Erstes Blatt.

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38. Jahrgang.

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Wöchentliche Beilage: Illustrirte Sonntags-Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: L. H. Kleinstreuer in Gelseukirchen.

Nr. 200.

Fleischtheuerung.

Man schreibt uns:

Aus vielen Städten erschallen Klagen über

Theuerung des Fleisches. Mehrere Städte wollen Vorstellungen beim Reichskanzler machen in dem Sinne, daß die Einfuhr lebenden Viehes wieder ge­stattet werde; eine Abordnung der Stadt Posen ist in diesem Sinne bereits beim preußischen Landwirth= schaftsminister vorstellig geworden. Minister v. Pod­bielski hat geantwortet, daß die Einfuhr lebenden Viehes nicht gestattet werden könne, daß er aber in Verbindung mit der Centrale für Viehverwerthung für reichlichere Zufuhr von Vieh nach der Stadt Posen Sorge tragen werde. Das Schweinefleisch steht seit Jahresfrist hoch im Preise, und in neuerer Zeit sind auch die Preise der Rinder und der Schafe in die Höhe gegangen; das ist eine Thatsache, die natürlich nicht geleugnet werden kann. Aber damit ist doch nicht ge­sagt, daß die Oeffnung der Grenzen für lebendes Vieh dieser Theuerung steuern werde. Diese Grenz­sperren tragen an der Theuerung thatsächlich keine Schuld. Erstens handelt es sich nicht nur um eine Theuerung in Deutschland allein. Alle europäischen Staaten und noch mehr die Vereinigten Staaten von Amerika haben eine ebenso starke Steigerung der Fleischpreise zu verzeichnen. In der nordamerika­nischen Staatenunion ist es unter Anderem wieder einmal ein Trust, der auf künstliche Weise zum Son­dervortheil der Mitglieder dieses Ausbeuterringes der verbrauchenden Volksallgemeinheit die nothwen­dige Fleischnahrung so sehr wie nur irgend möglich zu vertheuern sucht. Die Preissteigerungen des Fleisches sind sogar in anderen Staaten noch erheblicher, als bei uns in Deutschland. Bei uns herrscht auch nicht etwa Mangel an Schlachtvieh. Wer das nicht glauben will, lese einige Marktberichte nach; er wird dann finden, daß der Verlauf dieser Märkte nichts weniger als leb­haft oder gar stürmisch zu sein pflegt, daß sogar meistens ein Rückstand von Schlachtvieh übrig bleibt. Der Berliner Schweinemarkt ließ beispielsweise in neuester Zeit weichende Tendenz in den Preisen er­kennen, entsprechend der geringen Kauflust, die herrschte; und nicht viel anders lauteten die Berichte aus einer großen Menge anderer Städte, auch solcher, die jetzt die bereits gekennzeichneten Vorstellungen beim Reichskanzler machen wollen. Drittens muß darauf hingewiesen werden, daß die Einfuhr von leben­dem Rindvieh ja gar nicht verboten ist, und trotz dieser Einfuhr steigen die Preise für Rindvieh der beste thatsächlichste Beweis dafür, daß Preishöhe und Einfuhr gar nicht miteinander in ursächlichem Zu­sammenhange stehen. Und viertens ist zum tausend­sten Mal festzustellen, daß die Einfuhr von frischem Schweinefleisch ja ebenfalls niemals unterbrochen worden ist. Statt lebender Schweine werden ge­schlachtete Schweine eingeführt, und zwar in fortge­setzt steigender Menge. Gerade in allerneuester Zeit ist diese Menge des eingeführten Schweinefleisches ganz ungemein gestiegen, hat sich nämlich um mehr als das Doppelte vermehrt sodaß auch bei dem Schweine­fleisch die Preissteigerung nicht auf einem Mangel an Einfuhr beruhen kann. Im Interesse der deutschen Viehzucht muß darum nach wie vor die Einfuhr leben­den Viehes unterbleiben. Sie würde den Verbrauchern

Samstag, den 30. August

1902.

des Fleisches gar nichts nützen, unsern eigenen Vieh­stand aber von Neuem verseuchen, und die schließliche Folge davon würde eine wirkliche Vermindernn, der vorhandenen Fleischmenge und damit erst recht wieder eine Vertheuerung des Fleisches sein.

Der genauere Inhalt der Auskunft, die Herr v. Podbielski einer Abordnung der Stadt Posen ge­geben hat, ist erst nachträglich von dem Posener Stadt­verordnetenvorsteher, der mit zu der Abordnung ge­hörte, demPosener Tageblatt mitgetheilt worden. Danach sind die Gründe, die den Minister an dem Einfuhrverbote lebender Schweine festhalten lassen, folgende: Erstens kann das Verbot aus technischen Gründen nicht ohne Weiteres von heute auf morgen aufgehoben werden; dazu gehören Einrichtungen, die nicht so schnell beschafft werden können. Zweitens aber und das ist die Hauptsache! legte der Mi­nister den Posener Herren eine amtliche Zusammen­stellung aus den letzten Jahren vor, aus der sich in überzeugender Weise ergiebt, daß seit der Einführung der strengen Sperrmaßregeln die Viehseuchen bei uns in Deutschland in staunenswerther Weise abgenommen haben. Bei der Einfuhr von Schweinen nach Deutsch­land handelt es sich hauptsächlich um die Einfuhr aus Ungarn und Galizien, und gerade die Einfuhr von dort bedingt eine ungemeine Seuchengefahr. Man darf nicht vergessen, daß auch die österreichische Reichs­hälfte der habsburgischen Monarchie gegen diese Seucheneinschleppung aus Ungarn sich zu schützen sucht, so gut es möglich ist; und diejenigen, die erneute Einfuhr lebenden Borstenviehes aus Ungarn ver­langen, wissen augenscheinlich gar nicht, mit welcher außerordentlichen Gefahr sie unsere eigene Viehzucht bedrohen. Und zwar nicht nur die Viehzucht des Großgrundbesitzers, sondern auch um einen be­liebten Ausdruck jener Seite zu brauchen! das Schwein des armen Mannes. Es würde geradezu ein Frevel am deutschen Volksvermögen und deutschen Volkswohlstande sein, wollte man jetzt wieder diese Einfuhr zulassen, die ohne Zweifel sehr bald von Neuem unseren eigenen Viehstand verseuchen würde. Theilweise haben sich auch Fleischervereinigungen an der Agitation für die Zulassung dieser Einfuhr leben­der Schweine betheiligt warum kann man nicht recht einsehen. Die Erhöhung den Preise des Schlacht­viehes werden doch allermeistens für den Fleischer aus. geglichen durch entsprechende Erhöhung der Fleisch­preise, sodaß den Schaden in ganz vorwiegendem Maße der Fleischverbraucher zu tragen hat. Im Uebrigen aber sollte gerade der Fleischer auch ein Interesse be­kunden an dem Gedeihen der einheimischen Viehzucht; und diese letztere kann nur dann gedeihen, wenn sie geschützt ist vor der Einschleppung von Viehseuchen aus dem Auslande. Daß es bei uns thatsächlich eine Fleischnoth gar nicht einmal giebt, beweist wiederum das Posener Beispiel. Der dortige Bedarf ist im Handumdrehen in so überreichlicher Weise gedeckt worden, daß Landwirthe und Viehhändler bereits über flaue Abnahme des dargebotenen Viehes und Geflü­gels sich zu beklagen anfangen.

Eine u. A. in derTremonia zum Abdruck ge­brachte Correspondenz äußert sich über die Fleisch­theuerung in folgender Weise:

Während die liberale Presse fortfährt, im Verein mit Schlächtern und Viehhändlern auf die selbstsüchtigen und habgierigen Agrarier zu schimpfen, die durch die auf ihr Betreiben eingeführte Grenzsperre das Fleisch in unerträg­lichem Maße vertheuerten, ergiebt sich aus einer Reihe von Thatsachen immer deutlicher, daß bei dem Theuerungs­geschrei auch sehr viel speculativer Humbug unter­läuft. Wir haben schon mehrere Fälle mitgetheilt, in denen Landwirthe das in öffentlichen Bekanntmachungen aus­gebotene Vieh nicht loswerden konnten oder das auf dem Viehmarkt aufgetriebene Vieh zum ganz erheblichen Theile keine Abnehmer fand. Heute werden derDeutschen Tagesztg. wieder ein paar Fälle mitgetheilt, welche die Verhältnisse in demnothleidenden" Posen beleuchten. In der letzten Woche wurden an einen Händler in Wreschen 12 Mastschweine mit einem Durchschnittsgewicht von zwei Centnern zum Preise von 47 Mk.(18 Mk. unter Berlin) und 4 pCt. Gewichtsabzug verkauft. als dem Händler gesagt wurde, er müsse bei den hohen Fleischpreisen doch auch höhere Preise bewilligen, erklärte er, daß der ganze Fleischrummel in Posen der reine Humbug sei. Die ge­kauften Schweine würden wahrscheinlich auch nach Berlin und nicht nach Posen gehen, da sich die Schweine in Berlin besser verwerthen ließen als in Posen. Ein anderer Händ­ler aus Wreschen erzählte dem Gewährsmann derDeut­schen Tagesztg., daß aus Ostpreußen 100 Schweine la. Waare in Posen eingetroffen seien. Der Besitzer der Schweine hatte gehofft, dort gute Geschäfte machen zu können, und die Schweine zuerst mit 53 und dann mit 51 Mk. angeboten. Es seien ihm aber nur 48 Mk. ge­boten worden. Beste Hinterviertel seien zu sehr billigen Preisen angeboten worden, hätten aber keine Abnehmer ge­funden. Es kommt aber noch besser. Von competenter Seite wird auf einmal erklärt, daß es in Posen gar keine Fleischnoth gebe. ImPos. Tagebl. ver­öffentlichen Leon Idzkowski und Joseph Wejciechowski fol­gende Bekanntmachung betreffs der hohen Fleischpreise während der Kaisermanöver:

Entgegen den Behauptungen, daß die Fleischpreise während der Manöverzeit noch höher steigen und das Fleisch noch knapper werden wird, und somit eine Oeff­nung der Grenze nothwendig sein müsse, erklären die Unterzeichneten, daß diese Befürchtung nicht eintreten und außerdem eine vorübergehende Oeffnung der Grenze nicht nothwendig sein wird. Wir Unterzeichneten sowvie zahlreiche andere Schwarzviehhändler in Posen haben in den letzten Wochen contractlich für die Manöverzeit der­artige große Abschlüsse in Ost= und Westpreußen behufs Lieferung von Schwarzvieh gemacht, daß auch der ge­sammte Bedarf vollständig gedeckt werden kann. Allein die Unterzeichneten liefern auf Wunsch täglich 200 Stück Schweine:

Es scheint, daß den Posener Viehhändlern das An­erbieten der Centrale für Viehverwerthung, Vieb in be­liebiger Menge nach Posen unter dem dortigen Marktpreise zu liefern, Angst gemacht hat. Das Wuchergeschäftchen könnte ihnen verdorben werden. Die Geschichte ist wirklich hübsch. Man läßt eine Abordnung der Stadtbehörden nach Berlin reisen, um unter Klagen über die Unmöglich­keit, während der Kaisertage die herbeiströmende Menge mit Fleisch zu versorgen, den Landwirthschaftsminister um die Oeffnung der Grenze zu bitten, und hinterher er­klären die Händler: Die Oeffnung der Grenze ist gar nicht nöthig, der Fleischbedarf kann vollständig gedeckt werden. Hoffentlich findet die Centrale doch noch Gelegenheit, den Biedermeiern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Ungemein bezeichnend für die Nothstandsmache ist auch die Kritik, die dieAllgemeine Fleischerztg. an der Verhandlung der Posener Abordnung mit dem Land­wirthschaftsminister übt. Das Schlächterorgan ist nämlich ganz wüthend darüber, daß die Centralstelle für Vieh­verwerthung sich erboten hat, den hungernden Posenern Schlachtvieh zu liefern, so viel sie wollken, und zwar zu dem Posener Marktpreise. Man sollte meinen, die Schläch­ter, denen der Schmerz über die hohen Fleischpreise fast

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0 Lebenswege.

Erzählung von Clara Wilhelmt.

Mein Vater war, obgleich nur bürgerlicher Ab­kunft, ein reicher Gutsbesitzer," begann Amalie ihre Erzählung, als die Damen im Zimmer Platz genom­men und ihre Handarbeiten hervorgeholt hatten. Meine Schwester Lina und ich waren die einzigen Kinder. Der Vater hatte noch eine Schwester; diese war in ihrer Jugend mit einem blühendschönen jungen Mann, Sohn eines Bergwerksbesitzers, verlobt. Eines Tages wollte dieser in den Schacht hinabfahren, ich weiß nicht mehr was geschah, genug, er verunglückte und wurde als gräßlich verstümmelte Leiche wieder heraufbefördert. Die grenzenlose Trauer der Tante können Sie sich denken, sie gelobte, ihrem Bräutigam bis über das Grab hinaus treu zu bleiben, und hat Wort gehalten, sie blieb unvermählt. Einige Zeit darauf gewann sie eine ganz bedeutende Summe in der Lotterie. Die Tante wohnte nicht bei uns im Hause, sondern lebte allein für sich in der Stadt nahe bei unserem Gute. Als ich erwachsen war, brachte ich oft Wochen lang bei der Tante, welche meine Pathin war und mich zu ihrer Erbin eingesetzt, zu. Dort lernte ich einen liebens­würdigen, bescheidenen jungen Herrn kennen, welcher bald mein ganzes Interesse gewann. Auch die Tante gewann ihn herzlich lieb, und da auf verschiedene ein­gezogene Erkundigungen nur gute Nachrichten ein­liefen, schenkte ich ihm mein Herz und verlobte mich mit ihm. Die Hochzeit folgte bald darauf und ich zog mit meinem Gatten auf dieses Gut, sein väterliches Erbtheil. Hier zeigte er sich aber bald von einer ganz anderen Seite, als ich ihn bislang kennen gelernt. Ganze Tage und Nächte brachte er außer dem Hause zu; kam er dann heim, waren stets einige seiner Kumpane in seiner Begleitung und das Zechgelage begann hier von Neuem. Ich wagte, ihm sanfte Vorstellungen darüber zu machen, wurde aber mit Hohn abgewiesen.Was versteht eine bürgerliche Creatur davon, welches Leben der Adel führt. Deine Capitalien sind mir lieb und sie kann ich gebrauchen, Deinen Rath und Deine Predig­

hehalte nur für Dich. Ich sah es bald genug ein, daß Feldheim es nur auf mein bedeutendes Vermögen abgesehen hatte, um seine eigenen, arg zerrütteten Ver­mögensverhältnisse wieder aufzufrischen und ein lockeres Leben führen zu können.

Ich will schweigen über die nun folgenden trüben Jahre. Eines Abends, es war furchtbar stürmisches

Wetter, ähnlich wie an jenem Abend. wo Sie umher irrten, wurde heftig an das Thor gepocht. Eine selt­same Unruhe und Angst beengte mir die Brust. Ich war es längst gewohnt, Tage lang meinen Gatten nicht zu sehen, ohne mich deswegen zu beunruhigen; um so unerklärlicher war mir dieses seltsame Gefühl, welches mich beschlich. Als Fritz das Thor geöffnet, traten einige Männer mit einer Tragbahre in den Hof. Ich ging hinzu und sah, daß sie einen Menschen trugen. Von gräßlicher Ahnung erfüllt, griff ich nach dem Tuche, welches den größten Theil der Bahre bedeckte, lüftete es und sah in das furchtbar entstellte Antlitz meines Gatten. Halb bewußtloß sank ich an seine Seite. Hatte ich auch nicht das Glück bei ihm gefunden, welches zu erwarten ich berechtigt war, so hatte ich ihn doch ge, liebt, war aus reiner Neigung seine Gattin geworden, ohne jeden Hintergedanken an eine bevorzugte Stel­lung als adelige Dame. Mein Gatte war den ganzen Tag über von Hause fort gewesen; ob sein Pferd gescheut und ihn abgeworfen hat? Es ist Niemand zugegen ge­wesen, aber doch anzunehmen, denn die Männer fanden ihn bei dem Stumpf eines abgehauenen Baumes, dessen äußerer Rand sehr scharf war, in seinem Blute. Einige Stunden später kam auch das Pferd, mit Schaum be­deckt, zurück. So wurde ich zur Wittwe und meine drei Kinder zu vaterlosen Waisen.

Ihre drei Kinder?" fragte Käthchen nach einer Pause.Wo sind denn die beiden andern?

Meine beiden Söhne, Ernst und Karl, besuchen r der Stadt das Gymnasium, entgegnete Amalie, für meine Elli werde ich mich wohl nach einer Gou­vernante umsehen müssen, ich kann mich nicht von dem Kinde trennen und ich selbst bin so an den Landauf­enthalt gewöhnt, daß ich ihn nur höchst ungern verlasse.

Nach einigen Tagen fühlte Käthchen sich wieder vollkommen gekräftigt und sie erklärte ihrer gastfreund­lichen Wirthin, daß sie nun weiter ziehen müsse, um sich einen Broderwerb zu suchen.

Eilt dies denn so sehr, meine Liebe? fragte Frau von Feldheim.Ich denke, im Winter ist dies sehr beschwerlich, auch könnten Sie leicht einen Rückfall der kaum überwundenen Krankheit bekommen. Nein, die­sen Winter bleiben Sie hier auf Feldheim, Sie sind mir ein lieber Besuch, eine angenehme Gesellschafterin. Und wenn es Ihnen bei mir gefällt, so bleiben Sie ganz hier und leiten den Unterricht meiner Elli.­

O, wie gut, wie mildherzig Sie sind! rief Käth­

chen erregt.Aber ich kann doch Ihr Anerbieten nicht annehmen. Hier in der Nähe des Landgutes der Frau von Hochfeld könnte ich gar leicht mit der Dame oder ihrem Bruder, Herrn von Bergen, in Berührung kommen und dieses möchte ich um jeden Preis zu ver meiden suchen. Dann muß ich aeich allen Ernstes dar­auf bedacht sein, meine und meines Kindes Zukunft zu sichern. Ich muß nicht allein für meine alten Tage sorgen, sondern auch für mein Töchterchen etwas er­übrigen. Und von Ihnen Belohnung für geleistete Dienste annehmen, vermöchte ich doch nicht.

Nun, wenn es denn einmal Ihr fester Wille so ist, dann bleiben Sie wenigstens diesen Winter noch hier. Eine mir befreundete Familie, welche mit Beginn des nächsten Frühlings eine längere Reise antreten will, wünscht eine Dame als Gesellschafterin und zugleich als Erzieherin für die Kinder. Wenn Ihnen dieses convenirt, so will ich Sie der Familie empfehlen und ich hoffe, daß Sie angenommen werden.

Wie dankbar bin ich Ihnen und wie soll ich Ihnen Ihre Güte vergelten? sagte Käthchen mit Thränen in den Augen.

Sprechen Sie doch nicht davon, es ist ja des Christen Pflicht, einander beizustehen.

Nicht Alle denken so wie Sie; wer selbst eine Schule der Leiden durchgemacht, hat auch für fremdes Leid ein fühlendes Herz." erwiderte Käthchen.Wenn Sie sich übrigens bei der Familie verwenden wollen, so kann dieses nur sehr vortheilhaft für mich sein.

Frau von Feldheim versprach, dieses zu thun und sie hielt Wort.

Im Frühjahr begleitete Amalie ihren Schützling zu der Dorndorf'schen Familie in die Stadt. Der ältliche Rittmeister a. D., welcher vor einigen Jahren erst eine junge, hübsche Frau heimgeführt, hieß sie herzlich willkommen; die Frau Rittmeister beaufsichtigte das Einpacken, denn da die bevorstehende Reise von recht langer Dauer sein sollte, mußten viele Vorbe­reitungen dazu getroffen werden.

Während Käthchen iorer neuen Herrin behülflich war, theilte Frau von Feldheim dem Rittmeister deren Erlebnisse mit, und noch an demselben Tage fuhr die Reisegesellschaft, von Amaliens besten Segenswünschen begleitet, ab.

Die Gesundheit der Frau Rittmeister Dorndorf war angegriffen, weshalb der Arzt Luftveränderung angerathen, und da die Mutter sich nicht von den Kin­dern trennen mochte, sie selbst aber auch zu schwach

das Herz abbricht, müßten das Angebot mit Freuden an­nehmen. Aber weit gefehlt! Zunächst äußert das Blatt seinen Verdruß, daß die Centralstelle sich herausnimmt, mehr leisten zu wollen,als der wohlorganisirte deutsche Viehhandel". Dann wird der Centralstelle sogar ein Vor­wurf daraus gemacht, daß sie Vieh zu niedrigeren Preisen nach Posen schicken will,als auf den Viehmärkten notirt werden". Sie verletze damit aufs Gröbste ihre Pflicht gegen ihre Lieferanten, denn ihre Aufgabe sei ja gerade, für die Landwirthe die höchsten und besten Preise zu er­zielen. Als dasUnerhörteste" aber wird bezeichnet, daß die beiden Vertreter der Stadt Posen das Angebot des Herrn Ringhinnehmen und sogar für ausreichend erklären konnten". Kann nach solcher Leistung noch Jemand glauben, den Schlächtern und Viehhändlern Posens mache die Fleisch­theuerung ernstlich Sorge? Das gerade Gegentheil ist der Fall. Sie machen die Theuerung und wollen nicht, daß Jemand ihnen durch Angebot von billigerem Vieh das Ge­schäft verdirbt. Während man den Gewinn aus den Po­sener Kaisertagen schon sicher in den Taschen zu haben glaubte, wollte man gleichzeitig die Theuerung für die Oeffnung der Grenze verwerthen, die dann weiter ein hübsches Geschäft gebracht hätte. Wir bestreiten nicht, daß eine gewisse Knappheit an Schlachtvieh in Deutschland sich geltend macht, die eine Steigerunn der Fleischpreise zur Folge hat. Aber es ist auch viel Uebertreibung dabei, sowohl bei der Preissteigerung wie vor Allem bei dem Geschrei über die Fleischnoth. Es steckt hinter diesem Geschrei zunächst ein gut Theil unberechtigten Interesses der Händler und Schlächter, und dann das Bedürfniß der liberalen Presse, gegen dieAgrarier" zu hetzen und Stim­mung gegen die landwirthschaftlichen Zölle zu machen.

Deutsches Reich.

* Unnöthige Aufregung! Die Gegner hatten große Hoffnung auf Mannheim gesetzt und reiches Material für ihren Kampf gegen denUltramonta­nismus" erwartet. Diese Hoffnung ist arg getäuscht worden. Der Katholikentag ist glänzend und in voller Einmüthigkeit verlaufen. Was sollen angesichts dieser Thatsache die armen Gegner anfangen? DieKöln. Ztg. weiß sich zu helfen; sie hat folgenden Brocken entdeckt:

Neu und von schwerwiegender Be­deutung für, unser innerpolitisches Leben, so schreibt das Kölner nationalliberale Blatt, ist der Gedanke, der heute zur That wurde, daß ein Kirchenfüri die Arena der politischen Kämpfe herabsteigt und die Autorität der Kirche zum Maßstabe eines Stimmzettels für Fragen und Dinge oft profanster Art macht. Das ist der Geist der Korum und anderer Jesuiten, die die Selbstbestimmung in politischen Dingen der Autorität der Kirche unterordnen, die die Massen des katholischen Volkes zu willenlosen Werkzeugen des Ultramontanismus machen. Man wollte heute die geistigen Regungen unter den ge­bildeten Katholiken eindämmen, vielleicht hat man sich verrechnet."

Wer das liest, wird glauben müssen, Erzbischof Nörber habe eine ganz überraschende Rede gehalten und Wendungen gebraucht, die sich m dem Munde eines Keirchenfürsten seltsam ausnehmen. Leider be­gnügt sich dieKöln. Ztg. mit einer Glossirung der erzbischöflichen Ansprache; richtiger wäre es gewesen, wenn sie auch den Wortlaut der Rede mitgetheilt hätte. Allerdings würden ihre Leser alsdann über die Art der parteipolitischen Verwerthung derselben durch dieKöln. Ztg. nicht wenig erstaunt gewesen sein. Die Ansprache des Erzbischofs Nörber enthält nämlich nichts, was Freunde oder Gegner überraschen könnte.

war, dieselben zu beaufsichtigen, so beschloß man, eine Dame als Erzieherin der Kinder und zugleich Gesell­schafterin der leidenden Frau mitzunehmen. Die Eltern waren recht erfreut, in Käthchen eine für ihre Zwecke geeignete Person gefunden zu haben. Die warme Empfehlung Frau von Feldheims, die bei ihnen in hoher Achtung stand, und noch mehr deren Mit­theilungen über Käthchen hatten das würdige Paar sehr für ihre Reisegefährtin eingenommen, und diese rechtfertigte das in sie gesetzte Vertrauen in vollem Maße. Sie nahm sich liebreich und fürsorglich der Kinder an, und ihrer Herrin war sie bald keine Unter­gebene mehr, sondern eine thatkräftige Freundin.

Der Gesundheitszustand der Frau Dorndorf besserte sich, und der Arzt empfahl für den Winter ein wärmeres, südliches Klima, welcher Rath auch be­folgt wurde. Als im Frühling die Beilchen und Schlüsselblumen blühten, als die Nachtigallen und Schwalben zum Norden zogen, kam auch unsere Reise­gesellschaft mit frischen Wangen von der Reise zurück.

Der Rittmeister wie dessen Gattin und Kinder hatten sich so an Käthchen gewöhnt, daß sie gebeten wurde, bei ihnen zu bleiben, welchen Vorschlag die verlassene Frau mit Freuden annahm.

Jedes Jahr, wenn der Winter herannahte und die Zugvögel in wärmere Länder zogen, traf man auch im Dorndorf'schen Hause Vorbereitungen zur Reise nach dem Süden.

So waren Jahre vergangen und Käthchen lebte nach den Stürmen des Lebens wieder neu auf. Ihre frühere Heiterkeit jedoch war dahin, sie war ernst und still geworden. Wohl stand sie mit der Heimath im brieflichen Verkehr, hatte dieselbe aber noch nicht wieder betreten. Die Nachricht von Martha's Ver­lobung mit Curt hatte ihr Herz erfreut, und die Briefe, welche die heranwachsende Helene von Zeit zu Zeit schrieb, zeigten ihr die Fortschritte in der Tochter Kenntnisse, sowie deren Herzensbildung. Sie hatte noch dasselbe weiche Gemüth, wie in ihrer frühesten Jugend, wo sie keine am Bande hängende Puppe, kein Bild, worauf ein weinendes und dürftig gekleidetes Kind, sehen konnte. Auch in ihrem Umgang war sie ganz eigenartig. Sie pflegte nicht, wie es sonst Kinder und besonders kleiner Mädchen Art ist, mit anderen Mädchen ihres Alters zu verkehren, sie brachte ihre freie Stunden lieber bei demalten Onkel Fran zu, welcher sie damals zu Martha gebracht hatte. (Fortsetzung folgt.)