzlichkeit Belgiens bindend zuzusagen. Aber wesent­liche Teile der öffentlichen Meinung und der Obersten Heeresleitung waren Belgien gegenüber annektionistisch eingestellt. Sie forderten mindestens eine politische und industrielle Durchdringung dieses Gebietes, was ich von vornherein für ausgeschlossen hielt. Trotz der Beschlüsse des Kronrates im Schlosse Bellevue hat sich die Oberste Heeresleitung auch später wieder auf annektionistische Pläne eingestellt, weil sie meinte, die bisherigen hätten nur für das laufende Jahr Geltung gehabt. Ich hatte den Eindruck, daß zur Zeit der päpstlichen Friedens­aktion bereits eine bindende Versprechung Englands. bezügl. Elsaß=Lothringens. Frankreichs Kreisen vorlag.

Alle Pläne, den Reichstag aus dem Hause zu jagen und diktatorisch zu regieren, hielt ich für Wahnsinn. Ich habe vielmehr dem Kaiser gesagt, daß man schrittweise zu einer parlamentarischen Regierung kommen müsse. Die Ernennung des Grafen Hextling zum Reichskanzler, insbesondere der Eintritt des Herrn von Payer in das Reichskabinett, war eigentlich der entscheidende Schritt im Sinne der Parlamentarisierung der Regierung. Neben den offiziellen Verhandlungen, wie selbstverständlich auch halboffiziellen, sind vertrau­liche und private Korrespondenzen einhergegangen. Wie die Sozialdemokratische Partei, so hatte auch die katho­lische Kirche ein weitverzweigtes Netz privater Korre­

Der Zeuge bringt sodann die offisielle Rote des Papstes zur Verlesung und erklärt es gehe daraus her­vor, daß der Vatikan auf dem Standpunkt gestanden habe, daß der Brief vom 24. September nicht eine Ver­neinung unserer Bereitwilligkeit gewesen sei. Der Zeuge kommt dann auf die Verhandlungen im Reichstage zu sprechen und führt dazu aus, daß diese Mitteilung über den Inhalt des Briefes nicht gemacht werden konnte, da auch dieses Gremium für Geheimhaltung keine volle Gewähr geboten habe, wie auch nicht einmal das Haupt­quartier eine solche Gewähr bot Die Kurie würde sich der Veröffentlichung des Briefwechsels widersetzt haben, und es bestand die größte Gefahr, den Friedensschritt der Kurie bei der Entente durch eine Veröffentlichung vollkommen undiskutabel zu machen. Der Zeuge schloß seine Ausführungen mit dem Hinweis darauf, daß auch heute noch das Wesen der diplomatischen Korrespondenz die Vertraulichkeit sei.

An diese Vernehmung schloß sich eine längere Dis­kussion, in der verschiedene Abgeordnete Fragen an den Zeugen richteten. Der Zeuge erklärte dabei, daß er mit Erzberger in jener Zeit nur ganz werige redungen gehabt habe und sich auf Einzelheiten nicht

mehr besinnen könne. 81116 8n5 W

Hierauf wurde die Verhandiung auf Freitag vertagt.

Beutscher Reichstag.

wp. Berlin, 15. Dez.(Tel.) Der Reichstag beschloß in seiner heutigen Sitzung zunächst die Verlängerung einer ganzen Reihe von Gesetzen, die sonst mit Ende dieses Jahres ablaufen würden. Die Vorlage, wonach das Sperrgesetz für die Fürstenauseinandersetzungs­prozesse bis zum 30. Juni 1927 verlängert werden soll, wurde dem Rechtsausschuß überwiesen, weil noch Mei­

Die Verhündlunngen üder die größe Kouinion.

wtb. Berlin, 15. Dez.(Funkspruch). Wie das WTB. aus parlamentarischen Kreisen erfährt, hat Reichskanzler Dr. Marx heute abend die Abgeordneten Müller=Franken und Dr. Breitscheid empfangen und ihnen mitgeteilt, daß die Regierungsparteien sich zu Verhandlungen über die

Große Koalition bereit erklärt haben.

Die sozialdemokratische Fraktion tagt in den Abend­stunden noch, um ihren Standpunkt zu den materiellen Grundlagen dieser Verhandlungen zu klären. Ebenso zog sich die Sitzung der Deutschen Volkspartei, in der auch Dr. Stresemann das Wort nahm, lange hin. Das

Reichskabinett wird morgen vormittag um 10 Uhr zu­sammentreten und das Ergebnis der sozialdemokratischen Fraktionssitzung entgegenehmen. Um 10.30 Uhr wird der Kanzler die Parteiführer der Koalitionsparteien empfangen. Eine außenpolitische Debatte im Reichstag wird nicht mehr erwartet. Man rechnet damit, daß nur die Kommunisten und die Völkischen zu außenpolitischen Fragen das Wort nehmen werden und daß die Deutsch­nationalen eine Erklärung abgeben werden. Der Redner der Sozialdemokraten wird sich voraussichtlich auf Fragen der Reichswehr beschränken. Der Kanzler wird darauf mit einer Erklärung antworten.

uch Dr. Stresemann das Wart nahm lange

Die Sozialdemokraten fordern Rücktritt der

wtb. Berlin, 16. Dez.(Funkspruch). Die sozialdemo­kratische Reichstagsfraktion faßte am Mittwoch abend nach 4stündiger Beratung folgenden Beschluß:

Die sozialdemokratische Fraktion ist zu Verhand­

lungen über die Bildung der Großen Koalition bereit; sie ist aber der Auffassung, daß hierzu der Rücktritt der Reichsregierung erforderlich ist.

Wie das Büro des Vereins deutscher Zeitungsver­leger dazu hört, wird die Fraktion ein Mißtrauens­votum einbringen, wenn der Rücktritt der Reichsregie­rung nicht erfolgt.

Die Folgen des sozialdemokratischen Fraktionsbeschlusses.

pw. Berlin, 16. Dez.(Funkspruch). Durch den gestern in später Abendstunde von der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gefaßten Beschluß hat sich die inner­politische Lage von Grund auf geändert. Ob die gestern besprochenen parlamentarischen Dispositionen sich auf­recht erhalten lassen werden, ist fraglich geworden. Die endgültige Entscheidung über die Lage dürfte am heu­

tigen Vormittag fallen, wenn die Stellungnahme des Reichskabinetts zu dem sozialdemokratischen Beschluß und das Ergebnis der sich an die Kabinettsitzung an­schließenden Besprechung des Kanzlers mit den Frak­tionsführern der Regierungsparteien vorliegen wird Die Germania glaubt nicht, daß die Reichsregierung und die Regierungsparteien viel Neigung zeigen werden. der sozialdemokratischen Forderung nachzukommen. Aehnlich äußert sich die Tägliche Rundschau, die nicht daran zweifelt, daß das Kabinett der sozialdemokra­tischen Forderung nicht Rechnung tragen wird. Der Vorwärts erklärt: sollte die Regierung sich den Grün­den der sozialdemokratischen Fraktion nicht anschließen und nicht zurücktreten, so würde der Versuch notwendig werden, durch eine Abstimmung im Reichstag für die Neubildung der Regierung freie Bahn zu schaffen. Das Mißtrauen der Sozialdemokratie gegen Geßler kann nicht mehr beseitigt oder beschwichtigt werden. Zunächst wird die Fraktion dem Reichswehrminister Geßler ihr Mißtrauen bekunden. Das weitere hängt von den Be­schlüssen des Kabinetts ab. Auf eine Vertagung der Krise kann sich die Sozialdemokratie nicht einlassen.

Grenzverletzung durch polnisches Militär.

pw. Berlin, 15. Dez.(Tel.) Nach einer Meldung der Königsberger Allgemeinen Zeitung soll am Montag bei Garnsee nahe der Paßkontrolle ein polnischer Ulanenoffizier mit etwa 20 Mann die deutsche Grenze überschritten haben. Nach einer etwa eine Viertelstunde dauernden Instruktion der Mannschaft durch den Offi­zier, an Hand einer Karte, soll die Abteilung wieder auf polnisches Gebiet zurückgekehrt sein.

wtb. Marienwerder, 15. Dez.(Tel.) Wie die Weichsel­zeisung zu der Grenzverletzung weiter berichtet, erschienen am Wontag, den 13. ds. Mts. gegen 2 Uhr nachmittags auf einem Lastauto etwa 3 Offiziere und 40 Mann pol­nisches Militär an der auf der Straße GarnseeGarn­

seer Bahnhof gelegenen polnischen Paßkontrollstelle. Eine polnische Abteilung blieb auf polnischem Boden, wäh­rend die andere sich auf deutsches Gebiet gegenüber der polnischen Paßstelle begab und sich dort eine Viertel­stunde aushielt. Der auf dem Grenzbahnhof Garnsee stationierte polnische Wachtmeister war zugegen und ließ die Grenzverletzung durch die polnischen Soldaten ruhig geschehen. Es liegt eine offensichtliche und vorsätzliche Grenzverletzung vor.

I Anmerkung des WTB.: Wie wir von unterrichteter Seite hören, dürfte die Nachricht von dieser Grenzver­letzung zutressen. Die Angelegenheit wird auf diplo­

matischem Wege weiter verfolgt werden.

dzesse bis zum 30. Juni 1927 verlängert, werder, sol

würbe dem Rechlsausschuß überwiesen, weir noch,chier­nungsverschiedenheiten unter den Parteien bestehen.

In der Aussprache äußerte Reichsjustizminister Dr. Bell die Hoffnung, daß die Zeit des Sperrgesetzes zur güt­lichen Verständigung zwischen den Landesregierungen und den Fürstenfamilien benutzt werden möge. Die zweite Beratung des Nachtragsetats wurde dann mit der Bewilligung der Etats des Reichsfinanzministe­riums, der allgemeinen Finanzverwaltung, des Aus­wärtigen Amtes und mit der Annahme des Haushalts­gesetzes zu Ende geführt Beim Etat des Auswärtigen Amtes nahm niemand das Wort, weil die große außen­politische Debatte am Donnerstag bei der dritten Be­ratung dieses Haushalts beginnen soll.

Die Beratung des Finanzetats leitete Reichsfinanzminister Dr. Reinhold durch eine Erklärung ein, in der er es ablehnt, die vom Reichstag beim Ost­programm und bei den Notstandsbeihilfen beschlossenen beträchtlichen Erhöhungen durchzuführen. Er richtete an die Parteien die Mahnung. bei der entscheidenden

dritten Beratung zu den von der Regierung vorge­schlagenen niedrigeren Sätzen zurückzukehren. Im ande­ren Falle könne die Regierung dem Willen des Reichs­tages nicht entsprechen. Sie werde in solchen Fällen ja nur zu Ausgaben ermächtigt, aber nicht verpflichtet. Abg. Dr. Hertz(Soz.) vertrat den Standpunkt, daß der Minister die Vertrauensfrage stellen müsse, wenn er es für unmöglich halte. Reichstagsbeschlüsse durchzu­führen. Zu den Beschwerden der Oppositionsredner über die unzureichende Beamtenbesoldung gab Dr. Reinhold die Erklärung ab, daß die Regierung die Besoldungs­neuregelung gleichzeitig mit dem endgültigen Finanz­ausgleich im nächsten Frühjahr dem Reichstag vorlegen wolle.

Am.Donnerstag um 12 Uhr wird nach der dritten Lesung des Sperrgesetzes die große außenpolitische Aus­sprache beginnen.

Die Mahnung des

Reichsfinanzminister Dr. Reinhold führte u. a. aus:

Die Ausschußbeschlüsse haben die Reichsregierung in eine sehr ernste Lage versetzt. Ich habe im Namen der Regierung zu erklären, daß es als ausgeschlossen anzu­sehen ist, daß wir bei unserer Finanzlage mehr als 200 Millionen Mehreinnahmen veranschlagen können. Wenn der Ausschuß 227 Millionen Mehreinnahmen in den Haushalt einstellt, so ist das eine Schätzung, die lediglich dadurch zustande gekommen ist, daß man alle Mehrausgaben, die der Ausschuß beschlossen hatte, decken wollte. Das bedeutet aber ein verschleiertes Defizit. Ich kann mich aber dazu nicht deshalb her­geben, weil der Ausschuß über die Anforderungen der Regierung hinausgegangen ist. Während wir schon einen sehr hohen Nachtragshaushalt haben, gegen den von Parteien nicht mit Unrecht Einwendungen erhoben sind. hat der Ausschuß von diesem Nachtragshaushalt nur eine Million gestrichen, was beweist, daß nur das Not­wendigste angefordert worden ist. Aber der Ausschuß hat zusammen mit den Beschlüssen der zweiten Lesung im ganzen noch 138 Millionen Ausgaben hinzugesetzt. (Hört! Hört!) Damit werden wir in das Defizit hinein­kommen, das die Regierung nicht verantworten kann. Die Dinge liegen noch schlimmer insofern, als ein anderer Ausschuß. der Steuerausschuß. sich heute morgen sehr ernsthaft mit der Frage beschäftigt hat, ob nicht etwa die Biersteuererhöhung, die am 1. Januar eintreten soll, noch weiter hinausgeschoben werden kann. Diese Hinausschiebung würde das Haus­haltbild für 1927, das schon sehr angespannt, ganz un­möglich machen. Die Reichsregierung kann zu dieser Hinausschiebung ihre Zustimmung nicht geben. Wäh­rend auf der einen Seite der Haushaltausschuß dauernd zu Mehrausgaben drängt versuchen andere Ausschüsse, die Steuern herabeusetzen. So wird ein Bild geschaffen. das kein Finaniminister auf die Dauer verantworten kann. Ich appelliere dringend an das Verantwortungs­bewußtsein des Hauses, die Regierung in dem Be­streben zu unterstützen, den Haushalt auszugleichen. Wir bitten, das Ostprogramm wieder auf 32 Mil­lionen zu beschränken und auch den Fonds für die Not­opferabfindung wieder mit 20 Millionen einzusetzen. Dann hat die Regierung lediglich die Summen zu leisten. die zwangsläufig sind, 40 Millionen für die Erwerbs­losenfürsorge, 25 Millionen für die soziale Hilfe an Kleinrentner und Sozialrentner. 41.5 Millionen an ein maligen Zulagen für die Beamten und Kriegsbeschädig­ten und die anderen kleineren Posten. Dadurch würde die Höchstarenze von 200 Millionen nicht überschritten. werden. Ich bitte deshalb, den Anforderungen der Re­gierung Rechnung zu tragen und dadurch die solide Finanzgebarung aufrecht zuerhalten. Wenn wir zu Mehr­ausgaben gedrängt werden, können wir den Haushalt nicht im Gleichgewicht erhalten.

Sollte aber der Reichstag aus Parteikonstellation diesem dringenden Appell der Reichsregierung nicht folgen, so muß ich erklären, daß ich als Finanzminister: nicht in der Lage bin, die Bewilligung dieser Ausgaben: zu übernehmen. Durch den Etat wird die Regierung zu den Ausgaben ermächtigt, aber nicht verpflichtet. Ich fürchte, daß die Vereinbarungen, die wir mit den Reichstag über die Finanzgebarung seinerzeit getroffer haben, durch diese Aktion außerordentlich erschwert wird, zumal da wir auch Rücksicht auf den Reichsrat und auf­die Länder und Gemeinden nehmen müssen. Ich bitte dies in der dritten Lesung des Nachtragetats zu berück sichtigen und die Regierung nicht in die schwierige Lage zu bringen, von sich aus bestimmen zu müssen, welche Summen aus finanziellen Gründen von ihr wirklich verausgabt werden können.