1921 Nr. 164 94. Jahrg.

2 Ausgaben.

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Sonntag, 10. April 1921

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Stegerwald preußischer Ministerpräsident

Die wahre Auffassung

Raymond Swing hat imNeuyork Herald, der

dem Präsidenten Harding nahe steht, eine Reihe von zehn Aufsätzen gebiacht in denen er seine Eindrücke, die er in Deutschland gewonnen hat, niedergelegt. Er begann mit dem Hinweis darauf, daß Deutschlands Wiederaufbau als das größte Wunder dargestellt worden sei und daß eine allgemeine Verschwörung in Deutschland bestehe, die Welt über die wahren Zu­stände zu täuschen, damit man nur geringe Entschädi­gung zahlen müsse und dann sofort die führende Stelle in der Industrie wieder einnehmen könne. Swing nennt diese Urteile sogenannter Sachverständiger overflächlich. Die Dividenden und Kapitals erhöhungen deutscher Gesellschaften, die so gerne als Beweis für Deutschlands blühende Lage von aus. ländischen Blättern angeführt würden, seien kein Be weis. Viel wichtiger sei, zu wissen, welche Roh stoffe Deutschland zur Verfügung habe, was es da­von in Marktware umzuwandeln vermöge, welche Arbeitskräfte dafür bereit ständen und welche Märkte. Niemand in Deutschland könne alle diese Fragen mit Sicherheit beantworten, auch nicht ein

Hugo Stinnes. überall herrsche Unsicherheit. Die eutschen möchten auf dem Wege sein, sich merkwür­dig rasch zu erholen, manche Zeichen sprächen dafü Das Erstaunlichste sei aber, wie wenig sie selbst ihre wahre Lage kennten. Sie seien gespalten in feindliche Parteien wie seine andere Nation. Wenn der Be richterstatter manchmal beschuldigt werde, er sei anti deutsch, könne er nur erwidern. er lebe ja in Deutschland uno zwischen einem Volk von Deutschfeinden. Deutschlands wirtschaft liche Sicherheit stehe außer Frage. Wäre sein Na tionalreichtum vor dem Kriege auf 350 Milliarden Goldmark geschätzt worden, dürfe man sagen, der grö ßere Teil davon sei noch vorhanden. Was den Wert des realisierbaren Reichtums betreffe, könne dieser nur geschätzt werden, wahrscheinlich sei er nicht über 100 Millionen Goldmark.

Kann Deutschland, sagt Swing, die Welt mit Waren überschwemmen und findet es Käufer dafür, dann kann es Kriegsentschädigung zahlen. Hilft die Welt dabei nicht, kann alles Hexenwerk der deutschen Industrie und Finanz keine Heilung brin gen. Richts ist aber offenkundiger, als daß weder dies noch die Versorgung Deutschlands mit den nötigen Rohstoffen möglich ist. Deutschlands Eisen­und Stahlindustrie erzeugt jetzt 32 bis 42 Proz. da­von, was sie erzeugen könnte. Die Spinnereien er­hielten im Vorjahre 40 bis 45 Proz. der benötigten Kohlen. Deutschland führte 1920 bedeutend mehr ein als heine Ausfuhr betrug.

Es wird auf den Irrtum hingewiesen, den die deut­schen Vertreter auf der Brüsseler Konferenz machten, als sie den Aufstieg der deutschen Ausfuhr so darstell­ten, daß sich für die letzten Monate des Vorjahrs ein Überschuß in der Ausfuhr ergab, worauf dann die volkswirtschaftlichen Sachverständigen feststellten, daß die Papiermark für Exporte zum Gegenwartswerte angesetzt worden war, während die Importe zu dem niedrigen Stand von 1918 berechnet war.

Nicht allein das; der erwartete Fehlbetrag im Staatshaushalt sei auch um 30 Milliarden niedriger angesetzt gewesen als er sich später her­ausgestellt habe. Das sei eine Irreführung gewesen, aber keine, um Deutschlands Prosperität ungünstiger darzustellen.

Nach einer Übersicht über die deutsche Einfuhr vor dem Kriege heißt es:Wenn die Welt Deutschland die Friedensmengen an Rohstoffen geliefert und Deutschland über die nötigen Kohlen verfügt hätte, dann würde seine Erholung möglich gewesen sein. Aber diese hätte sich nicht heimlich vollziehen können, das wird erst der Fall sein, wenn Deutschland auf die früheren Hilfsquellen verzichten kann.

Der zweite Aufsatz beschäftigt sich mit den Zusam­menschlüssen der Großindustriellen, würdigt das Werk von Hugo Stinnes, der als der hervorragendste Füh­rer der Industrie anerkannt wird und spricht die Meinung aus, daß an die Stelle der erwarteten So­zialisierung wahrscheinlich kapitalistischer Syndikalis­mus treten werde. Der Artikel verrät auf alle Fälle, daß sich der Berichterstatter eingehend mit der ganzen Materie beschäftigt hat. Eine Episode, die er am Schluß anführt, dürfte auf die amerikanischen Leser ihre Wirkung nicht verfehlen. Es handelte sich um die amerikanische National Cush Register Company, die in Deutschland Fabriken errichten und Werkzeuge dafür aus Amerika einführen wollte. Die Sache kam vor das Wirtschaftsparlament, wo gegen den lei­senden Geschäftsführer Patterson angeführt wurde, er habe während des Krieges ein Manifest mit unter­schrieben, in dem Deutschland geschmäht wurde. Der stellvertretende Vorsitzende Hans Krämer habe viesen Einwand beiseite geschoben, mit dem Bemerken, man habe mit politischen Fragen nichts zu tun. Nach gründlicher Prüfung habe der Ausschuß erkannt, daß die deutsche Industrie mehr Nutzen als Schaden haben werde, wenn dem Antrag auf Einführung der er­wähnten Werkzeuge stattgegeben werde und demge­mäß sei die Entscheidung des Wirtschaftsparlaments gefällt werden.

50 prozentige

Nachdem in Frankreich die erste Begeisterung über den ruhmreichen Wassenerfolg der französischen Armee über wehrlose deutsche Städte am Rhein ein wenig verflogen ist, beginnt man auch an der Seine den Pferdefuß der Sanktionen zu erkennen. England hat sich mit der 50prozentigen Zollabgabe, die der Einfuhr deutscher Waren auferlegt wird, auf seine eigene Me thode zurechtgefunden und damit gezeigt, daß es selbst der Vater dieses Gedankens gewesen sein muß. Denn diese Maßnahme läuft letzten Endes auf nichts anderes heraus, als auf einen Schutz der englischen Industrie gegen die unbequeme deutsche Konkurrenz. England hat nur dicjenigen deutschen Waren unter die Abgabe einbegriffen, die es nicht unmittelbar braucht, andere dagegen, an deren Einfuhr ihnen gelegen ist, von der Abgabeverpflichtung freigelassen. In der französischen Kammer ist demgegenüber bereits ausgesprochen wor­den, daß eine Schwächung der deutschen Ausfuhr die Zahlungsfähigkeit Deutschlands vermindern und da­mit nicht nur den Schuldner Deutschlands, sondern auch den Gläubiger Frankreich treffen müßte, und daß man darum den vorübergehenden Charakter dieser Maßnahm= betonen müßte. Daß man in Frankr. i. dem englischen Verfahren mit Mißtrauen gegenüber­steht, geht ferner aus der Darstellung des Abgeordne­

ten Nerens hervot, der als Berichterstatter über die halten dürfte. Und warum? Weil England dann weit Vorlage der 50prozentigen Abgabe bemerkte, daß der höhere Beträge einkassieren könnte als Frankreich Ertrag eigentlich der allgemeinen Wiedergutmachung Sollte wirklich die Maßnahme der 50prozentigen Ab zugedacht sei, daß also England nach französischer Auf. gabe vor einem solchen gegenseitigen Geschäftsneide fassung die dort erhobenen Abgabenbeträge nicht be-bestehen können?

Preußische Landesversammlung

Berlin, 9. April.(W. T..) In der heutigen Sitzung des preußischen Landtages wurde der Abge ordnete Stegerwald(.) mit 332 von 388 Stim. men zum Ministerpräsidenten gewählt. 25 Stimmen entfielen auf den Abgeordneten Ludwig(Unabh.), je eine auf Jacobi, Adolf Hoffmann, Scho len und Apfelbaum, sämtlich Kommunisten, 4 Zettel waren ungültig, 23 unbeschrieben. Auf Antrag Herold(.) wurde Leinert durch Zuruf zum Präsidenten des preußischen Landtages wiederge­wählt, desgleichen Porsch zum 1. Vizepräsidenten, Dr. von Kries zum 2. und Garnich zum 3. Vi­zepräsidenten.

88. Preußische Landesversammlung

Die Sitzung beginnt 11 Uhr vorm. Haus und Tri­bünen sind stark besetzt.

Erster Punkt der Tagesordnung ist die endgültige Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten.

Abg. Adolf Hoffmann(Komm.) beantragt zur Ge­schäftsordnung eine Anderung der Tagesordnung. Der Präsidentenwahl wolle er nicht widersprechen, seine Partei werde sich aber daran nicht beteilieen.

Abg. Siering(Soz.) bittet, die letzten Punkte ganz abzusetzen, da man heute doch nicht dazu kommen würde.

Präsident Leinert stellt fest, daß er wohl ein Ver­sehen begangen habe und bestimmt, daß infolge des Widerspruches die dritte Beratung des Entwurfes über die Landeskirchenfrage heute unterbleiben soll.

Gemäß dem Antrage Eiering werden sodann die letzten Punkte von der Tagesordnung abgesetzt. Ein weiterer A: trag Adolf Hoffgann(Komm.), mit der heutigen Beratung einen Antrag der Kommunisten gegen militärische Maßnahmen im besetzten Gebiet zu verbinden, wird angenommen.

Hierauf folgte

die Wahl des Ministerpräsidenten und die des Präsidenten des Landtages und der Vi­zepräsidenten. Der Abgeordnete Stegerwald (.) wurde mit 332 von 388 Stimmen zum Minister­präsidenten gewählt, 25 Stimmen entfielen auf den Abgeordneten Ludwig(Unabh.), je eine auf die Abg. Jecobi, Adolf Hoffmann, Scholen und Apfelbaum,

Der englische Bergarbeiterstreik

Ein Aufruf der Regierung

London, 9. April.(...) Reuter. Die Re­zierung erließ abends einen Aufruf an alle loyalen Bürger, sich zu Schutzverbänden zu vereinigen.

London, 9. April.(...) Ein Teil der Mor­zenpresse ist der Ansicht, daß, trotzdem die größte ndustrielle Krisis, der sich England je gegenüber­gesehen hat, ihren. Höhepunkt erreicht habe, immer noch Hoffnung vorhanden sei, daß der Friede doch gesichert werden könne.

DieTimes spricht von einer dramatischen Pause, die in einen wirklichen Waffenstillstand oder sogar in einen Frieden verwandelt werden könne. Die Verschiebung der Streikaktion bis Dienstag Mittwoch bedeute einen endgültigen Schritt nach vorwärts.

In einem sehr versöhnlich gehaltenen Leitartikel sagt die Zeitung, die Regierung sei zu heftig vor­gegangen. Die Bergwerksbesitzer hätten zu große und zu plötzliche Lohnverminderungen gefordert und die Mehrzahl der Arbeiter hätte nicht den Wunsch, unmögliches zu fordern, ohne den anderen Teil der Nation einzuschüchtern. DieTiems tritt dafür ein, den Vollzugsausschuß der Bergarbeiter stattzugeben, wenn er darauf bestehen sollte, die Konferenz bedin­gungslos wieder aufzunehmen. Der Arbeiterdreibund habe einen Friedensantrag gemacht.

Daily Herald ist sogar der Meinung, so­wohl das Kapital als auch die Bergarbeiter zögen vor, den unvermeidlichen Kampf jetzt auszufechten. Inzwischen laufen Berichte ein, daß der Streikbefehl bei den Arbeitern nicht allgemein auf Zustimmung tößt. Ein Teil der Liverpooler Eisen­bahner telegraphierte beispielsweise an Tho­mas, man wolle nicht in den Ausstand treten und sie seien überzeugt, die ganze Streikbewegung sei auf ein bolschewistisches Manöver zurückzufüb­ren, um in Enaland die Revolte zu entfachen. Diese Eisenbahner exklärten, sie würden keine Aktion unter­stützen, die England in die Anarchie stürze und den Deutschen zur Verminderung der Verantwortlichkeit dienen könne.

DieMorning Post vermutet ebenfalls hin­ter der Bewegung bolschewistische Umtriebe. Das Blatt ist überzeugt, daß die Antwort auf den Appell des ersten Ministers an die Nation zur Unterstützung der Regierung überwältigend sein werde.

Daily Telegraph ist der Ansicht, daß irgend etwas eintreten werde, was den Streik ver­hindern könne. Der dreifache Angriff will und kann keinen Erfolg haben, wenn wir kaltes Blut bewah­ren und unsere Pflicht tun.

Die Bergarbeiter lehnen neue Verhandlungen ab

London, 9. April.(T..) Der Vollzugsausschuß der Bergleute hat es endgültig abgelehnt, in neue Verhandlungen einzutreten und einer neuen Kon­ferenz mit den Bergwerksbesitzern beizuwohnen. Die Führer der Eisenbahner, Transportarbeiter und Bergleute haben gestern erneut eine gemeinsame Sitzung abgehalten, um die Einzelheiten des bevor­stehenden Generalstreiks auszuarbeiten.

sämtlich Kommunisten, 4 Zettel waren ungültig, 23 unbeschrieben.

Auf Antrag Herold wurde Leinert durch Zuruf zum Präsidenten des preußischen Landtages wieder­gewählt, desgleichen Dr. Porsch zum 1. Vizepräsiden ten, Dr. von Kries zum 2 und Garnich zum 3. Vize­präsidenten.

Zur Geschäftsordnung beantragte die Rechte Wie derabsetzung des infolge eines Irrtums heute noch auf die Tagesordnung gesetzten Antrages der Kom munisten wegen der militärischen Maßnahmen der belgischen Truppen im besetzten Gebiet.

Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte wird dieser Antrag gegen die äußerste Linke angenommen.

Abg. Schönbeck(Komm.) begründet hierauf einen Antrag seiner Fraktion auf Haftentlassung des von der englischen Besatzungsbehörde in Solingen ver­hafteten Abgeordneten Plenge.

Abg. Deerberg(D. Natl.) beantragt Überweisung des Antrages an den Rechtsausschuß. Zweifellos müßte Achtung vor der Immunität der Abgeordneten verlangt werden. Die Kommunisten hätten aber lei der im Rheinlande mit der Entente konspiriert und dadurch viele Deutsche ins Unglück gebracht.(Lärm bei den Kommunisten.)

Abg. Geyer=Solingen(Soz.) und Abg. Lichtenstein (Unabh.) sprechen sich für sofortige Annahme des An­trages aus.

Die Abg.Bayer=Oberschlesien(.) und Dr. Kalle (D. Vp.) sind für Überweisung an den Rechtsaus

schuß.

Abg. Schönbeck(Komm.) erklärt in einem Schluß wort, nicht die Kommunisten, sondern Herr Stin nes habe im Rheinlande mit der Entente konspiriert (Lauter Widerspruch und Lachen rechts.)

Der kommunistische Antrag wird hierauf dem Rechtsausschuß überwiesen.

Ein Antrag Dr. von Krause(D. Vp.) auf Einstel lung des Strafverfahrens gegen den Abg. Dr. Schu ster wird an den Geschäftsordnungsausschuß, die An­träge Koch=Oeynhausen und Dr. von Krause auf Neu­regelung der Verfassung der evangelischen Landes­kirche der neuen Provinzen Preußens werden in erster und zweiter Lesung debattelos angenommen

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Nächste Sitzung Donnerstag, den 14. April, nachm 2 Uhr

Tagesordnung: Kommunistische Interpellation

über die Vorgänge in Mitteldeutschland.

Schluß ½2 Uhr.

habe der Anwendung von Strafmaßnahmen gegen Deutschland zugestimmt und dadurch endgültig die Po­litik Frankreichs und zweifellos auch die Englands orientiert auf einem Wege, auf dem es jetzt kein Zurück mehr gebe. Der Beschluß, Düsseldor zu besetzen, sei der Beginn einer neuen Po­litik gewesen, die nicht verlassen werden könne. In gewissen Kreisen sei es ein offenes Geheimnis ge­wesen, daß die militärischen und finanziellen Opera­tionen gegen Deutschland nur die ersten Schritte in einem großen wenn auch vagen Problem bedeuten. Je weiter Frankreich und England auf diesem Wege fortschritten, umsoweiter würden sie verpflichtet sein, zu gehen. Die nackte Wahrheit sei, daß eine neue furchtbare Epoche begonnen habe. Denn Bri ands Methode sei die Methode der Ge­walt. Frankreich verlasse sich auf die Unterstützung Englands bei seinen Forderungen an Deutschland. England habe sich zu einer bestimmten Politik ver­pflichtet und könne Frankreich jetzt nicht verlassen. Die Aussicht auf Verhinderung eines tieferen Sprunges in unbekannte Gefahren aufeinanderfolgender unbe­schränkter Strafmaßnahmen erscheine hoffnungslos. Der Berichterstatter hält die letzte Rede Bri­ands für sehr wichtig, da sie so unzweideutig sei und die fast einstimmige Unterstützung des fran­zösischen Parlaments fand. Als Briand sein Amt an trat, sei er in einer schwachen Lage gewesen. Jetzt sei seine Stellung stark. In Frankreich sei man der An sicht, durch Geweltanwendung gegen die deutschen Kapitalisten werde man sie zwingen, einen Teil ihres Reichtums abzutreten.

Methode der Gewalt

= London, 8. April.(W. T..) Der Pariser Be­richterstatter derWestminster Gazette schreibt:

orzeichen einer Katastrophe in Eu­ropa. Die größtmögliche Aufmerksamkeit muß den zahlreichen Zeichen der kommenden Krise in Europa zugewendet werden, die weit ernster sein wird, als irgend eine andere, die man seit dem Kriege durchge­macht hat. Furchtbare Entscheidungen würden in kur­zer Zeit getroffen werden mussen. Lloyd George

Oberschlesien

Der Berichterstatter desManchester Guardian in Berlin, der sich längere Zeit in Oberschlesien ausgehal­ten hat, ist der Ansicht, daß das Dreieck Tarnowitz­Kattowitz=Gleiwitz bei Deutschland bleiben müsse, da es ein unzertrennliches Ganzes darstellte, das man nicht ohne unheilbringende Folgen auseinanderreißen dürfe. Hier müsse ein Kompromiß getroffen werden, es sei unabwendbar. daß einige Gemeinden, die für Polen gestimmt hätten, zu Deutschland kommen müß ten, während andere, die deutsch gestimmt hätten, Po­len zuzusprechen waren. Die Kreise Pleß und Rybnik müßten polnisch werden Vielleicht könnten die Grenz­gemeinden Deutsch=Piekar, Groß=Dombrowska und Myslowitz sowie Teile von Tarnowitz nach Maß gabe der Abstimmung an Polen fallen.

General Weygand für ein deutsches Oberschlesien

DB Paris, 8. April.(Eig. Meld.) DieChicago Tribune gibt eine Unterredung mit General Wey­gand wieder, in der sich dieser für ein Verbleiben Oberschlesiens bei Deutschland aussprach. Er hob hre­vor, daß die Klausel über die Volksabstimmung Oberschlesiens im Friedensvertrag namentlich auf auswärtige Einflüsse zurückzuführen gewesen sei.

Eine starke polnische Zumutung

DB Berlin, 8 April(Eig. Meld.) Da Briand in der französischen Kammer angekündigt hat, daß die Entscheidung über Oberschlesien in wenigen Tagen er­folgen werde, leitet die polnische Presse aus dieser Rußerung das Recht her, sie dahin zu kommentieren, daß eine Aufteilung Oberschlestensn der Art vorge­nommen werde daß Deutschland nur die ländlichen Bezirke überlassen werden, während Polen das ge­samte Industriegebiet zufallen soll. Auch von einer Korsantv nahestehenden oberschlesischen Stelle wird das Gerücht verbreitet, daß die Entscheidung der Alliierten zu Gunsten Polens in der angedeuteten Richtung be­reits erfolgt sei. Im Anschluß an diese durchaus noch unverbürgte Mitteilung, die in dieser Form wohl auch

zum mindesten verfrüht erscheint, will Korsanty der deutschen Öffentlichkeit noch einreden, daß bereits zwischen Deutschland und Polen direkte Verhandlun­gen zur Lösung der oberschlesischen Frage angebahnt worden seien. Wie wir hören beruhen diese tenden­ziösen Nachrichten durchaus auf freier Erfindung.

und Regierungsbildung

Aus den Kreisen der Landtagsfraktion der Deutschen Volkspartei wird derN. L. . geschrieben:

Als Ergebnis der preußischen Landtagswahlen ist die Stellung der bisherigen preußischen Regierungs­koalition mindestens schwer erschüttert. Bemüht sich auch die Mehrheitssozialdemokratie noch immer um den Nachweis, daß die alte Koalition, gestützt auf eine zurzeit allerdings ja noch vorhandene kleine Mehr­heit, die Regierung nach wie ver führen könne, so werten die beiden bürgerlichen Parteien der bisherigen Koalition das Verditt der preußischen Wähler vom 20. Februar offenbar richtiger: sowohl das Zentrum wie die Demotraten haben wiederholt der Offentlich­keit und den Führern der Deutschen Volkspartet gegenüber erklärt, daß sie eine Wiederaufrichtung der alten Koalition eblehnen. Darüber aber was nun an die Stelle der alten Koalition triten solle, hat sich bei der ersten Zusammenkunft des neuen Landtages im März keine Einigung erzielen lassen, für keine der möglichen Kombinationen hat sich eine Mehrheit ge­funden. So ging der Landtag vor wer Wochen ohne

positives Ergebnis auseinander und überließ die Fort­rung der lausenden Geschäfte dem alten Ministe­rium. Als dann die kommunistischen Unruhen in Mitteldeutschland ausbrachen, die oberschlesische Ab­stimmung stattgefunden hatte, im Westen die Be­satzungstruppen der Entente sich weiter ausdehnten und die Abschnürung des Rheinlandes vom preu­ßischen Staatsganzen drohte, beantragte die Deutsche Volkspartei die schleumigste Zusammenberufung des Landtages, da all die wichtigen, hier angedeuteten Entschlüsse, vor die die preußische Staatsregierung sich gestellt sieht, nach unseter Auffassung nicht meor von diesem lediglich Geschäftsministcrium gofaßt wurden dürfen. Der Antrag der Deutschen Volkspartei ist abgelehnt worden und erst nach fast vierwöchiger Pause findet sich der Landtag nun wieder zusammen. Man sollte meinen, doß die Parteien sich inzwischen über den Weg, der von dem jetzigen Geschäftsmini­sterium zur Bildung einer politischen Regierung in Preußen führen kann, klar geworden sind. Das ist aber nicht der Fall, die Verhandlungen wegen der Regierungsbildung haben wochenlang geruht und erst jetzt, fast in letzter Stunde, suchen die Parteien der bisherigen Koalition einen Ausweg aus den ihnen infolge des Wahlergebnisses erwachsenen Schwierig­keiten. Die Deutsche Volkspartei hat sosort nach den Wahlen, in Übereinstimmung mit den gleichartigen Schritten der Reichstagsfraktion, vor aller Öffentlich­keit erklart, daß sie als die beste und den nationalen Belangen an meisten gemäße Regierungskoalttion die Bildung einesgroßen Ministeriums, in dem alle Parteien von den Deutschnationalen bis zur Mehr­heitssozialdemokratie vereinigt seien, ansicht. In einer Zeit, in der uns von der Entente tagtäglich neue Sanktionen angedroht werden, scheint der Volks­partei diese Einheitssront das Gebot der Stunde. Der Versuch dieser Bildung ist im Reich und damit auch in Preußen vorerst jedenfalls gescheitert.

Die dann von der deutschnationalen Fraktion er­gangene Anregung einer Regierung aller bürgerlichen Parteien ist von dem Zentrum wie von den Demo­kraten sofort abelehnt worden, die beide ein Zusam­menwirken mit den Deutschnationalen, ohne Hinzu­ziehung der Mehrheitssozialdemokratie, als eine für ihre Parteien nicht annehmbare Lösung erklärt haben. Alle Zusammenfassung von Parteien zur Bildung einer Koalitionsregierung, die nun noch möglich bleiben, gruppieren sich um das Zentrum; diese Macht. die das Zentrum durch den Ausgang der Wahlen, als stärkste der bürgerlichen Parteien, erhalten hat, belastet es andererseits auch mit der Verantwortlichkeit für die Richtung der künftigen preußischen Regierung. Das Zentrum scheint denn auch, in voller Erkenntnis dieser auf ihm ruchenden Verantwortung, die Verhandlungen aufgenommen zu haben; näheres darülber wissen wir nicht, denn die Deutsche Volkspartei hat sich nach dem Scheitern der Einheitsfront DeutschnationalMehr= heitssozialdemokratie völlig zurückgehalten und die Entwicklung der Dinge lediglich beobachtet. Wir nehmen aber an und glauben damit das Richtige ge­trossen zu haben, daß Zentrum und Demotraten den Mehrheitssozioldemokraten, entsprechend ihren in der Offentlichkeit abgegebenen Erklärungen, eine Hinzu­iehung der Deutschen Volkspartei zu der jetzigen egierungskoalition vorgeschlagen haben. Als ein vor­läufiges Ergebnis dieser Besprechungen darf man dann wohl das nachfolgend. Schreiben des Fraktions­vorsitzenden der mehrheitssozialdemokratischen Frat­tion, des Abgeordneten Eiering, an die Fraktionen des Zentrums und der Demokraten ansehen, das vom Zentrum an die Deutsche Volkspartei weitergeleitet worden ist. Dieses Schreiben lautet:

Sehr geehiter Herr Kollege!

Die Sozialdemokratische Fraktion des preußischen Landtages ist zurzeit nicht beisammen. Vorbehaltlich ihrer Stellungnahme und ganz unverbindlich lediglich in meinem Namen und deren der Kollegen Kimbertz und Heilmann möchte ich Ihnen nach Rücksprache mit den in Berlin anwesenden Vertreiern des Fraktions­verstandes zur Regierungsbildung in Preußen fol­gendes mittellen:

sie wissen, daß die sozialdemokratische Fraktion in Preußen einstimmig beschlossen hat, mit der Deutschen Vellspartei zusammen nicht in die Regierung zu gehen, sondern an der alten Koalition festzuhalten. Die Vertreter des Zentrums und der Demokraten haben sich indessen auf den Standpunkt gestellt, daß eine Erweiterung der Koalition nach rechts geboten ei. Insolgedessen ist seit über vier Wochen die Frage der Regierungsbildung aus dem toten Punkt. Des­halb haben wir nach einer Unterredung mit dem Reichspräsidenten uns bereit erklärt, zu prüfen, ob überhaupt eine gemeinsame Regierungsbasis mit der Deutschen Volkspartei zu finden wäre. Sie werden begreisen, daß wir für den Fall des Eintritts der Deutschen Volkspartei in die Regierung die von uns vertretenen Interessen und Standpunkte im weitgehend. ten Maße zu sichern bemüht sein müßten. Das Min­deste, was wir im Fall des Eintritts der Deutschen Volkspartei in die Regierung von den Koalttions= arteien fordern müßten, wäre das folgende:

I. Alle Koalitionsparteien stellen sich in ihrer par­amentarischen und agitatorischen Tätigkeit Nar und