Nr. 39. Erstes Blatt Einzelnummer 10 Pfo.

Paderborn, Freitag, 8. Februar 1929

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der Römischen Frage

In den Hauptpunkten geeinigt

Von unserer Berliner Vertretung

X Berlin, 7. Febr.

Die Bossische Zeitung meldet aus Mailans.Der Kardinalstaatssekretär Gasparri hat heute vormittag 11.30 Uhr die Diplomaten beim Heillgen Stuhl im Vatikan versammelt und sie in einer kurzen Ansprache in knapper Form vom Zustan dekommen der Versöhnung zwischen der italienischen Regierung und dem Papst unterrichtet. Diese Mitteilung dauerte nur etwa fünf Minuten u.d erstreckte sich nicht auf nähere Einzelheiten über die Lösung der römischen Frage.

Noch wichtige Rebenpunkte

Die Lösung

Cui bono?

I.

(Cui bono:Wem zu Nutzen und Vorteil ist die Tat geschehen? lautete der oberste Grundsatz der altrömischen Strafrechtspflege.)

Ge Tief beglückt und voll dankbarer Freude hat die katholische Welt in den letzten Monaten und Wochen die Bot­schaften vernommen, die aus Rom gekommen waren und in denen viel verheißungsvolles über die Herstellung des end­lichen Friedenszustandes zwischen dem Oberhaupt der katho­lischen Christenheit und dem italienischen Staat zu lesen war. Die nebenstehende Meldung. nach der der Kardinal­staatssekretär von dem Abschlusse des Friedens als von einer vollendeten Tatsache Mitteilung gemacht habe, ist zur Stunde weder von vatikanischer noch von irgend einer anderen autoritativen Seite bestätigt; es ist auch in den letzten Monaten so unmäßig viel an sensationell auf­gebauschten Gerüchten in aller Welt herumtelegraphiert worden, mit der erkennbaren und nachzuweisenden Ab­

sicht, die Verhandlungen zwischen der Kurie und dem ita­lienischen Staate zu stören, daß es ungemein schwer fällt, ohne weiteres und namentlich ohne ausdrückliche Bestäti­gung an die Richtigkeit dieser Meldung zu glauben. Jedoch haben in den letzten Tagen auch manche Berichte, die man für vollkommen vertrauenswürdig halten durfte, davon ge­sprochen, daß die Möglichkeit einer Aussöhnung in nächste Nähe gerückt sei und daß die Besiegelung der Aussöhnung viellricht schon bald erwartet werden dürfe. Wir sind an­gesichts dieser Sachlage einstweilen noch nicht imstande, von der Aussöhnung als einer vollendeten Tatsache zu sprechen und haben uns deshalb für heute auf die Besprechung dessen zu beschränken, was als feststehend zu gelten hat.

Ob die Aussöhnung zustande kommt oder nicht: die Anstrengungen zu ihrer Herbeiführung sind von Mussoliniausgegangen, sind von ihm mit größter Zähigkeit und Eneraie betrieben und auch dann nicht aufgegeben worden, wenn die Hemmnisse und Schwierig­keiten sich gleichsam als unüberbrückbar erweisen wollten.

Ob die Aussöhnung zustande kommt oder nicht: betrieben und mit ungewöhnlichem Kraftaufwand betrieben wurde sie nicht in erster Linie, um jenes Unrecht wieder gutzumachen, das dem Papst und der katholischen Kirche am 20. September 1870 zugefügt worden ist, als die Garibaldianer die Schweizergarden überwältigten und den Kirchenstaat an sich rissen. Von Mussolini betrieben wurde und wird die Herstellung eines Friedensverhältnisses in erster Linie im Interesse des italienischen Staates und des faschistischen Regierungs­systems. Wenn die Aussöhnung zustande kommt, dann lediglich deshalb, weil der Heilige Stuhl in Rom die un­ablässigen Anstrengungen um die Herstellung des Friedens­zusandes nicht verhindert hat, noch den ernstlichen Willen der Gegenseite zum Frieden auf die Dauer unbe­achtet lassen konnte und durfte.

Mussolini ist der Vertreter eines Staatsgedankens, der es uns schwer macht, ihm in dieser Stunde. die für die Katholiken der ganzen Welt(oder wenigstens für die aller­meisten) eine glückvolle Weihestunde ist, volle und restlose Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er ist der Vertreter eines Staatsprinzips. durch das viele Menschen unglück­lich geworden sind. nicht nur unsere deutschen Brüder in Südtirol, sondern auch viele Italiener, die sich die vor­nehisten und edelsten Naturrechte nicht verkümmern lassen wollten und dafür auf wüsten Inseln in verzweiflungsvoller Gefangenschaft schmachten müssen. Aber dieser selbe Musso­lini, mit dem wir uns so hart tun müssen, hat auch für die religiös=sittliche Erneuerung des italienischen Volkes mehr getan als ganze Generationen italienischer Staats­männer unter Einschluß sämtlicher Herrscherhäuser vor ihm zuwege gebracht hätten, selbst wenn sie den Willen dazu gehabt hätten: Er hat in den italienischen Schulen den Meliaionsunterricht wieder zum beherrschen­den Lehrfach gemacht und hat das Kruzifix wieder in die verwüsteten und verwahrlosten Schu­len Italiens zurückgebracht: er hat mit einem Federstrich die italienische Freimaurerei aus. gerrra# und kein Potentat war bisher in der Welt. der von sich sagen konnte, daß er gegen die tödliche Reli­gionsfeindschaft der Freimaurerei einen ähnlichen Schlag

Rom, 6. Febr.

Das allgemeine Interesse, das aus der Distanz die Ver handlungen zur Lösung der Römischen Frage begleitet, wächst, so läßt sich die Kölnische Volkszeitung von ihrem Vertreter drahten, jetzt fast täglich an. Erfahrene, bisher zum Teil skeptische Beobachter glauben nunmehr daran, daß bei den eigentlichen Verhandlungen in allen Haupt­punkten eine Einigung erzielt sei. Diese Mut­maßung scheint unbestreitbar zu sein. Während man nun in einigen Kreisen mit der Wahrscheinlichkeit rechnet, daß die Hauptpunkte zunächst in einen Vorvertrag nach der Art eines Modus vivendi zusammengefaßt und wenn möglich schon bis zum Krönungstag des Papstes bekanntgegeben werden, glauben andere daran, daß das päpstliche Staats­sekretariat seine Unterschrift erst leisten werde, nachdem auch sämtliche Nebenpunkte der umfangreichen Vertragsverhandlungen befriedigend gelöst seien. Dieses Vorgehen sei eine gebotene Klugheitsmaßnahme, da die praktische Regelung der sogenannten Nebenfragen wegen ihrer Konsequenzen doch stets wichtig bliebe. Wenn man sich allein den Tatbestand vorstellt, daß in Rom zwei Sou­

auch nur gewagt, geschweige geführt und mit vernich­tendem Erfolge geführt habe. Mussolini hat, wie noch kein italienischer Staatsmann vor ihm, den Kampf aufgenommen gegen die Verwilderung der ita­lienischen Sitten und Gebräuche; er hat gegen die Leichtfertigkeit in der Frauenkleidung energischer und erfolgreicher Front gemacht als es irgendwo in der Welt geschehen ist; er hat das italienische National­laster des Fluchens begriffen(wer italienisch kann und die Italiener einigermaßen kennt, der weiß, in welcher un­vorstellbaren Weise den Italienern das Verständnis für die Lästerlichkeit ihrer Kraftausdrücke abhanden gekommen war) und er hat sich bestrebt, dieses entwürdigende Laster durch förmlich grausame Strafen auszurotten. Mussolini ist der einzige Staatsmann. der mit einer fast wilden Kühnheit jene einzige Bevölkerungspolitik durchzwingen will, die mit dem christlichen Sittengesetz ver­einbar ist und von der sich in trauriger Dekadenz die Staaten, die Staatsmänner und die Völker fast der ganzen Welt abgewendet haben, auch in Deutschland. Das alles hat Mussolini getan; ein einziger Mann, ein Staatsmann, wie ihn seit langen Jahrhunderten kaum einmal ein Jahrzehnt aufzuweisen hatte.

Wir deutsche Katholiken haben uns in diesen Stunden vor der Gefahr der Ueberschwänglichkeit zu hüten: wir haben rechtschaffen und bis zum allerletzten Rest anzuer­kennen, was alles Mussolini für die Sache getan hat, zu der wir stehen und mit der wir fallen wollen, aber zu sehen haben wir auch, daß Mussolini alles das, was er tat, nicht getan hat aus religiösen Gründen, sondern in erster Linie aus politischen.(Wir in Deutschland haben allerdings noch keinen Staatsmann unser eigen

Meer gestürzt

Ein spanisches Wasserflugzeug

Madrid, 7. Febr.

Gestern früh stürzte ein Wasserflugzeug bei einem Probe­flug ins Meer. Der Pilot und der Beobachter er­tranken. Die stürmische See machte eine Bergung der Lei­chen unmöglich.

veräne und zwei Regierungen mit getrennter Landeshoheit vorhanden sein werden, wenn man an ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien denkt, so kann man den Umfang des Vertragswerkes abschätzen und ver­stehen, wenn etwa Teilpakte bekanntgegeben oder allgemeine Hinweise in der Leffentlichkeit vorerst erfolgen. Neben dem Krönungstag des Papstes wird auch der Geburtstag der Stadt Rom am 20. April als ein solcher Termin angesehen.

Eine hiesige, dem Außenministerium nahestehende Rund­schau der Auslandspresse veröffentlicht erstmalig in der letzten Nummer internationale Pressestimmen zur Nämischen Frage. Dies wird als Auftakt angesehen, daß die Re­gierung einer Beteiligung der italienischen Presse an der chronistischen Wiedergabe nicht mehr abgeneigt ist. Die in Bozen erscheinende faschistische Alpenzeitung greift in einer römischen Meldung den Passus in der Rede des Ma­gisters des Collegium Cultorum Martyrum, Professors Marucchi, im deutschen Camposanto auf, der in Gegenwart des Kardinalvikars Pompil den Wunsch aussprach, daß Pius XI. sich zu den neuen Heiligtümern auf der Via Apipa begeben könne. Die Alpenzeitung glaubt, daran au­knüpfend, daß die Lösung nahr bevorstehe.

nennen dürfen. der aus polittichen Zweckmäßigkeitsgründen derart viel und derart Entscheidendes für das religiöse Leben getan hat wie dieser Mussolini, der vorher, ehe er der Gestalter der italienischen Geschicke war, ein sozia­listischer Redakteur gewesen war. Und daß in Deutschland heute viele sind, die das viele Für und Wider über Mussolini mit nüchternem Verstand abwägen und zu Schlüssen kommen, die für das parlamentarische Klüngel­system in Deutschlond ebenso kummervoll wie peinlich sind, das ist schlechterdings nicht zu verhindern.)

Mussolini wenn er tatsächlich den Friedenszustand mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche herbeigeführt hat, hat es. Sozialist von Hause aus, nicht aus Liebe zur rarholischen Kirche getan. sondern aus Interesse am italienischen Staate und am System des Faschismus. Das muß klar gesehen und darf keinen Augenblick aus dem Auge verloren werden. Mussolini weiß, daß sein größter Vorgänger in der italienischen Geschichte, der Staatsmann Crispi, in der schwächsten seiner Stun­den bekannt hat:Derjenige wird der größte sein, dem die Aussöhnung mit der Kurie ge­lingen wird.(Und Crispi war, wie man bei allem, was uns von ihm trennt, einräumen wird, derjenige itali­enische Politiker, der messerscharf zu sehen vermochte, in welche fast undefinierbare Situtation sich der italienische Staat durch den Raub des Kirchenstaates hineinlaviert hatte und wie fast unmöglich es war sich wieder herauszulavie­ren). Mussolini hat die Herauslavierung entweder er­zwungen,(wenn die obenstehende Meldung richtig ist), oder er versucht sie mit allen Mitteln zu erzwingen in erster Linie, weil er der Sieger sein will im Wett­rennen: in jenem Wettrennen, in das Monsieur Voin­cars sich vor einigen acht Wochen einzuschalten versucht hat als er die Orden und Klöster in Frankreich wie­der zulassen und den Kirchengemeinden die geraubten Gü­ter wieder zurückgeben wollte. Das Wettrennen zwischen Poincaré und Mussolini(wenn man will, darf man auch Primo de Rivera dazu rechnen), um die Gunst des Oberhauptes der katholischen Kirche gilt mitnichten etwa der Palme der ewigen Seligkeit sondern dem Protet­torat über die Christenheit des Orients.