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Eine merkwürdige Angelegenheit

Sunday-Expreß" über Schmuggel von Soldatenleichen nach England

Drahtbericht unseres ständigen Bericht­erstatters in London London, 3. Mai. DerSunday Expreß" macht darauf aufmerksam, daß seit Jahren Soldatenleichen von Kriegergräbern in Frankreich und Belgien heimlich nach England gebracht werden, und daß sich ein Belgier in unberechtigter Weise dabei bereichert. Die meisten der Verbündeten, die während des Krieges Truppen in Belgien und Frankreich hatten, haben seit längerer Zeit ein Ab­kommen mit beiden Ländern getroffen, das ihnen gestat­tet, die Leichen von gefallenen Verwandten in die Heimat bringen zu lassen. Das britische Reichskomitee für Erhal­tung und Pflege der Soldatengräber dagegen hat alle Ver­handlungen darüber avgelehnt und ein für allemal entschieden, daß unter keinen Umständen Solda­tenleichen vom Kontinent nach Großbritannien gebracht wer­den dürfen. Infolge dieses Verbots geschieht alles im Ge­heimen und die Leichen werden buchstäblich in Nacht und Nebel nach England hineingeschmuggelt. Man setzt

sich mit dem in Frage stehenden Belgier in Verbindung, der während der Sommermonate immer auf einem der Kirchhöfe in Frankreich und Belgien zu treffen ist. Außer­dem hat er seine Agenten. Er hat ein paar zuverlässige Leute, die die Leichen aus den Gräbern herausholen, was bei der schlechten Ueberwachung der Kirchhöfe, besonders in Frankreich sehr leicht sein soll. Die Gräber werden wieder geschlossen, so daß nichts zu merken ist. Die Ueberreste der Soldaten werden dann in eine Kiste gepackt, nachdem das Erkennungszeichen herausgenommen ist. das den Verwandten zugestellt wird. Diese haben dann dafür zu sorgen, daß ein Boot die Kiste an der belgischen oder fran­zösischen Küste abholt, weil es zu gefährlich ist, sie an Bord eines Dampfers zu bringen. An der englischen Küste sind immer Boote vorhanden, die diese Aufgabe übernehmen. Es besteht ein fester Preis dafür, nämlich 40 Pfund Ster­ling. Der Belgier selbst bekommt 250500 Pfund Ster­ling, je nach dem Reichtum des Auftraggebers. In den meisten Fällen läßt sich die Sache nur durchführen, wenn die betr. Familien ein Erbbearäbnis in England ha­ben, da sonst die Beerdigung auf einem Kirchhof gefähr­lich sein würde. Nur einmal hat die belgische Polizei Leute überrascht, die im Begriff waren, ein Soldatengrab zu öffnen. Aber die Sache wurde damals nicht klargestellt.

Der franz. Ministerpräsident sprach

Zollunion Friedensverträge Briands Projekt

Aradtbericht unseres ständigen Bericht: erstatters in Paris

* Paris, 3. Mai. Der französische Ministerpräsident Laval hat heute in Courneuve bei Paris eine große politische Rede für die parlamentarische Frühjahrssaison gehalten. Nicht weniger als 8 Minister und Unterstaats­sekretäre hatten sich nach Courneuve begeben, um dieser Demonstration der Regierung beizuwohnen. In der Rede des Ministerpräsidenten treten die

innenpolitischen Probleme

besonders in den Vordergrund. Wie jeder Minister­präsident, so läßt auch Laval die innenpolitischen Arbeiten und Errungenschaften seines Regimes Revue passieren. Von den Abendblättern wird besonders häufig der Satz zitiert, daß die Steuerlasten in Frankreich die oberste Grenze des Möglichen erreicht haben, wenn sie nicht schon über diese hinausgegangen seien. Die Verlangsamung des Geschäftsganges, welche mit der weltpoliti­schen Krisis zusammenhänge, gebiete auch für Frank­reich äußerste Vorsicht und dementsprechend würde auch das neue Budget für das Jahr 1931/32 von allen Er­höhungen der Ausgaben freigehalten, abgesehen von einer Sonderbewilligung für die Kriegsteilnehmer. Der außenpolitische Teil

der Rede ist sehr vorsichtig abgefaßt. Er gior zu­dem keinen vollständigen Querschnitt durch die französische außenpolitische Lage. Laval bleibt bei einem vagen Be­kenntnis zu seiner Politik des Friedens, die die Sicherheit nicht außer acht läßt. Diese Politik sei mit wechselnden Mehrheiten vom Parlament gebilligt worden.Mit tiefem Schmerz hat unser Land, so führte Laval fort, ein Erlebnis erfahren müssen, das nicht durch unsere Haltung gerechtfertigt und geklärt werden konnte. Diesem Projekt(gemeint ist natürlich die Zollunion zwischen Deutschland und Oesterreich) konnte Frankreich nich zu­stimmen, noch weniger den brüsken diplomatischen Methoden. Das Projekt hat auf diese Weise eine tiefe innere Erregung in die internationalen Beziehungen ge­tragen. Solche Mißverständnisse und eine solche Hand­lungsweise müssen verschwinden, wenn die Politik der treuen Zusammenarbeit zwischen den Völkern fortgesetzt werden soll. Wir wünschen den Frieden und tun alles, um den Frieden zu organisieren. Aber wir verlangen, daß man unsere Würde respektiert, so wie wir die Würde anderer Nationen respektieren. Laval kommt dann auf die Weltwirtschaftsrrise zu sprechen, und daß Frankreich

Respekt vor den Friedensverträgen

verlangen müsse, weil sie die sicherste Garantie für den Frieden selbst darstelle. Der Frieden könne nur wirksam geschützt werden, wenn er auf einer vernünftigen inter­nationalen wirtschaftlichen Organisation aufgebaut sei. Wenn der Völkerbund bisher versagt habe, so liege das an seiner Jugend. Aber das Vertrauen in diese Institution brauche man nicht zu verlieren. Was nun das französische Gegenprojekt betrifft, so charakte­risiert Laval es selbst glänzend in den Worten:

Wir müssen vorsichtig sein und Vorsorge treffen, daß unsere nationale Wirtschaft nicht durch unzweck­mäßige voreilige Maßnahmen in Gefahr gebracht wird. Jede Nation muß ihre besonderen Wirtschaftsinkeressen verteidigen und krotzdem den allgemeinen Interessen Unterstützung zuteil werden lassen.

Man muß dem französischen Ministerpräsidenten zu­geben, daß er in seinen außenpolitischen Ausführungen besser Maß gehalten hat, als etwa Tardieu in seiner ver­hängnisvollen Senatsrede. Andererseits hat Laval in seiner weitgehenden Offenherzigkeit zugegeben, daß ein­mal das französische Gegenprojekt gegen die Zollunion nur im Rahmen des wirtschaftlichen Egois­mus in Frankreich Konzessionen nach außen macht und daß Frankreich bei der Beurteilung des deutsch-öster­reichischen Zollplanes die nationale Würde in den Vor­dergrund schiebt, mit anderen Worten, das franzö­sische Prestige. Es ist also soweit, daß in Europa nichts geschehen darf, wenn nicht Frankreich unterrichtet ist. Auch Lavals Rede zeigt wieder, daß sich die außen­politische Mißstimmung in Frankreich nur gegen Deutschland wendet. Auf Italien und England und den Flottenpakt ist in der Rede Lavals kein Wort zu finden.

12. vlämischer Landtag in Wemmel

Herausforderndes Verhalten der belgischen Polizei

Drahtbericht unseres ständigen Bericht­erstatters in Brüssel

bs Brüssel, 3. Mai. Der heutige 12 vlämische Landtag zu Wemmel in unmittelbarer Nähe Brüssels, hätte beinahe zu allerschwersten Ereignissen geführt. Die Veranstaltung war ursprünglich vom Bürgermeister der kleinen brabantischen Gemeinde verboren. Gerade das hatte der Veranstaltung den nötigen Auftrieb gegeben. Von den frühen Morgenstunden an rückten vlamische Nationalisten in Wemmel ein. Es entfaltete sich das be­kannte der Bild vlamischer Kundgebungen, ähnlich wie in Dixmuiden: Viele gelbe Göwenflaggen, Musik und fröh­liches Treiben. Brüssel hatte dafür gesorgt, daß der Harm­losigkeit ein rasches Ende gesetzt wurde.

Hunderle von Gendarmen durchritten die engen Straßen Wemmels. Regelmäßig werden diese Detachements wallonischen Offizieren unterstellt, die nicht ver­fehlten, in ihr Erscheinen die notige herausfor­dernde Geste zu legen. Gegen 1 Uhr begannen dann glücklich die ersten Berührungen mit dem Publikum. Unter Johlen und Pfeiffen der Massen jagten diese hunderte von Gendarmen mit gezogenem Säbel durch Wemmel. All­gemein entsland der Eindruck, die Regierung wolle ernst machen mit einer Unterdrückung des Landtages. Es gab Verhaftungen, es gab Verwundete, alles schien vorbereitet zu sein wie in Dixmuiden. Die Blamenführer, vor allew Staff de Clerk und der bekannte Ward Hermans, halten nach rechtzeitig Gelegenheit, zu tatervealeren. Die stellten der Gendarmerieführung die Bedingung, um Ruhe und Ordnung gewährleisten zu können, sofort die Truppen zurückzuziehen und die Verhafteten freizugeben. Beider wurde nach Rücksprache mit dem Brüsseler Innenminister bewilligt. Von dem Augenblick, wo die Gendarmerie von der Bildsäche verschwunden war, herrschten Ruhe und Ord­nung.

Die Kundgebunge konnte einen ruhigen Verlauf nelmen. Es sprachen nacheinander Joris de Leeuwe, der vlämische Soldat, der sich weigerte, einem französischen Kommando Folge zu leisten, die Abgeordneten Staff de Clerk, Thomas de Backer, Ward Hermans und als letzter August Borms. Sämtliche Redner wandten sich scharf gegen den belgisch­französischen Offensiomilitärvertrag. Anläßlich der inner­politischen Debatte am 12. Mai in der belgischen Kammer werden von den frontistischen Abgeordneten die Vorgänge in Wemmel zur Sprache gebracht werden.

Abbruch

der Exterritorialitätsverhandlungen

zwischen England und China

* Schanghai, 3. Mai.(Drahkb.) Die englisch=chinesischen Verhandlungen über die Exterritorialitätsfrage sind nach monatelanger Dauer nunmehr abgebrochen worden, ohne daß eine Aussicht auf ihre baldige Wiederaufnahme besteht. Man erwartet, daß auf dem am 5. Mai beginnen­den Kongreß der Volkspartei, die einen diktatorischen Ein­

fluß auf die chinesische Politik ausübt, in einem einseitigen die Abschaffung der Exterritorialität erklärt werden wird.

Seeckt fordert Wehrfreiheit

Landesparkeitag der DUp Würklemberg

* Stuttgart. 3. Mai.(Drahtb.) Anläßlich ihres Lan­desparteitages veranstaltete die Deutsche Volkspartei am Sonnabend abend in der Liederhalle eine große öffent­liche Kundgebung, in der als Hauptredner Ge­neraloberst a. D. von Seeckt über das Abrüstungs­problem sprach. Unter dem stärksten Beifall der Ver­sommlung erklärte der Redner, daß auf der kommenden Abrüstungskonferenz Deutschland zwei Forderungen er­heben müsse,

entweder die Abrüstung der anderen auf den Grad, der Deutschland aufgezwungen sei, oder die Wiedererlan­gung der Freiheit, ebenso wie die anderen zu einem unserer Größe, unserer geographischen Lage und den besonderen Umständen Deutschlands entsprechenden Rüstungsstand zu kommen, der unsert Sicherheit ver­bürge. Da die erste Jorderung sich kaum verwirklichen lasse, bleibe nur die zweite übrig, zu deren Er­reichung jeder seine ganze Schuldigkeit kun müsse.

Deutschland habe das Recht, zu leben und sich zu wehren. Die heutige Wirtschaftsnot verbiete Deutsch­land sowieso eine große Armee aufzubauen, aber das hindere nicht, daß wir das Recht auf unsere freie Entschließung zurückerwerden.

Zu der künftigen Ausgestaltung der deutschen Wehr­macht erklärte der Redner, daß Deutschland zur Aufstellung eines kleineren stehenden Heeres von länger dienenden Be­rufssoldaten uno zur Ausbildung des ganzen Volkes auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht, zu einem Milizheer kommen müsse. Anschließend sprach der Reichsparteiführer Dr. Dingelden über die Erneue­rung des Reiches. Er betonte, daß wir infolge dringen­der Gefahr vor neuen schweren Maßnahmen stehen. Die jüngste Aussprache mit dem Reichskanzler Dr. Brüning habe ergeben, daß dieser fest entschlossen sei, die Ausgaben der öffentlichen Hand in Reich, Ländern und Gemeinden weiter herabzudrücken. Die Sanierung im Innern erfolge nicht, um die Tribute bezahlen zu können, sondern um im Kampf gegen die Tribute festbleiben zu können.