kippische Tages-Zeitung
Ceneral-Anzeiger für das Fürstentum Lippe.
für 1 Monat, durch die Post: ½ Jahr 1.0, Wi. 2W,#3, big Bestellgeld, für 2 Monate 1 Mt. u. 28 Pfg. Bestellg, für 1 Monat 50 Pfg.
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iger, 3) Landwirtsch, Ratgeber, 4) Wandkalender, 5) Sommer=, 6) Winterfahrplan.
15 Pfg., auswärtige 2) Lipp Ziegelei=Anzeiger,
Rotationsdruck u. Verlag: Willy Bruder, Detmold, Hornschestr. Vertretungen in: Salzuslen, Lemgo, Lage, Blomberg. Horn, Barntrup, 6 fest allen, Ortschaften der Aemier„Detmold, Schötmar, Oerlinghause Varenhol
—
Hohenhausen. Barenholz, Sternberg: Barntrup, Blomberg, Schieder, über 100 Vertretungen.— Die„Lippische Tages=Zeitung" erscheint
hwalenberg sausen, Lage, Horn, Schwalenberg: zu eint jeden Woche
10
rg; ferner in Braits,
ammen
ntag.
Ne 306.
Verantwortlicher Redakteur: Willy Bruder, Detmold.
Detmold, Donnerstag, den 31. Dezember 1903.
Für den Inseratenteil:
August Boberg, Detmold.
Zum Jahreswechsel.
Wer seiner Zeit genug getan,
Der hat gelebt für alle Zeiten!
sibt eine schöne Sage: jeder Meusch bekomme an seiner Wiege einen Kranz, in dessen hartes Lorbeerlaub duftige Rosen gewunden seien, den aber niemand sehe. mit jedem neuen Jahre werde ihm aus diesem Kranze eine Blume geoflückt— je nachdem, ob das neue Jahr ein oder ein heiteres werden soll. In manchem Kranze gibts viele, in manch andern wieder recht wenig duftende P##e; guch ist de. eine Kranz größer als der andere
vald wieder dahin gehen, erhalten nur ein
wo diese Sonnenkinder weilen, dort kann auch das vielbegehrte„Glück“ nicht mehr sern sein!
Und so bringen wir auch unseren Lesern einen aufrich igen Glückwunsch dar, der ein fröhliches„Glück— auf“ für alle Tage des neuen Jahres bedeutet.
13. Jabrgang.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
*<space> D e t m o l d,<space> 3 1.<space> D e z.<space> 1 9 0 8.<space>
— Der Kaiser hörte gestern vormittag den Vortrag des
e eee#, Eoin geven, erdunten uur ein Trels. des Generalstabes der Armee und gedenkt heute nach
kleines Kränzchen, oft aber aus lauter Rosen. Wenn aber. den Reichskanzler Fürsten Bülow zum Vortrag zu emBlätter und Btumen gepflückt sind, dann— wird uns der
r nur noch ein dürres Gerippe ist, ebenso unsicht.]— Die Reichsversicherungsordnung. Die Vorarvar aufs Grab gelegt.— Liegt in diesem Gleichnis nichtv###ten Für die neue Arbeiterversicherungsgesetzgebung der Begrisf unseres ganzen Lebens? sind, im Reichsamt des Innern nunmehr nahezu abge
kommen und gehen, Geschlechter steigen ins schtollen, Sobald eine endgültige Entschlietzung vorGrab. Gerade beim Abschluß eines Jahres beschleicht uns liegt, soll der Entwurf durch Publikation im„Reichsan
der Gedanke, daß wir wieder um einen Frühling, Sommer.Ideiger“ der öffentlichen Kritik unterstellt werden.
Win er urmer geworden sind und unser Leven].— Die Güterwagengemeinschaft. Wie die„Köln. Ztg um 3n2 Tage gekürzt ist. Haben wir diese Zeit gut aus durch ein Berliner Telegramm erfährt, haben nunmehr irgendwie Erfolge erzielt und einen sämtliche deutsche Regierungen mit Eisenbahn Genng von dieser Zeit gehabt? besitz dem Abkommen wegen Herbeiführung einer Güter
Dheser Silvestergedanke ist geeignet, uns den Vorsau wagengemeinschaft, das Mitte des letzten Monats in Frank fassen zu lasen, weder mit überspannten Hoffnungen in#urt a. M. zwischen den Vertretern sämtlicher deutscher die Ferne zu schweisen, noch entschwundenen Zeiten nach=eisenbahnverwaltungen vereinbart worden ist, zugestimmt Gegenwart zu leben! Der Gegen=###.— Die Diamanten von Luderitzbucht. Die in Kap Wats:„####, was bietet si. uns? Wenig genug, werden kadt aufgelegte Substriptionsliste für die Kolmauskop ais meisten, lagen. Aber besser in es gewit nog, aus den Mine hei Lüderiszbucht ist fast gefüllt. Die deutsche vreien. Schlacken die paar Erzbrocken der Freude heraus= Beteiliaung aus Deutsch=Südwestafrika allein beträgt
ulesen, als von schönen Dingen zu träumen, die nur zu mehr als R des gesamten Kapitals.
See Soeen w#gen. Wi hatten dann am Ende unser####. Die 27. Hauptversammlung des Evangel. Bundes
„verhof,„, und zu der großen Enttäuschung findet im Jahre 1909 in Mannheim statt. man kand gssche snsSchmesaz1e richtig der Zeit, in der.. Der Deutsche Richterbund tritt am 1. Januar 190
erie in gte und womöglich noch die wenigen Freuden ins Leben. Er hesteht bisher aus den Richtervereinen in
verpaßt zu haben!= v Baden, Bayern, Elfaß=Lothringen, Hessen und Sachsen mit
— gesg; ware ein mehr oder weniger versehltes etwa 300 Mitgliedern. Er bezweckt die Förderung der
Leben, ein, Dasein zerstörter Sehnsüchte, Hoffnungen undu#####n#iege und der Berufsangelegenheiten der deutschen Erwartungen! michter und Staatsanwälte. Der Bund gibt die„Deutsche
Richterzeitung“ beraus. Die erste Nummer erscheint am 15. Januar 1909.
Gegenüber den Klagen über Mangel an Dreimark
stücken erfahren wir, daß bis zum 31. März 1909 für 30 Millionen neue Dreimarkstücke im Umlauf sein werden Gegenwärtig befinden sich insgesamt für ca. 10 Millionen Mark Dreimarkstücke im Verlehr. Die Reichsbank mit ##schie den d##“ luns sind nur ein paar Jahresihren sämtlichen Haupt= und Nebenklassen hat nur an
Pels aut die Fechsibt. aut wirtichasten, wenn wier balb, zähernd für 3 Millonen&4p; Dreimarkftücke in ibrem 9
222:###### die„Rechnung“ kommen wollen. Das schließt! sbe
nicht aus, Idcalen nachzustreben. Bete und arbeite— habe! 02-E
beine Leitbilder, aber verträum nicht die Stunde, in der... Rustand.
„###., Das in eine goldene Lebensregel! Petersburg, 29. Dez. Auf Beschluß des Ministerrats
nenten Neore dern Niehte as cgnuns, dah der Mensch vom werden die Behimmungen über die Unsallgenischä:
Pes, elelichisce sise Mlske. Desz duit gaie zu. lech sehalu ues“
bekommt der Meusch in seiner Verändsrungssucht einen Zustand satt, und dem ersten folgt ebenso dringend ein wirtlich glucklich= fühlen zuin genen Erfüllung man sich
Wohl sollen wir unermüdlich für die Zukunst-Bäume pllauzen; aber, in übrigen unsere Seele nicht Hunger leiden lassen, weil wir uns ein Tischlein=deck=dich erträumen. Ohn gan. und gar im Getriebe der Gegenwart ausgehen
.„ Rg: I, soll n fr sie auch nicht mißachten oder vor lauHoffnungsseligkeit blind übersehen. Wir leben auf bartem Beden und ein Itarusflug zur Sonne wurde verderblich. Uus sind nur ein paar Jahre
Haag, 30. Dez.
Ni derlande.
Das Amteblatt veröffentlicht ein
wirklich glücklich“ fühlen will. Nur der Weise freut sichlickes Defret daß deu g## perssseutlicht ein könig
einer balbwegs befriedigenden Zeit und wünscht nur. dos Gam= Hrariaer Hak der Nachlomnenichasft der Königin der
Viese Menschen aber denken sich überhaupt nichts: sie brauen zum Silvester ihren Punsch, rusen ihr„Prosit“ und
I., lind# ertig. Gllickliche Hinüberbuscher! Ihr emp
er weniger als andere des Schicksals Schwere.
Herzei.
lebt
den Namen eines Prinzen bezw. einer Prinzessin von Ora nien=Nassau sowie den eines Herzogs bezw. einer Herzogin von Mecklenburg tragen
Schicksals Schwere, n auch die tieferen und edleren Freuden des v#rloren. Es heißt aber, daß der am längsten ge
Tages=Neuigkeiten.
das
Gesäf
Berlin, 30. Dez. Die Schreckenstat einer Wahn gestern abend die Bewohner der WiensDas Dienstmädchen des Kaufmanns
bsoie oinleber alten, 4ssbst, und gedacht bat. Dennslinnigen versctzte gloge„vinlgven allein ist nichts weiter als ein leeres straße in Aufregung
ük, das nach einem Innaut verlangt. Esch, die 30jährige Anna Simon, die dort schon 15 Jahre in
groscere Verubdautge ails dar Klen 345 ur.„Zakres, eine Dlerisen, best, wrisachte Blshzlich in ausdrechenden Irsion an en: dog STchne### Bewuktsein erfüllter Pitsch= den beiden Kindern ihrer Herrschaft mit dem Resser ein
des Helen zu verbessern. Uuser Leben sol so sein. dok 23 Feulter auf die Sirah.. d denct wirde, aus den
Ler Pigeneinhelt iu irgend einer Bese, und ware 65 mur a.s.uiedn. au a u se u tice bicht burch Verbreitung von Freuden, zum Vorteile gereicht, a.„Holzminden. 29, Tez. Wegea Elsgangs wurde die
sonst nat es den schöusten seiner Veruse versehit. Unierz Peserichlsahzrt singestellt.
Lekensarbeit soll einst mit einer„Altiva“ abschließen." unangsages; 2. Des. Insolge Eisbildung in der Eibe
Feibes mit
Köln, 30. Dez. Der Rhein führt seit gestern früh in seiner ganzen Breite Treibeis. Die meisten Schisse suchen die Winterhäsen auf.
Chemnitz, 30. Dez. Den„Chemn. R. Nachr.“ zufolge ist der ehemalige Direktor der Sächsischen Maschinenfabrik, v. Ecklin dem die bei der Gesellschaft vorgerommenen=Aktienfäl schungen zur Last gelegt werden, in Alexandrien verhaftet worden. Der Verhaftete hat sich über zwei Jahre unter falschem Namen in Chemnitz aufgehalten und heißt in Wirk lichkeit Stöcklin. Der Antrag auf Auslieferung Stöcklins ist be reits gestellt worden.
Magdeburg, 29. Dez. Die Frau des Materialwaren händlers Theuerkauf und ihr Kind, die kürzlich leblos in ihrem brennenden Hause aufgefunden wurden, sollen nach polizeilichen Ermittelungen einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein. Der Tat dringend verdächtig ist dem Berl.„Lok.=Anz.“ zufolge der Ehemann selbst, der auch den Brand angelegt haben soll. In jedem Raum der Woh nung und am Bett der Frau Theuerkauf sind Brandherde fest gestellt worden, die mit Zündschnur untereinander verbunden waren. Vorher scheinen Frau und Kind ermordet worden zu sein; auf welche Weise, ist noch nicht festgestellt.
Franksurt a. M., 29. Dez. Nach der neusten Frankfurter Statistik besitzt die Stadt Frankfurt a. M. 261 Multi millionäre, die jeder mehr als 2 Millionen Mark Ber mogen versteuern, 338 einfache Millionäre und 708 Personen die„Nur 1 bis 1 Million Mark besitzen.
Mainz, 30. Dez. Die Beerdigung der vier Opser des grauenvollen Mordes sand gestern vormittag 10 Uhr unter der Beteiligung der nächsten Angehörigen statt. In der durch Dämmerlicht nur schwach beleuchteten Friedhofskapelle waren die vier Särge, drei hellbraune der Schwestern und ein schwarzer des Vaters, unter einem Berg von Blumen und Kränzen nebeneinander aufgebahrt. Das Gebet des Priesters ward durch das Schluchzen der Angehörigen unterbrochen. Die Sarge wurden alsdann einer nach dem anderen in der Familiengruft unter den üblichen Zeremonien beigesetzt Kränze wurden u. a. gespendet von der„Hasso=Rhenania“ in Gießen, deren Ehrenmitglied der Verstorbene gewesen ist. Bei leidstelegramme erhielt die Familie in großer Menge vom In= und Ausland, u. a. vom Minister Braun, von der Bürger meisterei Mainz und dem Vatikan in Rom usw.
Schwerin, 29. Dez. Auf dem Eise mecklenburgischer Seen sine gestern und heute insgesamt acht Knaben eingebrochen und ertrunken.— Bei Zarrentin wurde im Chausseegraben ein Handwerksbursche erfroren aufgesunden.
Paris, 30. Dez. Aus verschiedenen Gegenden Frankreichs werden heftige Schneestürme gemeldet, besonders auden Ost=Pyrenäen, dem Jura und Savoyen.
London, 30. Dez. Der furchtbare Schneesturm, der seit gestern über England hinwegbraust, ist der stärkste, den man dort seit dem 18. Januar 1881 erlebt hat. 14 Todesfälle. die auf den Schneesturm zurückzuführen sind, werden bisher gemldet. In Londen war gestrn abend, trotzdem noch 20 000 Arbeitslose zum Schneeschaufeln herangezogen wurden, der Verkehr fast vollständig gelähmt.
Mord. Im Walde bei Hingenberg wurde die 19jähr Tochter des Schuhmachers Neuhaus ermordet aufgesunden Neben der Leiche lag ein Rivolver und ein Herrenhand schuh. Das Mädchen wurde zuletzt in Begleitung eine Schaffners aus dem Siegerlande gesehen, der, obwohl ver heiratet und Familienvater, sich mit ihm verlobt hatte
Der Irrsinnige auf dem Kirchturm. Am zweiten Weil nachtsseiertage kletterte ein Knecht in Schwarzenbek an den dortigen Kirchturm. Er war infolge zu reichlichen Al koholgenusses irrsinnig geworden. Im Kirchturm bracht: er die niyr zum Stehen und dann läutete er wild darauf
los. Als die Polizei erschien, war der Irrsinnige bis in die höchste Spitze hinausgeklettert und hatte die Leitern nachgezogen, sodaß er vorerst unerreichbar war. Kurz ent schlossen alarmierte man die Feuerwehr, der es nach auf regendem Kampfe gelang, den Irren zu fesseln. Der Kampf in dem Turme hatte eine einstündige Verspätung des Gottesdienstes zur Folge.
Albumblätter.
Die meisten Erfahrungen über mich selbst habe ich in Augenblicken gemacht, wo ich die Eigentümlichkeiten anderer Renschen erlannte. Fr. Hebbel
Erdbeben in Calabrien
und Sizilien
Die letzten Telegramme bestätigen die vollständige zernorung der sizilianischen Hasenstadt Messina und Reg gios. Wie viele Menschen in Messina ihren Tod ge unden haben, wind sich erst nach Wegräumung der Schutt massen konstatieren lassen. Inzwischen spielen sich in der zerstörten Stadt Szeuen ab, wie seinerzeit in San Fran
Roman von Paul Bliß.
(Nachdruck verboten.)
Ohne sich nach ihnen umzusehen oder sich überhaupt an jemand zu kehren, ging Bruno schnurstracks in die Garderobe, ließ sich den Mantel geben und verließ das Fest Er hatte hier jetzt nichts mehr zu tun.
Währ so er nach Hause fuhr, zwang er alle Gedanken die eben erlebte Szene zurück.
Und mit kalter Vernunft überlegte er nun, wie er im Frühjahr die Bestellung der Felder und das Legen der Nöhren arrangieren könne— auch an den Neubau einer Scheune dachte er— mitten durch aber erklangen ihm doch immer die Weisen„An der schönen blauen Donau“.
In der ersten Hälfte des November begann der Winter seinen Einzug zu halten. Eines Morgens waren Fluren und
#er mit einer bichten weißen Decke zugedeckt, und
Büschen und Bäumen lagerte die weiße Last in Formen.
auf malerischen
Gegen Mittag ließ sich Bruno den Schlitten anspannen und fuhr allein hinaus in die weite, weiße Einsamkeit .: Ach, das war eine Wohltat!
Mit vollen Zügen atmete er diese herrliche reine Luft ein. ##i###ran und leuchtend klar war der Himmel und
u, tie M,#ien warm und wohlig und war
5rs. 8% xoletten Schatten auf die sich unendlich dehnende
Träumerischen Auges sah Bruno ins Weite
ul bobi.zufahsar— u viat, so einsam, so wellsern, Io
In seiner Seele wurde es ruhiger, und in seinem Herzen pochte es weniger ungestüm.
.. rest jener Ballnacht hatte er vergebens danach getrachtet seine Ruhe und seine stille Arbeitsfreude wiederzufinden Vergessen wollte er!„Alles, alles was geschehen war— er mußte ja vergessen lernen!
Mit wahrem Feuereiser stürzte er sich in seine Arbeit— vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht war er auf den
Beinen— bald auf dem Feir, bald auf dem Hof— nirgends Ruhe oder Rast— immer nur arbeiten, arbeiten— den Geist beschäftigen und nicht an das mehr denken, was hinter ihm lag, was nun vergessen werden mußte.
Und doch war alles das umsonst.
Solange er mitten in der emsigen Tätigleit war, und so lange alle seine Gedanken in Anspruch genommen waren, so lange hatte er Ruhe und Frieden, kaum aber war er allein, so wachte alles Geschehene wieder auf, so war er wieder im Bann ander alten, längst begraben gewesenen Schmerzen Und dann die Nächte!
Nie fand er mehr den herrlichen traumlosen Schlaf. der ihn sonst immer so erquickt hatte... stundenlang lag er wach zählte in qualvoller Ungeduld die dahinschleichenden Vierteltunden, die die Uhr ankündigte, und selbst wenn er schon leicht entschlummerte, wurde er von gräßlichen Bildern und Angstvorstellungen gequält.
Er litt unsäglich darunter, seine Stimmung, sonst so heiter und froh, war nun ewig trist und trübe; worttarg ging er umher, mied jede Geselligkeit und jede Unterhaltung. und sein Aussehen wurde von Tag zu Tag elender.
Seit jener Ballnacht hatte er nichts mehr von seinen Angehörigen aus der Stadt erfahren; er wollte auch nichts mehr von ihnen hören; und wenn einer seiner Nachbarn kam, um ihm Neuigkeiten und Klatsch zuzutragen, dann lief er ihm ein sach davon.
Und doch war all dies Sich Panzern umsonst, denn immer klarer wurde es ihm, immer deutlicher fühlte er es, daß er die schöne, junge Frau noch immer liebte, ja, daß er sie jetzt, nun sie zur vollen Schönheit erblüht war, daß er sie jetzt erst mit der großen Leidenschaft liebte, die da kein Entsagen, kein Verzichten, kein Resignieren kennt.
Ja, ja, er liebte sie mit all seiner gesunden Kraft, mit all
leiner verhaltenen Leidenschaft, mit seinem treuen Herzen; er
liebte sie, liebte sie mehr denn je.
c.#cr, Scharen von Gesindel durchstöbern die Ruinen, plündern und stehlen. Durch die Exvlosion des Gasometers wurde ein Brand verursacht, der von dem heftigen Sturme genährt wurde und so das Entsetzen der Bevölkerung erhöhte. Blätter melden, daß in Messina u. a. der Erzbischof Monsignore Derrico, der Brigadekommandant General Costa und der Polizeidirektor umgekommen sind. Unter den eingestürzten Gebäuden befindet sich das Hotel rin c.ia, in dem 90 Fremde wohnten, ferner die Börse, Von= und Telegraphengebäude und mehrere Kasernen. Es wird bestätigt, daß auch das Rathaus, die kathedrale, die Kasernen eingestürzt sind. In der Kaserne der Zollwachen blieben von 200 Mann nur 41 unversehrt. Am Bahnhof wurde ein Appell abbehalten, bei dem sich von 280 Angestellten nur 8 zur Stelle meldeten. Nachrichten aus der Provinz bestätigen, daß das Erdbeben alle Ortverwüstet habe. Die Zahl der ausgebrochenen Sträflinge beträgt 276 außer den 300 Dirnen. Die Zuchthäusler machen mit dem städtischen Gesindel emeinsame Sache, terrorisieren die Stadt und erschweren die Rettung. Die Truppen erschossen eine Anzahl Freibeuter, die in flagranti abgesaßt wurden. Während und sofort nach der verrichteten die wenigen anwesenden Offiziere, Militärärzte und Soldaten wahre Heldentaten. Ein Soldat wurde von einstürzenden Mauern begraben, während er eine Frau und zwei Kinder zu retten suchte. Ein junger Militärarzt rettete durch rasches Zugreisen wohl hundert Verwundete. Ein werkwürdiges Phänomen war, daß alle Orangenbäume von der Wut der Elemente ausgerissen wurden. Die Augenzeugen des Unterganges von Reggio berichten: Die Stadt lag im ruhigen Schlummer, als plötzlich ein fürchterliches Bombardement unsichtbarer Kanonen einsetzte und das Meer in wilder Brandung in die Stadt eindrang und alles überschwemmte. Zugleich begannen ganze Straßenzüge unter dumpfem Geräusch und unter dem Geheul der Menge einzustürzen. Alles dies war das Werk von wenigen Minuten. Die große Mehrheit der Bevölkerung von Messina blieb während der Kate“ se in den Häusern blokkiert, die über den Aermsten einstürzten. Die Straßen hatten sich sofort in Schuttberge verwandelt, über die selbst die Wildesten nicht hinwegzuklettern vermochten. Die ganze Garnison ist samt den Kasernen untergegangen. Fast niemand entkam aus den Häusern, die wegen der einstürzenden Gassen ihre Insassen wie in Mausesallen festhielten. Der Kummandant des Panzerschisses, der zur Weihnachtsfeier in Messina eingetroffen ist, ist mit seiner ganzen Familie im Hotel erschlagen. Die Passagiere des eisernen Trajektbootes Reggio=Messina erzählen, aas Ungetüm von Fährboot wurde trotz seiner ungeheuren Schwere plötzlich zehn Meter hoch gehoben, um dann von Wirbeln bis auf den Meeresgrund hinabgerisson zu werden. Es tauchte dann wieder auf und wurde von den Wogen minutenlang wütend hin und her geschüttelt. Ein bei dem„Secolo“ eingelausenes Telegramm meldet, daß Reggio di Calabria, eine Stadt von 40000 Einwohnern, vom Meere vollständig verschlungen worden ist. Ein zur Hilfe geandtes Anensschiff suchte vergebens die Stelle, wo die Stadt gestanden hatte und mußte unverrichteter Sache umkehren.
Schilderung einer Geretteten.
Eine aus Mestina in Catania eingetroffene Dame, die elbst verletzt ist, gibt folgende Schilderung des Unglücks, ine annähernde Idee von der furchtbaren Szene. Als der erste Stoß kam, schliefen wir ganz fest, ich wurde durch das Schwanken des Hauses und das Rasseln der Feuster geweckt ber auch schon im nächsten Augenblick war ich aus dem #ett geworsen. Alles stürzte ohne Rücksicht auf den in Strömen niederprasselnden Regen auf die Straße. Furchtbare Schreie um Hilfe ertönten von allen Seiten. Keiner von uns suchte zu entfliehen, und mir selbst war, als ob mich der Tod mit seiner eisigen Hand berührt hätte. Mein Bruder und meine Schwestern waren bei mir, und ich folgte ihnen, olwohl ich von den umstürzenden Möbeln schwer„„letzt wurde. In einer Art Betäubtheit gelangte
ich glücklicherweise in Sicherheit. Direkt aus den Betten kommend, waren wir aufs dürftigste bekleidet, aber wir waren derartig benommen, daß wir gar nicht daran dachten. Auf der Straße folgten uns Hunderte, die wie wir, der surchtbaren Katastrophe zu entrinnen suchten. Es schien uns, als ob die Häuser alle über uns zusammenbrachen, und dann stürzte das Meer in die Stadt. Der Untergang der Welt schien angebrochen. Das Wasser brauste unter lautem Gebrüll hinein, und der Himmel glühte von dem Refler eines brennenden Palastes. Plötzlich flammte es hell auf und ein surchtbarer Knall erschütterte die Stadt aufs neue. Vermutlich war es die Explosion des Gasomneters. Schließlich kamen wir auf den Hauptplatz, wo sich zwei= bis dreitausend von Panik ergrifsene Menschen zusammendrängten. Ich erinnere mich an das, was dann
Und als er dies erkannt hatte, da wai er hingesunken in das Polster seines Arbeitsstuhles, hatte krampfhaft die Lehne umklammert, und hatte heimlich, verstohlen geweint, denn er erkannte ja auch, daß ei dennoch verzichten mußte, daß er den noch resignieren mußte, weil sie nicht ihn, sondern seinen schö nen, eleganten Bruder liebte.
Wütend. wahnsinnig wütend. ballte er die Hände———
a, ja, jetzt haßte er seinen Bruder wie seinen ärgsten schlimmsten Feind
Und dann, als die wilde, lodernde Wut sich ausgetobt hatte, dann war die körperliche Ermattung gefolgt, dann war er schlaff und abgehetzt dahingesunken und hatte sich daran gewöhnen müssen, sich wieder in die Einförmigkeit seiner Tage zurückzufinden, und hatte einsehen müssen, daß er machtlos war gegen sein Schicksal, daß er mit seiner bäuerlich ungestümen Wut nichts ausrichten konnte, und daß er alles, wie es der Himmel uns schickt, ertragen mußte.
Und als er dies erkannt hatte, da war dann die große Stille gekommen, die grausame Einsamkeit der Seele. die da klar erkennt, daß es nun nichts mehr zu hoffen gibt, daß nun alles aus und vorbei ist, daß nun die Tage dahinfließen wer den trüb und öde, bis einmal das große Gaukelspiel zu Ende sein wird
Aber nicht weich geworden ist er nach dieser Erkenntnis, nein, hart und trotzig hat er es ausgenommen— das Weiche. das Schmerzvolle, das hat er innerlich tief, tief verschlossen— äußerlich zeigte er nun ein kaltes, ernstes, oft sogar hartes Ge sicht und mit dem Stolz und Trotz eines Bauern suchte er nun ein Geschick zu ertragen.
Natürlich entging die Veränderung des Hausherrn auch den anderen Hausgenossen nicht
Zuerst bemerkte sie der alte Walter. Er war ja selber so erfüllt von einem Weh, daß er oft an sich halten mußte, um nicht zu zeigen, wie weh und wund seine Seele war. Aber ge rade in seinem Schmerz schärfte sich Auge und Empfindung für das, was um ihn her vorging. und vor allem sah er nun mit doppeltem Interesse auf seinen geliebten Herrn, dem er Leb¬und alles verdankte, und für dessen Wohl zu wachen er sich hoch und heilig geschworen hatte.
Mit Bekümmernis sah er, wie das Gesicht seines lieben Herrn von Tag zu Tag ernster wurde, wie seine gute Laune schwand und nicht wieder kam und wie sein Auosehen immer schlechter wurde.
Das machte ihm so ernsthafte Sorge, daß er darüber fast sein eigenes Leid vergaß
Aber was nur tun? Den Herrn selbst zu fragen das wagte er nicht, weil er sah, wie Bruno jedem überflüssigen Worte auswich, und ein anderer im Hause konnte ihm doch darüber auch nichts sagen. Eines Abends, als Bruno wieder gleich nach Tisch aufstand und das Zimmer verließ, sah der alte Walter fragend zu den beiden anderen Tischgenossen und riskierte die Worte:„Was mag nur unserem Herrn jetzt sein?“
Der Inspektor lächelte heimlich und schwieg und sah zu Frau Schramm hinüber, so daß diese auch zu lächeln anfing Erstannt sah Walter von einem zum andern.„Nun, was ist denn?" fragte er.
Da fing die alte Schramm an zu lachen und sagte:„Sie sind wohl ganz blind, wie?"
Immer erstaunter sah Walter sie an.
doch nun auch schon ne ganze Zeit hier— aber es scheint. Sie hören und sehen nichts, was vorgeht!“ lachte sie weiter
„Ich kümmere mich um meine Arbeit und um weiter nichts.“ entgegnete er nur
„Nun, dann will ich es Ihnen sagen, was in der Stadt doch schon jedes Kind weiß. der Herr ist verliebt!“
Beide lächelten, nut Walter blieb sehr ernst und wurde immer prstaunter.
Dann fuhr die Alte sort:„Heute, wo meine Nichte mal nicht hier ist, können wir ja darüber sprechen. Drinnen in der Stadt bei Felsings ist nämlich Besuch—’ne Dame natürlich— das soll die frühere Liebe unseres Herrn gewesen sein. Ganz toll soll er damals gewesen sein— und trotzdem hat er inen Korb gekriegt. Ja wohl, sie hat neu andern geheiratet.— Na
nir ja an.„kla., weshalb er sich keine Frau nehmen will!“ Sie lachte höhnend auf.
Waute ader laß da, gat starr erstaunten Aügen und sagte
***
(Fortsetzung solgt.)