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1888
Von unserem Kronprinzen.
So weit aus offiziellen, offiziösen und privaten Nachein Schluß gebildet werden darf, ist die Operation gut als überbaupt möglich, vollzogen worden, und war as Befinden des Kronprinzen die ersten beiden Tage ach der Operation sehr gut. Der hohe Patient konnte ank der Operation wieder leicht athmen, litt keine rzen und auch Fieder hatte sich nicht eingestellt. ibend spät jedoch wollte man nach dem Corresponnien der„Boss. Zig.“ wissen, daß sich Fieder,einge: lt habe. Die Nachbehandlung zielt hauptsächlich darauf jedes Wundsieber zu verhüten, was am Kedlkopf, er der Lust ausgesetzt ist, nicht so leicht ist, wie bei
den an anderen Stellen des Körpers. Indessen hat Chirurgie gerade auf dem Geviete ver Wogdfeber: dütung die glänzendsten Fortschritte gemacht. Immersin wäre eine leichte Schleimhautenzündung als Folge des Luftröhrenschnitts nicht ausgeschlossen.
Aus Wien wird der Bossischen Zeitung gemeldet, daß Professor von Schrötter nach Meran gerufen worden war im nach San Remo zu fahren. Aber er kehrte wieder Richtig sei, daß er über den Krankheitsverlauf beim prinzen auf dem Laufenden erhalten werde und daß jüngster Zeit seine nochmalige Berufung„erwaltet“ urde; dieselbe ist indessen bis jetzt nicht erfolgt. Professor Schrötter sieht in der Operation die Bestägung seiner Diagnose, die auf Krebs lautete. Er hatte damals gleich gesagt, das Leiden würde spätestens in drei Monaten die Operation nothwendig machen, und genau auf den Tag ist die vorhergesagte Nothwendigkei eingetroffen. Daß man aber aus einem solchen vielleicht zufälligen Umstande auf die Richtigkeit der Diagnose lich schließen darf, will uns richt recht einleuchten. indessen dürfte demnächst wohl auch Professor Bergmann der das eigentliche Leiden ein Gutachten abgeben, wenn uch die Operation der Kehlkopferstixpatien nicht mehr.
Frage kommen sollte. Selbst Brofessor Schötter eint, falls nur das Eintreten ungünstiger Umstände verhütet werden könne, könnte der Kronprinz auch mir einem Krebsleiden noch länger leben; freilich wäre dies precäres Leben, das durch die geringste ungünstige wirkung gefährdet werden könnte.
Aber noch ist die Diagnose auf Krebs nicht bestätigt, die Tracheotomie auch durch die Perichondritis noth wendig geworden setiv, Ia.-f2, Lois, Maoiet, Pramnthe it haßers
nur die Begleit= bezw. Folge=Erscheinung einer anderen schweren Erkrankung des Organismus, beispielsweise der Tuberkulose.
Im besten Falle steht es leider nicht gut mit dem dem deutschen Kronprinzen. Im besten Falle steht ihm langes Leiden bevor. Für den Augenblick aber gilt es, die nächsten Tage zu überstehen, ohne daß eine Compli cation hinzutritt.
— Die Heilung der Operationswunde schreitet erfreulich fort.— Es wird erzählt, der Kronprinz habe, als sein Leibarzt unmittelbar vor der Operation den Herzschlag prüfte, Herrn Dr. Schrader ermaynt, Ruhe zu be: F foren; er selbst sei ruhig.
sic.* San Remo, 11. Febr. Dr. Mackenzie versicherte seinen Berichterstattern, der Kronprinz werde gestern bereits aufsitzen und heute für kurze Zeit das Bett verlassen können. Die Schlingfunktionen vollziehen sich sehr gut (die Nahrung ist ausschließlich eine flüssige.)
San Remo, 12. Febr. Der Kronprinz hatte wieder eine vorzügliche Nacht und ist fortgesetzt fieberfrei. Heute wurde eine neue, etwas kürzere Kanüle eingesetzt. Geh. Rath Bergmann und die anderen Aerzte besuchten heute den hohen Patienten. Prof. Bergmann sprach sich höchst befriedigt über die Operation und den jetzigen Zustand des Kronprinzen aus. Dr. Mackenzie bleibt noch einige Tage hier.
Paris, 12. Febr. Der Prinz von Wales erhielt gestern eine Depesche der deutschen Kronprinzessin, welche
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her. les keine nennenswerthe Landmacht mehr hinter sich
G. A. Ischebeck. shat. Die Werbetrommel führt ihm nur wenige
sen= und Farb=) brauchbare Mannschaften im Verhältniß zu, weil die
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alles Menschenmaterial für sich absorbiren. Zur See nimmt es dagegen noch immer einer dominirende Stellung ein, es besitzt strategisch wichtige Stationen und könnte für einen Seekrieg das Uebergewicht bei der einen oder anderen Staatenvereinigung herstellen.
Der Minister des Aeußeren hat nunmehr Stellung der ortentalischen Frage genommen. Man kann Verdacht nicht unterdrücken, daß er zu seiner äftigen und klaren Aussprache durch die Bismarck'sche wesentlich ermuntert worden ist, denn bis dahin r Englands Haltung eine zweideutige. Jetzt stellt sich muthvoll auf Seiten des Stärleren und wirft in die Brust, als ob es Rußland eine Art von matum gestellt hätte. Doch das ist schließlich sache, Hauptsache bleibt, daß es erklärt: Wir ben unsere Interessen im Orient, und erden sie nicht auf geben!
Höchst interessant sind die weiteren Auslassungen Premierministers. Man kann sie in folgendes kleiden: Der Bismar hat gut reden!
Ihn gehen die Orientangelegenheiten nichts an, aber uns und Oesterreich und die Türkei, Italien und Frankreich. Schon auf dem Berliner Congreß hat Bismarck durch seine Schlauheit uns zu größeren Zugeständnissen an Rußland bewogen, ars uneren Interessen entsprach. Jetzt haven wir uns aber vorgesehen. Wir erblicken in einer ungesetzlichen, d. I. dem Berliner Vertrag nicht entsprechenden Handungsweise Rußlands, eine Gefahr. Diese ahr ist aber verschwunden, und wir theilen Bismarcks Glauben in die Erhaltung des Friedens! Denn der Czar hat— uns erklärt, daß er nicht ungesetzlich im Orient gehen wolle, er gab mir die bündigsten und stimmtesten Versicherungen für den Frieden. legen den größten Werth auf dieselben!“
Aus dieser Rede Salisbury's klingt also die Friedenszuversicht auf's Hellste hinaus ins Land. Sie ist deshalb aber besonders merkwürdig, daß sie dem ungesetzlichen oder abenteuerlichen Vorgehen Rußlands den Widerstand aller anderen Mächte, außen Deutschland, entgegenhält. Was soll bei#elider Sachlage Rutzland anders ma
chen, als Friehe halten!—
Aber Rußland hört doch nicht auf zu rüsten, sagen die Schwarzseher immer wieder,
Bismarck hat die Antwort schon darauf wir wollen sie, nach einer von unserer Korrespondenten übermittelten Erklärung bats“ geben. Dieselbe lautet: Keinerlei läßt auf einen nahen Krieg schließen. rüstet weiter, um denselben Respekt einzuflößen, Deutschland.
legen indessen die Hand nicht in sie rüsten, um den Frieden zu die italienische Tribnna: enal von Neapel werden mit * Telegramme brachten ng. Zwei Torpedo=Abisos zu machen, die Fortifikations
tagtsrechtlich gesicherten Vertrages verhehlte Fürst Bismarck bei dieser Gelegenheit nicht; sie lägen, sagte er, nicht auf deutscher, sondern auf österreichischer Seite. Die Ende der verflossenen Woche im österreichischen Abgeordnetenhause darüber gepflogenen Debatten ließen erkennen, daß der Gedanke immer mehr Anhänger in Oesterreich gewinnt. Aber noch ist die Zahl derselben nicht ausreichend. Die Vereinigung würde natürlich in erster Linie das Getreise und Eisen berühren.
In Dänemark dauert der Streit des Folkethings mit der Regierung fort. Bei der zweiten Lesung des Finanzgesetzes erklärte Graf Holstein, der Finanzausschuß sei für das Zustandekommen eines Finanz= gesetzes, stelle jedoch die Forderung, daß die Regierung die provisorischen Vertheidigungsanstalten einstelle und die provisorischen Gesetze nicht zwangsweise durchzubringen suche, indem sie Bewilligungen für diese im Budget verlange. Allein die Regierung stört sich wenig an die Wünsche des Folkethings und da sie die Gewalt hat, hat sie auch das Recht.
die europäische Diplomatie der Zeit finden die bulgarische Frage auf friedlichem Wege zu
Die Seemächte den Schooß. Auch bewahren. So „Die Rüstungen Eifer betrieben. eilige Befehle sind sofort
lautet:„Wir hegen bessere Hoffnung.“
Englands Stellung zu der orientalischen Frage.
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arbeiten von Castellamare in aller Eile zu beendigen. Alle großen Kriegsfahrzeuge verlassen Neapel sofort. Die ganze italienische Flotte wird sich, wahrscheinlich bei Maddalena, concentriren,“ und„Hunfulla“ berichtet:„Die englischen Geschwader trufen, von Gibraltar und Malta kommend, ein und gehen vor Genua vor Anker. Ein Theil der 16 vor Massauah liegenden Fahrzeuge ist angewiesen, sich dem Gros der Flotte anzuschließen, welche augenblicklich zusammengezogen wird.“
Daraus ist von Neuem ersichtlich, daß ein italienisch=englisches Abkommen besteht, welches den bisherigen Machtbestand der beiden Seemächte aufrecht zu erhalten zum Gegenstande hat.
Nach alldem können wir also wiederum den Frieden für Deutschland als gesicherter denn je bezeichnen und vertrauensvoll in die Zukunft blicken: „Lieb Vaterland magst ruhig sein!“
Rundschau
Immer deutlicher zeigt sich die Wichtigkeit des Gesetzentwurfs über die Aufhebung des Identitätsnachweises. Die Wiederbelebung des Getreidehandels liegt nicht nur offenbar im Interesse des inländischen Getreidebaues selbst, sondern in den Interessen der Gesammtwirthschaft wird unfraglich durch die Maßregel gedient, welche dem Getreidebau und dem Handel zugleich nützlich ist und den letzteren mit dem zum Schutze der Landwirthschaft erforderlichen Maßnahmen auszusöhnen geeignet ist. Daß dies auch politisch von Wichtigkeit sein würde, liegt auf der Hand. Die von Herrn Richter inspirirte Presse bekämpft den Antrag jetzt auf das energischste, während noch im Dezember vorigen Jahres auch in der freisinnigen Partei Meinungsverschiedenheit über die Frage herrschte. Sie thut dies, obgleich sie unumwunden anerkennt, daß sowohl die Landwirthschaft Ostdeutschlands, als der Handel davon Vortheil haben würden. Diese Wirkung würde die Basis des politischen Einflusses der freisinnigen Partei, die Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen, wesentlich schwächen; daher der tiefere Grund der Gegnerschaft. Ein Grund mehr, meint die„Post“, für Aufhebung des Nachweises zu stimmen. So weit hat es also die Richter'sche Presse gebracht, daß das, was sie bekämpft, von den anderen Parteien als nützlich für das Vaterland angesehen wird. Wo in aller Welt giebt's solch' traurige Verhältnisse?
Fürst Bismarck hat im März 1885 im Reichstage die Angelegenheit eines Zollbundes mit Oesterreich berührt. Er erklärte offen, daß er heute noch wie seinerzeit an der Idee festhalte, in der Form einer Zoll=Union oder in irgend welcher andern Form einen politisch=pragmatischen Vertrag herbeizuführen, um eine Lücke im bestehenden deutschösterreichi schen Bündniß auszufüllen. Die Schwierigkeiten de. praktischen Durchführung eines solchen
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Wie die 75; ischen Truppen untergebracht sind, zeigt der Bericht eines Offiziers derselben, der in der „Nation" abgedruckt, folgende Beschreibung enthält: „Die Truppen liegen in Bauerndörfern, wo sie vielfach mit Schweine= und Hühnerställen vorlieb nehmen müssen, wo sie sich die Hüften abstoßen und fortwährend an Augenkrankheiten leiden. Dabei sind die Wohnungen für die Mannschaften mitten unter der Familie des Quartierträgers und Seite an Seit: mit Ferkeln und Federvieh, noch mangelhafter, so daß die meisten Leute, um sich vor Ungeziefer zu retten, im Stalle bei den Pferden auf Streu schlafen, was auch nicht gesund ist. Dreimal am Tage muß der Mann eine Achtelmeile hin und zurück nach Futter gehen, ost im tiefsten Schmutze und bei jedem Wetter, so daß er einen großen Theil des Tages zur Reinigung seiner Sache braucht oder oder in einem Aufzug umhergeht, der eher an alles andere als an einen Soldaten erinnert. Nur die außerordentliche Geschicklichkeit und Ausdauer unserer Leute in allen Handarbeiten und Reparaturen macht es möglich, daß sich Stiefel, Uniformen und Armitur bei Besichtigung in einem vorschriftsmäßigen Zustande befinden. Der übrige Dienst leidet aber schwer unter diesen Einflüssen und dann kommen bei der erschwerten Kontrole noch die Verführung zum Trinken und eine unausrottbare Krankheit hinzu. Das ist denn nun ein Campagnezustand, wie man ihn sich nur denken kann. Die Kriegstüchtigkeit und Ausbildung, welche bei der jetzigen kurzen Dienstzeit eine so intensive sein muß, befördert er aber sicher nicht. Alle Vorschriften und Reglements sind, so lange diese Zustände andauern, in den Wind gesprochen.“ Dauert das so noch eine Weile länger, dann dürften verheerende Krankheiten die Armee decimiren und die Auflösung derselben herbeiführen.
Zur Lage.
sind
Die über Sonntag eingelaufenen Nachrichten weiter geeignet, die Friedenszuversicht zu befestigen.
Der in dieser Zeitung am Freitag veröffentlichte Text des Bündnißvertrages zwischen Italien und Deutschland wird inhaltlich durch die größeren Blätter heute bestätigt. Aus demselben ist hervorzuheben, daß alle drei Mächte mit gesammter Heeresmacht sich beistehen, wenn Rußland und Frankreich zum Angriff schreiten sollten. Im Jahre 1883 ist, nach dem„Standard“, das österreichisch=deutsche Bündniß auf ewige Zeiten verlängert worden. Noch nicht bestätigt ist die aus Brüssel kommende Nachricht von dem Beitritt Hollands und Belgiens zum Dreifürstenbündnisse für den Fall, daß Frankreich und Rußland den Weltkrieg eröffnen. Spanien soll bereits 1883 dem Bündnisse beigetreten sein.
Aus St. Petersburg berichtet man, daß der dortige Regierungsbote die Rede des Fürsten Bismarck im ganzen Wortlaut veröffentlicht. Das scheint ein neuer Beweis für die klärende Wirkung zu sein, die man in amtlichen russischen Kreisen sich von der Kundgebung verspricht. Am 9. fand ein Militairrath beim Kaiser statt. Der Zar äußerte: „Bismarck hat Recht, ich wünsche keinen Krieg!“
Die Hauptsache aber ist, daß Rußland die Zeit und die Lage für gefördert genug hält, aus seiner Erstarrung bezüglich der bulgarischen Frage herauszutreten. Der Nord schreibt nämlich: Am meisten beruhigt habe in Petersburg die Aeußerung des Reichskanzlers, daß Deutschland mithelfen wolle, den Einfluß Rußlands in Bulaarien wieder herzustellen. Mehr begehre Rußland in der bulgarischen Frage überhaupt nicht. Wenn Deutschland und Oesterreich=Ungarn entschlossen sind, mit Rußland gemeinsam an der Wiederherstellung des Berliner Vertrages in Bulgarien zu arbeiten, dann ist kein Grund zu weiterer Besorgniß vorhanden und der „Nord“ glaubt, daß den letzten Wochen der Aufregung nunmehr eine Periode der Ruhe folgen werde, in
welcher könnte, regeln.
Wir haben von Anfang die angeblichen großen Rüstungen Rußlonds und den Kriegsalarm der Berliner Offiziösen als ein Werk hingestellt, das geeignet sei, Rußland in der orientalischen Frage wieder in den Sattel zu heben, und hatten auch eine Anzahl Beweise dafür gebracht. Jetzt scheinen die Thatsachen unsere damaligen Anschauungen zu bestätigen. Die folgende Nachricht der Polischen Correspondenz ist daher nur zu leicht erklärlich; sie schreibt:„Einerseits liegen keinerlei Anzeichen dafür vor, daß die russische Kriegsverwaltung auf die Durchführung des im„Russischen Invaliden" angekündigten Systems militärischer Maßnahmen verzichtet hat, andererseits ist es sicher, daß seit den bekannten Truppenkonzentrationen im Spätherbst des vorigen Jahres neue Truppenverschiebungen in ausgedehnterem Maße bis in die jüngsten Tage nirgend wahrnehmbar gewesen sind.“
Auf verwandte, längere Ausführungen der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung und der Berliner Politischen Nachrichten verbietet uns der Raum heute näher einzugehen, aber ihre Aufforderung an das Publikum und besonders die Industrie geht dahin: Gebt Euch ruhig und kräftig an die Arbeit, der Friede wird Eure Anstrengungen lohnen und krönen!
Deutscher Reichstag.
35. Plenarsitzung.
Berlin, 11. Febr.
Vn Tische des Bundesraths wenige Vertreter des Reichsschatzamts u. a. Ministerialdirektor Aschenborn.
Präsident v. Wedell= Piesdorf eröffnet die Sitzung um 114 Uhr.
Zur Tagesordnung steht zunächst die Prüfung der Wahl des Abgeordneten Dr. Haarmann(5. Arnsberg=Bochum).
Abg. Träger(dfr.): Bei dieser Wahl haben Wahlbeeinflussungen eine bedeutende Rolle gespielt. Die Arbeitgeber haben ihre Arbeiter zu Wahlknechten gemacht.
Aba. Rintelen.(Centrum). Die Wahlbeeinflussungen in Westfalen, wie sie uns vorliegen, beeinträchtigen die Menschenrechte.
Aba v. Helldorff(dtschk.): Herrn Träger erwidere ich, daß ich aus meiner Erfahrung erklären kann, daß— wenn Wahlbeeinflussungen der Arbeitnehmer vorgekommen sind— dies nur von deutschfreisinniger Seite geschehen ist.
Abg. Kleine(natlib.) wendet sich in seinen Ausführungen gegen das unerhörte, aufhetzende Treiben der Sozialdemokratie. Er führt unter Anderm an, daß in Blättern dieser Partei die Behauptung aufgestellt worden sei, daß unsere Industrie von Ignoranten, Strebern und Tyrannen geleitet würde, die unsern Arbeiterstand korrumpirten.
Abg. Dr. Stötzel(Centrum) hebt hervor, daß in den rheinisch= westfälischen Industriebezirken die Wahlbeeinflussungen so groß seien, daß wenn ein Arbeiter gegen den aufgestellten Kandidaten gestimmt, er sofort entlassen worden wäre. Die Arbeiter hätten mit der aufgehobenen rechten Hand ins Wahllokal marschiren und ihre Stimmen abgeben müssen.(Widerspruch.)
Die Wahl des Abg. Dr. Haarmann wird für giltig erklärt.
Die Wahlprüfungskommission beantragt, die Wahl des Abg. Richter(Hagen) für ungiltig zu erklären.
Abg. Frhr. v. Mauteuffel(deutschkons.): Ich beantrage, die vorliegende Wahl für gultig zu erklänn. Ichwürde Herrn Abg. Richter sehr ungern hier entbebren, da er seit 3 Jahren unser treuer Bundesgenosse gewesen ist.(Heiterkeit.) Er ist der Mehrer der konservativen Partei.
Abg. Singer(Soz.): Wenn Abg. Richter trotz des Kommissionsbeschlusses hier im Reichstage bleiben würde, so erblicke ich darin einen Eingriff in die verfassungs.= mäßigen Rechte des Volkes.)(Der Präsident ruft Redner wegen dieses Ausdruckes zur Ordnung.) Es steht nach dem Kommissionsbericht fest, daß einem großen Theil der Bevölkerung die Wahlagitation unmöglich gemacht worden. Das Wahl=Komitee der Arbeiterpartei in Hagen ist durch die Polizei in unerlaubter Weise an der Ausübung ihrer Wahlthätigkeit gehindert worden.
Abg. Beiel(nat.=lib.): Ich halte die Thätigkeit des sozialdemokratischen Wahlkomite's für durchaus irrelevant für den Ausfall der Wahl und möchte beantragen, die Wahl für gurtig zu erklären. Die Anzahl der sozialdemokratischen Stimmen fällt bei der Hagener Wahl gar nicht ins Gewicht.
Bei der Abstimmung wird die Wahl des Abg. Richter entgegen dem Beschlusse der Kommission mit großer Majorität für gültigerklärt.
Vor der Wahlprüfung des Abg. Henneberg (natl.) beantragt Abg. Singer die Vertagung, ein Antrag, der nicht die genügende Unterstützung findet.
Die Wahl des Abg. Henneberg(2. Sachsen=Coburg= Gotha) beantragt die Wahlprüfungs=Kommission für gültig zu erklären.
Abg. Singer greift das Vorgehen der Gothaischen Regierung bei den Wahlen an und behauptet, daß wenn nicht in ganz unberechtigter Weise den Sozialdemokraten die Agitation beschränkt worden wäre, sicher der frühere sozialdemokratische Abgeordnete Bock im Reichstage säße.
Bevor es zur Abstimmung kommt, beantragt Abg. Singer die Vertagung der Sitzung, ein Antrag, welcher vom Abg. Dr. v. Bennigsen im Interesse seines Fraktionsgenossen Henneberg unterstützt wird.
Das Haus vertagt sich bis Montag 1 Uhr. Tagesordnung: Wahlprüfungen. Sozialistengesetz. Schluß gegen 5 Uhr.