Mittwoch, 25. Juli 1917.

Bielefelder General=Anzeiger.

Nr. 172. Seite

Vortrags=Folge gestrichen werden mußten. Den Karten=Verkauf hat die Kunst= und Mu­sikalienhandlung Otto Fischer, Obernstr. 47 übernommen, den Bach=Konzert=Flügüel stellt die Finna B. Kemp(Maas Nachf.). Wir werden ersucht, darauf hinzuweisen, daß wegen Mangels an Kleingeld das abgezählte Eintrittsgeld an der Abendkasse bereit zu halten ist. Alles Nähere im Anzeigentetl.

* Dörrt Erbsen für den Winter! Die

Erbsenernte ist in diesem Jahre sehr ergiebig Die meisten Familien haben diesmal reichlich Erbsen ausgepflanzt. In dieser Zeit werden nun, namentlich bei anhaltendem warmen Wetter, die Erbsen so schnell reif, daß man sie als Gemüse nicht so rasch verwerten kann. Unsere Hausfrauen müssen da unbedingt sorgen, daß diese Erbsen für den Winter haltbar gemacht werden. Man erreicht das ganz einfach dadurch, daß man die Erbsen in der Sonnenwärme oder im Brattopf usw. trocknet. So bekommt die Hausfrau für den Winter einen Vorrat ge­trockneter Erbsen; eine gleich gute Winterreserve läßt sich durch Trocknen der jetzt noch grünen Ackerbohnen beschaffen.

Ausländer. Auf die bezüglich Meldung der Ausländer erlassenen Verordnungen wird erneut hingewiesen. Es ist folgendes zu beachten:

a) Ausländer, die nur vorübergehend

hier aufhältlich sind, haben sich unter Vorlage ihrer Ausweispapiere innerhalb 8 Stunden bei der Polizei=Verwaltung anzumelden. Annahmestelle: Nathaus, Zimmer 20, außerhalb der Geschäftszeit und Sonntags: Zimmer 25. Vor der Abreise hat Abmeldung zu erfolgen...., Mchuste. M.

d) Ausländer, die ihren Wohnsitz her­her verlegen, müssen sich unter Vorlage ihrer Papiere innerhalb 24 Stunden bei dem zuständi­gen Polizei=Bezirk anmelden.

c) Gasthofbesitzer und Wohnungsgeber sind verpflichtet, sich davon rechtzeitig zu überzeugen, daß ihre Wohngäste den Bestimmungen zu a und b nachgekommen sind. Unter Umständen sind sie zur Meldung pp. verpflichtet.

d) Arbeitgeber, die Ausländer beschäfti­gen, sind verpflichtetinnerhalb 24 Stunden nach Antritt der Beschäftigung jeden Ausländer bei der Polizei=Verwaltung mit besonderem Formular anzumelden und beim Ausscheiden auch innerhalb gleicher Frist wieder abzumelden. Sie müssen beim Ausscheiden außerdem in den Arbeiterlegiti­mationskarten bescheinigen, daß das Arbeitsverhält­nis ordnungsmäßig beendet ist. Zuwiederhandlun­gen werden auf Grund des Gesetzes über den Be­lagerugszustand bestraft.

Leere Packungen in Schaufenstern. Viele Lebensmittelgeschäfte haben, um die handels­übliche Ausstattung der Schaufenster auch in der Kriegszeit sortführen zu können, leere Packungen verwandt. Vielfach hat dies aber die Wirkung hervorgerufen, daß die Käufer irregeführt und nach vergeblichen Kaufversuchen enttäuscht wur­den. Manche Geschäftsinhaber weisen aus diesem Grunde durch besondere Täselchen ausdrücklich darauf hin, daß die Verpackungen leer sind. Die Volkowirtschaftliche Abteilung des Kriegsernäh­rungsamts bezeichnet es indes trotzdem als sehr wünschenswert, wenn gegen solche, wenn auch oft unbewußte Irreführung der Bevölkerung vor­beugende Bestimmungen getroffen werden. In Elberfeld z. B. hat die Preisprüfungsstelle eine Bekanntmachung auf Grund der Preisprüfungs­verordnung erlassen, nach der den Geschäften, die Lebens= und Genußmittel verkaufen, verboten wird, Waren, die verkauft oder für den Verkauf gesperrt sind oder Hüllen, Behälter oder Packun­gen solcher Waren in den Schaufenstern oder im Laden auszustellen. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geld­strafe bis zu 1500 Mark bestraft.

):( Entwendet wurden in der Nacht zum 24. d. Mts. aus einem Laden in der Heeper Straße Herrenanzüge und Wäsche im Werte von ca. 350 Mark.

Reichstagsudg. Bassermand f.

W2B. Maunheim, 24. Juli. Wie die Neue Badische Landeszeitung meldet, ist Reichstagsabgeordneter Erust Basser­mann im Alter von 62 Jahren nach läu­gerem Leiden in Baden=Baden sanft ent­schlafen.

Am 26. Juli 1914 beging Ernst Basser­mann, der Führer der nationalliberalen Partei, seinen 60. Geburtstag. Als wenige Tage nachher der gewaltigste aller Kriege aus­brach und unsere Rüstung, an der er Zeit seines parlamentarischen Lebens wacker mitgearbeitet hatte, ihre ungeheure Probe bestehen sollte, da zog er, der Sechzigjährige, alsbald frohgemut als Ritkmeister der Landwehrkavallerie mit ins Feld. Er wurde zum Major befördert und mit dem Eisernen Kreuz geschmückt. Als Adju­tant des Gouvernements in Antwerpen fand er dann auch Gelegenheit zu friedlicher Betätigung, für die ihn seine reichen wirtschaftspolitischen Erfahrungen besonders geeignet erscheinen ließen.

Nun ist Krieg und parlamentarische Tätigkeit für ihn zu Ende. Er ruht von beiden aus, nachdem ihn schon seit Monaten seine Krankheit fern gehalten hatte vom Reichstag, fern von seiner Fraktion die er gerade in kriti­scher Zeit ohne seinen oft bewährten Rat lassen mußte. Zwar las man, daß er noch während der letzten Zeit der inneren Krise und auch während der Kämpfe im Verfassungsausschuß des Reichstags noch manchmal im Stillen seine Stimme erschallen ließ, allein der Führer fehlte eben doch. Wenige Tage vor seinem 63. Ge­burtstage ist er nun dahingegangen. Viel ver­liert in ihm seine Partei, viel auch das Reichs­parlament. Die Geschichte seines Lebens in den letztvergangenen zwei Jahrzehnten ist zu einem großen Teile zugleich die Geschichte der national­liberalen Partei; noch dazu deren Geschichte in einer ganz besonders schwierigen und verant­wortungsvollen Aera.

Bassermann hat es in seiner politischen Führerstellung nicht leicht gehabt. Das lag in den Eigenschaften seines Charakters, in der Stellung seiner Partei und in der politischen Gesamtlage. Um von dem erstgenannten Punkte zu reden, muß man hervorheben, daß dem natio­nalliberalen Führer die robuste Einseitigkeit fehlte, das skrupeklose Draufgängertum, das manchem andern sowohl den Agitationserfolg als die Gewinnung bestimmter Interessenten­gruppen erleichtert. Wohl war Bassermann einer der feinsten und gedankenreichsten Redner des Reichstages, aber sein Ton war doch häufig auch zu vorsichtig und gemessen, als daß er immer leicht die Fühlung mit einer großen Zuhörerschaft gefunden hätte. Es kam ihm eben wirklich nur auf die Sache, nicht auf die rheto­rische Wirkung an, die so oft nur blendet, wo sie beweisen sollte.

Was die Schwierigkeiten der Parteistellung betrifft, so liegt es in der Natur der Sache, daß es die nationalliberale Partei weder den Geg­nern links noch denen rechts nach Geschmack machen kann. Sie wird deshalb immer den

Kampf nach zwei Fronten hin zu kämpfen haben, wie sie umgekehrt sich auch nach beiden Seiten hin die Möglichkeit offen halten muß, von Ge­legenheit zu Gelegenheit Vereinbarungen zu treffen. Nur so kann sie die Gesetz­

gebung in dem Sinne der mittleren

Linie, die sie nun einmal vertritt,

beeinflussen. Bei einer solchen Haltung in jedem Falle das rechte Maaß des Ab= und Zutuns zu treffen, ist natürlich sehr viel schwerer, als sich auf ein paar Parteidogmen ein für allemal festzulegen. Wenn Bassermann von der einen Seite her als verkappter Fortschrittsmann, von der anderen als halber Konservativer verdäch­tigt worden ist, so konnte das nur aus partei­politischer Verkennung heraus geschehen. Er hat den Großblock von Baden und den Block von

Bassermann bis Bebel ebenso abgelehnt, wie er auf der andern Seite sich in schicksalsschwerer Stunde nicht gescheut hat, auch den Konserva­tiven entschlossen den Fehdehandschuh hinzu­werfen. Bassermann hatte durchaus seine eigené Note. Das war eben die nationalliberale, und die muß man nicht nach der fortschrittlichen oder konservativen abstimmen wollen. Sebbst wer Bassermanns Partei ablehnt, muß ihm als Menschen, als konsequenten Politiker gerecht werden.

Getragen war Bassermanns Politik von der aufrichtigen Begeisterung für Deutschlands Macht und Größe. Die Zeit des Bülowblocks war seine hoffnungsvollste Zeit. Er war der geborene Blockpolitiker im Geiste jener konser­vativ=liberalen Paarung und es war sein größ­tes Mißgeschick, daß der Bülowblock scheiterte. Vielleicht hat kein Politiker bei jenem Rücktritt Bülows mehr schöne Hoffnungen begraben, als eben der Führer der Nationalliberalen. Man muß es anerkennen, daß er damals gleich Bülow selbst die Charakterfestigkeit und das Verständ­nis für Ehre und Existenzbedingung des Libe­ralismus erwies, daß er sich zur sog.schwarz= blauen Finanzreform von 1909 nicht

herüberlocken ließ und vielleicht noch mehr, daß er trotz der Größe der Enttäuschung und trotz der heftigsten Angriffe nicht nur seitens der Gegner, sondern auch aus den Reihen der eige­nen Partei alle Anwandlungen von Mandats­müdigkeit überwand und auf seinen Posten nach wie vor ausharrte.

Wir sind nicht reich genug an Führerpersön­lichkeiten im Parlament überhaupt und in der nationalliberalen Partei im besonderen, um die Lücke nicht zu empfinden, die Bassermann hinter­läßt. Seit 1893 saß er, mit nur einer Unter­brechung. im Reichstag; an der Spitze der Frak­tion stand damals noch Rudolf v. Bennigsen, der ihn schon damals als den Mann bezeichnet haben soll, der ihn einst ersetzen müsse. Bassermanns Namen ist mit vielen großen Gesetzen und poli­tischen Vorgängen eng verknüpft: in dem schweren Kampf um den Zolltarif hat er die Partei vor allen Absplitterungen bewahrt; seine Interpellation über die auswärtige Polktik, die am 14. November 1906 im Reichstag zur Be­ratung kam, gab Bülow Anlaß zur Aufdeckung derKamarilka, die ja damals, wie wir aus den Eulenburg=Prozessen wissen, geschäftig am Werke war, und der dann bald die Reichstags­auflösung und die sog. Blockwahlen folgten. Wehrvorlagen und Reichsfinanzreform wurden unter Bassermanns Führung von seiner Partei einmütig gebilligt; Wehrbeitrag und Ver­mögenszuwachssteuer sind in letzter Linie das Ergebnis des Besitzsteuerantrags vom 18. Mai 1912, der die Namen Bassermann und Erzberger trägt,

Wirtschafts= und Sozialpolitik, große aus­wärtige Fragen wie auch die Ausgestaltung unserer inneren politischen Zustände haben seine Tätigkeit gleicherweise in Anspruch genommen. Gewiß war er kein Kämpfer von starker Leiden­schaftlichkeit, gewiß waren seine Reden mehr klug und formenklar als hinreißend, aber dies kam seiner Vermittlertätigkeit nur zu statten, die freilich ihm und seiner Partei gar manchmal den Vorwurf derEinerseits=andrerseits­Politik eintrug. Aber der gesamte deutsche Liberalismus wird es doch dem nationallibe­ralen Führer an seiner Bahre Dank wissen, daß er in den Zeiten allgemeinen Interessenten­kampfes unablässig bemüht war, diese essen in seiner Partei auszugleichen und ihre Verfechter den politischen Zielen des Liberalis­mus zu erhalten. Der Erfolg ist ihm nicht aus­geblieben: wenn heute die liberalen Parteien fast geschlossen marschieren und nur noch selten, wie neulich in der Friedenskundgebung des Reichstages, auseinandergehen, aber in rein politischen Fragen, wie in denen des Ver­fassungsausschusses, um so enger zusammen­arbeiten zur Stärkung unserer politischen Frei­heit, so hat Ernst Bassermanns Wirken diese Entwickelung redlich und verdienstvoll gefördert. M. H.

Ernst Bassermann wurde am 26. Juli 1854 in Wolfach im Schwarzwald als Sohn

des Landgerichtopräsidenten und Landtagsabge­ordneten Anton Bassermann geboren. Er studierte unter anderem in Heidelberg, Leipzig und Berlin die Rechtswissenschaften und ließ sich in Mannheim als Rechtsanwalt nieder, 1880 verheiratete er sich mit der Tochter der Geheimen Kommerzienrats Karl Ladenburg in Mannheim. Aus dieser Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Die älteste Tochter, Elisabeth, erwarb an der Straßburger Universität den Doktorgrad. 1887 wurde er zum Stadtrat in Mannheim gewählt. Seit 1893 gehörte er ununterbrochen dem Reichstag an. 1898 wurde er zum Vorsitzenden der nationalliberalen Reichstagsfraktion und 1905 zum Vorsitzenden des Zentralvorstandes der nationalliberalen Partei gewählt. Er war außerdem Mitglied einer ganzen Neihe von Körperschaften.

Max Dauthendey.

Zu seinem 50. Geburtstag.

)( Max Dauthendey, der bekannte Dichter und Reiseschilderer, wird am 25. d. M. 50 Jahre alt. Er ist zu Würzburg als Sohn eines tüchtigen Photographen(dem 1841 die ersten bis dahin in Deutschland noch unbekann­ten Daguerreotypbilder gelungen waren) ge­boren, arbeitete anfangs selbst in der väterlichen Werkstätte, wandte sich aber schon als junger Mann dem Schrifttum zu. Ueber 40 Werke, fast alle von seltener Eigenart und bleibender Bedeutung hat Max Dauthendey seitdem ge­schaffen. Als seine bekanntesten gelten seine Aufzeichnungen aus einem begrabenen Jahr­hundert".Der Geist meines Vaters und die vor allem literaturgeschichtlich bedeutsamen, zweibändigen Lebenserinnerungen:Gedanken­gut aus meinen Wanderjahren". Wurzelt die KilianstragödieDie Heidin Geilane im histo­rischen Boden Frankens, des Dichters ur­wüchsiger Heimat, so schildert er in dem Roman Raubmenschen, Mexiko und in seinen farben­glühenden Novellensammlungen die Wunder Asiens und Indiens. Mit den beiden Schau­spielenDer Drache Grauli" undDie Spiele­reien einer Kaiserin"(Katharina II. von Ruß­land) hat sich ihr Verfasser auch die Bühne er­obert. Als Lyriker zeigt Dauthendey eine be­sonders erfreuliche Entwicklung. Die Gedicht­bücherLusangärtlein".Weltspuk".Die ge­flügelte Erde",Der brennende Kalender Ewige Hochzeit".In sich versunkene Lieder im Laub" usw. rücken den Dichter an die Seite unserer besten Lyriker. Dauthendey, der meist in Berlin, München und Würzburg lebte und alle Länder der Erde bereist hat, befindet sich seit Kriegsausbruch auf Java in Holländisch­Indien. Sein dort entstandenes und veröffent­lichtes Kriegsgedichtbuch ist der Besatzung der Emden gewidmet und hat auch bei uns be# geisterte Aufnahme gefunden.

Neues aus aller Welt.

Unglaubliche Niedertracht von Kriegsgesangenen.

( Frankfurt a.., 24.

1. Juli.

is Regen

Die Frank­

Eine neue Art von Sabotage verübten mehrere Kriegsgesangene, die in einem großen Weiher in der Ober=Pfalz zu baden wünschten. Diesem Wunsche wurde Folge gegeben. Die Kriegsge­fangenen taten nun Fischgift in das Wasser, so daß sämtliche Nutzfische im See zu­grunde gingen.

Großfener.

% Berlin, 24. Juli. Die im Jahre 1798 erbaute Weißbierbrauerei von A. Bolle, Aktiengesellschaft, in der Friedrichstraße 128 am Oranienburger Tor die älteste Berlins, ist heute früh durch ein Großfeuer vollständig vernichtet worden.

Feleger über London.

Eine Londoner Erzählung aus den Spätherbsttagen 1915 von Justus Schoenthal.

Amerikan. Copyright bei Georg Müller=Munchen, Vertag

61)(Nachdruck verboten.)

Er ließ sich zur Erde niedergleiten, mitten in eine nebelnasse Wiese, sprang aus dem Flug­zeug und ging der Allee entgegen.

Es war die Landstraße, die von Margate nach Ramsgate führte.

Wieder sah er zur Uhr. Fast ½2 Uhr. Er schätzte, daß sie in längstens einer Viertelstunde hier sein mußte, wenn sie kam.

Bis zwei Uhr wollte er warten.

Er setzte sich an den Straßenrand in den Graben. Es war fast vollkommene Stille. Er glaubte, das Blut seinen Schläfen brausen zu hören... oder war es das Meer, die Nordsee, die auch die Küsten der Heimat bespülte?

Er mochte zwanzig Minuten gesessen haben, als er ein Geräusch in der Ferne vernahm. Er legte das Ohr an die Erde. Es war nicht zu unterscheiden wie viele Personen sich näherten. Zweimal gab er das verabredete Zeichen.

Rrrrchchb! Rrrrchchb!

In der Ferne antwortete eine weibliche StimmeHallo. Er vermeinte die Stimme Mariannes zu hören. Aber es konnte auch Täuschung sein. Noch einmal krächzte er wie ein Rabe seinRrrrchchb, Rrrrchchd!. Dann tauschte er angestrengt.

Er hörte die Stimmen der Personen, die sich näherten. Jetzt glaubte er, auch des Hilfs­gensors Stimme zu erkennen.

Aber war da nicht eine dritte Person?

Er sah eine Taschonlampe aufblitzen und die Straße absuchen. Nasch duckte er lich in den gengraben.

Und jetzt ganz nah... Ja, das war die Stimme Mariannes.

Hier aus dieser Gegend kam aber ganz bestimmt der Rabenschrei. Hallo!

Schon wollte er ins Licht treten. Da hörte er die Stimme des Viscounts.

Capt'n! Capt'!

Ein fürchterlicher Schreck; jagte ihm vom Wirbel bis zur Sohle. Sie hatten ihn verraten! Und jetzt wollten sie ihn fangen... Aber lebendig sollten sie ihn nicht bekommen. Er riß den Revolver aus der Lederhülle und ent­sicherte ihn... Es gab ein knackendes Geräusch. Der Oberst trat in den Schatten.

Atterley, rief er,löschen Sie die Lampe. Ich habe eben deutlich das Knacken einer Schußwaffe gehört.

Da vernahm er Mariannes glockenhelle Stimme.

Ach Gott, Hauptmann Kersten Sie sind erschrocken, weil mein Schwoger mich begleitet hat. Seien Sie unbesorgt! Er kommt als guter Freund! Treten Sie näher! Glauben Sie denn, Marianne von Roggenhusen würde beim Fang eines deutschen Spähers mithelfen?" Rein, das glaubte der Mann im Straßen­graben nicht. Er erhob sich überzeugt.

Marianne ging ihm entgegen.

Sie sind also der Gefahr wohlbehalten entronnen?

Ich bin gerettet. Es ist alles bereitet, gnädigste Baroneß. Ich danke Ihnen für den Beweis Ihres Vertrauens.

Auch mein Schwager hat mich begleitet. Es wird Ihnen gewiß erwünscht sein, ihm per­sönlich die Hand zum Abschied zu drücken. Kersten trat auf den Viscount zu:

Herr Oberst, sobald wir uns heute getrennt haben werden, sind wir wieder Feinde. Aber ich glaube, in unser aller Sinn zu sprechen, wenn ich der Hoffnung Ausdruck verleihe, daß der Tag nicht mehr fern sein möge, an dem nach dem Frieden von der Elbe= zur Themsemündung

aag ine Brüicke gegenseligen Vertändnises und gegenseitiger Achtung hinüber= und herüber­

Der Viscount gab ihm die Hand.

Meine Anerkennung möchte ich Ihnen jedenfalls nicht versagen. Was Sie hier geleistet haben, ist aller Hochachtung wert. Bis zu die­sem Tage hätte ich eine solche Leistung über­haupt für unmöglich gehalten.

Der Hauptmann verbeugte sich, und Atter­ley flocht mit leisem Spott ein:

Ja, beim lieben Gott und einem deutschen Hauptmann ist kein Ding unmöglich!

Auch Ihnen, Herr Atterley, meinen aller­herzlichsten Dank für den liebenswürdigen Bei­stand zum Gelingen.

Er schritt über die Wiese zum Flugzeug voran

Gnädiges Fräulein, darf ich Ihnen behilf­lich sein?

Er reichte ihr den Arm.

Haben Sie ein wenig geschlafen während der Eisenbahnfahrt?"

Dazu war ich leider viel zu aufgeregt. In mir zittert alles; ich begreife Ihre Sicherheit nicht!

Ich habe auf Vorrat geschlafen, Baroneß, erwiderte er lachend. Bitte, machen Sie es sich so bequem wie möglich!

Marianne hatte Tränen in den Augen.

Schwager, behalten Sie mich lieb und ver­zeihen Sie mir, wenn ich

Er unterbrach sie, ihr die Hand schüttelnd. Seine Stimme klang wie geborsten.

Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Glück auf den Weg, Marianne, alles Glück, das Sie selbst sich erhoffen. Leben Sie wohl!

Der Hauptmann hatte den Motor nochmals geprüft, auch den Benzinvorrat untersucht. Alle Vorbereitungen zum Abflug waren getroffen. Zitternd setzte sich der Motor wieder in Be­wegung.

Gnädiges Fräulein, sagte der Offizier heiter,haben Sie eine Uhr bei sich. Welche Zeit zeigt sie an?

Verwundert zogen alle die Uhr, und drei Stimmen antworteten zugleich:

Auf den Punkt zwei Uhr fünfzehn!

Bitte, Baronetz, rücken Sie die Zeiger auf drei Uhr zehn. Diese Zeit künden jetzt oie Uhren in Deutschland. Wir werden nach deut­

scher Zeit abfahren. Damit scheiden wir auch äußerlich von England! Leben Sie wohl, meine Herren, und denken Sie unser in Liebe!"

Noch ein Händedruck und noch einer... Der Niesenvogel hob sich mit seiner Last, und wenige Sekunden später hatte ihn die Nacht verschlungen.

Marianne hörte noch das doppelteGood­byes der beiden Herren. Sie sah im Nebel ein paar Baumkronen. Zu ihren Füßen zischte etwas Weißes auf, vielleicht die Brandung, die ans Gestade rollte; dann sank sie zurück und schloß die Augen.

Als der Hauptmann sich nach ihr um­wandte, bemerkte er, daß sie schlief. Die Auf­regung der letzten Stunden hatte doch nicht die Rechte der Natur zu beugen vermocht... Er aber sah mit weitoffenen Augen in die Finster­nis und steuerte gen Osten, Deutschland entgegen.

XVIII.

Union Jack.

Der Obermatrose hatte lange genug in die Wellen der Nordsee gestiert. Er spuckte den Stummel über die Reeling und meinte gering­schätzig:

Nee, Kinder, det nennt ihr nu Dienst. Det nenn ick Ofenhocken zur See. Ick seh schon: wir fahren heute abend wieder zu Hause und ham nischt erlebt.

Er hatte die Irrfahrten derEmden= Mannschaft unter Kapitänleutnant Mücke mitge­macht und spielte bei jeder Gelegenheit seine Erfahrung in Abenteuern den weniger erfahre­nen Kameraden gegenüber den Trumpf aus.

Nee, ick hab et immer jesagt: Seit wir bei die Arabersch waren, macht mich der janze Krieg keene Freide mehr. Wat tun wir hier? Halten Pulver trocken und Maulaffen seil.

Er klopfte dem neben ihm stehenden Maat derd auf die Schulter.

Wat, Kamrad vons Jebirge, ha' sck recht oder nicht?

DerKamerad von's Jebirge versetzte in

unverfälschtem Bayerisch:

halt a Preitz, die müaß'n oktmet schtmof'n. Anders gehts net.