Viele selder

Sonnabend, den 3. Januar

1857.

Kreisbtart.

(47. Jahrgang.) INe 1.

Abonnement: viertesählich in der Erpedisen inel. Stenpelstener 12/, Sgr, durch die Post bezegen 15 Sgr. Erscheint Mitwoch und Somabend, Nachnltags 4 Uhr.

Inserate: die vierspaltige Beurgeoiszelle oder deren Raun 1 Sgr.

An unsere verehrlichen Aöonnenten.

Mit dem Beginne des 47. Jahrganges unseres Blattes haben wir demselben, den Wünschen vieler Leser entsprechend, eine zweckmäßigere Einrichtung und größere Mannichfaltigkeit des Inhalts gegeben und wünschen, daß es sich in dieser neuen Gestalt auch viele neue Freunde erwerben möge. Eine Erhöhung des Abon­uements ist nicht eingetreten, nur haben wir uns nach dem Vorgange fast aller übrigen Blätter erlaubt, die Stempelsteuer von vierteljährlich Sgr., welche bisher von uns getragen wurde, auf den alten Abonnementspreis aufzuschlagen, was die verehrten Abonnenten bei der Vermehrung des Inhalts und dadurch bedingten größeren Productionskosten hoffentlich nicht unbillig finden werden. Die Redaction.

Das neue Jahr 1857

scheint einen noch weniger fröhlichen Einzug halten zu wollen, als sein nun zu Grabe getragener Vorgänger. Tobten auch beim Anfange des vorigen Jahres die Stürme eines verderblichen und von Seiten der betheiligten Mächte mit großer Anstrengung geführten Krieges, so waren doch die Friedensaussichten schon mächtig genug, um die Hoff­nung zu erwecken, daß die abgedämmten Ströme des großen Verkehrs bald wieder ihre alten Bahnen suchen würden. Und kaum war mit vieler Mühe das lang ersehnte Friedenswerk zu Stande gekommen, so sahen wir, namentlich in Deutschland, die Speculation sich in der That in einem noch nie dagewesenen Maßstabe und so zu sagen mit fieber­hafter Hast der verschiedensten Zweige der Industrie bemächtigen, gleich als ob nun die Aera eines ewigen Friedens anbrechen müßte. Aber wie schnell folgte dieser übergroßen Hast Enttäuschung und Abspannung! Zweierlei stellte sich nämlich bald heraus: einmal, daß unter einer Menge von guten und gesunden industriellen Unternehmungen auch viele mit untergelaufen waren, welche einer soliden Basis trotz der ausgegebenen glänzenden Prospecte entbehrten; zweitens aber, daß sich Viele, durch den lockenden Köder der Agiotage verführt, über ihre Kräfte hinaus an denselben betheiligt hatten. Der unausbleibliche Rückgang aller Course wurde noch beschleunigt durch die schlimme Lage des Geldmarktes in Frankreich. Schien es auch später, als wenn die Gefahr einer eigentlichen Geldkrisis dort noch einmal glücklich vorüber gehen sollte, so war doch die Unternehmungslust bedeutend gedämpft worden und die neuen Kriegsaussichten, mit denen das Jahr 1857 sich eröffnet, sind gerade nicht geeignet dieselbe wieder anzufachen, machen im Gegentheil den schon vorhandenen Geldmangel nur noch fühlbarer. Doch klagen wir deshalb nicht. Treten auch momentane Stockungen des Verkehrs ein und werden dadurch Einzelne von unvorhergesehenen Verlusten bedroht, so wird doch das preußische Volk, wenn es einmal sein muß, lieber an Geld und Gut, als an seiner Ehre Schaden lei­den wollen. Vertrauen wir aber der Weisheit und besonnenen Mäßi­gung unseres Königs und seines Cabinets, daß selbst jetzt noch, so sehr der freche Uebermuth der schweizerischen Demagogen eine Züchtigung verdient hätte, der neuenburgische Conflict zu einer friedlichen Aus­gleichung kommen und unsere vaterländische Industrie, die in den letzten Jahren einen so glänzenden Aufschwung genommen hat, durch keinerlei störende Ereignisse in ihrer weiteren Entwickelung gehemmt werde. Ganz besonders aber müssen wir friedliche und ruhige Zeiten für unser engeres Vaterland-Westphalen herbeiwünschen, damit das großartige Leben, welches an verschiedenen Punkten desselben erwacht ist, nicht einen unzeitigen Stoß erleide. Ohne Ueberhebung dürfen wir, wenn von einer lebhaften Entfaltung der westphälischen Industrie die Rede ist, auch Bielefelds gedenken, welches in richtiger Erkenntniß, daß die Leinenindustrie, welche lange Zeit hindurch fast ausschließlich seinen

Wohlstand begründet hatte, weder in der alten Weise sich fortbetreiben lasse, noch auch bei zeitgemäßer Umgestaltung Bielefeld den bisher unter den westphälischen Städten behaupteten Rang zu sichern allein im Stande sei, sich beeilt hat durch Herbeiziehung neuer Industrie= zweige der Betriebsamkeit der Bewohner ein größeres Feld zu eröffnen. Wir gedenken hier namentlich der in rascher Folge hintereinander ent­standenen Seidenfabriken sowie der großen Maschinen=Spinnereien, von denen die ältere sich schon in lebhaftem Betriebe befindet, die jüngere Ravensbergische aber der baldigen Eröffnung ihres Betriebes, vorläufig mit 5000 Spindeln, entgegensieht.Allen diesen Unternehmungen, deren Solidität und Rentabilität wohl unzweifelhaft ist, wünschen wir in dem neuen Jahre ein fröhliches Gedeihen. Die Redaction des Bielefelder Kreisblattes wird es sich von jetzt ab angelegen sein lassen, über den Fortgang der verschiedenen industriellen Unternehmungen nicht nur im Kreise Bielefeld, sondern auch anderer, vorzugsweise aber der westphälischen, von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten. Dankbar würden wir es anerkennen, wenn diejenigen unserer Mitbürger, welche Lust und Beruf dazu fühlen, uns in diesem Bemühen mit ihren schätzenswerthen Mittheilungen unterstützen wollten.

Schließlich erlauben wir uns noch zu bemerken, daß wir es für zeitgemäß erachtet haben, den Inhalt unseres Blattes auch durch Mit­theilungen kurzer politischer Nachrichten zu erweitern, indem wir glau­ben dadurch den Wünschen vieler Leser zu begegnen, welche, da es ihnen zum Lesen der großen politischen Zeitungen sowohl an Zeit wie an Lust fehlt, an einer gedrängten und durch keinerlei Parteistandpunkt gefärbten Mittheilung des Wichtigsten aus den laufenden Tagesereig­nissen gern sich genügen lassen.

Tages=Chronik.

Berlin. Wenn auch schon mehrsach darauf hingewiesen worden ist, wie Neuen­burg an Preußen kam, so dürfte es, weil solche Andeutungen leicht vergessen werden und es in der gegenwärtigen Streitfrage für jeden Preußen Erforderniß ist, über den geschichtlichen Zusammenhang nicht im Unklaren zu bleiben, nicht überflüssig sein, denselben noch einmal kurz darzulegen:

Neuschatel(Neuenburg) und Valengin in der Schweiz waren durch Verheirathung an das Haus Oranien(Niederlande) gekommen und von dem zum König von England erhobenen Prinzen Wilhelm III. von Oranien im Jahre 1694 an den damaligen Kurfürsten Friedrich III.(spätern König Friedrich I. von Preußen) abgetreten wor­den. Französische Prinzen machten jedoch gleichfalls auf das Land Anspruch und der französische Gesandte in der Schweiz setzte Alles in Bewegung, um dasselbe für Frank­reich zu gewinnen. Da sich die Bewohner selbst zu Preußen neigten, so drohte der Franzose, daß kein Winkel der Erde sie vor dem Zorn seines Königs schützen werde. Die versammelten Stände aber erklärten, trotz dieser Drohungen, die Ansprüche Friedrichs für die begründetsten, nahmen ihn als rechtsmäßigen erblichen Herrn unter der Bedingung, daß er ihre Freiheiten und Rechte bestätige, an und übergaben seinem Gesandten die Regierung. Das geschab im Jahre 1707. Der König von Frank­reich, Ludwig XIV., wollte damals die Zahl seiner Feinde nicht vermehren und gab