Donnerstag, 26. Februar 1914.
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Nr. 55.— 66. Jahrgang.
Verlag und Notationsdruck: Westfälisches Volksblatt A.=G., Paderborn, Rosenstraße 13a.* Drahtadresse: Volksblatt, Paderborn. 4 Fernruf: Redaktion Nr. 590, Geschaftsstelle Nr. 10.
Erstes Blatt.
Hierzu ein zweites Blatt.
) Das Attentat in Debreczin
wirft ein vom kirchlichen wie nationalen Standpunkte gleich unfreundliches Licht auf den ungarischen Regierungsliberalismus. Rücksichtslos wird die nicht magyarische Mehrheit von der magyarischen Minderheit unterdrückt, ihrer Sprache und sogar ihres Kultus beraubt, und zwar sind die Treiber dabei fast nur Kalviner von der Sorte Tiszas oder ihrem katholischen Glauben entfremdete Freimaurer. Die Regierung in Budapest hat es vor einiger Zeit in Rom durchzusetzen vermocht, daß ein neues griechisch=katholisches Bistum in Debreczin errichtet wurde, dessen erster Bischof seit kurzem Msgr. Miklossy ist. Diesem Bistum wurde eine ganze Reihe rumänisch= katholischer Gemeinden einverleibt, die dadurch ihren altüberlieferten kirchlichen Ritus und ihre Ritualsprache verloren. Es wird in Zeitungen behauptet, das neue Bistum habe das Ungarische als Ritualsprache, jedoch erscheint das wenig glaublich, da das Ungarische bisher nicht als Kirchensprache gebraucht wird; es müßte schon sein, daß der Budapester Regierung diese selbstherrlich eingeführt hätte, indessen wäre anzunehmen, daß der Bischof sich einer solchen unbefugten Anordnung nicht gefügt hätte Die Schreckenstat scheint tatsächlich das Echo dieser magyarischen Unterdrückungsmaßregel zu sein, ein Verbrechen schlimmster Sorte bleibt sie trotz alledem, wenn auch die rumänischen Katholiken von den Magyaren noch so sehr bis auf's Blut gereizt sind. Nach den bisherigen Feststellungen ist bei dem Attentat ein länglicher Blechbehälter benutzt, der mit Inhalt 40 Pfund wog. Aus dem Behälter wurde in zufälliger Abwesenheit des Bischofs— der gerade telephonierte— ein Leopardenfell gezogen; als man dann nach dem angeblich sich darin befindenden silbernen Leuchter suchte, erfolgte die schreckliche Explosion, wodurch drei Personen förmlich in Stücke gerissen und die übrigen Anwesenden schwer verletzt wurden. Als Täter kommen zwei Personen in Betracht, die am vorigen Donnerstag aus Rumänien in Czernowitz eintrafen, am Freitag am dortigen Hauptpostamt ein Geldpaket von 100 Kronen und ein schweres Wertpaket nach Debreczin an die Adresse des Bischofs Miklossy aufgegeben haben. Als Absender gaben sie den Namen Anna Kovacs an. Die beiden Fremden reisten am Freitag mit dem Nachtzuge wieder nach Rumänien ab. Sie hatten sich im Hotel als Silva Mandarescu und Tutor Avram, Kaufmann, beide aus Jassy gemeldet und waren im Besitze ordnungsmäßig ausgestellter Pässe.
Nach einer uns am Mittwoch Abend zugehenden Depesche aus Debreczin nimmt man jetzt an, daß es sich bei dem Attentat auf den Bischof nicht um ein politisches Attentat, sondern um einen persönlich gegen den Bischof gerichteten Racheakt handle, der mit einem Erpressungsversuch zusammenhänge. Wir geben die Nachricht wieder, weil der Vorfall in seinen Einzelheiten noch Aufklärung fordert; es liegt aber nahe, daß die ungarische Regierung bestrebt ist, die indirekte Schuld von sich abzuschieben. Daß sich der rumänischen Katholiken des Bezirks eine große und gewiß nicht unberechtigte Erregung über die Handlungsweise des Magyarentums bemächtigt hat, ist eine nicht abzuleugnende Tatsache.
Deutscher Reichstag.
220. Sitzung vom 25. Februar.(Drahtb.)
Am Bundesratstisch Wackerzapp.
Vizepräsident Dr. Paasche eröffnet die Sitzung um 2.15 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung eines Titels des Etats des Reichsamtes des Innern, und zwar Neubau für das zu errichtende Reichsarchiv, erste Rate 145 800 Mk.
Die Kommission beantragte, den Titel zu streichen.
Das Haus schließt sich ohne besondere Abstimmung dem an.
Eine Reihe von Petitionen zum Etat für das Reichsamt des Innern wird entsprechend dem Antrage der Kommission erledigt.
Es folgt der Etat für das
Reichseisenbahnamt.
Abg. Prinz zu Schoenaich=Carolath(k.): Die Werkführer in den Werkstätten der Reichseisenbahn befinden sich in einer traurigen Lage.(Vizepräsident Dr. Paasche macht den Redner darauf aufmerksam, daß diese Frage zum Etat der Verwaltung der Reichseisenbahnen gehört.)
Abg. Hasenzahl(Soz.): Das Reichseisenbahnamt muß für die Vermehrung des Wagenparks sorgen. Der Redner nennt die Eisenbahnverhältnisse einen Hohn auf den Verkehr und fordert das volle Koalitionsrecht für die Eisenbahnarbeiter.
Abg. Schwabach(Ntl.) tritt ihm entgegen und hebt die gute Arbeit hervor, die das Reichsarbeitsamt geleistet hat. Die Frage der Eisenbahnsachschäden müsse baldigst geregelt und der Zusammenschluß der deutschen Eisenbahnen gefördert werden.
Abg. v. Blume(K.) fordert möglichste Beschleunigung der Viehtransporte, da sonst die Seuchenverschleppung vermehrt und der Fleischwert des Schlachtviehs herabgesetzt werde.
Abg. Haas(fortschr. Vpt.): Das Projekt der Einheitlichkeit der deutschen Bahnen ist das allein richtige, wäre auch wohl finanziell durchführbar, aber die kleinen Einzelwünsche der Bevölkerung auf bessere Verbindungen würden dann wohl nicht genügend berücksichtigt werden.
Präsident des Reichs=Eisenbahnamtes Dr. Wackerzapp: Die meisten hier vorgetragenen Klagen sind Angelegenheiten der preußischen Eisenbahnverwaltung und unterstehen nicht der Aufsichtsbehörde, so die Arbeiterentlassungen und die Festsetzung der Arbeitslöhne. Ueber das internationale Abkommen betr. Personen= und Gepäcktarif ist ein Entwurf aufgestellt worden. Es stehen aber noch die Erklärungen einer Anzahl von Bundesstaaten aus. Ueber die Haftung der Eisenbahn für Sachschäden wird baldigst eine Vorlage an den Reichstag kommen. Die Frage der Einführung einer selbsttätigen Sicherheitsbremse wird geprüft und nähert sich der Erledigung. Die Unfälle auf den deutschen Eisenbahnen haben erheblich abgenommen. Eine gesetzliche Regelung der Dienst= und Ruhezeiten halte ich nicht für notwendig. Die Frage der Vereinheitlichung, die hier oft erörtert worden ist, scheitert an dem Widerstande einzelner Bundesstaaten.
Abg. Speck(Z.): Nach den Erklärungen des Präsidenten des Reichs=Eisenbahnamtes, daß für absehbare Zeit eine Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens nicht zu erwarten ist, erübrigt sich auch eine Denkschrift darüber. Die Erfahrungen mit der Güterwagengemeinschaft sind nicht dazu angetan, in uns Bayern die Sehnsucht nach einer vollen Gemeinschaft wachzurufen.
Hierauf wird die Erörterung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt.
Schluß nach 6½ Uhr.
Die Höhe der Beiträge
zur Invalidenversicherung
hat sich mit dem 1. Januar 1914 für viele Versicherte geändert. Mit diesem Zeitpunkt trat nämlich die Krankenversicherung in dem weiten Umfange in Kraft, den die Reichsversicherungsordnung im 2. Buche vorsieht. Dadurch werden im allgemeinen alle Personen, die der Invalidenversicherung unterliegen, auch krankenversicherungspflichtig, und nach der Krankenversicherung richten sich dann ihre Beiträge zur Invalidenversicherung. Nach § 1246 R. V. O. gilt nämlich für Mitglieder einer Krankenkasse oder knappschaftlichen Krankenkasse das Dreihundertfache des Grundlohns als Jahresarbeitsverdienst. Beträgt der so ermittelte Jahresarbeitsverdienst bis zu 350 Mk., so muß die Invalidenversicherung in der 1. Lohnklasse (rote Marken zu 16 Pfg.) erfolgen, beträgt er mehr als 350 bis zu 550 Mk., so muß in der 2. Lohnklasse
blaue Marken zu 24 Pfg.) versichert werden, bei mehr als 550 bis zu 850 Mk.; in der 3. Lohnklasse(grüne Marken zu 32 Pfg.), bei mehr als 850 Mk. bis zu 1150 Mk. in der IV. Lohnklasse(braune Marken zu 40 Pfg.) und bei mehr als 1150 Mk. in der V. Lohn
klasse(gelbe Marken zu 48 Pfg.).
Jede Krankenkasse, die nicht den wirklichen Arbeitsverdienst der einzelnen Versicherten als Grundlohn bestimmt (§ 180 Abs. 4 R.=V.=O.), wird ihre Mitlieder wie bisher nach der Höhe des Lohnes, nach dem Alter usw. in Klassen einteilen und für jede Klasse einen besonderen Grundlohn (bisher durchschnittlichen Tagelohn genannt) festsetzen, um die Versicherung den Verhältnissen der Versicherten anzupassen. Diese Mitgliederklassen und ihr Grundlohn sind aus der Satzung der Krankenkasse zu ersehen. Der
Arbeitgeber wird sich also erkundigen müssen, welcher Mitgliederklasse die von ihm beschäftigten Versicherten zugeteilt sind und wie hoch sich der Grundlohn dieser Mitgliederklasse beläuft. Nach einem dreihundertfachen Betrage richtet sich, wie oben angegeben, die Höhe der Beiträge zur Invalidenversicherung. Wo die Krankenkassen ihre Mitgliederklassen mit den Lohnklassen der Invalidenversicherung in Uebereinstimmung gebracht haben, können Zweifel nicht
entstehen; denn wer dann z. B. der Mitgliederklasse der Krankenkasse zugeteilt ist, muß auch der I. Lohnklasse der Invalidenversicherung angehören.
Für Personen, welche einer Krankenkasse nicht angehören, gilt der dreihundertfache Betrag des Ortslohns als Jahresverdienst. Als Krankenkassen kommen nach§ 225 R.=V.=O. in Betracht die Orts=, Land=, Betriebs= und
Innungskrankenkassen. Mitglieder einer dieser Kassen werden auch solche Versicherte, die einer sogenannten Ersatzkasse angehören(§ 517 R.=V.=O.), es ruhen nur auf
Antrag ihre Rechte und Pflichten als Mitglieder der
Krankenkasse, während ihre Arbeitgeber den eigenen Bei
tragsanteil an die Krankenkasse zu zahlen haben. Landwirtschaftliche Betriebsbeamte gehören mindestens zur III., Lehrer und Erzieher mindestens zur IV. Lohnklasse der Invalidenversicherung. Wenn im voraus für Wochen, Monate, Vierteljahre oder Jahre eine feste bare Vergütung vereinbart ist, die den nach Vorstehendem berechneten Durchschnittsbetrag übersteigt, so richtet sich hiernach die Höhe der Beiträge(§ 1247 R.=V.=O.).
Der für land= und forstwirtschaftliche Arbeiter festgesetzte Jahresarbeitsverdienst ist vom 1. Januar 1914 ab nicht mehr maßgebend für die Höhe der Beiträge zur Invalidenversicherung, da diese Personen dann krankenversicherungspflichtig werden und auch für sie das dreihundertsache des Grundlohnes als Jahresarbeitsverdienst gilt.
Arbeitgeber, welche zu niedrige Marken verwenden, haben den Mehrbetrag nachzuzahlen. Außerdem kann der Vorstand der Landesversicherungsanstalt bestrafen.
Aus der katholischen Welt.
1 Osnabrück, 24. Febr. Der hochwürdigste Herr Bischof Dr. Voß begab sich am Montag in das Marienhospital zu ärztlicher Behandlung. Die anderweit verbreitete Meldung, daß der hochwürdigste Herr sich einer Operation unterwerfen müsse, ist glücklicherweise nicht richtig. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Bischof schon gegen Ende der Woche das Hospital wieder verlassen kann.
— Posen, 24. Febr. Dem„Berl. Tageblatt“ wird von hier gemeldet:„Der Fürstbischöfliche Delegat hat die Eingabe der Berliner Polen um Einführung des polnischen Beichtunterrichts für ihre Kinder abgelehnt.“
= Augsburg, 24. Febr. Der Fastenhirtenbrief des Bischofs Marimilian von Lingg handelt über Gottvertrauen, Gottesglaube und Gottesliebe, die imstande sind, die Nacht, die unserer Zeit vielfach auf den einzelnen Herzen und der Gesellschaft liegt, zu beseitigen.
* Salzburg, 24. Febr. Kardinal Katschthaler ist ernstlich erkrankt und hat sich bereits mit den hl. Sterbesakramenten versehen lassen.
Rom, 24. Febr. Das älteste Mitglied des hl. Kollegiums, der 85jährige Kardinal Di Pietro, Datar Sr. Heiligkeit, ist an Lungenentzündung erkrankt.
Kirchliche Fragen in Frankreich.
Aus Paris wird der„Polit. Korr.“ berichtet, daß die Erregung, die in kirchlichen Kreisen Frankreichs durch die Mission des vom Vatikan entsendeten apostolischen Visiators Paters Saubat hervorgerufen wurde, sich nicht abschwächt, sondern eher zugenommen hat. Der Ursprung dieser Verstimmung sei insbesondere in der entgegen früheren Versicherungen festgestellten Tatsache zu suchen, daß die gegen den Prior der Brüder von St. Vinzenz de Paul, Pater An zan, getroffene Maßregel in keiner Form die Gutheißung des Erzbischofs von Paris, Kardina! Amette, erhalten hat. Es wird erklärt. daß der Kardinal die vollständige kirchliche Rechtgläubig keit des Paters Anizan nie in Zweifel gezogen habe und daß die Leitung der Kongregation von St. Vinzenz die abfällige Kritik. die an ihr im Vatikan geübt wird, nicht verdiene. Das Vorgehen gegen Pater Anizan sei somit ohne Zustimmung des Erzbischofs, wie manche behaupten, sogar gegen seinen ausdrücklichen Willen, erfolgt. In den Reihen der„intransigenten“ französischen Katholiken habe Msgr. Amette viele erbitterte Gegner, die ihm zum Vorwurf machen, daß er auf religiösem Gebiete und auch in politischer Hinsicht„eine zu wenig streitbare Haltung“ einnehme. Vor kurzem erhielten gewisse Mitglieder des französischen Episkopats Anlaß, sich über die Frage der Schaffung einer katholischen Liga zu äußern, deren Aufgabe es wäre. die republikanische Regierung zu bekämnfen und überhaupt allen politischen Kundgebungen liberaler Richtung entgegenzutreten. Kardinal Amette bestritt die Zweckmäßigkeit der Gründung einer solchen Vereinigung und wies auf die bedenklichen Unzukömmlichkeiten hin, die sich aus ihr für die katholische Sache ergeben könnten. Er befand sich auch in der Reihe der Prälaten, die die Ansicht vertraten, daß es gefährlich wäre, die Kirche durch Mitwirkung an einer Unternehmung zum Zwecke der Wiederherstellung der Monarchie zu kompromittieren. Dieses Auftreten wurde ihm von seinen Gegnern nicht verziehen, die sich auf unmittelbarem und mittelbarem Wege bemühen, ihm im Vatikan zu schaden. Hieraus erkläre sich, wie man behauptet, auch die Mission des Paters Saubat. Diese Vorgänge gehören zu den Beweg
Römischer Brief.
□ Rom, 22. Februar.
Der unterbliebene Besuch des Prinzen von Wied im Vatikan wird jetzt viel erörtert. Die meisten neigen der Ansicht zu, daß der Besuch beabsichtigt war, aber im letzten Augenblick aufgegeben wurde. Die Mohammedaner Albaniens, so sagt man, wären über den Plan ihres Monarchen, mit dem Papste zu konferieren, sehr erstaunt gewesen und darum ließ er den Gedanken fallen. Andererseits wieder behauptet man, daß die italienische Regierung, welche anfangs gegen den beabsichtigten Besuch nichts einzuwenden hatte, sehr beunruhigt wurde, als sie erfuhr, daß der Fürst von dem österreichischen Gesandten begleitet und sorgestellt werden sollte. Das ging auf keinen Fall an, denn dadurch würde Oesterreich den Vorrang vor Italien erhalten und zwar in einer Situation, in der das Gleichgewicht an der Adria durchaus aufrecht erhalten werden müßte. Wie dem auch sei, Tatsache bleibt, daß der Fürst eine Audienz beim heiligen Vater nicht nachgesucht hat, und daß diese Unterlassung auch nicht die geringste Aufregung im Vatikan verursachte. Es ist aber merkwürdig, daß man hier in Rom sich sofort den Kopf zerbricht, wenn einmal eine wichtige Persönlichkeit aus dem Auslande hierherkommt und dem Papst keinen Besuch macht. Es wäre allerdings historisch ganz interessant gewesen, wenn der Besuch im Vatikan stattgefunden hätte. Der Fürst von Wied, der bis dahin ebenso wenig Beziehungen zum Staate Albanien hatte als zu Patagonien, ist den Albaniern von Oesterreich und Italien als Souverän zuerteilt worden. Das war nicht der Weg, auf dem ein Vorgänger des Fürsten, der auch nach Rom kam, auf den albanischen Thron gelangte— Fürst Georg Skanderberg. Der gab den Türken mehr Gelegenheit zum Kämpfen als sie wünschten, sodaß sie ihn schließlich in Ruhe ließen. Fürst Skanderberg und der Fürst zu Wied stimmen in einem Punkt überein: Sie waren beide in einer eigentümlichen Lage und kamen beide nach Rom um zu sehen, wie der Wind wehte. Fürst Wilhelm zu Wied wurde am Bahnhof von einer Reihe von Beamten empfangen und dann in einem Auto nach seiner eleganten Wohnung im Excelsiorhotel gebracht;„Skanderberg",—
o lautet ein Brief aus dem Gonzaga=Archiv, datiert vom 12. Dezember 1466,„kam hier am vergangenen Freitag an, mit einigen wenigen Pferden gleich einem armen Mann. Er will eine Geld=Unterstützung haben.“ Er wohnte in einem Hause unterhalb des Quirinals in einer engen Straße, welche noch heutigen Tages seinen Namen trägt, und über der Tür des Hauses Nr. 116—117 ist sein Porträt angebracht mit der Inschrift:„Geor. Castriota a Scanderbeg, princegs Epiri ad fidem iconis rest. an. dom. 1843.“ Seine Unterstützung bekam er.
In Rom ist jetzt wirklich Frühling geworden! Der Himmel strahlt im reinsten Blau, was er zwar auch im Winter tat, jedoch um eine Schattierung blasser. Auf dem Pincio und Villa Borghese sproßt zwischen den immergrünenden Bäumen und Büschen das junge Grün hervor. Die Vögel veranstalten große Konzerte auf den Zweigen und die muntere Kinderschar in den Alleen und auf den Rasenplätzen macht ihnen Konkurrenz. Die Klagen über Erkältungen, das Schimpfen über Wind und Zugluft hören auf. Man sieht allenthalben vergnügte und zufriedene Gesichter.„Gott sei Dank, daß der Winter endlich(!)
vorbei ist.“(In Wahrheit war nur vier Wochen lang
so etwas wie Winter, wovon der kälteste Tag drei Grad über Null hatte.) Man sitzt wieder im Freien vor den Kafsees, man steht haufenweise an den Straßenecken und blinzelt zur Sonne hinauf und auf der Piazza Colonna und dem Corso herrscht ein buntes Gewühl, sodaß man auf der Promenade des Anglais zu sein meint; nur sehlt das Meer. Mit dem schönen Wetter ist auch plötzlich
der Karneval auf den Straßen bemerkbar, den man kurz torher totgesagt hatte. Es ist eine jährlich wiederkehrende Erscheinung, daß gegen den 17. Januar, am Feste St.
Antonius des Einsiedlers, das Lamentieren über den Niedergang des römischen Karneval beginnt, um dann ebenso pünktlich ca. vierzehn Tage vor Aschermittwoch, am ersten warmen Frühlingstage, zu verstummen. So auch in diesem Jahre, als mit dem herrlichen Wetter die übermütige, kindlich=frohe Natur des Römers wieder die Oberhand gewann. Eine Blumenfülle an allen Ecken und Enden, Frauen und junge Mädchen in bunten, lichten Toiletten, dazwischen hin und wieder eine Maske sich keck durchdrängend. Alles lacht und schwatzt: Es lebe die Freude! Der Frühling ist da und mit ihm als unerläßliche Be
gleiterscheinung der Karneval! Er breitet sich in der
glänzenden Sonne aus, es regnet Confetti von allen Seiten. Ein Wetter, ein Leben! Menschen! Das Volk genießt mit vollen Zügen dies köstliche Bild, es strömt den ganzen Tag in dichten Massen über den Corso, durch die Parks, vor die Tore der Stadt, in die Osterien, in die Theater. Dort geht es sehr elegant zu, aber die volkstümlichen Masken bleiben auf der Straße, der gutmütige, kahlköpfige Pantalon, das Urbild des biederen Spießbürgers, Mattacino, der Hanswurst in weißem Gewand, der die Damnen mit Rosenwasser begießt, und „Brighelle“ mit grünen Pumphosen. Und das Volk drängt, jubelt, lärmt, bombardiert sich mit Confetti und bunten Bändern und applandiert bei jedem originellen Einfall. Und da sagt man, der römische Karneval sei tot? Nicht ganz!
Der Papst hat den Kardinal Lorenzelli zum Präfekt der Kongregation der Studien ernannt, an Stelle Kard. Lassettas, der Präfekt des Konziliums geworden ist. Kard. Lorenzelli, als ehemaliger Professor der Propaganda, eignet sich sehr gut zu diesem Amt. Man tat Unrecht, als man ihn durchaus zum Diplomaten machen wollte, indem man ihn der Reihe nach als Nuntius nach dem Haag, München und Paris sandte. Er war und blieb auch auf diesen Posten ein Philosoph und schrieb auch hier eine Reihe gelehrter Bände, statt sich mit Diplomatie zu befassen. In Paris bestieg er mit Vorliebe den Lehrstuhl, um den Studenten lateinische Vorträge über Philosophie zu halten, wobei ihn die Regierung ermutigte und unterstützte. Sein größter Ehrgeiz war, dem Staats=Sekretariat in Rom über seine Erfolge als— Professor berichten zu können, sodaß Leo XIII. ein über das andere Mal ausrief: „Ist das ein Pedant!“—
Zu den Kirchenfürsten, die Aussicht auf den Purpur haben, gesellen sich nach den neuesten Informationen noch der Erzbischof von Bologna, Msgr. della Chiesa, und Msgr. Sachetti.
Buntes Allerlei.
= Gegen die Tanzpaläste. Elberfeld, 24. Febr. Die
Generalversammlung des Stadtverbandes Elberfelver Frauenvereine ist bei der Stadtverwaltung gegen
die geplante Errichtung eines„Palais de danse“ vorstellig geworden mit der Begründung, daß die Errichtung solcher Lokale der besseren Einsicht eines jeden sozial und tolkswirtschaftlich denkenden Menschen Hohn spreche, denn es könne nicht im Interesse einer Gemeinde liegen, gewisse Gewerbe zu unterstützen und zu fördern, dagegen eine Unmenge von Existenzen, die dort der Versuchung erliegen, wirtschaftlich, physisch und moralisch zu vernichten, Vergnügungslokale dieser Art seien auch eine schwere sittliche Gefahr für die Jugend, jede Jugendpflege werde illusorisch gemacht durch solche Versuchungen, deren Wirkung Frauen als harte Erschwerung langjähriger Erziehungsarbeit schmerzlich empfänden.
Z Zwei Denkmäler für niederdeutsche Dichter. In
Rostock soll John Brinckmann, dem hervorragenden niederdeutschen Dichter, bei Gelegenheit seines 100. Geburtstages am 3. Juni 1914 ein Denkmalsbrunnen gesetzt werden. Das Protektorat übernahm Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg. Demgegenüber tritt der allgemeine Plattdeutsche Verband mit dem besseren Vorschlage hervor, am 100. Geburtstage Brinckmanns eine Brinckmann=Stiftung zu gründen, deren Mittel dem plattdeutschen Schrifttum zugute kommen sollen. Zum Besten dieser Stiftung sollten nach jenem Vorschlage die plattdeutschen Vereine alljährlich eine Brinckmann=Feier, und zwar am besten am Geburtstage des Dichters, veranstalten. Der Verbandsvorstand hat es abgelehnt, dem Komitee für das Rostocker Brinckmann=Denkmal beizutreten. Johann Heinr. Fehrs, der kürzlich 70 Jahre alt wurde, soll in Mühlenbarbeck, dem Geburtsort des Dichters, ein Denkmal errichtet werden in Gestalt eines Findlings mit Bronzetafel und Reliefbild. Die Absicht hierzu bestand in Mühlenbarbeck schon vor Jahren. Als Fehrs davon erfuhr, meinte er gemütlich:„Det lat man ünnerwegens. Wenn It mi sehn wüllt, denn sett ick mi mal en paar Stun'n op'n Brik hen, denn könnt Ji mi ja bekieken.“
+ Kurzschrift in Mittelschulen. Die Stenographie als wahlfreier Unterrichtsgegenstand in Mittelschulen soll für diejenigen Mittelschulen zugelassen sein, bei denen der Stundenplan der Oberstute mit Rücksicht auf den späteren kaufsännischen Beruf der Schüler und Schüilerinnen verändert worden is. Durch Aufnahme der Kurzschrift