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Schwerter Dolkszeitung

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Nr. 209.

Die

preußische

Von Staatsminister a. D. Paul hirsch.

Daß die preußische Verfassung noch ihrer Ver­abschiedung harrt, ist nicht auf mangelnden Fleiß der gesetzgebenden Körperschaften zurückzuführen, sondern es hat seinen Grund in der ungeheuren Schwierigkeit der Materie, bei deren Behandlung sich immer neue Drobleme von weittragender Be­deutung aufrollen, nicht zuletzt aber auch in dem Verhältnis Preußens zum Reich. An dem Artikel 63 der Reichsverfassung, wonach die Hälfte d. preu ßischen Stimmen im Reichsrat nach Maßgabe eines Landesgesetzes von den preußischen Provinzialver­waltungen bestellt wird, kann die preußische Ver­assung natürlich nicht vorübergehen. Sucht man aber der Bestimmung Rechnung zu tragen, so gerät man, wie sich das im Verfassungsausschuß der Landesversammlung gezeigt hat, sofort in neue Schwierigkeiten, weil es unmöglich ist, Vertreter der Orovinzialverwaltungen für den Reichsrat zu bestellen, ohne zuvor das Verhältnis der Provinzen zum Staate geregelt und die Provinzialverfassung selbst demokratisiert zu haben.

In richtiger Erkenntnis diesen Sachlage hat denn auch der Verfassungsausschuß der Landesver­sammlung in dem Entwurf der Regierung einen neuen§ 58a eingefügt, der ebenso wie für die Wahlen zur Volksvertretung, auch für die Wahlen zu den Orovinzial=, Kreis= und Gemeindevertretun­gen das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht festlegt. Da aber eine Reihe wichtiger Bestimmungen der Verfassung erst dann in Kraft treten sollen, wenn die Neuwahlen der Provinzial­landtage auf Grund des§ 58a erfolgt sind, ergibt sich eine weitere Verzögerung, die in der Natur der Sache liegt.

Diese Bestimmungen sind einmal die über die Selbstverwaltung und zweitens die über den Staatsrat. Ueber die Frage der Selbstverwaltung herrscht im allgemeinen Uebereinstimmung, den politischen Gemeinden und Gemeindeverbänden werden Selbstverwaltungs= und Auftragsange­legenheiten überwiesen, beides unter der gesetzlich geregelten Aufsicht des Staates. Als Selbstver­waltungsorgane verwalten sie die ihnen gesetzlich obliegenden oder freiwillig von ihnen übernomme­nen eigenen Angelegenheiten, als ausführende Or­gane des Staates diejenigen staatlichen Obliegen­heiten, die ihnen vom Staate überwiesen werden.

Um so mehr aber gehen die Ansichten über den Staatsrat auseinader, weil hier die ganze Frage Einkammer= oder Zweikammersystem sich aufwirft. In dem ursprünglichen Regierungsentwurf war zur Mitwirkung bei Gesetzen von finanzieller Bedeu­tung ein Finanzrat vorgesehen. Der Ausschuß hat den Finanzrat verworfen, obwohl er in seiner großen Mehrheit die Einführung eines retardieren­den Elements für notwendig hält und statt dessen einen Staatsrat geschaffen. über dessen Befugnisse und Zusammensetzung bisher freilich eine Einigung noch nicht erzielt werden konnte. Der Beschluß der ersten Lesung ist nur ein vorläufiger, der, wenn nicht in der zweiten Lesung des Ausschusses, so sicher im Plenum eine Rbänderung erfahren dürfte. Kehnlich wie Artikel 60 der Reichsverfassung zur Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetz­gebung und Verwaltung des Reiches einen Reichs­rat vorsieht, soll nach Artikel 24a der preußischen Versassung zur Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates ein Staatsrat gebildet werden. Hiermit könnten sich auch die Anhänger des Einkammersystems absin­den, wenn nicht die weiteren Daragraphen Ansätze dazu enthielten, diesen Staatsrat zu einer Art er­ster Kammer auszugestalten. Nach den bisherigen Beschlüssen des Ausschusses ist der Staatsrat weder Fisch noch Fleisch, er ist weder eine feste Kammer, wie sie die Vertreter der Rechtsparteien wünschen, noch ist er eine bloße Vertrelung der Provinzen,

Montag, den 6. September 1920.

55. Jahrgang.

deren Befugnisse denen des Reichsrates gleichen, sondern eine Mischung aus beiden, mit der keine Partei zufrieden ist.

Den provinzialen Verschiedenheiten und den Sachverhältnissen in den einzelnen preußischen Orovinzen muß die Verfassung unbedingt Rech­nung tragen, wenn anders den Absplitterungsbe­strebungen ein Damm entgegengesetzt werden soll.

Es war einer der schlimmsten Fehler, des allten Staates, daß er sich um die Strömungen im Dolke nicht nur nicht gekümmert, sondern sich oft genug direkt über sie hinweggesetzt hat. So erklären sich zum großen Leil die Rblösungsbestrebungen, die unmittelbar nach dem Susammenbruch im Rhein­land auftauchten und sich von dort aus weiter über andere preußische Landesteile verbreiteten.

In den Fehler des alten Dreußens darf die Gesetz­gebung und Verwaltung des neuen Dreußens nicht verfallen, sie muß die Eigenarten der Orovinzen berücksichtigen und ihnen gewisse Rechte sichern. Wieweit man dabei gehen kann, ohne Gefahr zu laufen, daß die Orovinzen schließlich Staaten im Staate werden, das ist das schwerwiegendste inner­politische Problem nicht nur für die Gestaltung Dreußens, sondern letzten Endes auch für die des Reiches, ein Problem, das zu lösen, bisher dem Verfassungsausschuß noch nicht gelungen ist.

Der Ausschuß wird in einigen Wochen zu seiner zweiten Lesung zusammentreten. hoffen wir, daß er der Schwierigkeiten Herr wird und daß eine den Erfordernissen der neuen Zeit gerecht werdende Verfassung zustande kommt. Geschieht das, dann kann die verfassunggebende Landesversammlung Preußens, die daneben noch eine Fülle ron Arboit geleistet hat, mit Stolz auf ihre Cätigkeit zurück­blicken.

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Der Sühnebesuch beim franz. Botschafter.

WTB Berlin, 5. Sept. Der Reichsminister des Aeußeren Dr. Simons und der preußische Minister des Inneren Severing suchten heute mittag den französischen Botschafter auf. Dr. Simons erklärte Herrn Laurent folgendes: In der Note vom 30. vorigen Monats haben Eure Exzellenz der deutschen Regierung die Bedin­gungen mitgeteilt, unter denen die Regierung der französischen Republik die Beilegung des Zwischen­falles herbeiführen will, der sich auf dem fran­zösischen Konsulat in Breslau am 26. August d.

zugetragen hat. Dabei haben Eure Exzellenz betont, daß die Regierung der französischen Re­publik mit der deutschen Regierung in der At­mosphäre der Beruhigung und der friedlichen Beziehungen leben möchte. Derselbe Wunsch ersüllt die deutsche Regierung. Sie mißbilligt auf das entschiedenste diese Vorkommnisse, die, wie die Vorkommnisse in Breslau, durch gewisse Um­stände und Ereignisse erklärt, aber nicht gerecht­fertigt werden können. Die deutsche Regierung bedauert alle Zwischenfälle, deren Opfer fran­zösische Vertreter oder Staatsbehörden geworden sind und wird die in der Note vom 30. v. Mts. geforderten Genugtuungen gewähren.

Der französische Botschafter erwiederte: Im Namen der Regierung der Republik nehme ich Kenntnis von der Erklärung Eurer Exzellenz und der Zusagen der Reichsregierung, daß sie die ihr mitgeteilte Wiedergutmachungsforderung erfüllen wird. Lassen Sie mich. Herr Minister, der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich ähnliche Zwischenfälle nicht wiederholen, und daß die Be­ziehungen Deutschlands und Frankreichs sich von nun an im Beiste friedlicher Zusammenarbeit gestalten werden, der für die wirtschaftliche Wiederaufrichtung und das Gedeihen beider Teile nötig ist.

Franzssische Spienage im Ruhrgebiet.

Ein Spion verhaftet.

In Mülheim an der Kuhr wurde ein Kaufmann Willy Kühl aus Brüssel verhaftet, der dadurch Ver­

dacht erregte, daß er sich verschiedentlich an Reichs­wahrsoldaten heranmachte. Ulan fand bei ihm einen in französischer Sprache abgefaßten Frage­bogen, aus dessen Fassug deutlich hervorgeht, daß Frankreich das ganze Ruhrgebiet mit einem groß­zügig angelegten

Spionagesystem

überzogen hat.

Unter der UeberschriftAllgemeine Fragen wer­den auf dem Fragebogen zunächst folgende Infor­mationen verlangt­

Bahnhofspläne des Ruhrreviers, Lagepläne der Eisenbahndirektionsgebäude, genaueste Erkunsdig­ungen über die Reichs-Sicherheits= und Einwohner­wehren. Es heißt dann ferner:

Politische Erkundigungen:

Haltung der Arbeiterbevölkerung. Auf die Haltungg der Kommunisten, der unabhängigen So­zialdemokraten und der Mitglieder der sozial­demokratischen Dartei ist das besondere Augenmerk zu richten. Was denken diese über die Reichswehr, die Sicherheitswehr und die Einwohnerwehren? Sind sie ihnen feindselig gesinnt? Insbesondere, wie würden die Arbeiter und Führer, d. h. die In­genieure und die Direktoren, sowie andere führende Personen die Besetzung des Ruhrreviers durch die Entente hinnehmen? Würden Sie annehmen? Wür­den Sie Widerstand leisten und auf welche Irt und Weise? Sind schon Dorbereitungen für einen Wi­derstand der Arbeiter getroffen?

Dann heißt es weiter: Name, Stand und Ein­fluß der Regierungs= und Stadtoberhäupter(Ober­präsidenten, Regierungspräsidenten, Oberbürger­meister usw.).

Welche sind uns feindlich gesinnt? Welche wür­den uns bei einem eventuellen Einmarsch freundlich gesinnt sein? Adresse ihrer Büros?

Besteht noch die Cechnische llothilfe, der Heimat­dienst oder irgend eine andere Organisation der­selben Art? Wenn ja, geben Sie uns Name und Adresse des leitenden Verwaltungspersonals an.

Wirtschaftliche Auskundschaftungen.

1. Bestehen noch Lebensmittelläger? Bezeich­nen Sie dieselben: a) des Reiches(Stellen der Zwangswirtschaft), b) der Kommunen, c) der Un­ternehmer, d. h. die Warenlager, die insbesodere Ueberschichtenmaterial enthalten.

2. Geben Sie uns genaue und vollständige Adressen der Räume und wie die Waren unterge­bracht sind, an.

3. Bestehende Kohlenlager(Adressen der Tager).

4. Eisenerzlager.

5. Lagepläne der bedeutendsten Firmen.

In dieser Form geht es auf diesem Fragebogen mehrere Seiten lang weiter. Dadurch ist einwand­frei festgestellt, daß die Franzosen sich nicht scheuen, jenes Gebiet bis ins Kleinste ausspionieren zu lassen, auf das sie schon lange ein Auge geworfen haben. Es kann aber doch wohl leicht noch an­ders kommen, als wie der siegestrunkene Franzose sich die Besetzung des Kuhrkohlenreviers vorstellt! 900

Schöne Aussichten!

In der Sitzung der Reichskonferenz der U. S. D. D. hat u. a. der Abg. Braß von Remscheid er­klärt:Mit dem Generalstreik allein erreicht man nicht die sozialistische Macht. Wir müssen uns darüber klar werden daß wir bei dem Endkampf um den bewaffneten Aufstand nicht her­umkommen. Das ist den Genossen im Lande nicht unbekannt. Die Uöglichkeit zur Erhebung ist ge­goben; einen Seitpunkt zu bestimmen, bin ich nicht vermessen genug. Die Arbeiter werden aus eige­ner Erfahrung den Kampf mit dem schlimmsten Terror führen. Das sagen unsere besten Genossen Sie werden halten Blutes die Flinte auf die Schul­

ter nehmen und an den vordersten Stellen sein. Dann werden wir sogar die Diktatur über das Pro­letariat ausüben müssen. Wir haben es dann auch mit undisziplinierten Massen zu tun, die gebän­digt werden müssen, soll es nicht zum Chaos kom­men. Genau das Gleiche gilt von der Dreßfrei­heit. Das sind praktische Erfahrungen, die man nicht aus dem Auge lassen darf. Wir werden dann nicht anders können, als den Cerror in unseren eigenen Reihen durchzuführen. Das ist die Mlei­nung der Arbeiter, die gekämpft haben. Ueber­flüssig zu sagen, daß diesen Worten lebhafter Bei­fall folgte.

Die kommende Zwangs­anleihe.

Die seit einiger Seit in Umlauf befindlichen Gerüchte über die Aufnahme einer Zwangsanleihe werden von maßgebender Stelle im Reichsfinanz­ministerium bestätigt. Angesichts der immer schär­feren llotlage des Reiches muß zur Ausgabe einer Swangsanleihe geschritten werden. Es soll dabei jedoch auf diejenigen, die das Reichsnotopfer sofort und in stärkerer Weise belastet, billige Rücksicht ge­nommen werden. Infolgedessen wird die Iwangs­anleihe in einer neuen Form erscheinen, die ihr einen Teil der Härten nehmen soll. Die Vorarbeiten im Reichsfinanzministerium sind bereits soweit ge­diehen, daß in nächster Seit mit dem Projekt an die Geffentlichkeit getreten werden kann. Auch die Reichsbank hat ein starkes Interesse an der Schaf­fung einer Iwangsanleihe. Don Interesse dürfte es noch sein, daß ein Staat, dessen Finanzen und Wirtschaft sich in sehr geordneten Verhältnissen be­wegen, nämlich das Königreich der Nliederlande, schon in diesem Jahre die Aufnahme einer Zwangs­keihe beschlossen hat.

So bleibt uns denn also in unserer verfahrenen Finanzlage, die die Reichsschuld auf den Riesen­stand von 265 Milliarden Mark(allerdings unter Einrechnung von 40 Milliarden Mark übernomme­ner Eisenbahnschulden) gebracht hat, der fatale Kusweg einer Iwangsanleihe nicht erspart. Jatal, wenn auch darum vielleicht noch nicht gerade ver­zweifelt, bleibt dieser Ausweg zwangsweisen Ein­grisfes in den Kapitalstock der Uation natürlich in jedem Falle, auch wenn wir wissen, daß diesen Weg schon einzelne llationen, und noch dazu viel besser gestellte, wie z. B. holland, schon beschritten haben oder doch im Begriff waren, ihn zu be­schreiten, wie z. B. Italien und Frankreich. Dort ist es bis jetztnoch bei freiwilligen Arlleihen ver­blieben. Aber wenn diese letzteren schon in diesen Ländern als den Siegesstaaten nur recht mäßige Summen hereingebracht haben, die jedenfalls die Gesamt=Schuldenlast nicht entscheidend aufzubessern vermochten, so kann unsere deutsche Reichsfinanz­leitung unter der Masse der Widrigkeiten, die auf uns lagern, begreiflicherweise noch weniger auf durchschlagenden Erfolg einer freiwilligen An­leihe rechnen. Die stetig sinkenden Kurse aller Staatspapiere mit ihren immer neuen Verlusten für die unglücklichen Besitzer dieser Dapiere(schon jetzt viele Milliarden) und das Bewußtsein, daß der Kurs der Kriegsanleihen ja nur durch ein Stütz­ungskonsortium gehalten wird, lassen mit Sicher­heit darauf schließen, daß eine freiwillige Anleihe bei uns ein Fiasko erleben würde. Jur Zeit wer­den überdies noch Riesensummen für den Wie der­aufbau unserer Industrie gebraucht und erschweren eine freiwillige Seichnung Staatsanleihen ohnehin. Der Mißerfolg der Sparprämienanleihe steht ja überdieß noch in aller Gedächtnis(5 Milliarden Jeichnung, darunter nur die Hälste bar!). Die Seit drängt aber. Nlicht nur, daß der Dapiergeldumlauf zur Stunde schon um 70 Milliarden Mark auf geradezu erschreckenden Stand gekommen ist, mehr noch als dies drängen die schwebenden Schul­den die gegenwärtig weit über 100 Milliarden M. betragen. Hier muß ein großer Dosten mit einem Male abgestoßen werden. So läßt dann die llot der Seit keinen anderen Ausweg. als einmat dag