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Zweite Ausgabe.
Samstag, 26. Mai 1917.
66. Jahrgang. Nr. 377.
Drohender Bürgerkrieg in China.
London, 25. Mai. Reuter meldet aus Pekina: Der Präsident hat den Ministerpräsidenten und den Kriegsminister Tuan Tsy Jui entlassen und Minister Wuting Fang zum interimistischen Ministerpräsidenten ernannt und ihn beauftragt, ein neues Kabinett zu bilden. Durch die Neubildung des Kabinetts würde wahrscheinlich die Arbeitsunfähigkeit des Parlaments beendet und die Kriegserklärung an Deutschland möglich gemacht werden. Die Entlassung des Ersten Ministers erfolgte nach einer versönlichen Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und dem Kriegsminister. Der Stellvertretende Kriegsminister hat das Portefeuille des Kriegsministers übernommen. Die Kommandanten der Truppen in Pekina und Tientsin wurden durch andere abgelöst. Der Ex=Premierminister hat erklärt, daß er sich mit seiner Entlassung nicht zufrieden gebe und ist gestern abend nach Tientsin abgereist. Die augenblickliche Verwirrung und die militärische Aktion der Generale Lung Tsi Kwona und Luyung Ting in Kanton wird als Einleitung des Streites zwischen den Militaristen und den Parlamentaristen um die Herrschaft betrachtet. Wahrscheinlich wird der Kampf mit den Waffen entschieden werden.
Nach einem hiesigen Blatte meldet der Pekinger Korrespondent der„Times“, die Ursache der merkwürdigen Krise in China sei die Frage, ob China Deutschland den Krieg erklären müsse. Die Krise nahm ihren Ursprung in einer langen Reihe von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Parlament. Sie erreichte den Höhepunkt. als der Ministerpräsident versuchte, das Parlament zu knebeln, nachdem das Kabinett durch Entlassungen und freiwilligen Rücktritt von Ministern nur noch ein Mitglied zählte, nämlich den Ministerpräsidenten selbst. Das Parlament weigerte sich, mit der Regierung zu arbeiten und Fragen zu entscheiden, solange nicht das Kabinett neu gebildet war. Der Ministerpräsident drang beim Präsidenten der Republik darauf ein, das Parlament aufzulösen. Aber der Präsident weigerte sich aus verfassungsmäßigen Gründen, diesem Wunsche Folge zu geben. Der Ministerpräsident wurde von mehreren Provinzgouverneuren und Militärgonverneuren, die sich offenbar zu dem Zwecke, dem Parlament Achtung einzuflößen, in Peking aufhielten, unterstützt. Der Ministerpräsident zögerte aber, die Macht, die ihm zur Verfügung stand. auszunutzen, da die Auflösung des Parlaments oder die Absetzung des Präsidenten, der sich für die Verfassung einsetzte, zu einer Revolution hätte führen können.
Obwohl der Punkt, um den sich die Krise dreht, die Kriegserklärung ist, bildet der wahre Anlaß zu diesem Konflikt die Frage, wer über die einzuschlagende Politik zu entscheiden hat, der Ministerpräsident oder das Parlament. Man glaubt, daß das Parlament bereit ist, den Krieg zu erklären, wenn eine Regierung kommt, mit der es zusammenarbeiten könne. Solange Tuan Präsident ist, ist das Parlament dazu nicht bereit, da die finanziellen Unterstützungen, welche die Alliierten China für den Fall der Teilnahme am Kriege zugesagt haben. die Macht des Mannes. dem das Parlament mißtraut, außerordentlich stärken würde. Vom Standpunkt der Verfassung aus hat der Präsident Unrecht und müßte zurücktreten. Es herrscht einige Besorgnis vor einem Staatsstreich. Aber die Folgen würden für das Land so verhängnisvoll sein, daß man glaubt, daß der gesunde Menschenverstand die Oberhand behalten wird. Inzwischen hat der Präsident von China den Ministerpräsidenten entlassen.
Der Luftangriff auf Süd=England.
Berlin, 25. Mai. Korvettenkapitän Peter Strasfer, der den erfolgreichen Luftschiffangriff in der Nacht vom 23. zum 24. Mai auf die befestigten Plätze Südenglands leitete, ist am 16. April 1894 in die Marine eingetreten und am 14. April 1911 Korvettenlapitän geworden. Er war dem Berliner Lokal=Anzeiger zufolge bei Ausbruch des Krieges Kommandeur der Marine=Luftschiffabteilung Fuhlsbüttel bei Hamburg. Vordem war er im Reichsmarineamt tätig, und zwar in der Abteilung für Aufstellung und Behandlung des Artilleriematerials an Bord. Als Kapitänleutnant, zu welcher Charge er am 21.März 1905 aufgerückt war, bekleidete er die Stelle eines Artillerieoffiziers auf dem Linienschiff„Westfalen". Vorher finden wir ihn ebenfalls als Artillerieoffizier auf dem Linienschiff„Mecklenburg". Unter andern Auszeichnungen besaß Korvettenkapitän Strasser vor dem Kriege die Rettungsmedaille am Bande.
Reuter meldet: Der Angriff dauerte beinahe 4 Stunden, reau meldet: Der Angriff dauerte beinahe vier Stunden, während der die Luftschiffe umherkreuzten und zahlreiche Bomben abwarfen, die so gut wie gar keinen Schaden anrichteten. Ein Luftschiff trieb über einen Ort dahin, anscheinend ohne zu wissen, wo es sich befand. Die Nacht war zuerst sehr still, dann aber erhob sich ein kräftiger Wind, der die Schnelligkeit von 65 Kilometern in der Stunde erreichte, so daß den Luftschiffen der Rückflug schwer gewesen sein muß. Außer einem Mann sind zwei Pferde umgekommen.(Daß die deutschen Luftschiffe genau wußten wo sie sich befanden, ist aus dem deutschen Bericht mit voller Klarheit ersichtlich.)
*
Der deutsche Luftangriff auf Ismail. Berlin, 25. Mai, Nach der„B..“ melden die„Times“ aus Odessa: Nach den jetzt eingegangenen näheren Berichten über den Luftangriff deutscher Flieger auf die russische Stadt Ismail(Hafenstadt an der Donaumündung) am 12. Mai beträgt die Zahl der Toten und Verwundeten rund 100. Dies ist die größte Zahl, die jemals bei einem Luftangriff an der Donaufront zu verzeichnen war Die Bomben wurden nicht nur auf den Hafen, sondern auch auf die innere Stadt geworfen, woselbst, da der Angriff morgens um 7 Uhr stattfand. gerade viele Menschen auf den Straßen gingen.
England.
London, 25. Mai.(WTB.) Reuter. Das Parlament ist bis zum 5. Juni vertagt.
Rotterdam, 25. Mai.(WTB.) Die„Neue Rott. Cour.“ meldet aus London, daß dort die Einrichtung eines neuen Kabinetts für in nere Angelegenheiten geplant wird.(Sind sie so verworren?)
Rotterdam, 25. Mai.(WTB.) Die„Neue Rott. Cour.“ berichtet aus London: In der gestrigen Sitzung des Unterhauses klagte der Schiffsreeder Holt über die neue
Steuergesetzgebung, die für die Reeder besonders
ungünstig sei. Bonar Law antwortete darauf, man müsse sich, wenn England sich in einer schlechten Finanz= lage befinde, damit trösten, daß die Finanzlage Deutschlands noch viel schlimmer sei. Wenn der Krieg noch lange fortdauere, was leicht der Fall sein könne, so würde England nur durch Zwangsmaßnahmen imstande sein, das für die Fortsetzung des Krieges notwendige Geld aufzutreiben. Er würde nicht zögern, nötigenfalls zu Zwangsmaß
nahmen überzugehen. Was die Frage der Reeder be
treffe, so könne er sich damit rechtfertigen, daß er selbst Anteile von 14 Schiffen besitze und letztes Jahr davon eine Durchschnittsdividende von 47 Prozent nach Abzug der Kriegsgewinnsteuer erhalten habe. Die Reeder wären ganz wrrecht behenbeit worden.
Kaßsland kundigt die Vertrage mit den
Altiierten.
Die„Köln. Ztg.“ meldet aus Kopenhagen: Es verlautet bestimmt, daß die Entente eine Konferenz einberufen werde, um die Stellung Rußlands zu den andern Alliierten zu erörtern, was jetzt als um so nötiger erachtet werde, als Rußland die jetzt bestehenden Verträge mit der Entente gekündigt und eine durchgreifende Anderung beantragt habe.
Schon seit mehreren Tagen ging in Kopenhagen das bestimmte Gerücht, daß Verhandlungen über die Revision der Kriegsziele in Vorbereitung seien. Diese Verhandlungen haben nun, wie auch der Vertreter der„Rh.=Westf. Ztg." telegraphiert, tatsächlich eingesetzt, und zwar auf Grund einer direkten Aufforderung der provisorischen russischen Regierung, die bereits in London, Paris, Rom, Tokio und Washington vorliegt. Dieser Aufforderung liegt eine Einladung an die alliierten Regierungen bei, nach Erledigung der in Frage stehenden, die Angelegenheit der gemeinsamen Kriegsziele klärenden Vorverhandlungen, eine neue Ententekonferenz, die sich ausschließlich mit den Kriegszielen befassen soll, zu beschicken. Als Tagungsort dieser Konferenz ist Petersburg ausersehen. Allem Anschein nach wird sie bereits zu Beginn des kommenden Monats stattfinden. Die provisorische Regierung ist sich der Gegensätzlichkeit ihrer Kriegsziele gegenüber den Kriegszielansprüchen der übrigen Alliierten sehr wohl bewußt. Aber sie hat alle Ursache, diese Gegensätzlichkeit in der Auffassung der Kriegsziele nicht zu einem Bruche mit den Alliierten auswachsen zu lassen. Andererseits wacht der Arbeiter= und Soldatenrat hartnäckig darüber, daß die provisorische Regierung an der Formel vom annexionslosen Frieden festhält und diese Formel auch den Alliierten geläufig zu machen versucht.
In Petersburg kennt man die Hartnäckigkeit Englands sehr gut. Man weiß dort auch, daß England zugunsten der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung Rußlands nicht auf die geringste, seinen Interessen dienende Kriegszielforderung verzichten wird. Deshalb hat die neue provisorische Regierung sich in den letzten Tagen in einer Sondernote an Wilson gewandt und ihn um Unterstützung des russischen Wunsches nach einer durchgreifenden Revision der Ententekriegsziele gebeten. Mit andern Worten, Wilson soll seinen ganzen Einfluß auf die englische Regierung aufbieten, um dem vom Arbeiter= und Soldatenrat diktierten Wunsche der russischen Regierung nach einem annexionslosen Frieden auf der neuen Ententekonferenz Geltung zu verschaffen. Die russische Sondernote an Wilson nimmt Bezug auf den Inhalt des vom Präsidenten der Union aufgestellten demokratischen Weltfriedensprogramms. Sie spricht die feste Zuversicht aus, daß Wilson seine, in diesem Programm festgelegten Friedensideen auf der Petersburger Konferenz wirksam und energisch gegen die englischen imperialistischen Absichten vertreten lassen wird. Deutlich hebt sich das Bestreben in der provisorischen Regierung ab, vor dem etwas gewaltsam und brutal anmutenden Auftreten Englands gegenüber Rußland in Washington Schutz zu suchen.
Ohne Zweifel läßt sich eine besondere Annäherung Rußlands an die Vereinigten Staaten feststellen. Parallel hiermit scheint ein allmähliches Abrücken Rußlands von England durch die neuen Männer der Regierung angestrebt zu werden.
∆ Basel, 26. Mai.(KG.)„Daily Chronicle“ meldet aus Petersburg: Ungünstig lautende Nachrichten aus Helsingfors besagen, daß der finische Senat mit großer Mehrheit die staatsrechtliche Unabhängigkeit Finlands proklamierte. Überängstliche russische Familien verlassen
Finland, doch hoffe man, daß die revolutionäre Haltung des bisher russenfreundlichen Senats nur ein vorübergehendes Symptom bleibe.
Amsterdam, 25. Mai.(WTB.) Den„Times“ wird aus Moskau vom 22. Mai gemeldet: Sowohl in Petersburg als auch in Moskau ist die öffentliche Meinung für die neue Regierung und die meisten Blätter sind für die Fortsetzung Krieges. Nur die Petersburger sozialdemokratische Zeitung „Prawda“ und die Moskauer Organe einer Fraktion der sozialdemokratischen Partei erklären, die Armee sei des Krieges müde und fragen, was es für einen Zweck habe, den Krieg im Interesse des Kapitals fortzusetzen. Der Einfluß dieser Blätter ist schwer einzuschätzen, dürfte aber recht erheblich sein(!). Im Augenblick wird die einstweilige Regierung von den besseren Elementen der Bevölkerung gestützt, und es besteht Aussicht darauf, daß es der Regierung gelingen wird, die Armee wieder so weit zu bringen, daß eine Offensive möglich ist. Man muß aber auch mit der Möglichkeit rechnen, daß das nicht gelingt.
Unter den Bauern herrscht Unruhe. Aus allen Teilen des Landes kommen Nachrichten, daß sie mit der Lösung der Landfrage nicht bis zur Verfassungsversammlung warten wollen. Die Gemeindebehörden übernehmen einfach die Eigentumsrechte und zahlen meist keine Entschädigung. Wo eine Pachtsumme festgesetzt wird, ist sie außerordentlich gering, und in vielen Fällen wird die Einziehung des Landbesitzes einfach von den Bauern mit Beschlag belegt und ohne weiteres benutzt. Mit einigen Ausnahmen ging die Beschlagnahme des Landes ohne Gewalt vor sich.
„Daily News“ erfährt aus Petersburg, daß der Rat der Bauerndelegierten beschlossen hat, die Regierung zu unterstützen. Die Bauern betrachten die sozialistischen Minister als ihre Vertreter. Kerenski hat Manifeste zur Wiederherstellung der Disziplin in der Armee erlassen und hält persönlich Ansprachen an jedes einzelne Regiment. Er begleitet selbst die Reservetruppen, die an die Front geschickt werden zum Bahnhof(auch eine Aufgabe eines Kriegsministers!) Friedensfreunde sollen beständig im Auge behalten werden und nur mit Bewilligung des Militärischen Ausschusses die Erlaubnis zum Besuche der Front erhalten.
Nach der Morning Post“ hat Kerenski verschiedene neue Disziplinarvorschriften, die aber die Todesstrafe ausschließen, mit an die Front genommen.
Amsterdam, 25. Mai.(WTB.) Das„Algem. Handelsbl.“ meldet aus Petersburg vom 24. Mai: Die Versammlung der Soldatenabordnungen hat über die Frage der Errichtung von nationalen Legionen beraten und den Beschluß gefaßt, es sei im Grunde zwar richtig, daß die Völker das Recht haben, selbst über ihr Los zu entscheiden, aber im gegenwärtigen Augenblick würde die Aufstellung solcher Legionen eine Gefahr für die Einheit des Heeres bilden. Gegen die Aufstellung von Freiwilligen=Legionen sei nichts einzuwenden.
Berlin, 26. Mai.(WTB.) Wie ein Gewährsmann der „Voss. Ztg.“ aus Petersburg erfährt, waren bis zum 15. Mai den einzelnenMinistern und Ministerien durch Kongreßbeschlüsse erhärtete Forderungen auf die Errichtung von nicht weniger als 18 selbständigen Sonderrepubliken im europäischen und asiatischen Rußland zugegangen.— Laut„Tagebl.“ wäre Iswolski endgültig von seinem Pariser Posten zurückgetreten. Sein Nachfolger werde noch nicht genannt.
London, 25. Mai.(WTB.) Reuter. Gestern wurde in ganz Großbritannien der Empire=Tag gefeiert. Anläßlich dieser Feier erließ der König eine Proklamation, in der das Volk aufgefordert wird, mit den Lebensmitteln sparsam umzugehen, um die Piraterie der Feinde zuschanden zu machen. Die Proklamation wurde in allen Orten des Landes verlesen, und zahlreiche Personen unterzeichneten einen Revers, in dem sie sich zur freiwilligen Rationierung verpflichten.
Notierdam, 24. Mai.(W2B.) Nach der Nieuwen Rotterdamschen Courant erfährt der Manchester Guardian aus Belfast, es verlaute, daß der unionistische Rat für Ulster der Teilnahme der Ulsterpartei an dem irischen Konvent zugestimmt habe. Nach dem Daily Telegraph beabsichtigen die Gegner des Frauenwahlrechts einen Zusatz zur Wahlreformvorlage; einzubringen. Sie wünschen, daß die Vorfrage erst nach Abhaltung von zwei Volksversammlungen Gesetz werden soll. Eine Abstimmung soll gehalten werden, um sich davon zu überzeugen, ob die Frauen selbst das Wahlrecht wünschen und die zweite, wenn dies der Fall ist, ein Urteil der Männer darüber zu erhalten.
Zur Annahme der englischen Wahlreform, die, wie mitgeteilt, mit 329 gegen 40 Stimmen in zweiter Lesung erfolgte, schreibt die„Frkft. Ztg.“: Die innere Neuorientierung der englischen Politik ist im vollen Gange und hat einen großen Schritt zur Erneuerung der Verfassung gemacht. Mit der Annahme des von der Regierung vorgelegten neuen Wahlrechts=Gesetzes in der zweiten Lesung bekundet das Unterhaus seinen Willen, die Reform durchzuführen; die Opposition ist schwach, sie beschränkt sich anscheinend auf die verhältnismäßig kleine Anzahl der unbelehrbaren Hochtories. Angesichts dessen ist es wenig wahrscheinlich, daß die Reaktion, die sa allerdings im Oberhause viel mehr Gelegenheit dazu besitzt, es wagen sollte, die Vorlage dort scheitern zu lassen. Übrigens hat sich ein Teil gerade der entschiedensten Bekenner konservativer Gedanken in England aus Gründen, die den preußischen Scheinkonservativen freilich noch immer nicht aufgegangen sind, nachgerade zu der Erkenntnis durchgerungen, daß es zur Erhaltung und Stützung der historischen Grundlagen des Staates kein besseres Mittel gebe, als die allgemeine und freudige Mitarbeit des ganzen Volkes, welchem demnach die Mitwirkung bei den Staatsangelegenheiten möglich gemacht werden muß. Einer der einflußreichsten Minister in der heutigen Regierung. Lord Robert Cecil, der Sohn des berühmten konservativen Führers Salisbury, ist seit Jahren sogar ein Vorkämpfer für das Frauenstimmrecht. Die Einführung des letzteren im größten Maßstabe ist das wichtigste Merkmal des neuen Wahlgesetzes. Die Verfassung kannte bisher nur männliche Wähler, doch blieb auch von den erwachsenen Männern auf Grund verschiedener Bestimmungen ungefähr ein Drittel ohne Wahlstimme. Es gab nach dem letzten Listenstande etwa 8½ Millionen
Wahlstimmen im ganzen Königreich. Die Vorlage wird diese Zahl nun fast verdoppeln, und von den neuen Wählern sind nicht weniger als 6 Millionen Frauen. Das Gesetz bevorzugt die verheiratete Frau, indem es den weiblichen Wählern erst mit dreißig Jahren die Stimme zuspricht.. Die 9 Millionen neuer männlicher Wahlstimmen dürften besonders dem schlechter entlohnten, ungelernten Teile der Arbeiterschaft zugute kommen, der bisher schon wegen des in
diesen Erwerbsschichten häufigen Wechsels des Wohnsitzes vielfach von der Vertretung im Parlament ausgeschlossen blieb.
Nach dem„Daily Telegraph" beabsichtigen die Gegner des Frauenwahlrechts, zu der neuen Wahlordnung einen Enderungsantrag zu stellen, wonach das Gesetz erst nach zweimaliger Volksabstimmung in Kraft treten soll. Es soll durch die erste Abstimmung festgestellt werden, ob die Frauen selbst das Wahlrecht verlangen, und durch die zweite, ob die Gegner damit einverstanden sind.
Aus aller Welt.
Berlin, 26. Mai.(WTB.] Mit allem Vorbehalt verzeichnen verschieden Blätter ein Gerücht aus den Wandelgängen der französischen Kammer, wonach für die nächsten Tage ein sensationelles Ereignis erwartet werde. Angeblich werde aus Rußland ein bedeutsames Dokumentkommen, das auf die innere Politik der französischen Republik zurückwirken werde.
Genf. 26. Mai. Die Streikbewegung in Mexiko hat sich, wie„Newyork Herald“ meldet, auf das ganze Petroleumgebiet des Südens ausgedehnt, so daß die Petroleumversorgung der Alliierten ernstlich bedroht sei. Der amerikanische Flottenkommandant stellte den mexikanischen Behörden ein Ultimatum und drohte mit dem Eingreifen amerikanischer Truppen.
Italien.
à Zürich, 26. Mai.(KG.) Nach Meldungen von der italienischen Grenze sind im Mailänder Speditionshause Gontard mehrere Hunderttausend FriedensAufrufe beschlagnahmt worden, die in Feldpostbriefen nach der Front abgehen sollten.
Eine interventionistische Tagesordnung. Rom, 25. Mai.(WTB.] Agenzia Stesani. Gestern fanden in Italien anläßlich des zweiten Jahrestages des Eintritts Italiens in den Krieg Kundgebungen statt. In Rom entsandten die Veranstalter der Kundgebung eine Abordnung zu Boselli zur Überreichung einer interventionistischen Tagesordnung, die nachstehende Forderungen enthält:
1. Maßnahmen gegen die Kriegssaboteure zum Rückenschutz der zu Wasser und zu Land kämpfenden Italiener:
2. sofortige Internierung aller feindlichen Staatsangehörigen:
8. Enthebung der kriegsfeindlichen Staatsbeamten von ihren Amtern und ihre Ersetzung durch kriegsfreundliche Beamte:
4. Verwendung der Kriegsinvaliden in der Kriegsindustrie und in der Beamtenschaft an Stelle der zahlreichen Drückeberger:
5. Maßnahmen gegen kriegsschädliches Treiben unter dem Deckmantel der Religion:
6. Maßnahmen, daß keinerlei kriegsfeindliche Elemente aus wahlpolitischen oder parlamentarischen Gründen geschützt werden:
7. Einführung und Durchführung sozialer Reformen ohne vorherige parlamentarische Erörterung zur allgemeinen Besserstellung der Kriegsbeschödigten, sowie überhaupt des nationalen Lebens.
Boselli hat die Togesordnung zur Prüfung ange
sommen
Der Seekrieg.
2 Basel, 26. Mai.(KG.]„Daily Chroniele“ meldet aus Petersburg: Der Hafen von Archangelsk ist durch Minen verseucht. Der freie Verkehr im Hafen mußte eingestellt werden.
Haag, 25. Mai.(WTB.) Die Niederl. Telgr. Agentur meldet: Hier liegen verläßliche Meldungen vor, daß die niederländischen Dampfer„Bernise“(951 Br.=Reg.=To.) und „Elve“(958 Br.=Reg.=To.), die sich auf der Heimreise nach Rotterdam befanden, am 23. Mai torpediert wurden. Nach einer andern Meldung ist nur die„Elve“ gesunken, der Dampfer„Bernise“ wurde auf den Strand gesetzt.
Haag, 25. Mai.(WTB.] Hales schreibt in der englischen Wochenschrift„John Bull“: Der Tribut, den unsere Handelsflotte dem=Bootkrieg bezahlen muß, wird jede Woche größer, und der Himmel weiß, welche Verluste der Schiffahrt unserer Verbündeten zugefügt werden. Daß die Brotration der Soldaten vermindert werden mußte, ist eine Tatsache, die Deutschland besser über unsere Lage unterrichtet, als es in Worten geschehen könnte. Demnach werden natürlich Verräter unter unseren Landsleuten wegen des Lebensmittelmangels zu einem Frieden durch Unterhandlungen drängen. Augenblicklich halten sie sich noch im Hintergrunde, da sie glauben, daß der richtige Moment noch nicht gekommen ist, mit ihrem Gejammer anzufangen. Aber in kurzer Zeit wird man sie sagen hören, daß ein halber Friede auf jeden Fall besser ist, als ein leerer Magen.
Karlsruhe, 26. Mai.„Daily Telegraph“ meldet, seit dem 1. April sei kein amerikanisches Munitionsschiff mehr in englischen Häfen eingelaufen.— England übernehme einen großen Teil der Munitionserzeugung für Italien wegen des dort herrschenden Kohlenmangels.
O Die Steigerung der Schiffspreise. Wenn Lloyd George im Unterhause der Meinung Ausdruck gab, England und seine Verbündeten würden imstande sein, den von den deutschen Unterseebooten versenkten Schriffsraum auf eigenen Werften durch Ersatzbauten neu zu schaffen, so mag dies ja für den Augenblick die Beunruhigung, die sich immer weiter im englischen Volke verbreitet, je mehr Schiffsverluste bekannt werden, etwas gedämpft haben, auf die Dauer wird jedoch diese Versicherung sich als ebenso hinfällig erweisen, wie frühere ähnliche Beruhigungsmittel. Doch selbst angenommen, England sei wirklich imstande, den größten Teil des verlorenen Schfiffsraumes durch Neubauten zu ersetzen, so bleibt doch für den gut rechnenden Engländer noch eine Frage zu lösen: wie diese Neubauten zu Buch stehen werden, denn die Schiffspreise sind seit Ausbruch des Krieges ganz gewaltig gestiegen. Einige Zahlen werden dies veranschaulichen.
Im Jahre 1900. das die höchste Blüte der Reedereien sah, kostete ein Dampfer von 7500 Netto=Tonnen 60630 Pfund, um bis zum Jahre 1905 auf 36 500 Pfund zu sinken. Als im folgenden Jahre ein neuer Aufschwung eintrat, stieg der Preis auf 44 500 Pfund. 1912 stand er auf 58,000 Pfd., sank dann jedoch wieder, so daß es in den ersten Monaten des Krieges überhaupt unmöglich war, einen Dampfer zu verkaufen. Als es aber anders kam, wie man gedacht, als England auch unter dem Kriege zu leiden begann, statt Geschäfte wie sonst zu machen, und die Marine sich genötigt sah, für die Kriegführung und Verproviantierung des Heeres und Landes zahlreiche Schiffe aus Privatbesitz zu übernehmen, stieg der Preis eines Dampfers der genannten Größe auf 90000 Pfund und ging von da an stetig weiter in die Höhe. Ende Dezember 1915 betrug er bereits 125000 Pfund, im März 1916 schon 180000 und erreichte im Dezember 1916 seinen höchsten Stand mit 187500 Pfund. Wie sich die Preise seitdem entwickelt haben, ist nicht bekannt Die Regierung hat zwar den Versuch gemacht, auf die Reeder einzuwirken, daß sie weitere Steigerungen verhüten sollen, doch der seit Februar einsetzende verschärfte Unterseebootkrieg wird durch alle diese Beruhigungsmaßnahmen einen Strich gemacht haben. Jedenfalls kann man mit einer ganz beträchtlichen weiteren Erhöhung der Schiffspreise rechnen, so daß aus diesem Grunde schon die von Lloyd George versuchte Beruhigung der Interessenten nicht lange anhalten wird, zumal wenn unsere Unterseeboote fortfahren, ihre Monatsbeute vom Februar mit jedem neuen Monat zu übertreffen. Wie die Gewinnberechnung in den Büchern der auf die Schiffahrt angewiesenen Unternehmer aussehen wird, ist glücklicherweise eine Frage, die uns kein Kopfzerbrechen zu machen braucht.
Wirtschaftsleben und Lebensmittelversorgung.
Keine Seise ohne Karte. Berlin, 25. Mai.(W2B.) Von zuständiger Seite erfahren wir: Trotzdem die Rationierung der Seife auf Seifenkarte nunmehr seit länger als Jahresfrist eingeführt ist, zeigt sich, daß im Handel noch vielfach unter Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen Seise ohne Karte abgegeben wird. An manchen Plätzen ist die Seifenkarte noch nicht einmal eingeführt. Die Folge hiervon ist, daß einzelne Gebietsteile zu viel Seife beziehen, während andere Plätze trotz genügender Produktion nicht oder nur wenig versorgt bleiben müssen. Es wird daher in Bälde von den zuständigen Stellen dahin Anweisung erlassen werden, daß der einzelne Händler vom Fabrikanten Seife und Seifenpulver nur gegen Auslieferung der entsprechenden Zahl von Seifenabschnitten erhält. Es wird möglicherweise auf die Mitwixkung der einzelnen unteren Verwaltungsstellen dadurch zurückgegriffen werden, daß diese gegen Einlieferung einer gewissen Anzahl von Seifenabschnitten Sammelbezugsscheine ausstellen. Durch strenge Kontrolle der Fabrikanten wird wiederum erreicht, daß von diesen tatsächlich auch nur gegen Einlieferung von Sammelbezugsscheinen Ware abgegeben wird, ein Verfahren, bei welchem durch Androhung einer eventuellen Rohstoffentziehung durchgegriffen werden wird. Es liegt daher im Interesse des Handels einmal, darauf zu achten, daß er sich durch Einforderung der Seifenabschnitte von den Kunden die genügende Anzahl von Sammelbezugscheinen bzw. solche in entsprechender Höhe sichert, andererseits durch geeignete Vorstellungen bei den zuständigen Stellen darauf einzuwirken, daß die Bevölkerung Seifenkarten erhält, deren Abschnitte sie beim Kaufen abliefern kann. Jedenfalls können die jetzigen ungewissen Zustände nicht mehr von längerer Dauer sein. Die Anderung wird überall, namentlich von vielen Kommunal= behörden, die der heutige Zustand mit Sorge erfüllt, freudig begrüßt werden.
Die Tabakkarte in Sicht? Das Fachblatt„Deutsche Tabakzeitung“ schreibt:„In der jüngsten Zeit hat sich die Tagespresse vielfach mit der Tabakknappheit beschäftigt. Es wird hervorgehoben, daß wir noch nicht soweit sind wie ÖsterreichUngarn, 150 schon seit längerer Zeit großer Mangel an Tabalerzeugnissen berrscht und stellenweise sogar die Tabakkarte eingeführt ist. Ob der Mangel einen solchen Umfang annehmen wird, daß es nötig sein wird, den Tabak amtlich zu rationieren, wird bezweifelt. In einzelnen Zeitungsstimmen wird das Erstaunen darüber ausgesprochen, daß die Tabakknappheit in Teutschland erst jetzt, nach fast drei Kriegsjahren. in die Erscheinung tritt, obwohl doch im Kriege weit mehr geraucht wird als im Frieden und die Tabakeinfuhr aus Hrlland längere Zeit gänzlich verboten war. Festgestellt wird auch, daß riele Raucher in der Besoranis, bald keine Tohakwaren mehr zu bekommen, Vorratskäufe machen. Betont wird schließlich, daß in Zigaretten aller Voraussicht nach ern empfindlicher Mangel in absehbarer Zeit nicht eintreten dürfte, da noch weit über den Bedarf des Jahres 1917 hinaus Rodstoffe vorbanden sind.