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Kreisblatt
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Verantwortlicher Redakteur:
J. G. Wefer in Schwerte.
*
für den Kreis Horde.
Insertionsgebühr für die 6spaltige Zeile oder deren Raum 10 P, außerhalb des Leserkreises 15 Pf., Reklame 40 Pf.
Druck und Verlag von Carl Braus in Schwerte, Fernsprech=An schluß Nr. 85, Amt Hörde.
Nr 16.
Schwerte, Montag, 29. Januar 1900
Oeffentliche Moral.
(Nachdruck verboten.)
Was waren es doch für goldene Zeiten, als die schen ihre Feindschaften in urwüchsiger Weise mit schlagfertiger Hand austrugen, als der naturliche Groll noch sich schleunigst Luft machte und dann aber auch verrauchte! Heute ist diese ehrliche Kampfeslust von des Gedankens Blässe angekränkelt. Die Kriege werden mehr mit der Feder als mit dem Schwerte entschieden, und die ehrliche Mannesfaust, das zielsichere Auge sind längst nicht mehr die Haupterfordernisse für einen siegreichen Ausgang, sondern vielmehr die diplomatische Klugheit und vor allem das kalte Geld.
Man wird nicht behaupten können, daß diese Wandlung einen irgendwie günstigen Einfluß auf die öffentliche Moral ausgeübt habe; kaufte man sich früher für bares Geld die Landsknechte, so kauft man sich heute Zeitungen und es wird dem schlichtdenkenden Manne immer schwerer gemacht, über Recht und Unrecht eines politischen Unternehmens das richtige Urteil zu finden. Das letzte Beispiel einer urkräftigen, stürmischen und unmittelbaren Aeußerung des Volkswillens erlebten wir im Jahre 1870 als das Volk stand auf und der Sturm brach los; seitdem ist alle Kriegsbegeisterung eine künstlich gemachte gewesen. Wir bedauern das aufs lebhafteste, denn wir finden in dieser Entwickelung den Niedergang der öffentlichen Moral.
Unsere Gedanken bewegt in dieser Richtung vor allem der Boerenkrieg. Ein kleines, tapferes Volk, ernst in seinen sittlichen Anschauungen, fest vertrauend auf seine gerechte Sache und darum entschlossen zu einem Verzweiflungskampfe um Leben oder Sterben, soll niedergeschlagen oder vergewaltigt werden von einer der größten Weltmächte. Wir meinten in diesem Vorgehen Englands gegen die Boeren=Republik das Bestreben nach Ausdehnung der englischen Weltmacht zu sehen; wir meinten, das stolze England könne es nicht dulden, daß ein kleiner aber kampfesmutiger Gegner ihm am eigenen Fleische zehre, und in dieser Meinung konnten wir uns wenigstens in den englischen Standpunkt hineinfinden, wenn unsere Wünsche auch mit denjenigen der Engländer keineswegs übereinstimmten. Jetzt erfahren wir durch die Enthüllung einer belgischen Zeitung, daß der Boerenkrieg, ebenso wie vor Jahren der rauberische Einfall Jamesons, keine andere Ursache hat, als die nackteste, brutalste Geldgier. Der Premierminister Chamberlain hat sein Geld in die MinenAktien Südafrikas gesteckt, und damit er sein gutes Geschäft macht und die Börsen=Aktien recht hübsch in die Höhe treibt, müssen tausende und abertausende freie Boeren und englische Soldaten, Familienväter und Söhne, auf den Schlachtfeldern ihr Leben lassen. Das ist eine so bodenlose Niederträchtigkeit, daß uns die Worte fehlen, dieses verbrecherische Unternehmen zu brandmarken, aber die englische Presse schweigt von diesem Verbrechen und beweist damit, daß es mit der öffentlichen Moral in England traurig bestellt ist.
Wie es in der Welt steht.
Deutsches Reich.
* Kreuz des allgemeinen Ehrenzeichens. Wie der„Reichsanz. mitteilt, hat der Kaiser beschlossen, an Stelle des unter dem 17. Juni 1890 gegestifteten allgemeinen Ehrenzeichens in Gold ein silbernes Kreuz mit goldenem Mittelschild einzuführen. Die neue Auszeichnung soll die Benennung„Kreuz des Allgemeinen Ehrenzeichens“ führen. Das goldene Mittelschild ist mit
dem kaiserlichen Namenszug auf der einen und der lorbeerbekränzten Inschrift„Verdienst um den Staat“ auf der anderen Seite versehen.
* Prinz Ludwig von Bayern, der bayerische Thronfolger ist nicht nur ein warmer Freund des Kanalwesens, sondern auch ein über
zeugter Förderer der Stärkung deutscher Wehrmacht zur See. Bei einem Festmahl am Geburtstage des Kaisers wies er mit beredten Worten darauf hin, daß die kaiserlichen Pläne bezüglich einer Verstärkung der deutschen Kriegsflotte nur friedlichen Zwecken dienen und den Frieden selber behüten sollten. Gerade im Hinblick auf die Marinevorlage feierte Bayerns Thronerbe den deutschen Kaiser als Friedensfürsten. Des Prinzen Worte erweckten einmütige Begeisterung.
* Der Transvaalgesandte Dr. Leyds, welcher sich gegenwärtig in Berlin aufhält, ist dort von dem Staatssekretär Grafen Bülow empfangen worden. Einem Berichterstatter gegenüber erklärte der Gesandte, seine Anwesenheit in Berlin habe mit der Politik nichts zu thun. Befragt, unter welchen Bedingungen die Boeren wohl zum Friedensschluß geneigt sein würden, erklärte der Gesandte, daß England einen guten Theil des früher den Freistaaten entrissenen Gebietes sicher wieder werde abgeben müssen. Auch den Freistaatboeren dürfe kein Haar gekrümmt werden, ferner sei es selbstverständlich, daß England die Unabhängigkeit beider Republiken anerkennen müsse. Ladysmith sei zum Gefängniß von 10000 Engländern gemacht, diese mogen ihre eigenen Vorräte aufessen, statt diejenigen der Boeren. Werden sie gefangen weggeführt, dann muß sie Transvaal doch ernähren. Auch Kimberley und Mafeking seien solche Gefängnisse. Dem Ausgang des Krieges sieht Dr. Leyds mit vollster Zuversicht entgegen.
„Begeisterung ist die dunkle Locke, Weisheit das silbergraue Haar. Wie schön kleidet jene das jugendlichblühende, diese das gedankenvoll sinnende Haupt.“
(K. Gutzkow.)
„Mut besteht nicht darin, daß man die Gefahr blind übersieht, sondern daß man sie sehend überwindet.“
(Jean Paul.
Cyrano de Bergerac.
Historischer Roman von Jules Lermina.
(Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.)
„Aha! Du bist es, Bandit,“ rief der junge Mann, „der sich erlaubt, mich so lange warten zu lassen... Zum Teufel! ich werde Dich durch eine tüchtige Tracht Prügel Höflichkeit lehren!“
Der andere ließ sich von diesen Drohungen nicht erschüttern, und wütend begann Cyrano von neuem zu
schreien:...„ m
„Wirst du offnen, Hauunie.... Bei den Hörnern
des Teufels sage ich Dir...
In größter Gemütsruhe versetzte der Wirt:
„Zieht weiter, Herr Edelmann... mein Haus ist voll...“
„Du lügst!“ entgegnete Cyrano, der sich einem Parterrefenster genähert hatte;„es sitz keine Katze in Deiner Küche, und ich bemerke da einen Tisch, an dem Du mir sehr bequem einen Becher Wein auftragen kannst.
„Wenn ich es doch sage, Herr Edelmann
Ueber die Verabschiedung der Flottenvorlage durch den Bundesrat war man bisher völlig im Unklaren, da der halbamtliche Bericht über die letzte Bundesratssitzung nichts von der Vorlage erwähnte. Nach dem Bericht des„Reichsanzeigers“ ist nun aber doch in der am 25. d. M. abgehaltenen Bundesratssitzung dem Entwurf einer Novelle zu dem Gesetz über die deutsche Flotte die Zustimmung erteilt worden. Es ist also alles in bester Ordnung.
* In Sachen der Bekämpfung des Mädchenhandels ist der deutsch= evangelische Frauenbund mit einer Eingabe beim Reichskanzler vorstellig geworden. Der Kanzler wird gebeten, den schon lange angeregten Zusammentritt einer Konferenz von Bevollmächtigten der verschiedenen Regierungen zur wirksamen internationalen Bekämpfung des scheußlichen Mädchenhandels von deutscher Seite aus anzuregen und durchzusetzen.
Erweiterte Berechtigungen der Realgymnasien zuzugestehen, die bisher von der Regierung etwas stiefmütterlich behandelt worden sind, soll der neue preußische Kultusminister Studt bereit sein. Es soll den Abiturienten der Realgymnasien außer dem philosophischen Studium jetzt auch der medizinische eröffnet werden. Die Betreffenden sollen sich nur einer Nachprüfung im Lateinischen, nicht aber auch einer solchen im Griechischen zu unterziehen haben. Die„Post“ fügt dieser ihrer Meldung hinzu, selbstverständlich werde zuvörderst eine Verständigung der Einzelregierungen erfolgen müssen wegen der Abänderung der ärztlichen Prüfungsordnung. An der Zustimmung der Regierungen sei jedoch nicht zu zweifeln. Tritt die Neuerung ein, dann
„Und ich sage Dir, Du Satanskoch, wenn Du die hür nicht gutwilligst öffnest, so werde ich sie erbrechen. Der junge Mann glaubte ein Hohngelächter zu hören, das seine Wut noch erhöhte.
„Holla, Jolivet,“ rief er,„Deine Schulter ist ja gesund, drücke doch diesen Flügel ein... Du wirst keine große Mühe haben; sie hält nicht besonders fest.“
Der Diener ließ sich das nicht zweimal sagen und sprang schnell vom Pferde. Die Aussicht, selbst nach hartem Kampfe einen bequemeren Sitz zu erobern, als den Sattel eines Pferdes, gefiel ihm sehr. Schon rannte er auf die Thür zu, um den empfangenen Befehl auszuführen, da öffnete sie sich von selbst, und ein Edelmann von stolzer Haltung erschien auf der Schwelle. Eine jugendliche schöne Erscheinung mit braunem Lockenhaar, trug er ein grauseidenes Wamms unter einem Mantel von violettem Sammet, während ein feiner Spitzenkragen seine Brust schmückte.
Dieses gesuchte Kostüm stand in grellem Gegensatz zu dem Cyranos, denn das Wamms und der Tuchmantel des Gascogners waren grau vor Staub, und mehr als ein Riß zeigte sich auf ihnen.
Cyrano sah diesen Mann zum erstenmale und seine Wut stieg, als er ihn höhnisch lächeln sah.
„Mein Herr,“ rief er zornig,„darf ich wissen, was Ihre Heiterkeit erregt?“
In hochmütigem Tone versetzte der andere:
„Ich lache, wenn es mir beliebt... und habe niemandem Rechenschaft zu geben... Geht Eures Weges, Freund!“
33. Jahrgang.
wird auch den Abiturienten der Kadetten=Anstalten das medizinische Studium ermöglicht werden, so daß aus ihnen die Militärärzte entnommen werden können.
* Auf die Notwendigkeit der Einigeit aller Parteien zum die Schlagfertigkeit des
deutschen Heeres zu erhalten, hat der Großherzog von Baden in einer Ansprache hingewiesen. Diese war gerichtet an das 1. badische Feldartillerieregiment in Karlsruhe, das am Sonntag sein 50 jähriges Bestehen feierte.
* In Sachen des Schutzes der Bauhandwerker sind die meisten Bundesstaaten für eine entsprechende Aenderung der bestehenden Bestimmungen,
o daß die Aussichten für eine demnächstige reichsgesetzliche Regelung des wichtigen Gegenstandes günstige sind.
* Der Reichsbankdiskont ist nunmehr von sechs auf fünfeinhalb Proz. herabgesetzt worden. Wochen lang betrug er sieben Proz. und war erst am 12. Januar um ein Proz. auf sechs Proz. ermäßigt worden. Auch fünfeinhalb ist noch ein sehr hoher Diskontsatz. Die Reichsbank wagte jedoch mit Rüsicht auf die kriegerischen Ereignisse in Südafrika nicht gleich wieder um ein volles Prozent herabzugehen.
Oesterreich=Ungarn.
W. C. Wien, 27. Jan. Die Heirat der Kronprinzessin=Witwe Stephanie von Oesterreich steht nunmehr unmittelbar bevor und dürfte sich, wie dem„Berl. L. A.“ von unterrichteter Seite aus Wien geschrieben wird, in der ersten Hälfte des März vollziehen. Dieser Tage hat der große Abschied zwischen Mutter und Tochter stattgefunden. Erzherzogin Elisabeth, die jetzt 16 Jahre zählt und ihren eigenen Hofstaat hat, ist auf kurze Zeit nach Görz gegangen, um nicht Zeugin von der Abreise der Mutter sein zu müssen. Die Kronprinzessin hatte auf alle Vorstellungen nur die Antwort:„Ihr redet alle dasselbe! Ihr haltet mir vor, was ich verliere, was ich vermissen werde! Ihr glaubt, ich sei verblendet und stürze mich ins Unbekannte, wo mich die Reue nur zu bald erreichen wird. Allen sage ich Euch dasselbe— Allen: Ihr kennt die Liebe nicht!“ Ihr Auserwählter ist bekanntlich der ungarische Graf Elemer Lonyay.
Frankreich.
§ Der Herzog Philipp von Orleans, der bekannte Thronprätendent sprach den Angeklagten des Staatsgerichtshofs gegenüber, die er bei sich zu Gast geladen hatte, seinen festen Entschluß aus, sein Ziel mit rastlosem Eifer zu verfolgen und das Königtum inF rankreich wieder herzustellen. Jede Mitwirkung, von welcher Seite sie auch komme, sei ihm angenehm. Augenblicklich sind nur die Aussichten des Prätendenten recht wenig günstig.
China.
§ Die Kaiserin=Witwe von China duldet keinen Widerspruch. Nach einer Meldung aus Shanghai hat die herrschsüchtige Dame den Generallissimus des chinesischen Heeres Yuglu entlassen, weil er den Staatsstreich gemißbilligt hat. Aus gleicher Ursache wurden auch der Vizekönig von Nanking und andere hochgestellte Beamte verabschiedet. Unter diesen Umständen ist ein Aufruhr im„himmlischen Reiche“ nicht ausgeschlossen.
England und Transvaal.
W. Das Londoner Kriegsamt, welches durch die ehrliche Mitteilung, daß General Warren den erschlichenen Spionkap bei Nacht und Nebel wieder hatte verlassen müssen, den Beweis erbracht hatte, daß es ihm nicht an Courage fehlt, hat während weiterer voller 24 Stunden
Außer sich vor Wut legte Cyrano die Hand auf den schwertgriff und brüllte:
„Ist das ein Befehl?“
„Nein, ganz einfach, ein Rat... Und ich glaube, der beste, den man Euch geben kann...
„Ich nehme nicht die Ratschläge des ersten besten Gecken an, der es für gut findet, sich auf meine Kosten zu belustigen...“
Der Hieb saß; der Edelmann legte ebenfalls die Hand auf den Schwertgriff und sagte, auf den Gascogner zutretend:
„Ihr sucht Händel?"... Das ist sehr unklug... Bevor man Leute angreift, ist es gut, zu wissen, wer sie sind Doch ich bin heut in nachsichtiger Laune... und Ihr sollt Eure Ungeschicklichkeit nur mit einem guten Degenstch bezahlen... da Euch aber so viel daran liegt, so will ich Euch verraten, was mich zum Lachen brachte.“
„Endlich!“
Ich wunderte mich über gewisse Ungerechtigkeiten die die Natue begeht...
„Sprecht weiter!“ rief der Gascogner in heiserem Tone.
„Ich finde es sehr seltsam,“ fuhr der Unbekannte fort, „und auch sehr ungerecht, daß ein Herr den dreifachen Stoff einer gewöhnlichen Nase für sich genommen hat, während sein Lakai...
Er deutete auf Jolivet, und seine Bemerkung war nicht ganz unberechtigt, denn während das Profil Cyranos sich durch einen außerordentlichen Gesichtsvorsprung auszeichnete, besaß das des Dieners nur ein Stumpfnäschen.