Neue GütersloherZeitung
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19. Jahrgang
Nr. 69
Gselng T osbrec, Sitens. Dienstag, den 9. Juni 1908
Verantwortlicher Redakteur:
Johannes vogt in Sütersloh.
Die Kriminalstatißik für Heer und Marine
im Jahre 1907, aufgestellt bei der Militäranwaltschaft des Reschsmilitätgerichts gemäß dem Bundesratsbeschluß vom 5. Aprll 1900, ist vom Kaiserlichen Staltstischen Amte oeben veröffentlicht worden. Wir entnehmen ihr im nachRehenden die wesentlichsten Zahlen und lassen zum Vergleich die des Vorjahres(1906) in Klammern folgen.
Was zunächst die milltärischen Verbrechen und Vergehen anbelangt, so wurden im gesamten deutschen Heere 6876(6226) Personen bestraft. Rückfällig waren darunter 479(445). Bestraft wurden mit Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes 1838(1469); mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte 42(52); mit Entfernung aus dim Hiere 18(28). Daß in den angeführten drei Richtungen durchweg ein Rückgang in der Zahl der Bestraften eintrat, und zwar teilweise ein erheblicher Rückgang, ist sehr ersteulich. Bestraft wurden weiter: wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe 694(628); wegen Fahnenflucht 561(580); wegen Selbstbefrelung(bei Gesangenen) 13 (18); wegen Selbstbeschädigung und Vorschützung von Gebrichen 34(36); wegen Feigheit 2(1). Auch diese Zahlengruppe weist mit zwei Ausnahmen eine Verringerung gegen das Vorjahr auf. Ferner wurden bestraft: wegen achtungswibrigen Betragens 262(224); wegen Beleldigung Vorgesitzter 103(96); wegen Ungehorsams und ausdrücklicher Verweigerung des Gehoisams 851(799); wegen Widersetzung 86(100); wegen Stätlichen Angiiffe
76(81); wegen Aufforderung und Anreiz zu Verletzungen der Pflichten gegen die milltärische Unterordnung 15(16); wegen Aufruhrs 1(4); wegen Beleidigung, Ungehorsam und Widersetzung gegen Wachen 51(62). Die schweisten Verfehlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung zeigen also sämtlich eine Abnahme in der Zahl der Bestraften. Bestraft wurden noch: wegen Ueberschreitung der Strafbesugnisse usw. 21(27); wegen Beleidigung und vorschriftswidriger Behandlung von Untergebenen 141(140); wegen Mißhandlung Untergebiner 891(408). Daß die Soldatenmißhandlungen sich ver ingert haben, ist an sich zu begrüßen, doch erscheint die Zahl der Soldatenschinder leider immer noch groß genug. Wigen Trunkenheit im Dienst wurden 15(20), wegen vorschriftswidrigen Anbringens von Beschwerden 10(8) Sollaten bestraft. Zweikämpfe aus dienstlicher Veranlassung haben ebensowenig wie im Vorjahre stattgesunden.
Bei der Marine wurden wegen militärischer Versehlungen 775(768) Personen bestraft, darunter 121 (188) wegin unerlaubter Entfernung, 67(59) wegen Fahnen
flucht, 115(110) wegen Ungehorsams, 19(12) wegen Widersetzung, 21(18) wegen tätlichen Angriffs auf Vorgesetzte. Wegen bürgerlicher Vergehen wurden bei der Marine 317(827) Personen bestraft. 74 davon hatten die Straftaten vor ihrer Einstellung begangen, 88(98) wurden wegen Körperverletzung, 45(30) wegen Diebstahls 8(12) wegen sittlicher Verfehlungen verurteilt.
Belm gesamten deutschen Heer betrug die Zahl der wegen bürgerlicher Straftaten Verurteilten 8257(3361). 931(949) hatten die Straftaten vor ihrer Einstellung begangen. Wegen Beleidigung wurden 174(166), wegen Zweikampfes 49(27), wegen Mordes 4(8), wegen Körperverletzung 1079(1095), wegen Diebstahls 368(868), wegen Unterschlagung 145(171), wegen Raubes 5(2), wegen Begünstigung und Hehlerei 41(39), wegen Betruges 189(204), wegen sittlicher Versehlungen 78(58) Personen verurteill.
Im Verhältnis zu der Größe des Heeres und der Marine entrollen die verstehenden Zahlen kein ungünstiges Bild.
Volitische Aebersicht.
Peich.
Der Kaiser wohnte am Sonnabend mit dem Großherzog und der Großherzogin von Micklenburg=Schwerin der Feler des 100jährigen Bestehens des Leibgrenadierregiments Nr. 8 in Frankfurt a. O. bei. Die Stadt hatte reichen Festschmuck angelegt und bereitete dem Kaiser einen jubelnden Empfang. Nach Abnahme der Parade, bei welcher mit dem Regiment auch die auen Offiziere und Kameraden Aufstellung genommen hatte, verlas der Kaiser folgende Kabinettsorder:„Ich entbiete meinem Leib=Grenadier= Regiment König Friedrich Wilhelm III.(1. Brandenburgisches) Nr. 8 zu seinem Jubeltage meinen Glückwunsch. Errichtet aus Bataillonen, die durch die standhafte Verteidigung Kolbergs dem verdunkelten Ruhme der preußischen Waffen neuen Glanz errungen hatten, hat das Regiment in dem abgelaufenen ersten Jahrhundert seines Bestehens, wohln immer seine Kriegsherrn es gestellt, unvergängliche Lorbeeren erkämpft. Ihm heute für alles, was es geleistet, zu banken, ist mir ein Herzensbedürfnis. Zum Zeichen dieses meines königlichen Dankes und zugleich zur Erinnerung an die mit so viel Ehren zurückgelegte Bahn, verleihe ich dem Regimente die Säkular=Fahnenbänder. Ich weiß, daß meine Leibgrenadiere für alle Zeiten bleiben werden, was sie bisher gewesen sind: ein Vorbild in Treue und Hingebung an König und Vaterland, ein gutes, tapferes märkisches Regiment. Frankfurt o. O., den 6. Juni 1900. gez. Wilhelm R.“ Nach Verlesung der Kabinettsorder sagte der Kaiser noch,
er richte zu gleicher Zeit an die alten Kameraden, die in so großer Menge erschienen seien, seinen königlichen Dank dafür, daß sie gekommen seien. Was sie unter der Regierung seiner Großvaters getan, sei ein lebendes Beisplel dafür, wie sich die Lelbgrenadiere führen, wenn sie ins Feuer kämen.
Das englische Königspaar, auf der Reise nach Rußland begriffen, traf am Nachmittag des ersten Pfingsttages auf der Königsjacht durch den Kanal kommend in der Holtenauer Schleuse ein, wo Prinz und Prinzessin Heinrich an Bord der Jagd gingen und herzlich begrüßt wurden. Als die Königsstandarte im Kieler Hafen sichtbar wurde, feuerte die gesamte Flotte Salut, während die Mannschaften paradierten und drei Hurras ausbrachten. Von neun deutschen Torpedoßsoten geleitet, setzte die königliche Jacht dann die Fahrt nach Reval fort, gefolgt von den englischen Schiffin. Prinz und Prinzessin Heinrich gaben das Geleit bis Friedrichsort.
Prinz Ernst August von Cumberl and, der zweite Sohn des Herzogs von Cumberland, wird in die deutsche und zwar in die bayerische Armee eintreten. Wenigstens wird aus München gemeldet, daß Prinzregent Luitpold den Hausmarschall des Herzogs empfangen habe, um über die Modalltäten des Eintritts des Prinzen in ein beyerisches Regiment zu verhandeln.
Der Staatssekretär des Reiche justizamts, Dr. Nieberding, gedenkt, wie aus Berlin gemeldet wird, von seinem Posten, den er 15 Jahre lang bekleidet hat, zurückzutreten. Er hat das 70. Lebensjahr überschritten und ist seit längerer Zeit augenleidend. Die Zeit seines Abschieds sei bestimmt, doch würde sie wohl vor dem Zusammentritt des Reichstages, Ende Oktober, liegen.
Das Gesetz über den Versicherungsvertrag und des Vogelschutzgesetz sind vom Kaiser vollzogen und am Sonnabend verkündet worden.
Das deutsche National=Komitee zur Bekämpfung des Mädchenhandels wird seine diesjährige NationalKonferenz am 9. Oktober in Breslau veranstalten, bei der eine große Anzahl wichtiger Fragen zur Sprache kommt. So werden unter anderem die skandalösen Zustände, die in Ungarn und in Galazien herrschen, und der unerhörte Schacher, der mit jungen Mädchen getrieben wird, Gegenstand der Beratungen bilden. In den beiden genannten Ländern wurden nicht winiger als 50 Mädchenhändler und Kuppler im letzten Jahre der Tat überführt und verhaftet. Der Hauptgegenstand der Beratungen werden die Maßnahmen bilden, die getroffen werden sollen, um das Ueberhandnehmen der Mädchenverschleppung zu verhindern.
Der Sohn aus Afrika.
Original=Roman von Max Hoffmann.
(24, Fortsetzung.)—(Nachdruck verboten.)
„Nein, leider nicht“, klagte Alsred.„Sie verhält sich so eigentämlich gegen mich, weist mich geradezu schroff ab.
kommt mir fast so vor, als wenn ich ihr recht zuwider bin.“
„Das verstehe ich nicht. Dann hast Du wohl die Sache sehr ungeschickt angefangen?“
„Durchaus nicht, Papa. Ich bin so liebenswürdig zu ihr gewesen, wie ich nur irgend sein kann. Aber ich glaube, sie hat einen sehr bestimmten Grund dafür, daß sie nichte von mir wissen will.“
„Und was für einer wäre das?“
„Sie liebt eben einen anderen.“
„Das Mädel? El der Tausend! Sellte sie gar ein Techtelmechtel haben? Und wer sollte das sein? Könntest Du mir das viellsicht sagen?“
„Ja.“ Es ist Herr Ballschmied.“
Brückner schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. „Dachte ich's doch!“ rief er.„Meine Ahnung hat mich also nicht betrogen. Schon lange schwante mir so etwas, wenn ich hörte, wie sie ihn verteidigte und für ihn eintrat.“ Aber daß die Sache bis zu einer richtigen Liebelei gediehen wäre, das hätte ich nicht geglaubt. Und Du hast Deine sicheren Anzeichen dafür?“
„Ja, sichere. Sie trifft sich mit ihm vor der Kirche, er begleitet sie dann nach Hause, und auch in der Stunde prechen sie nicht immer bleß von Musik.“
Brückner sah ihn von der Seite an.„Woher weißt Du denn das?“
„Ich bin ein paarmal zufällig durch das Zimmer gekommen, wenn gerade Stunde war. Und ba schwiegen sie dann plötzlich und schzienen mir sehr verlegen.“
„Hw. Also Du meinst, von Liebi? Und eine solche Schlange sollte sich in mein Haus geschlichen haben? Aber wenn ich ihn ertappe, dann kann er sich gratulieren. Vorläufig freilich muß er als ausgezeichneter Lehrer respekliert
werden. Solange ich ihm nichts Ungehöriges nachweisen kann, kann ich ihm nicht kündigen.“
„Er gibt auch theoretischen Unterricht, nicht wahr?“ fragte Alfred wichtig.
„Natärlich! Warum erkundigst Du Dich danach noch besonders?“
„Weil das Spiel da drinnen selt einiger Zeit vollständig schweigt.“
„Ja, da gibt es manchmal lange Pausen. Wahrscheinlich erklärt er dann etwas. Er kann sehr gut über diese verzwickten Musikstücke sprechen, aver weißt Du, was ich jetzt tue?“ Ich gege hinein und erkundige mich nach Minnas Fortschritten. Das Richt dazu hab ich doch in jeder Hinsicht.“
Alfred war freudig aufgesprungen bei dieser Erklärung.“ Stine Augen leuchteten.„Wenn wir sie aber überraschen?!“ fragte er hastig.
„Wir? Ach so, Du meinst, Du kommst mit. Schön. Und überraschen? Das hört sich ja gerade so an, als wenn Du denkst, sie könnten irgend etwas Ungehöriges—“
„Das gerabe nicht. Aber man weiß doch immerhin nicht—“
„Pscht!“ machte Brückner.„Ich gehe jetzt hinein.“
Er klinkte leise die Tür auf, durchschritt den Salon und betrat dann rasch das sogenannte Musikzimmer. Alfred folgie ihm auf den Zehen.
Es war allerdings ein überraschender Anblick, der sich den Eintretenden bot. Minna hatte sich auf dem Klaviersessel weit zurückgebeugt. Ballschmied hielt mit dem rechten Arm ihren Hals umschlungen, mit der linken hatte er eine Hand Minnas ersaßt und preßte sie an die Lippen. Sie waren so in ihre Liebesgedanken verlieft, daß sie erst aufsahen, als Brückner schon im Zimmer stand. Alfred schaute schadenfroh über seine breite Schulter.
„Was ist das, Herr Bauschmied?“ polierte Brückner les.„Was fällt Ihnen ein? Nennen Sie das Klavierunterricht geben, mein Her?“
Ballschmied hatte sich gerade gerichtet und biß sich auf die Unterlippe. Ein rascher Entschluß reiste in ihm. Er
ließ die Hand Minnas nicht los, schob sie vielmehr unter seinen rechten Arw. Und so trat er mit dem jungen Mädchen dicht vor Trückner.
„Herr Brückner— hochgeehrter Herr Brückner“— brachte er stoßweise hervor,##o liebe Fräulein Weigand, und ich bitte Sie— als Onkel und Vormund— um die Hand Ihrer Nichte.“
Brückners Augen wurden ganz groß, und sein volles Gesicht nahm die dunkelrote Farbe an. Dann lachte er kurz auf.
„Das muß ich sagen, Herr Ballschmied, Sie verstehen es nicht übel, sich aus der unangenehmen Lage zu ziehen. Sie scheinen noch den tadellosen Ehrenmann spielen zu wollen—“
„Mein Heir!“ fuhr Ballschmied, entrüstet auf.
Aber Minna hielt ihn zurück.„Lassen Sie mich reden, Herr Ballschmied! Ja, Onkel, es ist wahr, wir lieben uns innig, und ich hoffe, daß Du nichts dagegen haben wirst, wenn ich mich mit Herrn Ballschmied verlobe“.
„Alle Achtung!“ lachte Brückner.„Alle Achtung, mein Herr, vor der Geschicklichkeit, mit der Sie es verstanden haben, dem armen, unschuldigen und unerfahrenen Kinde den Kopf zu verdrehen, daß sie in dieser Weise mit ihrem alten Onkel zu sprechen wagt. Sie scheinen ja große Uebung darin zu haben. Freilich hätte ich's mir denken sollen. Warum war ich so verblendet und hielt ihr nicht eine Klavierlehrerin? Dann wäre dieser Unsinn— denn Unsinn ist es, sozusagen, weiter nichts!— nicht vorgekommen.“
„Herr Brückner", begann Ballschmied wieder mit Würde,„ug hoffe, Sie als Ehrenmann werden einem Ehrenmanne Vertrauen und Wohlwollen entgegenbringen. Ich meine es von Herzen ehrlich mit Ihrem Fräulein Nichte.“
„Ehrlich? Sehr gut! Ich möchte das ganz anders bezeichnen. Ungehörig war die Sttuation, in der ich Sie antraf. Ungehörig, versteven Sie? Aber deshalb sind Sie nicht verpflichtet, das Mädchen zu heiraten. Nein, so schlimm bin ich nicht, daß ich das von Ihnen verlangen