30. Jahrgang. Nummer 134

Weshansche rirarfte Nachrichten

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Amrriandeisbiall

und Bielefelder General=Anzeiger

Bielefeld, Mittwoch, 12. Juni 1929

Anzeigenpreis: Der Raum für die Anzeigenspalte, 20 mmd breit, 1 mm hoch, kostet 15 Pfg. Der Raum für die Reklamezeile, 70 mm breit, 1 mm hoch, kostet 60 Pfg. Mindesthöhe einer Anzeige 10 mm. Rabatt nach besonderem Taris. Bei verspätetem Eingang der Zahlung oder bei Zwangseinziehung des Be­trages kommt der gewährte Rabatt in Fortfall. Beilagen 15 Mark das Tausend, bei Teilauflagen 20 Mark. Annahmestellen für Bielefeld die Geschäftsstellen Rohrteichstraße 9 und Alter Markt 2. sowie die Filialen Bahnhofstraße 34, Kreuzstraße 40, Roland­straße 12, für Brackwede die Geschäftsstelle Hauptstraße 60.

Neues vom Jage

Graf Julius Andrassy, der frühere unga­rische Innenminister und letzter Außenminister der österreichisch=ungarischen Monarchie ist am Dienstag abend nach einer Nierenoperation in einem Budapester Sanatorium gestorben.

In Mexiko wurde der Führer der Auf­ständischen Ramirez mit 49 Leuten seiner Ge­folgschaft in einem Kampf mit Bundestruppen getötet.

Am Dienstag traten in Mexiko 2000 Stu­denten in den Streik. Sie besetzten die Uni­versität und bemächtigten sich mehrerer Beam­ten, die sie als Geiseln gefangen halten. Sie fordern die Abschaffung der monatlichen Prü­jungen und den Rücktritt des Rektors.

Stresemann bei Briand

Madrid, 11. 6.(Tel.)

Die angekündigte Besprechung zwischen Reichsminister Stresemann und dem fran­zösischen Minister des Aeußern Briand fand am Dienstag nachmittag am Sitz der franzö­sischen Delegation statt. Die beiden Staats­männer begaben sich darauf zusammen in einem Kraftwagen zur Sitzung des Ratskomi­tees. Havas berichtet über die Unterredung:

Obwohl über die Unterredung der beiden Minister nichts durchgesickert ist, neigt man zu dde Annahme, daß Strefemann diese Begeg­nung benutzt hat, um sich über gewisse Probleme, die Deutschland und Frankreich be­sonders interessieren, auszusprechen. Briand wird Stresemann aufmerksam zugehört, aber nicht verfehlt haben, daran zu erinnern, daß der Genser Beschluß vom 15. September v.., auf Grund dessen der Sachverständigenausschuß für eine endgültige Regelung der Repara­tionen einberufen worden war, das Wert ämt­licher an der Regelung dieses Problems unmittelbar beteiligten Mächte gewesen ist; die französische Regierung gedenke keineswegs, sich den Verpflichtungen zu entziehen, die sie durch die Annahme der ebengenannten Ent­schließung übernommen hat. Sie sei also durch­aus geneigt zu vollster Zusammenarbeit mit sämtlichen Vertragsmächten. Die Abwesenheit dieser Vertragsmächte stehe nun dem entgegen, daß irgendeine Verhandlung während der Völkerbundstagung eingeleitet wird.

Deshalb konnte die Unterredung zwischen den beiden Außenministern auch nur einen informatorischen Charakter tragen. Ueber den begrenzten Gegenstand ihrer Besprechung im Einvernehmen haben beide Staatsmänner be­schlossen, in Zusammenarbeit mit sämtlichen beteiligten Mächten zu gegebener Zeit die praktischen Folgerungen aus diesen Ergeb­nissen zu ziehen.

Soweit das halbamtliche französische Tele­grapenbüro. Der kurze Inhalt der langen Rede scheint uns zu sein: Durchgesickert ist nichts, aber man weiß trotzdem, daß bei der Unterredung nichts Greifbares herausgekom­men ist. Das war zu erwarten. Nichtsdesto­weniger kann die Aussprache der beiden Staatsmänner später Früchte tragen.

Die Deutschnationalen zum Konkordat

Die Deutschnationale Pressestelle teilt mit:

Die Deutschnationale Fraktion des Preußischen Landtages hat folgendes Schreiben an den Ministerpräsidenten gerichtet:Die Deutschnatio­nale Fraktion des Preußischen Landtages ist be­reit, an einem Vertrag des Staates mit der Kurie mitzuwirken. Sie kann zu dem jetzigen Vertrags­entwurf erst Stellung nehmen, wenn er im Wort­laut vorliegt. Sie lehnt den Abschluß eines Ver­trages mit der Kurie ab, solange nicht gleich­wertige Verträge mit den evange­lischen Kirchen vereinbart sind, die vom Landtage gleichzeitig und in unlöslicher Ver­bindung mit jenem angenommen werden können. Die Fraktion ersucht das Staatsministerium 1. ent­sprechend den am 7. Februar 1927 in der 184. Sitzung des Hauptausschusses und am 16. März 1927 in der 257. Sitzung des preußischen Landtages vom Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbikdung gemachten Zusage den jetzigen Vertragsentwurf zu veröffentlichen. 2. diesen Ver­trag noch nicht zu unterzeichnen und die Verhand­lungen mit den evangelischen Kirchen wieder auf­zunehmnen:

Siresemnann üder die Minderhenen

Rede im Ratskomitee zu Madrid

Madrid, 11. 6.(Tel.)

Mit einstündiger Verzögerung trat das Rats­komitee für die Minderheitenfrage am Dienstag mittag 12 Uhr im Senatsgebäude zu einer neuen Sitzung zusammen. Der von dem ersten Bericht­erstatter Adatschi(Japan) ausgearbeitete Be­richtsentwurf an den Völkerbundsrat war bereits am Montag abend den Delegationen zugegangen und lag den Beratungen zugrunde. Die Sitzung, in der außer Stresemann auch Briand, Dandurand, Procope und Tituleseu das Wort ergriffen, dauerte bis gegen 14 Uhr. Die Aussprache verlief ohne greifbare Er­gebnisse.

Die Verhandlungen begannen damit, daß Stresemann noch einmal ausführlich den deutschen Standpunkt entwickelte und dem Komitee mehrere Wege zur Behandlung der gesamten Minderheitenfrage nach der grundsätzlichen und nach der praktischen Seite vorschlug.

Nach einem am Nachmittag ausgegebenen amtlichen Bericht führte Stresemann u. a. aus:

Die Einsetzung eines Minderheitenaus­schusses des Völkerbundes solle nach der deut­schen Auffassung nicht zu Eingriffen in die staatliche Souveränität oder zur Ausübung von Ueberwachungs= oder Kontrollbefugnissen dienen, sondern bezwecke nur das fortlaufende Studium der Lage und der Entwicklung der Minderheitenfrage. Die Einwände und Be­fürchtungen seien daher nicht gerechtfertigt.

Grundsätzlich bestehe über den Umsang der Verpflichtungen des Völkerbundes keine Ueber­einstimmung. Als Ausweg komme in Betracht: erstens eine Vertagung der endgültigen Ent­scheidung, wodurch Zeit zur gründlicheren Prüfung des Berichts gegeben wäre. Als zwei­ter Ausweg bleibe die Einholung eines Gut­achtens beim Ständigen Haager Gerichtshof über das Mandat des Völkerbundes in der Minderheitenfrage. Bei dem allgemeinen An­sehen, das die Haager Rechtsgutachten in der Welt genießen, könnte ein solches Gutachten die Erzielung eines einstimmigen Beschlusses im Rat erleichtern und so den peinlichen Ein­druck der Uneinigkeit des Völkerbundsrate vermeiden.

Zusammenfassend wiederholte Stresemann, daß, abgesehen von einzelnen Punkten, auf die er wieder zurückkommen werde, Verbesserungen in verschiedenen Verfahrensfragen erzielt wor­den seien, daß er aber den Londoner Dreier­bericht nicht annehmen könne, da er in wesent­lichen Punkten mit dem in Widerspruch stehe, was er bei Aufwerfung der Minderheitenfrage im Auge gehabt habe. Angesichts der bestehen­den Meinungsverschiedenheiten wäre eine Ver­tagung zweckmäßig, da sie die Ueberbrückung der Gegensätze vielleicht ermöglichen und an­dererseits die Anrufung des Haager Gerichts­hofs erlauben würde.

Nach einer Erklärung des ersten Bericht­erstatters Adatschi, der sich für die Annahme des unveränderten Berichts aussprach, vertrat Briand in längerer Rede die Auffassung, daß bei aller Vershiedenheit der Ansichten über die grundsätzlichen Fragen die Schlußfolge­rungen des vorliegenden Berichts eine Ver­besserung des gegenwärtigen Verfahrens in sich schließen. Die von Stresemann vorgeschlagene Vertagung wäre ebenso bedenklich wie eine Anrufung des Haager Gerichtshofes, durch die die ganze bisherige Tätigkeit des Völkerbundes in der Minderheitenfrage in ein salsches Licht geraten müßte.

Reichsminister Stresemann unterstrich nochmals seine gegensätzliche Auffassung und fügte hinzu, er sei so sehr wie jedes andere Ratsmitglied davon überzeugt, daß man zu einem einstimmigen Beschluß kommen sollte. Wollte man aber dem Rat den Dreierbericht mit sämtlichen Denkschriften und den Sitzungs­protokollen des Ratskomitees zustellen, so würde dadurch das Fortbestehen der Meinungsver­schiedenheiten offenkundig. Eine Vertagung dagegen könnte die Möglichkeit weiterer An­näherung schaffen, wie auch die Anrufung des Haager Gerichtshofes zweifellos die Erzielung der Einstimmigkeit erleichtern würde.

Der kanadische Vertreter Dandurand sprach die Hoffnung aus, daß über die Schluß­folgerungen Adatschis, die im wesentlichen seine eigenen Anregungen verwirklichten, sich

ein einstimmiger Beschluß erzielen lasse. Die Annahme dieses Berichts würde im übrigen in keiner Weise die Einholung eines Gut­achtens beim Haager Gerichtshof verhindern.

Schließlich schlug Seialoja als Vor­sitzender vor, dem Rat die Schlußfolgerungen des Berichterstatters zuzustellen, wobei die Erklärungen über die grundsätzlichen Seiten des Problems dem Rat zur Kenntnisnahme überwiesen werden sollen.

Für Sentung der Realsteuern

Der Hauptausschuß des Preußischen. Landtags beschäftigte sich am Dienstag mit Anträgen, die eine Genkung der Realsteuern, der Gewerbe= und der Grundvermögenssteuer, herbeiführen und den Gemeinden das Recht geben wollen, wieder Zuschläge zur Einkommen­steuer oder einen besonderen Verwaltungs­kostenbeitrag zur Deckung der Gemeinde­bedürfnisse einzuführen. Nach längerer Debatte wurde unter Ablehnung der übrigen Anträge ein Antrag der Deutschen Volkspartei an­

Das Ratskomitee schloß am Dienstag abend seine Arbeiten durch Annahme eines von Adatschi unterbreiteten Endberichts an den Völkerbundsrat und eines Entschließungs­entwurses ab. Bericht und Entschließung wer­den am nächsten Donnerstag in öffentlicher Sitzung vom Völkerbundsrat erörtert wer­den. Der Endbericht wird noch vertraulich be­handelt. Es kann aber bereits gesagt werden, daß er nur Verfahrensfragen betrifft und die grundsätzliche Seite der Minderheitenfrage unberührt läßt. Stresemann wird am Don­nerstag in einer grundsätzlichen Erklärung den deutschen Standpunkt nochmals vertreten.

Der Madrider Bericht stellt, wie man von deutscher Seite erfährt, eine ganz wesent­liche Verbesserung gegenüber der bis­herigen Sachlage dar. Vor allem ist der Lon­doner Bericht, der für Deutschland unannehm­bar war, in dem setzigen Bericht in den An­hang verwiesen worden, so daß er nicht mehr den Ausgangspunkt bildet; vielmehr stehen die Madrider Sitzungsprotokolle mit sämt­lichen Erklärungen des Reichsaußenministers und des Staatssekretärs dem Londoner Be­richt vollständig gleichwertig gegenüber. De: Bericht zählt in sechs Punkten die Verbesse­rungsvorschläge für das Verfahren bei der Behandlung von Minderheitenbeschwerden aus, die sofort in Kraft treten sollen und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, den Regierungen mit Minderheitenverpflichtungen nur als Empfehlungen unterbreitet werden sollen.

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Landwirtschaft

Deutschlands ärtester Kolonial­pionier gestorten

Konsul Clemens Denhardt

ist 77jährig in Bad Sulza gestorben. Denhardt unternahm mit seinem Bruder Gustav in den Jahren 187879 und 1885 Forschungsreisen in Ostafrika. Er kaufte vom Suaheli=Sultan Ahmed das Wituland, das er unter den Schutz des Deutschen Reiches stellte. 1890 erhielt England das Wituland zusammen mit Sansi­bar in Austausch gegen die Insel Helgoland.

Waffenfunde in Harburg

Wilhelmsburg, 11. 6.

In den letzten Tagen nahm die Staatspolizei mehrfach Durchsuchungen nach Wassen in Orten des nördlichen Teils des Landkreises Harburg vor. Hierbei wurden größere Mengen Gewehre und Munition beschlagnahmt, die zum Teil durch un­sachgemäße Lagerung unbrauchbar geworden waren. Gegen die Besitzer wurde ein Strafver­fahren eingeleitet.

Die Arbeitsloseureform

Noch keine Einigung

Die Besprechung des Reichsarbeitsmini­sters mit den Vertretern der Regierungs­parteien in der Frage der Arbeitslosen=Ver­sicherung wurden am Dienstag wieder auf­genommen. Sie führten bisher zu keiner Einigung. Besonders ist die Frage einer Beitragserhöhung noch strittig. Die Deutsche Volkspartei steht einer solchen Erhöhung nach wie vor ablehnend gegenüber. Sie ist der Auf­fassung, daß eine durchgreisende Resorm der Versicherung eine Beitragserhöhung über­flüssig machen würde. Demgegenüber sin) die Vertreter der übrigen Regierungspatteien, Sozialdemokraten, Zentrum, Demokraten und Bayerische Volkspartei zu der Ansicht gelangt, daß man sich auf die Dauer einer Beitrags­erhöhung nicht werde verschließen können. Diese Parteien würden bereit sein, einer Bei­tragserhöhung, wenn auch nicht um 1 Prozent, so doch um ½ Prozent zuzustimmen. Daueben ist man bestrebt, zur Beseitigung von Miß­ständen und Mißbräuchen eine bestimmtere Formulierung derBegriffe Arbeitgeber und Arbeitsloser in das Gesetz hineinzubringen. Weiter sollen künftig die Versicherungs­leistungen abgestuft werden nach der Dauer der ununterbrochenen Arbeitstätigkeit. Bis zum Herbst soll dann die Regierung ein um­sassendes Reformprogramm für die Arbeitslosen= Versicherung vorlegen. Die Deutsche Volkspartei hält demgegenüber bis­her daran fest, daß die Saisonarbeiterfürsorge sofort einer Regelung bedarf. Die Besprechun­gen werden am Mittwoch fortgesetzt.

Ein erfundenes Interview

Ein Berliner Blatt enthält unter der UeberschriftWie kann den Gefahren der Arbeitslosenfürsorge begegnet werden"? ein angebliches Interview mit dem Reichsarbeits­minister Wissell, wonach sich dieser über Maßnahmen gegen den Mißbrauch mit der Arbeitslosenunterstützung ausgesprochen haben soll. Der Reichsarbeitsminister legt Wert darauf, festzustellen, daß dieses angebliche Interview vomersten bis zum letzten Buchstaben erfunden ist, daß der Mini­ster überhaupt mit keinem Menschen darüber gesprochen hat und keine Rede davon sein kann, daß er sich in dieser Weise geäußert haben könnte.

genommen, wonach das Staatsministerium er­sucht wird, rechtzeitig bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß die etwaige Senkung der Reparationslasten in erster Linie zu einer Senkung der Realsteuern benutzt werde. Mit möglichster Beschleunigung sollen Gesetzentwürfe vorgelegt werden, durch die ein stärkerer Finanz= und Lastenausgleich mit den gemeinschaft der deutschen Wissenschaft in kann, damit alle Gemeinden mit annäherne gleichen Realsteuerzuschlägen auskommen könnten. Im Reichsfinanzausgleichs=Gesetz sollen die Bestimmungen für die Erhebung und Verteilung der Einkommensteuer dahin ge­ändert werden, daß den Gemeinden das Be­stimmungsrecht über die Höhe ihres Anteils an der Einkommensteuer zurückgegeben und ein festes Verhältnis in der Heranziehung der Einkommen= und der Realsteuern zu den Ge­meindeausgaben festgelegt wird.