Einzelbild herunterladen

(Früher Sonntagspost.)

Organ der liberalen Volks- und Fortschrittspartei in Lippe.

rscheint wöchentlich zweimal, Mittwochs und Sonnabends mit Zu gabe desIllustrirt. Sonntagsblatt Kostet bei den Reichs=Postanstalten, in der Expedition und bei unsern Colporteuren in Detmold, Lage u. Blomberg 1 M. 10 Pf.

0

6

DS

Lemgo,

Sonnabend, 12. April 1879.

Anzeigen

werden mit 10 Pf. die 4gesp. Zeile berechnet Für das Blatt bestimmte Anzeigen werden außer in der Expedition in Lemgo auch von den bekannten Colporteuren in Detmold, Lage und Blomberg entgegengenommen.

Die Finanz= und Steuerverhältnisse des deutschen Reiches.

I.

Der Reichstag hat bekanntlich seine Oster­ferien begonnen, um nach Beendigung dersel­ben, am 28. d.., die Hauptarbeit, nämlich Berathung der Steuervorlagen, zu beginnen. Da ist es denn gewiß von Interesse für jeden Deutschen, einiges über die Finanz= und Steuer­Verhältnisse des Reiches zu erfahren, weßhalb wir im Nachstehenden unseren Lesern hierüber das Weitere mittheilen wollen.

Was zunächst den Reichshaushalt be­trifft, so belaufen sich die Ausgaben des Rei­ches auf etwa 420 Millionen Mark jährlich. Von den laufenden Ausgaben entfallen 350 Mil­lionen auf Heer und Marinc, 50 Millionen auf Invalidenversorgung, etwa 20 Millionen auf Civilverwaltung und Verzinsung der Anleihen. Seit 1872 sind die Ausgaben für Heer und Marine von 250 auf 350 Millionen Mark ge­stiegen. Die laufenden Ausgaben werden mit 350 Millionen Mark oder zu fünf Sechsteln aus Reichssteuern und Matrikularbeiträgen, zu einem Sechstel aus Ueberschüssen der Post und Telegraphie, der Reichsbank, der Eisen­bahnen im Elsaß, den Mitteln des Reichsin­validenfonds und verschiedenen Einnahmen be­stritten. Die einmaligen Ausgaben im Haus­halt betragen gegenwärtig 120 Millionen Mark. Diese Ausgaben werden etwa zur Hälfte aus dafür zurückbehaltenen Fonds der französischen Kriegskostenentschädigung, zur Hälfte aus An­leihen bestritten. Von den 120 Millionen ent­fallen 72 Millionen auf Heer und Marine (Festungs= und Kasernenbau, Schiffsbau, Ha­fenbau), der Rest größtentheils auf Verluste für Einschmelzung der Thaler und auf Eisen­bahnbau im Elaß.

Diese Summen werden nun theils durch direkte, theils durch indirekte Steuern aufge­bracht. Unter den Ersteren begreift man be­kanntlich Einkommensteuern, Klassensteuern, Gewerbesteuern, Grund= und Gebäudesteuern 2c. Diese werden in Gemäßheit der Landesgesetz­gebung von den Einzelstaaten für deren Rech­nung erhoben. Die Kommunen haben da­neben entweder besondere Einkommensteuern, Haussteuern, Miethssteuern oder erheben Zu­schläge zu den Staatssteuern. Für Rechnung der Einzelstaaten werden auch die Stempel­steuern und Gerichtsgebühren erhoben. Nur der Wechselstempel und der Spielkartenstempel wird nach Maßgabe von Reichsgesetzen für Reichsrechnung erhoben. Vom Ertrage der­selben erhalten die Einzelstaaten vorab eine Vergütung für Verwaltungs= und Erhebungs­kosten. Von inländischen Produkten besteuert das Reich Salz und Rübenzucker, desgl. Bier und Branntwein. Die Reichssteuer auf Bier wird aber bloß in Norddeutschland erhoben, die Reichssteuer auf Branntwein in Norddeutsch­land und im Elsaß. Die süddeutschen Staaten haben ihre eigenen Bier= u. Branntweinsteuern und zahlen dafür an das Reich einen nach dem Aufkommen dieser Steuern im Norden und der Kopfzahl ihrer Bevölkerung bemessenen Beitrag, welcher in den Matrikularbeiträgen steckt. Ab­gesehen von den Kommunalsteuern wird schon gegenwärtig in Deutschland der bei Weitem

größere Theil der Steuern für Reich und Ein­zelstaaten durch Zölle und Abgaben auf den Verbrauch gewöhnlicher Lebensmittel erhoben. Die vom Reich erhobenen Zölle und Verbrauchs­abgaben bringen schon jetzt 284 Millionen Mark, also nahezu 7 Mark auf den Kopf der Bevölkerung ein, wovon nach Abzug der Er­hebungskosten 260 Millionen Mark in die Reichskasse fließen. Dazu kommen noch die nach den Landesgesetzen im Süden erhobenen Bier=, Branntwein= und Weinsteuern 2c. und die Stempelsteuern. Die Landesstempelsteuern betragen beispielsweise in Preußen incl. der Erbschaftssteuer 25 Millionen Mark. Die di­rekten Staatssteuern belaufen sich in Preußen, wo das direkte Steuersystem am meisten aus­gebildet ist, auf 156 Millionen Mark, also auf etwa 6 Mark für den Kopf der Bevölkerung. Hiervon entfallen auf Einkommen= und Klas­sensteuer 73 Millionen Mark, Gewerbesteuer und Eisenbahnabgaben 22 Millionen Mark, Grundsteuer 40 Millionen Mark, Gebäudesteuer 21 Millionen Mark.(Letzterer Betrag wird sich durch die Neuveranlagung erhöhen.) Das am 25. November 1878 neu redigirte Programm der Fortschrittspartei lautet u..: Vertheilung der Steuerlast nach Maßgabe der Steuerkraft; insbesondere keine Ueberbür­dung der weniger bemittelten Volksklassen durch unverhältnißmäßige Besteuerung allgemeiner Verbrauchsgegenstände. Da die indirekten Steuern schon jetzt die direkten Steuern über­steigen, die Ersteren sich weniger als die Letz­teren nach Maßgabe der Steuerkraft verthei­len, sondern, weil sie, abgesehen von den Stem­pelsteuern durchweg auf allgemeinen Verbrauchs­gegenständen lasten, geeignet sind, die weniger bemittelten Volksklassen verhältnißmäßig stär­ker zu belasten, so ist die Fortschrittspartei einer weiteren erheblichen Ausdehnung des in­direkten Steuersystems nicht geneigt, am We­nigsten wenn wie jetzt eine entsprechende Ent­lastung derselben Klassen, auf welche der Haupt­betrag der neuen indirekten Steuern fällt, nicht gesichert ist oder den Steuern Steuerentlastun­gen überhaupt nicht gegenüberstehen.

Wenn nun das Reich 350 Millionen Mark Einnahme aus Reichssteuern und Matrikular­beiträgen gewinnt und der Nettoertrag der ersteren 260 Millionen Mark beträgt, so müs­sen durch die Matrikularbeiträge noch 90 Mil­lionen Mark gedeckt werden.

Diese sind nicht Steuern der Bürger, sondern Beiträge, welche die Einzelstaaten nach Maß­gabe der Kopfzahl ihrer Bevölkerung aus den Erträgen ihrer Steuern und sonstigen Einnah­men leisten. Preußen beispielsweise zahlt aus seinem Haushalt mit 713 Millionen Mark Vruttoeinnahmen und 180 Millionen Mark Landessteuern jetzt etwa 37 Millionen Mark Matrikularbeiträge an das Reich. Soviel bei Feststellung des Haushaltsetats im Reiche an Einnahmen fehlt, wird verfassungsmäßig auf die Einzelstaaten in Gestalt von Matrikular­beiträgen umgelegt. Obige 90 Millionen sind aber nicht ganz in diesem Sinne Matrikular­beiträge. Es stecken darin die Entschädigun­gen der süddeutschen Staaten dafür, daß sie ihre eigenen Bier= und Branntweinsteuern ha­ben und die Ueberschüsse ihres besonderen Post­und Telegraphenwesens(Bayern und Würtem­

berg) für sich behalten. Bringt man diese gleichfalls nach der Kopfzahl in Abzug, so blei­ben etwa 65 Mil. Mk. eigentl. Matrikularbeiträ­ge, welche gleichmäßig unter die Einzelstaaten in dem Maße, wie sie an der Bevölkerung des Reichs von 41 Millionen Köpfen Theil neh­men, umgelegt werden. Die Festsetzung Gesammtbetrages der Matrikularbeiträge bildet den Schluß der jährlichen Etatsberathung. Ohne einen Beschluß des Reichstags darüber können solche Matrikularbeiträge von den Ein­zelstaaten nicht erhoben werden; die im Inte­resse der Einzelstaaten möglichst niedrige Be­messung derselben bildet einen Anreiz zur spar­samen Bemessung der Ausgaben. Der Reichs­tag hat in den 6 Etatsjahren von 187580 im Etat mittelst Ersparnisse, Heranziehung von Beständen oder richtiger Veranschlagung es ermöglicht, zusammen 90 Millionen Mark an Matrikularbeiträgen gegen die Forderungen der Regierung abzusetzen. Die Reichssteuern und Zölle werden dagegen nach Gesetzen er­hoben, welche ohne Zustimmung der Regierung nicht abgeändert werden können. Im Ganzen haben die eigentlichen Matrikularbeiträge seit 1873 nur eine Erhöhung von etwa 10 Mil­lionen Mark erfahren; vor 1873 waren sie namentlich im Norddeutschen Bunde erheblich höher als jetzt. Die Fortschrittspartei er­strebt nach ihrem ProgrammErhaltung des Rechtes des Reichstages auf jährliche Steuer­bewilligung; bis zur vollen Sicherstellung die­ses Rechts in anderer Form, Beibehaltung der Matrikular=Beiträge unter Annahme eines gerechteren Vertheilungsmaßstabes. Die Ver­brauchsabgaben eignen sich nicht zu jährlichen Bewilligungen, weil Aenderungen hierin stö­rend auf Handel und Produktion zurückwirken. Das Bestreben der Regierung und gewisser Parteien, bis zum Betrage der Matrikular­beiträge oder noch darüber hinaus die Reichs­steuern zu erhöhen, führt an und für sich zu einer Mehrbelastung des Volkes, welche sich nur dann und insofern wieder ausgleichen kann, als die hiernach den Einzelstaaten ver­bleibenden bezw. zufließenden Mittel von den­selben zu Erlassen der Landessteuern benutzt werden. Selbst die rechtliche Möglichkeit hier­für ist für das preußische Abgeordnetenhaus auch nach den letzten Landtagsverhandlungen nicht gegeben; jeder Steuererlaß kann schon an dem Veto des Herrenhauses scheitern.

Aus dem

Brannschweigischen Weserkreise.

Für die Bevölkerung des Fürstenthums Lippe, namentlich der Hauptstadt Detmold muß die Frage wohin die Bahn, welche von Heiford nach Detmold jetzt gebaut wird, in förderlicher Richtung fortgeführt werden müsse, ein großes Interesse haben. Denn daß es um Fortsetzung derselben in südöstlicher Richtung sich handelt, liegt auf der Hand, da eine in Oetmold en­digende Sackbahn unmöglich eine Rente gewäh­ren und für den Verkehr einen geringeren Nu­tzen gewähren würde als eine Bahn die in den beiden wichtigsten Richtungen Anschlüsse darbieten würde. Wollte man sich dabei begnügen, die Bahn über Horn nach Bergheim fortzuführen, so würde die hauptsächlichste auf Kassel, Göttingen, Nord­