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Sauerländer Tageblatt

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Paderborn, Sonntag, den 30. April 1911.

Telegramm=Adresse: Volksblatt. 63. Jahrgang.

Erstes Blatt. Hierzu zwei Beiblätter.

W

Den Vogel abgeschossen

hat die Freis. Ztg., welche ihrem Leitartikel die Auf­schrift gibt: Das Fiasko der neuen Steuern. Das Blatt muß zwar anerkennen, daß der Abschluß des Jahres 1910 ein sehr günstiger ist, daß die Zoll= und Steuereinnahmen um rund 40 Mill. Mk. höher sind, als sie im Voranschlag stehen. Dazu kommen die er­höhten Ueberschüsse der Reichspost und der Reichs­eisenbahnverwaltungen und die Ersparnisse in einzelnen Ressorts. die man noch nicht in voller Höhe kennt; denn erst am 10. Mai erfolgt die Schlußabrechnung mit der Reichshauptkasse; aber so viel darf man jetzt schon sagen, daß der Etat für 1910 einen reinen Ueber­schuß von mindestens 55 Mill. Mk. bringen wird. Diese Gelder werden sofort dazu verwendet, um die Schulden des Bülowblocks abzuzahlen. Eine solche Er­scheinung ist nun dem Liberalismus höchst unangenehm. jetzt kann man nicht mehr von einemfrisierten Etat. sprechen, denn das Geld ist vorhanden; es handelt sich um keine Schätzung mehr, sondern um gesunde Reichs­finanzen. Diese Tatsache springt so sehr in aller Augen, daß ein Ableugnen nicht mehr hilft. Dadurch aber sind die liberalen Blätter und Parteien stark bloßgestellt, denn sie haben seinerzeit behauptet, daß die neuen Steuern auch nicht ausreichen würden, daß es sich um ein Flick­werk handele und daß man nur auf dem Papien die Millionen habe. Nun sie aber in der Reichskasse sind, sieht der letzte liberale Wähler ein, wie er irre­gefuhrt worden ist und traut darum der ganzen liberalen Hetze nicht mehr.

In dieser Verlegenheit ziehr nun die Freis. Ztg. ein neues Register, sie stützt sich darauf, daß nicht jede einzeine neue Steuer das eingebracht habe, was im Voranschlag festgesetzt worden war. Diese Behauptung ist zutreffend. Die Reichseinnahmen im einzelnen stellen sich vom Beginn des Rechnungsjahres 1910 bis zum Schluß des Monats März in den wichtigsten Posten wie folgt: Zölle 659155192(Anschlag 631 900000) Mark; Tabaksteuer 11 787677(14413000) Mark; Jigaretiensteuer 24336 258(28711000) Mark; Zucker­steuer 151 110 557(147178000) Mark; Salzsteuer

60 182 672(58 048000) Mk.; Branntweinverbrauchs­abgabe 157 424 096(180 000000) Mk.; Betriebsauflage für Branntwein ergab ein Minus von 4 444 918 Mark. An Schaumweinsteuer gingen ein 9833792(Anschlag 10210000) Mk. Leuchtmittelsteuer 9 984 084(15 013 000) Mark. Zündwarensteuer 14079 567(15010000) Mk. Brausteuer 110 217711(111 500000) Mark. Wechsel­stempelsteuer 18365 443(20000000) Mark. Stempel­abgaben von Schecks 3528 721(7350000) Mark; von Grundstücksübertragungen 42 811 695(25 480000) Mk. Die Erbschaftssteuer brachte 41 560 958(34000000) Mk. Solche Mehr= oder Mindereinnahmen hat es stets gegeben und wird es immer geben; die Hauptsache ist, daß am Schluß kein Minus vorhanden ist, sondern ein Ueberschuß. Der Reichstag ist nicht in der Lage, jede einzelne Steuer auf Heller und Pfennig genau einzuschätzen. Dazu kommt nach ein anderes: im ersten Jahre der neuen Steuern sind Schwankungen ganz unver meidlich; die neuen Steuern müssen sich erst einleben; sie wirken vielfach auf die schon lange bestehenden alten Steuern zurück und drücken das Gesamtergebnis herab. Nur ein politisch ahnungsloses Kind kann in solchen Schwankungen ein Fiasko erblicken. Es ist ganz selbst­verständlich, daß sogar die Jahre 1911 und 1912 noch Mehr= oder Mindereinnahmen bei einzelnen Steuern aufweisen werden, da man für alle Etatsschätzungen keine feste und solide Unterlage hat; es sind eben Schätzungen, von denen schon der Volksmund sagt:Schätzen kann sehlen. Mit solchen Mätzschen sollte also die frei­sinnige Presse zu Hause bleiben; damit wird der Lügen­feldzug von 1909 nicht mehr gerettet und nicht gerecht­fertigt.

Wer auf die Mindereinnahmen hinweist, der muß auch die Mehreinnahmen nennen; da aber haben einzelne Steuern geradezu glänzend abgeschnitten; es seien nur genannt die Börsensteuern und die Grundstücksüber­tragungssteuer. Unter den Borsensteuern entwickelt sich die Talonsteuer besonders schön. Man darf nur auf die Bilanzen der Aktiengesellschaften blicken; diese alle enthalten ungemein hohe Rückstellungen für die Talon­steuer, wie es die Frankf. Ztg. selbst vor einiger Zeit anerkannt hat. Unter den Fehlbeträgen steht obenan der Branntwein, der 27 Millionen Mark weniger ein­brachte. Dieser Steuerrückgang beruht auf dem Schnapsboykott der Sozialdemokratie und der durch viele Wirte vorgenommenen Verdünnung des Brannt­weins. Der Bundesrat trug dem schon Rechnung, in­dem er das Kontingent bereits um 25 Prozent herab­setzte. Aber dieser Rückgang der Steuer ist ganz er­freulich; je weniger man aus dem Branntwein erhält, desto besser für das deutsche Volk. Wir freuen uns aufrichtig, wenn weniger Schnaps getrunken wird. Mit der Steuerreform als solcher hat dieser Rückgang nichts zu tun. Wenn Wechselstempel und Scheckstempel hinter den Voranschlägen zurückblieben, so sind dies eben solche Steuern, welche liberale Großbankiers vorgeschlagen haben. Aber alle diese Einzelheiten spielen keine Rolle angesichts des Gesamtresultats, daß das Geld vor­handen ist und daß die Steuern insgesamt mehr einbringen, als man angesetzt hat. Der Hin­weis auf die gute volkswirtschaftliche Gesamtlage rettet die Freisinnigen auch nicht; denn bei der Verabschiedung der neuen Steuern behaupteten gerade sie, daß die neuenSteuern Handel und Gewerbe ruinieren würden, während seitdem tatsächlich eine von niemand mehr in

Abrede gestellte starke Hebung vorhanden ist. So kommt die Linke von einem Widerspruch in den anderen.

X

Politische Aebersicht.

Zur Ledechowskifrage

weist der Münst. Anz. zeitgemäl, auf Folgendes zurück:

Wie die anderen mit der Maigesetzgebung in Konflikt geratenen Bischöfe hat auch Kardinal Ledochowski nach seiner ihm durch das Gewissen gebotenen Pflicht gehandelt. Neben ihm wurden durch den Spruch des kirchlichen Gerichtshofes Erzbischof Melchers von Köln, Fürstbischof Förster von Breslau, die Bischöfe Martin von Paderborn, Brinkmann von Münster und Blum von Limburg staatlicherseits ihres Amtes für verlustig erklärt und sind daraufhin ins Ausland gegangen. Von ihnen sind die Bischöfe von Münster und Limburg durch die Entschließung Kaiser Wilhelms I. wieder zurückgerufen worden. Fürstbischof Förster und Bischof Martin sind vor Beendigung des Kulturkampfes gestorben, dagegen haben Erzbischof Melchers und Kar­dinal Ledochowski noch den Zugang zum kirchlichen Frieden erlebt. Der letztere ist in Rom in persönliche Beziehungen zum regierenden Kaiser getreten, was Erzvischof Melchers versagt geblieben ist. Von letzterem erklärte der Kultus­minister v. Goßler, niemals werde ein preußischer Mi­nister die Hand dazu bieten, daß er wieder auf seinen Bischofsstuhl zurückgerufen werde. Die Grunde gehören der Geschichte an und brauchen hier nicht weiter er­örtert zu werden. Er starb 1895. Seiner Beisetzung im Kölner Dom sind keinerlei Schwierigkeiten ge­macht worden und auch die liberale Presse hat damals über diese ganz selbstverständliche Sache kein Wort ver­loren. Bischof Martin war der erste unter den in die Verbannung getriebenen ihres Amtes staatlich ent­setzten preußischen Bischöfen, die das Zeitliche gesegnet haben. Sein Heimgang erfolgte 1879, als die Maigesetze noch üngemindert in Kraft waren, wenn auch schon eine leise Friedensröte sich zu zeigen begann. Der tat­kräftigen Initiative Pauline v. Mallinckrodts, der stark mütigen Schwester des großen Zentrumsführers, war es zu danken, daß die Staatsregierung sich vor die vollendete Tatsache gestellt sah. Die Oeffentlichkeit erfuhr erst von dem in Mont=St. Guibert erfolgten Tode, als die Leiche sich bereits in Paderborn befand. Die Re­gierung setzte der feierlichen Beisetzung im Dome, die eine des großen Bekennerbischofs durchaus würdige war, nicht die geringste Schwierigkeit entgegen; allerdings stand damals auch Fürst Bismarck an der Spitze der Regierung, der auch hier eine größere Un­befangenheit bewies, als sie den modernen fortschrittlichen Freiheitshelden eigen ist. Fürstbischof Förster starb 1881: auch gegen seine Beisetzung im Dom zu Breslau hatte die Regierung des Fürsten Bismarck nichts zu erinnern. So ruhen denn alle von oer Maigesetzgebung in Ritleiden­schaft gezogenen preußischen Bischöfe in der Kathedrale, die ihnen mit dem oberhirtlichen Amte im Leben zuge wiesen war. Es wäre ein Akt unerhörter Unduldsamkeit, wenn mit dem Kardinal=Erzbischof Ledochowski eine Aus­nahme gemacht werden sollte. Das kann auch durch die pol­nischen Verhältnisse nicht gerechtfertigt werden.

Der Geschäftsplan des Abgeordnetenhauses ist für die folgende Woche wie folgt festgelegt: Am

2. Mai soll die Novelle zur Gemeindeordnung für die Rheinvrovinz in erster Lesung beraten werden, ferner eine Reihe von Anträgen betreffend Wanderlager, Besteuerung der Konsumvereine. Bienen­zucht. Rerision des Gebührentarifs für die Kataster­ämter. Novelle zur Provinzialordnung für Westfalen, Dienstaufwandsentschädigungen der Distriktskommissare. Das Eisenbahnanleihegesetz soll nicht am

3. Mai, wie ursprünglich geplant war, beraten werden, sondern, da seine Drucklegung wegen des späten Ein­gangs der Vorlage sich verzögert hat, auf Wunsch des Landwirtschaftsministeriums am 3. Mai zunächst die erste Beratung des Entwurfs eines Ausführungs­gesetzes zum Viehseuchengesetz auf die Tages­ordnung gesetzt werden. Am 4. Mai werden zur Be ratung gestellt werden der Gesetzentwurf über die Be schulung blinder und taubstummer Kinder, der Entwurf über die Auflösung der Tertialverhältnisse im Regierungs­bezirk Stralsund, der Entwurf betreffend die Umlegung von Grundstücken in der Residenzstadt Posen und der Antrag der Sozialdemokraten, betreffend Einstellung eines Verfahrens gegen den Abg. Dr. Lieblnecht.

Das sog. Ausnahmegesetz gegen die sozialdemotratischen Kassenangestellten

kehrt immer wieder in der roten Presse: sie spricht zwar von der Verletzung wohlerworbener Rechte, wäh­rend sich sonst die Sozialdemokratie um solche Rechte gar nicht kümmert; hier ist sie auf einmal ganz konser­vativ geworden. Aber es handelt sich gar nicht um wohlerworbene Rechte, sondern in den meisten Fällen um erschlichene Rechtsansprüche, die auf Ver­trägen beruhen, welche gegen die guten Sitten ver­stoßen. Da die Ableugnungspolitik in der Presse fort­gesetzt wird, erscheint es angebracht, an die in der Kom­mission mitgeteilten Tatsachen zu erinnern. Eine amt­liche Umfrage, welche übrigens mit Stichproben sich be­gnügen mußte, hat überraschende Aufschlüsse über die von den Krankenkassen mit ihren Beamten abge schlossenen Anstellungsverträge geliefert. Aus dem Material erhellt, daß die Behauptungen der sozial demokratischen Kassenorgane von der Richtigkeit der an­fechtbaren Dienstformulare auf den schwächsten Füßen stehen. In 680 zur Einsicht vorgelegten preußischen Verträgen waren Bestimmungen enthalten, die nach einem Urteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 1910 den guten Sitten zu­wiverlaufen. Von weiteren 70 Verträgen wurde

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das Gleiche berichtet. Von diesen 750 Verträgen ent­fielen auf die Stadt Berlin mehr als 280, auf den Regierungsbezirk Potsdam 154, Wiesbaden 100, Bres­lau 50 usw. Die Verträge enthalten bei im wesent­lich gleichlautenden Inhalt beinahe durchweg die Klausel über die Unkündbarkeit aus Anlaß der Be­strafung wegen politischer oder religiöser Vergehen oder Verbrechen. Einzelne Kassen, z. B. eine in Rir­dorf, schränken die Entlassungsmöglichkeiten noch mehr ei. Die Verträge sind, abgesehen von zwei Berliner Innungskassen, allesamt von Ortskrankenkassen abge schlossen worden; für Betriebskrankenkassen sind keine derartigen Verträge vorgelegt worden. Die aus Bayern und Sachsen mitgeteilten Musterstatuten übertrumpfen noch teilweise die Preugens: so kann nach einem Münchener Statut der mit dem Angestellten abge­schlossene Vertrag nur gelöst werden, wenn ihm die bürgerlichen Rechte aberkannt sindwegen nichtpoliti­scher, nichtgewerkschaftlicher oder nichtreligiöser Ver­gehen. Im ganzen sind ungefähr 1130 Verträge, welche anstöbig im angedeuteten Sinne waren, ermittelt worden. Bezeichnend ist endlich, daß nach dem vor­gelegten Material die beanstandeten Verträge ganz überwiegend in den Großstädten und in solchen Gegenden abgeschlossen sind, in denen die Sozial­demokratie innerhalb der Arbeiterschaft die Vor­herrschaft besitzt, während in Gegenden, wo auch die christlichen Gewerkschaften und die konfessionellen Ar­beitervereine festen Fuß gefaßt haben, z. B. in Rhein­land und Westfalen, derartige Verträge kaum oder nur in geringem Umfang vorkommen. Aus den vor­liegenden Erfahrungen werden in dem Einführungs­gesetz zur Reichsversicherungsordnung die notwendigen Folgerungen gezogen, die darauf hinauslaufen, daß die als unzulässig anerkannten Vertragsbestimmungen unter Umständen aufgehoben werden können. Gerade vom Standpunkt des Rechtes aus muß man gegen solche Verträge aufs schärfste vorgehen. Man kann doch den Sozialdemokraten keine Extrawurst braten.

Gegen die weibliche Leitung öffentlicher Mädchenschulen.

Wie aus dem dritten Verzeichnis der bei dem Hause der Abgeordneten eingegangenen Petitionen hervorgeht, sino diesem Hause nicht weniger als 1033 Petitionen gegen die Verstärkung des weiblichen Einflusses im Mädchenschulwesen und gegen die Zulassung der weib­lichen Leitung öffentlicher Mädchenschulen zugegangen. Die Petitionen stammen aus großen und kleineren Städten und sind in der Hauptsache von Direktoren, Rektoren, Oberlehrern und Lehrern unterzeichnet. Bekanntlich hat die Unterrichtskommission des Abgeordnetenhauses be­schlossen, dem Plenum zu empfehlen, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen, weil die neue Ver ordnung über das höhere Mädchenschulwesen erst so kurze Zeit in Kraft getreten sei, daß eine Aenderung nicht empfohlen werden tönne. Ob das Plenum dem Beschlusse seiner Kommission Folge geben wird, bleibt abzuwarten.

Zur Regelung des Zigennerwesens

soll demnächst in München eine Konferenz von Ver­tretern der an der Zigeunerfrage interessierten Bundes staaten stattfinden, um eine Verständigung über die Maß­regei herbeizuführen, die einheitlich von den Regierungen der Bundesstaaten gegen das Zigeunerunwesen erfolg reich angewandt werden können.

Der Branntweinverbrauch.

De Berl. Korrespondenz berichtet über den Brannt­weinverbrauch und die Einnahmen aus der Branntwein steuer nach dem Branntweinsteuergesetz vom 15. Juli 1909 im Berichtsjahre 1909/10: Im Berichtsjahre wurden im ganzen 3641 889 Hektoliter Alkohol hergestellt. Das bebeutet gegen das vorjährige Erzeugnis 613232 Heito liter weniger, oder 14,4 vom Hundert weniger. Die Abgaben an Steuern betrugen 187100237 Mark (1908/1909: 162 668441 Mark). Hiervon kommen

121123071 Mark auf die neuen Verbrauchsabgaben. Im freien Verkehr wurden im ganzen gegen Entrichtung der Verbrauchsabgaben bezw. gegen Entrichtung des Zolles für Genußzwecke insgesamt 1783027 Hettoliter hergestellt.(2.8 Liter auf den Kopf der Bevölkerung gegen 2650622 Hektoliter, bezw. 4,2 Liter auf den Kopf der Bevölterung in Vorjahre). Im Gegensatz zu dem Verbrauch für Trinkzwecke ist der Verbrauch für gewerbliche Zwecke stark gewachsen. Der Ver brauch an Alkohol für Gewerbezwecke im Jahre 1909/10 betrug 3 665 887 Hektoliter bezw. 5,7 Liter auf den Kopf der Bevölkerung gegen 4130 669 Hektoliter bezw. 6,5 Liter im Jahre 1908/09.

Fortschrittler und Nationalliberale in Westfalen.

Die Zentralleitung der nationalliberalen Partei hat der Leitung im Wahlkreise Hagen=Schwelm die Wei­rung erteilt, mit der Fortschrittlichen Volks­partei zu einer Einigung zu gelangen; die Hagener Nationalliberalen aber wollen an ihrem Bündnis mit dem Zentrum und den Christlich=Sozialen unter allen Umständen festhalten. Nun hat es der geschäfts­führende Ausschuß der Fortschrittlichen Volkspartei in Berlin unternommen, eine Einigung des Liberalismus über Westfalen herbeizuführen. Der Vorstand des Bezirks Hagen der Fortschrittlichen Volkspartei ist an die Provinzialleitung der nationalliberalen Partei mit der Anfrage herangetreten, ob sie geneigt sei, in eine Besprechung über ein Kompromiß einzutreten. Der Vor­sitzende des Provinzialvorstandes der Nationalliberalen, Abg. Dr. Habermann in Dortmund, hat die An­frage bejahend beantwortet. Es soll nun am 17. Mai eine Besprechung in Hagen stattfinden, zu der jede Partei aus jedem der in Betracht kommenden Wahlkreise Hagen Schwelm, Altena=Iserlohn, Hamm=Soest, Dortmund Hörde und Gelsenkirchen Bochum=Witten=Hattingen zwei Vertreter zu entsenden hat. Da der Wahlkreis Hagen­

Schwelm bei den Einigungsverhandlungen außer Be­tracht bleiben soll und die Fortschrittler in Hamm­Soest demgemäß außerhalb der Vereinbarung bleiben wollen, handelt es sich im wesentlichen nur noch darum, ob die Fortschrittliche Volkspartei in den Wahlkreisen Dortmund=Hörde und Gelsenkirchen=Bochum von der Auf­stellung eines eigenen Kandidaten Abstand nehmen und für den nationalliberalen Kandidaten eintreten wird, wenn die nationalliberale Partei in Altena=Iserlohn ge­schlossen für den jetzigen Mandatsinhaber Geheimrat Ottomar Müller einzutreten bereit ist. Für die dem Bezirk Nordwestfalen angehörenden Kreise Minden­Lübbecke, Bielefeld=Celle=Herford sowie Schaumburg­Lippe und Lipve=Detmold sollen besondere Ver­einherungen getroffen werden.

Abgelehnte staatssozialistische Pläne.

Das Ergebnis der Volksabstimmung über zwei von der australischen Regierung eingebrachte Ge­setzentwürfe ist jetzt so gut wie vollständig. Die erste Vorlage, die dem Bundesvarlament Vollmacht über alle Angelegenheiten der Commonwealth geben wollte, wurde mit 687000 gegen 443000 Stimmen ab­gelehnt. Gegen die zweite Vorlage, welche die Ver­staatlichung der Monopole vorsah und die Bun­desregierung in den Stand setzen wollte, unter ge­rechten Bedingungen den Besitz jedes Unternehmens anzutreten, das vom Parlament offiziell als Monopol bezeichnet worden ist, wurden 682000 Stimmen ab­gegeben, dafür 446000. Die Zeitung Argus sagt bei der Besprechung des Ergebnisses, die Volksabstimmung habe gezeigt, daß die Bevölkerung die ausschweifen­den, unbegrenzten Pläne der Arbeitersozialisten und ihr anmaßendes Benehmen durchaus mißbillige.

Anruhen in Holländisch=IIndien.

Wie ein im holländischen Kriegsministerium ein­gegangenes Telegramm aus" Batavia besagt, ist auf der Insel Soembawa eine Patrouille von einer Eingeborenenbande angeariffen worden. Die Patrouille verlor zwei Soldaten und zwei Kulis, die Eingeborenen sieben Mann.

Kurze politische Nachrichten.

Der konservative Landtagsabgeordnete Reinicke ist Donnerstag Abend im Alter von 76 Jahren in Mansfeld gestorben.

Zur

Paris. 28. Aprik. Wie der Agence Havas aus Ceuta über Tetuan gemeldet wird, herrscht in Ceuta rege militarische Tatigkeit. Die Spanier schickten Unterhändler an die Notabeln des Andjera­stammes, um sie durch hohe Belohnungen zu veran­lassen, Eingeborenenkontingente für ihre Armee zu stellen, im Hinblick auf den Marsch auf Tetuan.

Tanger. 29. April.(Drahtb.) Aus Fes wird gemeldet, daß die Stadt am 22. ruhig war. Zur Unterstützung der Besatzung sind 1500 berittene Taza­Leute dort eingetroffen.

Madrid. 29. April.(Drahtb.) Der Heraldo meldet aus Nemours(Algier): Die nach Taza mar­schierende französische Kolonne wurde unterwegs von Kabylen angeariffen und kannte erst nach hef­tigem Kampfe den Marsch fortsetzen. Die Franzosen hatten.15 Tote und 20 Verwundete. Die Verluste der Kabylen sind unbekannt.

Die Wirren in Mexiko.

Newyork, 29. April.(Drahtb.) Wie aus Ari­zona gemeldet wird, sind in einem Gefecht zwischen Bundestruppen und Aufständischen 40 Mann ge­fallen.

Meriko, 29. April.(Drahtb.) Gestern hat ein Bevollmächtigter der mexikanischen Regierung die Hauptstadt verlassen, um in Juarez mit den Aufstän­dischen über den Frieden zu verhandeln.

Marseille, 29. April.(Drahtb.) 600 Kolonial= soldaten haben die Ausreise nach Casablanca angetreten.

Neueste Nachrichten.

Wien, 29. April.(Drahtb.) Die Abreise des Kaisers Franz Joseph nach Pest bezw. Gödölld ist auf den 2. Mai festgesetzt worden. Wie verlautet, wird der Aufenthalt in Angarn nicht 6, sondern drei Wochen währen. Das Befinden ist vortrefflich. Die Heiserkeit ist behoben, der Kartarrh fast ganz be­seitigt.

Rom, 29. April.(Drahtb.) Der katholische Cor­riere d'Italia dementiert die Nachricht, daß der Groß­wesir den katholischen Delegaten in Konstantinopel be­sucht habe, um ihm für die Absendung eines päpst­lichen Rundschreibens zu danken, das die ka­tholischen Bischöfe Albaniens auffordert, die katholische Bevölkerung Albaniens von der aufständischen Be­wegung fernzuhalten und sie zum Gehorsam gegen die Staatsgesetze zu ermahnen. Das Blatt versichert, daß der Papst keinen solchen Brief geschrieben habe und erklärt, daß es von einem Besuche des Großwesirz nichts weiß. Es sagt: Es ist eine lächerliche Behaup­tung, daß der türkische Gesandte beim Quirinal beauf­tragt sei, dem Papst persönlich zu danken.