Montag, den 23. September 1929
86. Jahrgang
Nr. 223
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Der deutschnationale Abgeordnete Dr. Klönne bietet Frankreich ein Militärbündnis gegen Rußland an
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Berlin, 22. September.
Nicht nur Berlin, sondern die gesamte politische Welt Deutschlands hat heute ihre Sensation. Der Kampf um die Frage Dawes= oder Young-Plan hatte sich schon in den letzten Wochen derartig verschärft, saß die parteipolitischen Geschosse scharf von hüben nach drüben flogen. Im besonderen war es das amtliche Organ der Deutschen Volkspartei, das sich gegen die schweren Angriffe von rechts zur Wehr setzte und die Verdächtigungen in Schranken zurückwies, um den innerpolitischen Kampf in Deutschland von der Gehässigkeit zu befreien, in die er langsam geraten war. Schon während der Verhandlungen im Haag war durch das Hugenbergsche Telegramm an den deutschen Reichsaußenminister eine Lage geschaffen, die endlich einmal ein klares Wort von der Seite verlangte, die sich mit der Außenpolitik des Reichsaußenministers Dr. Stresemann einverstanden erklärt. Nunmehr hat dieser Streit zwischen der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei am Samstag einstweilen seinen Höhepunkt erreicht.
Die„Nationalliberale Korrespondenz“, das amtliche Mitteilungsblatt der Deutschen Volkspartei, macht in ihrer Samstag=Ausgabe aufsehenerregende Mitteilungen, wonach der deutschnationale Abgeordnete Klönne ohne Wissen der deutschen amtlichen Stellen mit französischen Militärkreisen und Politikern über ein deutsch= französisches Militärbündnis unterhandelt habe. Die Korrespondenz hatte bereits kürzlich angedeutet, daß von deutschnationaler Seite„in Paris sehr viel weitergehende, ja viel gefährlichere Angebote gemacht worden seien als die von Hugenberg bekämpfte Politik der Verständigung“. Die deutschnationale Pressestelle hatte die„.=L..“ darauf der Verleumdng beschuldigt. Die
Veröffentlichung der„.=L..“, die, wie gesagt,
„wenigstens in etwas den Schleier lüften solle“, besagt:
„Herr Klönne reist seit dem Jahre 1926 in politischer Mission nach England und Frankreich. Er hat in zahlreichen Gesprächen mit französischen Politikern den Franzosen ein Militärbündnis und
ein Zusammengehen Deutschlands und Frankreichs gegen Sowjetrußland
angetragen. Er hat über dasselbe Thema mit einem hervorragenden beamteten englischen Politiker in Paris Besprechungen gehabt. Ein französischer General, der aus seiner Tätigkeit im Zusammenhange mit Fragen der Entwaffnung Deutschlands pohlbekannt in Deutschland ist und als ein hervorragender Kenner des augenblicklichen Rüstungsstandes in Deutschland gelten muß, ist mit Wissen von Herrn Klönne und mit Wissen der hinter ihm stehenden deutschnationalen Hintermänner im Winter 1927/28 incognito nach Berlin gekommen, um mit deutschen Militärs die Frage eines deutsch=französischen Militärbündnisses zu besprechen. Dieser hohe französische Offizier stand während seines Aufenthaltes in Berlin in enger Fühlung mit Herrn Klönne, der es übernommen hatte, auf hochstehende Militärs des Reichswehrministeriums einzuwirken. Selbstverständlich verlief aber die Mission des französischen Generals ergebnislos, weil die erwähnten amtlichen Stellen keine Neigung hatten, sich in diesem Konsortium zu betätigen. Daß aber die deutschnationalen Außenpolitiker es
unterlassen hatten, das Auswärtige Amt von diesem Schritt in Kenntnis zu setzen.
dersteht sich von selbst. Herr Klönne hat diese Besprehungen im Winter 1927/28 in Berlin fortgesetzt, und zvar mit französischen, in Berlin tätigen Militärs zohen Ranges. Im Frühjahr 1928 wurden diese Besprechungen nach Paris verlegt und maßgebliche Politiker der französischen Rechtsparteien, darunter ein bekannter ehemaliger Militär, beteiligt.“
Zum Schluß deutet die„Nationalliberale Korrespondenz“ noch an, daß sie bereit sei, die Unterhaltung #er Pariser und sonstige Gespräche fortzuführen, z. B. über gewisse Verhandlungen des Generalleutnants v. Lippe.
: Die,„Nationalliberale Korrespon=
enz“ schreibt weiter:
:„Was folgt daraus? Deutschnationale betreiden eine Außenpolitik mit doppeltem Boden, durch die sie selbst diskreditiert werden und durch die die amtliche Politik des Reiches nicht gefördert FeramMan kann nicht auf der Straße und in den sssammlungen„Fiegreich wolln wir Frankreich Wclagen“ zwecks Stimmenfang singen lassen
und gleichzeitig dem„Erbfeind“ ein Militärbündnis antragen.
se## kann nicht die sogenannte Westorientierung der Leutschen Politik— die es tatsächlich niemals gegeben #, als eine erbärmliche Schwachheit in Grund und ##den kritisieren und hintenherum sogar für die Kilitarisierung dieser westlich orienzrten Politik eintreten! Man kann auch surch er die Preisgabe unserer östlichen Beziehungen bese at 7ch 2o Ssperts jammern und gleichzeilig kan; lichen Beziehungen in Paris verhökern. Man u3 endlich nicht den Anschluß an England fordern zich lsichteitig durch ein Militärbündnis mit Frank
sich die militärische Hegemonie Frankreichs in Europa
stärken und stabilisieren wollen. Das alles kann man nicht gleichzeitig. Selbst die Kraft des Herrn Hugenberg reicht dazu nicht aus.
Natürlich hat Herr Klönne auch seine Gegenforderungen gestellt: Räumung der Rheinlande, Rückgabe der Saar, Widerruf der Kriegsschuldlüge, gewisse Erhöhungen des deutschen Heeresstandes, weil wir ja sonst für Frankreich als militärischer Bundesgenosse überhaupt keinen Wert hätten. Die Befreiung der Rheinlande und die Rückgabe des Saargebietes erreichen wir jetzt viel billiger ohne die weitergehenden und viel gefährlicheren phantastischen Pläne des Herrn Klönne und seiner Hintermänner. Daß sich ausgerechnet das militärische Frankreich zum Widerruf der Kriegsschuldlüge und zu einer beachtenswerten Stärtung der deutschen Heeresmacht für den Preis eines Militärbündnisses gegen Sowjetrußland bereitfinden könne, ist eine absolut unbegreifliche Illusion deutschnationaler Politiker,
eine geradezu sträfliche Leichtgläubigkeit,
die zudem in einem geradezu grotesken Gegensatz zu allem steht, was die deutschnationale Politik sonst über das Streben der französischen Machtpolitik nach dem Rhein und die„überlegene Klugheit der französischen Diplomatie" zu sagen weiß. Man faßt sich an die Stirne und sucht vergebens nach einer Klärung dieser schreienden Gegensätze und Widersprüche.“
Herr Dr. Klönne erklärt:
Es war vorauszusehen, daß Reichstagsabgeordneter Dr. Klönne diese Feststellungen der volksparteilichen Korrespondenz nicht unwidersprochen lassen würde. Der Reichstagsabgeordnete läßt nunmehr durch ein Telegraphen=Büro eine Erklärung verbreiten, in der er feststellt, daß die„Nationalliberale Korrespondenz“ Wahrheit und Dichtung in erstaunlicher Weise gemischt habe. Dr. Klönne sagt wörtlich:
„Es ist richtig, daß ich im Jahre 1927 in London Unterhaltungen mit führenden englischen Politikern gepflogen habe, die die Entwicklung Europas und besonders die deutsche Sache betrafen. Bei diesen Gesprächen, bei denen ich meine Stellung als Privatmann, der ohne Auftrag der Regierung oder Partei nur seine eigene Meinung zum Ausdruck brachte, führte ich etwa aus, daß für Deutschland eine deutsch=englisch=französische Zusammenarbeit nur dann in Frage käme, wenn wenigstens die elementarsten deutschen Forderungen erfüllt würden.“
Dr. Klönne erklärt, daß er als deutsche Forderung die Räumung der Rheinlande, die Rückgabe der Saar, den Widerruf der Kriegsschuldlüge, gewisse Erhöhungen des deutschen Heeresbestandes und in erster Linie die unbedingte Rückgabe des Weichselkorridors sowie eine Revision des Dawesplanes in dem Umfange genannt habe, daß Deutschland höchstens die Hälfte der festen Dawesjahreszahlung zu zahlen hätte. Dr. Klönne sagt weiter:
„Es versteht sich von selbst, daß ich das Auswärtige Amt über diese Unterhaltungen, obwohl sie rein privater Natur waren, alsbald(!] unterrichtet habe. Ich habe mit französischen politischen Persönlichkeiten im Winter 27/28 in Berlin Unterhaltungen ähnlicher Art wie vorher in London gepflogen.“
Nach verschiedenen Seitenhieben gegen den Reichsaußenminister schließt Dr. Klönne seine Ausführungen mit den Worten:
„Die sogenannte Verständigungspolitik des gegenwärtigen Herrn Reichsaußenministers kann ich allerdings nur Unterwerfungspolitik nennen.“
Erklärung des Generals von der Lippe
Auch der von der„Nationalliberalen Korrespondenz“. genannte Generalleutnant a. D. von der Lippe ergreift das Wort und läßt erklären:
„Bezugnehmend auf die von Ihnen wiedergegebene Veröffentlichung der„Nationalliberalen Korrespondenz“ stelle ich fest: Ich habe über meine Pariser Unterredungen mit französischen und englischen Staatsmännern nicht
nur gemeinsam mit Herrn Arnold Rechberg
den deutschen Botschafter in Baris v. Hoesch eingehend informiert, sondern nach meiner Rückehr in Berlin auch den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herrn von Schubert. Auch ich habe mich vor meiner Abreise nach Paris der Zustimmung deutscher offizieller Persönlichkeiten und führender Politiker zu meinen Absichten vergewissert. Ich darf Sie bitten, diese meine Erklärungen zu veröffentlichen, von der Lippe, Generalleutnant a..“
Der Jungdo fragt an
Anschließend an die Enthüllungen veröffentlicht das Organ des Jungdeutschen Ordens„Der Jungdeutsche“ einen Artikel seines Mitgliedes August Abel in dem mitgeteilt wird, daß der„Stahlhelm“ und Geheimrat Hugenberg mit französischen Kreisen
Wer ist Arnold Rechberg?
Ein Bildhauer, Industrieller und..... Politiker!
Ueber den in der Affäre Klönne— von der Lippe! genannten„Politiker“ Arnold Rechberg schreibt eine bekannte publizistische Korrespondenz:
Arnold Rechberg wurde am 9. Oktober 1879 in Hersfeld geboren, wo sein Vater eine Tuchfabrik besaß. Er wandte sich nach kurzem Studium in Leipzig der Bildhauerei zu und zwar in Paris. Es gelang ihm dort, teils durch seine Kunst, teils durch glänzende Atelierfeste, die er auf Grund seines großen Vermögens zu geben in der Lage war, sich eine gewisse Stellung in der Pariser Gesellschaft zu verschaffen. U. a. pflegte er damals gute Beziehungen zu dem später berüchtigten Prinzen Sixtusvon Parma. Als der Krieg ausbrach, wurde er dann von den gleichen Zeitungen, die ihn bisher als Künstler gefeiert hatten, als Spion beschimpft.
Rechberg nahm am Krieg zunächst als Mitglied des kaiserlichen Automobilkorps im Stab der 5. Armee (Deutscher Kronprinz) teil. In dieser Eigenschaft fuhr er eine Zeit lang den greisen Feldmarschall Grafen Häseler. Ende Oktober 1914 wurde er zur Führung einer Reisegruppe italienischer Journalisten beurlaubt, erwirkte jedoch mehrfach Verlängerung des Urlaubs, wofür er als Grund wichtige politische Aufträge der Reichsleitung angab. Hierbei kam er auch mit Erzberger in nähere Fühlung. Im Februar 1915 kehrte er auf den Kriegsschauplatz zurück, wurde jedoch bald infolge einer Anfrage beim Auswärtigen Amt
aus dem Stab des Kronprinzen entfernt
und zu seiner Ersatz=Eskadron in Marsch gesetzt. Auf Veranlassung des zuständigen Generalkommandos in Altona wurde er verhaftet und mußte sich wegen Spionageverdachtes verantworten. Auf Grund eines ärztlichen Gutachtens kam er in eine Anstalt und wurde mit dauernder Aufenthaltsheschränkung dort und später in Hersfeld bestraft. Rechberg hat später gegen die Oberste Heeresleitung den Vorwurf erhoben, daß sie seine Inhaftsetzung veranlaßt habe und infolgedessen die Friedensvermittlung gescheitert sei. Gegen diese in seinem Buch„Der Reichsniedergang“ niedergelegte Auffassung hat Oberstleutnant von Nicolai scharf Stellung genommen.
1917 tauchte Rechberg wieder in Berlin auf, wie man sagt, wurde er auf Veränlassung seines Gönners Erzberger freigegeben. In Berlin schuf Rechberg, dem große Geldmittel zur Verfügung standen, gemeinsam mit seiner unverheirateten Schwester
einen politischen Salon,
in dem sich bald alle unzufriedenen pazifistischen Elemente zusammenfanden. Im Frühjahr 1918 machte sich Rechberg zum Anwalt des Erzbergerischen Planes eines englisch= deutschen Wirtschaftstrustes. Zunächst anonym beröffentlichte er im April 1918, also zu Beginn der großen Offensive, einen in dieser Richtung gehenden Artikel im„Berliner Tageblatt“, obwohl er damals der„Germania“ nahestehend galt.
Nach dem Zusammenbruch zog Rechberg bald die Aufmerksamkeit durch eine Reihe Aufsätze in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ auf sich.
Er unterhielt gleich gute Beziehungen zu französischen und englischen Kommissionen. Rechberg trat jetzt mit dem Gedanken hervor, die französische Industrie an der deutschen durch Ausgabe neuer Aktien in Höhe bis zu 30 Prozent zu beteiligen. Bei Verfolgung dieser Pläne trat Rechberg in einen Gegensatz zur Großindustrie. Obgleich diese mehrfach von ihm abrückte und zu verstehen gab, daß sie ihn nicht als ihren Vertreter anerkenne, ließ sich Rechberg mit Vorliebe bei seinen Veröffentlichungen als„Großindustrieller“, ja sogar als„führender Großindustrieller“, bezeichnen.
Bei Beginn der Ruhrbesetzung fuhr Rechberg hartnäckig fort, für seine Ideen zu werben. So hielt es Rechberg für richtig, inmitten dieser entscheidungsvollen Monate eine Artikelfolge in der„Newyorker Staatszeitung“ unter der Ueberschrift„Innere Einflüsse im Weltkriege“(Mai 1923) erscheinen zu lassen. In diesen Aufsätzen wurde der deutschen Schwerindustrie der Vorwurf der Kriegsverlängerung aus egoistischen Gründen gemacht. Es war also die gleiche Stimmungsmache, die Frankreich zur selben Zeit mit Erfolg in Amerika gegen die deutsche Industrie betrieb. Nach Beendigung des Ruhrkampfes hielt Rechberg seine Stunde für gekommen. Als„Vertreter“ der Industrie versuchte er jetzt, seine Pläne in Paris zu verwirklichen Er hat mit den leitenden Staatsmännern Frankreichs über seinen Plan„diskutiert“. Rechberg hat es für richtig gehalten, in einem der deutschfeindlichsten Blätter Frankreichs, im„Intransigeant“ scharfe Angriffe gegen die deutsche Schwerindustrie zu richten.
Aber auch jetzt rückten sowohl Reichsregierung wie Großindustrie von ihm ab, ebenso die Zentrumspartei, die er für seine Pläne zu gewinnen hoffte.
Fühlung genommen haben.„Der Jungdeutsche“ stellt im Anschluß daran folgende Fragen;
„Ist es wahr, daß Herr von Medem, der sich bei dieser Gelegenheit als Außenpolitiker des Stahlhelm selbst bezeichnete, vor gar nicht langer Zeit im Hause des Industriellen Arnold Rechberg mit dem Beauftragten Poincarés, dem Abgeordneten Paul Renauld, verhandelt hat?
Ist es wahr, daß Herr Dr. Kriegk als Vertreter des Herrn Geheimrats Hugenberg diesen Verhandlungen im Hause Rechbergs mit dem französischen Politiker Paul Renauld beigewohnt hat?
Ist es vor allen Dingen wahr, daß der Beauftragte des Stahlhelms, von Medem, und der Beaustragte Hugenbergs, Dr. Kriegk, den bekannten und im „Jungdeutschen“ mehrmals veröffentlichten Bedingungen Rechbergs zugestimmt und dem Vertreter Poincarés gesagt haben, das sei das außenpolitische Programm des Stahlhelms und der Deutschnationalen Volkspartei?“
Freiher von Medem und Dr. Kriegt erüäcken!
Die Fragen des„Jungdeutschen" haben sofort die Gegenerklärungen des bekannten Stahlbelm=Politikers Freiherr von Medem und des Mitgliedes der Hugenbergpresse Dr. Kriegk auf den Plan gerufen. Beide übergeben der Oeffentlichkeit eine Erklärung, in der sie feststellen:
„Es hat Ende April d. J. in der Wohnung des Generals v. Lippe anläßlich einer Tee=Einladung des Generals v. Lippe und in Anwesenheit mehrerer anderer Herren, darunter des Herrn Axnold Rechberg, eine Besprechung stattgefunden, in der Frhr. v. Medem und Dr. Kriegk in selbstverständlicher Ausübung ihres journalistischen Berufs über die politischen Anschauungen des Herrn Paul Renauld sich unterrichtet haben. Es ist nicht wahr, daß die beiden Genannten in irgendeiner Form beauftragt waren oder sich in irgendeiner Form als Beauftragte bezeichnet haben. Es ist ebensowenig wahr, daß sie irgendwelchen Bedingungen des Herrn Paul Renauld zugestimmt haben.
Der Abgeordnete Paul Renauld hat in dieser Unterredung das
Programm einer Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich
mit weitgehenden reparationspolitischen Angeboten, die noch nicht 10 Prozent des Youngplanes umfaßten, mit weitgehenden militärischen Angeboten und mit der Rückgabe des polnischen Korridors entwickelt. Er hat aber durchblicken lassen, daß er seine persönliche Ansicht und nicht etwa, wie bei der Verteidigung dieser Angebote stets vom Jungdeutschen Orden fälschlich behauptet wird, ein offizielles Angebot der französischen Regierung vertrete.... Im Laufe der rein theoretischen Debatte ist u. a. auch erklärt worden, daß die stizzierten französischen Angebote noch nicht einmal die notwendigen selbstverständlichen Vorleistungen Frankreichs für eine deutsch=französische Verständigung umfassen würden.
Das einzig interessante Ergebnis der Unterredung war die Erklärung des Abgeordneten Paul Renauld. daß die französische Regierung in einer Verständigung mit der deutschen Linken keine reale Außenpolitik sehe und daß sie wisse, daß sie bei dem Versuch einer realen Verständigung mit der deutschen Rechten wesentlich mehr bieten müsse, als bei einer Verständigung mit der deutschen Linken.
Irgendein Ergebnis oder irgendeine zustimmende Erklärung hat sich bei dieser rein informatorischen Unterhaltung selbstverständlich nicht herausgestellt.“
Ohne die Objektivität in dem Streit zwischen der Hugenbergpresse und dem amtlichen Stresemannschen Korrespondenzorgan zu verlassen. kann man getrost feststellen, daß die Nationalliberale Korrespondenz“ in den Grundzügen ihrer Behauptung Recht behalten hat, was durch die Erklärungen der angegriffenen Politiker von der deutschnationalen Seite bestätigt wird. Man hat dort erklärt, daß man das Außenministerium von den Unterhandlungen mit Paris und London unterrichtet habe. Das trifft zu. Aber nirgends wird in den Erklärungen gesagt, daß die Information der amtlichen deutschen Stellen vorher erfolgt sei. Vielmehr beißt es in der Erklärung des Reichstagsabgeordneten Dr. Klönne ausdrücklich. daß das Auswärtige Amt„alsbald“(!) unterrichtet worden sei. Das heißt auf gut deutsch, daß man erst nach Abschluß der Verhandlungen Mitteilung gemacht bat. Damit ist die Feststellung der„Nationalliberalen Korrespondenz“ nachdrücklich bekräftigt, daß mit den Verhandlungen von rechter Seite die amtliche Politik des Deutschen Reiches durchkreuzt worden ist. Wir behalten uns vor, zu den Dingen Stellung zu nehmen, wenn die Sachlage durch Erklärungen und Gegenerklärungen spruchreif geworden ist. Das steht jedenfalls fest, daß die Generalattacken, wie sie gelegentlich der Haager Konferenz und auch noch heute von den Gegnern des Reichsaußenministers geritten wurden und noch werden, mit den offiziellen und stillen Verhandlungen über ein französisch=deutsches Bündnis gegen Rußland nicht übereinstimmen. Einstweilen kann man nur feststellen, daß das Bismarcksche Wort von der Politik als„Kunst des Möglichen“ widerlegt ist, und daß anscheinend die Politik dieser Politiker die Kunst des Unmöglichen ist.