Donnerstag, 25. Mai 1933
1933 Nr. 241— 105. Jahrgang
Wochentäglich 2 Ausgaben
Haldmonatl. Bezugspreis(einschl Trägerlohn):
.80.=M. in Dortmund und in den Nachbarstädten woch 12 mal zugestellt. in ländl Bezirken 1 40.=M wöch 7mal zugestellt. Posiabonnement wöchentl 7 mal zugestellt einsch! SS=Dfo Postzettungsgebühren
u. 42.=Pfg Bestellgeld. Gesamtpreis.92.=M Morgen=Ausgabe R einschl Sonntags=Ausgabe ohne Abend= Ausgabe wöchentlich 88.=Psennig Fallo wir in der Herausgabe oder Zustellung der Zeitung gehindert sind hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung des Blattes od. auf Rückzahlung des Bezugspreises Erfüllungsori Dortmund.
500 DIl
Unterstutzung bei tödlichem Unfall nach Maßgabe besonderer Bestimmungen.
hlschrank
Druck und Verlag:
C. L. Krüger, G. m. b.., Dortmund,
Postscheck=Konto: Dortmund 11298.
Hauptgeschäftsstelle:
Redaktion und Druckerei: Karlstraße 5 Fernsprecher: Sammelnummer 30781
Einzelnummer 15.=Pfennig
Anzeigenpreis: 1 mm hoch und 25 mm brett
20 Pfg.(abzügl. 10% Krisenrabatt vom Rechnungsbetrag), private Familienanzeigen, kleine Anzeigen betr. Wohnung, Hauspersonal, Stellengesuche u. private Gelegenheits=Anz. bei sofortiger Bezahlung 10 Pfg. netto. Reklamen 1 mm hoch und 75 mm breit 90 Pfg. Für die Aufnahme von Anzeigen an vorgeschriebenen Tagen u. Plätzen wird keine Gewähr übernommen. Die etwa gewährte Nabattvergünstig. erlischt bei Konkurs., Zwangsvergleich. u. gerichtl. Klagen. Erfüllungsort Dortmund. Für die Redaktion verantwortlich: Politik u. d. übr. Teil: Chefredakteur R. Rohdez Feuilleton, Kunst und Wissenschaft: E. A. Schneiderz Inserate u. Reklamen: H. Grävinghofs, Dortmund.
horstell!
iche Vorführung In der Verkaufsstelle
Ostwall 27
28303.
Mark
Privath., Verzins. Rückzah0 Mk. geSicherh.
u. 68622 rim. Zta.
Mark
iter sucht
thand zu Rückzahlg. In 6 Mo
u. 68564 rtm. Ztg.
icht!
rinen und inzelperelche den leil der .Zeitung e Propaicke ausind sich euen, bei iserenten seist unrbare Anmachen. sehlen
icht!
Für Tochter, evang., mittelgro blond. kerngesun vielseitig gebildet Sinn für schön pflegte Häuslicht suchen wir passen
Lebenskameraden
Akademiker od. B amter in gehobe Stellung bevorzu Aussteuer u. Be mögen vorhanden Schr. Ang. u. 688 an die Dortm. 3
Automobile
Vermietungen Verkauf- Ankau
Wegen Auflös. Wagenparks
Automobi
von 300.— M zu verkaufen. El Teilzahlungen. Schr. Anfr. u. 5 an die Dortm
französische Rein
Starke Enttäuschung über Paul=Boncours
Erklärungen
*
beruflich. aus gut. =Reform., v. Herrn. 25 u. 35 emeinsam.
e. vorb. Paare, nt. Kasse. eigung sp.
rat
geschl. Bild. das u. 68560 ##tm. Zta.
Müdels
" blonder gut. Faen d. Bet zweier end. Hers späterer
rat
mögl. m. s zurückvird. unt.
). D. Zig.
2., ev., u. häusl., Bekannt= es soliden sich. Stelcks später
rat
tung vor
CNB Berlin, 24. Mai. Es war vorauszusehen, daß selbst die sehr zurückhaltenden Bestimmungen des englischen Konventionsentwurfs über die Material= abrüstungen bei Frankreich auf erheblichen Widerstand stoßen würden. Nicht umsonst erblickt Frankreich in seiner schweren Artillerie und Tanks zusammen mit seinen Großkampfflugzeugen die wesentlichen Elemente seiner militärischen Überlegenheit auf dem europäischen Kontinent, und selbst eine Anderung der außenpolitischen Linie Frankreichs hätte, wie das Beispiel der Linksregierung Daladier zeigt, mit den sehr realen Interessen der französischen Rüstungsindustrie zu rechnen. Es hat jedoch überall, wo man einen Erfolg der Abrüstungskonferenz wünscht, insbesondere auch in sonst franko philen englischen Kreisen, eine starke Enttäuschung hervorgerufen, daß der französische Wider stand sich in so unversöhnlicher Form äußert, wie das gestern in der Rede Paul=Boncours geschehen ist. Paul=Boncour rollte alle die Probleme wieder auf, mit deren Erörterung schon bisher zu viel Zeit vergeudet worden ist und die im Rahmen des englischen Entwurfes nach Ansicht der übrigen Großmächte eine angemessene Berücksichtigung gefunden haben. Wenn #### Paul=Boncour die Internationalisierung der schweren Angriffswaffen forderte und ihre Zerstörung ablehnte, wenn er in derselben Rede behauptete, daß eine Definition von Offensiv= und Defensivwaffen erst noch gefunden werden müsse und wenn er schließlich ein konzentrisches Sicherheitssystem nach Art des Genfer Protokolls von 1924 forderte, so heißt das nichts anderes als die völlige Zerschlagung der durch den englischen Plan und die amerisanischen Erklärungen im Einverständnis nit den übrigen Großzmächten muysam geschafenen Grundlage. Es liegt in derselben Linie, wenn Frankreich nunmehr in der Frage des Viermächte=Paktes eine neue Sicherheitsoffensive entsaltet, die sich vorwiegend gegen England richtet. Das alte Verlangen, daß ngland präzise Verpflichtungen für den Fall einer Völkerbundsintervention mit militärischen und wirtschaftlichen Sanktionen übernehmen soll, wird zur beträchtlichen Verstimmung der englischen Zweisihigerstonservativen Kreise wieder erhoben. MögOpel=Cabri##licherweise erfährt die jetzige Verwirrung durch eine französische Kabinettskrise, die sich aus verschiedenen Gründen anzukündigen scheint, eine neue 8/38 Mercede Bendung. Praktisch würde das für Frankreich einen erwünschten Zeitgewinn bedeuten, für die übrige Welt aber das Ende jeder Hoffnung auf irgendeinen konkreten Abschluß der Genfer Arbeiten vor der Weltwirtschaftskonferenz.
Ernste englische Mahnung
W London, 24. Mai. Zu den gestrigen Vorgängen im allgemeinen Ausschuß der Genfer Abrüstungskon. serenz schreibt der liberale„News Chronicle“, mnfolge der Erklärungen des französischen Außenministers habe gestern eine düstere Stimmung geherrscht. Der britische Konventionsentwurf sei nicht gerade zerstört worden, aber der Vorgang sei entnutigend. Die sozialistische„Daily Herald“ spricht von einer neuen Störung der Verhandlungen durch Frankreich. Die unavyangige„Daily Mail“ stellt est, daß Deutschlands Haltung nach wie or versöhnlich sei, während die Franzosen ihre Unzufriedenheit bezeugten. Das Blatt bezweifelt die Nöglichkeit, bis zum Zusammentritt der Weltwirtschaftskonferenz eine Konvention zustandezubringen. „Morning=Post“, sagt, Frankreich treibe jetzt Obstruktion.„Daily Telegraph“ richtet in einem Leitartikel eine ernste Mahnung an Frankkeichs Adresse. Das Blatt sagt, die in einigen sanzösischen Blättern gezeigte Enttäuschung über die merikanische Erklärung werde in England keinen Viderhall finden. Die Zusage von Norman Davis sei peitergegangen, als erwartet werden konnte. Eine abolute Sicherheitsgarantie sei unmöglich. Der LocarnoPakt und der Vier=Mächte-Pakt, falls er zustandekommen sollte, würden Frankreich vollkommen gegen Mngriffe Schutz bieten. Wenn dies noch nicht ausreiche, ####o sei die öffentliche Meinung Englands entschieden segen jede weitere Verpflichtung. Der Genfer Korrespondent der„Times“ schreibt: Paul=Boncours Rede lt keineswegs geschickt gewesen. Er hätte es gar nicht kötig gehabt, das Wort zu ergreifen. Aber offenbar hat er an die französische öffentliche Meinung und an De unsichere Lage des fran„ösischen Kabinetts gedacht und nicht an die internationale Meinung, die gegenbärtig und besonders für Frankreich wichtig ist.
-=Sitzer Pullman=Limo
erste deutsche Man in wirklich pri# Verfassung zu al stigen Bedinaung
abzugeben.
Schr. Ang. u. 58 an die Dortm. A
Kleiner
Personenwacche
(Opel) od. ähnl. Kasse zu kauf.
Schr. Ang. u. 685
an die Dortm.
fast neu, zu verk. Westerbleichstraße 14, vart.
Mod. 30. in la Be fassung. billig verkaufen.
Friedrichstr.
Ford, 2 Sih
gau
mit 2 Notsitzen. bester Verfass.. stig zu verkaufen.
Ludwia Sandhof Castrop=Rauxel Adolf=Hitlerstr.
Tel. 2589.
Gebr. B. M. Wagen
preiswert zu verl Beuckelmann, Gutenbergstr.
Eilroen-Limousin
6/25 PS, in bei## Verf., billig abs
Haase.
Arneckestraße 29.
Limousine
mit u. ohne Fadt
Heinrich Bäcker
— Ruf 22338.—
la geraum. Limos
fährt billig. auf 325 18.
Lieserwagen frei Ruf 240 70.
Autos m. u. v. se bis 100 PS. T. 3700 Auto mit u. 99 Fahrer Tel. 340
einige sehr gute
auchte Personenkrattwa
der Stärke und Preislage s“ stig abzugeben und sten Angeboten gern zu Diens
bert& Mülle
Kaiserstraße 29— Tel. 2014
Frankreich sekundiert Polen
W Paris, 24. Mai. Polen setzt seine Quertreibektien gegen den Vier=Mächte=Pakt nun auch auf Aplomatischem Wege fort. Nach übereinstimmenden Leldungen hat Polen gestern gleichzeitig in Warschau keim französischen Botschafter und in Paris durch den elnischen Botschafter sowie in Genf bei der französiden Delegation einen besonderen Schritt unternomen. Der offiziöse„Petit Parisien“ ergreift Lse Gelegenheit, um die„Erregung“, welche die VierNächte=Verhandlungen in Genfer Kreisen der Kleinen entente und Polen hervorgerufen haben, nachdrücklich K unterstreichen. Um zu„beschwichtigen“, fügt das blatt hinzu, es sei ja noch nichts Endgültiges verein
bart und Frankreich mache eine Reihe von Vorbehalten. Eine Revision der Verträge dürfe nach Ansicht der Franzosen gar nicht ins Auge gefaßt werden. Die vier Mächte könnten sich höchstens über Methoden und Verfahren verständigen, die man anwenden könnte, soweit man den Völkerbundspakt und namentlich dessen Artikel 10, 16 und 19 in Kraft treten lassen möchte. Dem nationalistischen„Echo de Paris“ ist natürlich selbst der Widerstand des französischen Außenministers in Genf noch nicht scharf genug. Das Blatt wirft Paul=Boncour vor, er plädiere ohne Überzeugung und deute an, daß er in Paris sogar noch entgegenkommen dere Erklärungen abgeben könne.
W London, 24. Mai. Die französische Regierung soll, wie„Daily Telegraph“ meldet, bei den Verhandlungen über den Vier=Mächte=Pakt vorgeschlagen haben, in den Pakt eine Ergänzung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes(Sanktionen) einzufügen. Dieser Vorschlag stoße auf den Widerstand der briti schen Regierung.
Verheerende Feuersbrünste
68 Wohnhäuser vernichtet
TU Innsbruck, 24. Mai. Am Mittwoch früh um 2 Uhr brach in der Ortschaft Mitteldorf bei Virgen in Osttirol an vier Stellen gleichzeitig Feuer aus. In kurzer Zeit stand der ganze Ort in Flammen. 20 Wohnhäuser sind vollkommen ausgebrannt. 90 Personen sind obdachlos. Ein Teil des Viehbestandes konnte gerettet werden. Es wird ein kommunistischer Anschlag vermutet. Von der Garnison Lienz ist Militär nach Virgen abgegangen.
TU Warschau, 24. Mai. In der Nacht zum 21 Mai ist, wie erst jetzt bekannt wird, die Ortschaft Majnowo in Kongreß=Polen von einer Feuersbrunst heim gesucht worden. 48 Wohnhäuser und über 100 Wirtschaftsgebäude sind in Asche ge legt worden. Von der ganzen Ortschaft sind nur drei Wohnhäuser übrig geblieben.
Die Lage im Fernen Osten
W Paris, 24. Mai. Havas veröffentlicht heute vor
mittag eine Meldung aus Peking, wonach der Waffenstillstand zwischen China und Japan, dessen Unterzeichnung erst morgen in Miyün stattfinden sollte, bereits unterzeichnet sei. Dieser Nachricht widerspricht aber eine Meldung der Agentur Indo=Pacifique aus Peking. Danach soll in zuständigen chinesischen Kreisen erklärt worden sein, daß alle Mitteilungen über ein chinesisch=japanisches Abkommen nicht den Tatsachen entsprächen. Vielmehr habe, so meldet die Agentur Indo=Pacifique weiter, General Hoyingsching gestern abend die Räumung von Peking befohlen. Die Japaner hätten das Ultimatum gestellt, daß alle Truppen der chinesischen Zentralregierung bis Donnerstag zurückzuziehen seien. Die Chinesen befürchteten jedoch neue Verwicklungen, da sie wegen Mangels an Beförderungsmitteln diese Frist kaum einzuhalten imstande seien. Im übrigen sei gestern abend die Stadt Tschungtschau von japanischen Flugzeugen sieben Stunden lang mit Bomben belegt worden. Durch eine Bombe sei ein Tempel zerstört worden. Dabei seien zehn Personen getötet und zwanzig verletzt worden.
Die Entwicklung der Butterpreise
ENB Berlin, 24. Mai. Die Hauptgemein schaft des deutschen Einzelhandels wendet sich in einer Erklärung gegen unberechtigte Vorwürfe, die dem Einzelhandel bei der Entwicklung der Butterpreise gemacht worden seien. Wenn die Marktnotierung für einen Zentner Butter 120 Ku ab Molkerei lautet, so würde dies einen Butter=Kleinhandelspreis von 160 Kn pro Zentner ergeben, wenn man die Fracht, den Großhändlergewinn und den von den Behörden anerlannten Kleinhändlerausschlag von 16 Prozent berücksichtige. Dieser Preis werde jedoch in der Praxis nicht erreicht, weil der Einzel händler auf die Erstattung eines Teiles der Kosten in Anbetracht der gesunkenen Kaufkraft verzichtet. Bei der Butterpreisgestaltung habe der Einzelhändler also so gut wie keinen Nutzen. Er müsse diesen Ausfall bei dem Verkauf anderer Waren wieder einzubringen versuchen.
Mordtat im Schnellzug
W Paris, 24. Mai. Im Schnellzug Paris— Grenoble wurde gestern nachmittag ein unbekannter Reisender im Alter von 55 bis 60 Jahren erstochen, seines Geldes und seiner Papiere be raubt und alsdann auf den Eisenbahndamm ge worfen.
Hinrichtung eines Mädchen=Mörders
TUI Elbing, 24. Mai. In Elbing fand am Mitt wochfrüh die Hinrichtung des Mörders Paul Schi manski aus Stein aus dem Kreise Deutsch=Eylau statt. Schimanski hatte in der Nacht zum 22. Januar 1932 einen Lustmord an der 16jährigen Tochter Else seines Brotherrns Legal verübt. Er lockte das Mädchen in den Pferdestall unter dem Vorwand, ein Pferd sei krank und versuchte es zu vergewaltigen. Als das Kind sich sträubte, schlug er es mit einem Holzknüppel tot. Die Hinrichtung fand am Mittwochmorgen auf dem Gerichtshof in Elbing statt. Schimanski nahm die Verlesung des Urteils ohne Erregung auf. Er hatte als Henkersmahlzeit Schinken und Bratkartoffeln ge gessen. Die Hinrichtung wurde durch den Breslauer Hilfsscharfrichter vollzogen.
Reichskanzler Hitler besucht die Flotte
Unser Bild aus der Kieler Bucht berichtet vom Flott enbesuch des Reichskanzlers und seiner Begleitung: der Reichskanzler wird von einem Schnellboot, das neben der„Schleswig=Holstein“ angelegt hat,
an Bord des Flottenflaggschiffes gebracht.
Zur Germanisierung unseres heutigen Rechts
Ein Volk, ein Reich, ein Recht
„Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh Dir, daß Du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist, leider! nie die Frage",
läßt Goethe, der selbst Jurist, in seinem Faust in zynischer Weise ausgerechnet den Mephistopheles zu dem Schüler sagen, der sich nach dem Studium der Rechte erkundigen will. Er wollte damit die Tatsache geißeln, daß statt eines frischen Vortrages über angestammte und volkstümliche Gesetze die akademische Jugend mit einem Wust fremder Gesetze und Institute in fremder Sprache überschüttet wurden, statt der natürlichsten aller Erwartungen, das Recht ihres Volkes in seiner schönen, volltönenden Sprache vorgetragen zu hören.
Es ist leider von jeher eine nicht abzuleugnende Schwäche vieler Deutschen gewesen für alles, was aus dem Ausland kam, zu schwärmen und ihm den Vorrang einzuräumen. Auf diese Schwäche der Deutschen ist es auch letzten Endes zurückzuführen, daß das römische Recht so begeisterte Aufnahme fand(rezipiert wurde) und das deutsche Recht spielend leicht verdrängen konnte. Vor dem römischen Recht trieb man Götzendienst, während man die deutschen Rechtsinstitute für Erzeugnisse hielt, die von„mehrenteils schlechten, einfältigen und der Rechte und Zierlichkeiten unerfahrenen Leuten verfaßt seyen".
Bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts war die Rezeption praktisch vollendet, als man dazu überging, dem adeligen Amtsmann, um ihn äußerlich nicht ganz zu verdrängen, einen rechtskundigen Amtsschreiber oder Kastner zur Seite zu setzen, der ihm selbstverständlich allmählich von selbst alle Geschäfte aus der Hand nahm.
Den Abschluß der Rezeption bildete die Reichskammerverordnung von 1495, wonach Richter und Beisitzer schwören mußten„nach des Reichs gemeinen Rechten", also dem rezipierten römischen Recht zu richten.
Damit kam das deutsche Recht ins Grabgewölbe, im deutschen Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein schlief es jedoch nicht ein und bereits im 17. und 18. Jahrhundert verlangte die germanistische Richtung der Juristen sein Aufleben.
Professor J. Grimm sagte 1841 bei der Eröffnung seiner Vorlesungen an der Universität in Berlin inso weit wörtlich:„Noch geht es unserem Rechte wie unserer Sprache vor hundert Jahren; die Gelehrten hießen sie unzulänglich und sprachen in fremder Zunge, bis die großen Dichter sie ergriffen und sie nun an Macht, Fülle und Gewandtheit des Ausdrucks mit allen wetteifern kann. Auf diese Weise wird auch ein deutsches Recht erstehen, aus den alten, festen Wurzeln ein hoher Baum mit frischgewölbter Krone erwachsen.“
Als es später nach dem glücklichen Krieg gegen Frankreich Bismarck gelungen war, die Deutschen wieder zu einer Einheit zusammenzuschmieden, war es eine logische Folge, daß nunmehr das in dem Volke schlummernde Verlangen nach dem Recht seiner Ahnen eine kategorische Forderung wurde.
Im Jahre 1874 trat auch die Vorkommission zur Schaffung eines solchen Rechtes zusammen und am 18. August 1896 wurde es veröffentlicht.
Wer aber geglaubt hatte, daß Deutschland nunmehr ein Recht habe, in welchem alles Fremdartige und „Welsche“ mit eisernem Besen weggefegt sei, befand sich in einem großen Irrtum, das Werk mit seinen 2385 Paragraphen war noch lange kein volkstümliches, deutsches Rechtsbuch, vielmehr ein„fremdes Buch mit sieben Siegeln". Dies war auch kein Wunder, denn seine Verfasser steckten noch zu sehr in den Gamaschen des römischen Rechts und die traditionelle Ehrfurcht vor demselben ließ die alten, germanischen Grundsätze kaum aufkommen.
Als 1888 der erste Entwurf des Gesetzes der Kritik übergeben worden war, hatte sich dagegen ein Sturm der Entrüstung, weil viel zu romanisch eingestellt, erhoben und nur diesen Angriffen ist es zu verdanken, daß in weiterem Maße deutsche Rechtsgrundsätze, die in deutschen Rechtssprüchwörtern verkörpert waren, durchdrangen, z. B.„Kauf bricht nicht Miete“,§ 571 BGB. Weiter seien noch erwähnt:„Wo du deinen Glauben gelassen hast, da mußt du ihn suchen"(gutgläubiger Erwerb nach§ 932 BGB.),„Wer den bösen Tropfen genießt, genießt auch den guten“(das Recht auf den Ueberfall von Früchten,§ 911 BGB.),„Ein Fuhrknecht freit nicht beim Austernfrühstück“(eine Braut kann bei Auflösung des Verlöbnisses nur angemessenen Schadenersatz verlangen,§ 1298 BGB.), „Der Tote erbt den Lebendigen“.§ 1922 B6B.
So sehr dieses teilweise Zurückkehren zum deutschen Recht zu begrüßen ist, so sehr ist es aber zu bedauern, daß das Herz und die Seele des römischen Rechts, nämlich der Grundsatz der prinzipiellen Formlosigkeit aller Verträge, wie ein roter Faden unser heutiges Recht durchzieht, während nach dem alten, germanischen
Recht der größte Teil aller Rechtsgeschäfte an symbolische, fast dramatische Handlungen geknüpft war. So gab z. B. ursprünglich der Verkäufer eines Grundstückes dem Käufer in Gegenwart von Zeugen oder Gerichtsboten ein Stück Rasen und bei einer öffentlichen Versteigerung brannte ein Licht, das mit dem Zuschlag zum Erlöschen gebracht wurde. Diese Formalitäten hatten große Vorzüge. Sie brachten den Ernst des Geschäftes zum Bewußtsein, bezeichneten scharf den Abschluß gegenüber von Vorverhandlungen und sicherten den Beweis.
Bezüglich des Verkaufs von Grundstücken verlangt allerdings der§ 313 BGB. im Gegensatz zum römischen Recht gerichtliche oder notarielle Beurkundung, bestimmt aber in seinem zweiten Satz:„Ein ohne Beobachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und Eintragung in das Grundbuch erfolgen.“ Hierin liegt eine offensichtliche Kniebeuge vor dem römischen Grundsatz der Formlosigkeit; was nützt es, wenn der Hauptvertrag an die strenge Form gebunden ist und dann doch nachträglich mündliche Nebenabreden formlos gültig werden! Diese Bestimmung hat natürlich in ihrer Auslegung in der Praxis eine Flut von Prozessen zur Folge gehabt, ebenso wie der§ 167 BGB., wonach eine Vollmacht für den Verkauf eines Grundstücks nicht dem Formzwang des§ 313 BGB. unterliegt, vielmehr sogar mündlich erteilt werden kann.
Jedenfalls muß in einem neuen Recht der Satz 2 des§ 313 BGB. weg und, um Mißverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich gesagt werden:„Mündliche Nebenabreden haben keine Gültigkeit" und in§ 167 BGB. muß gesagt werden:„Die Vollmacht muß die Form haben, welche für das Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist.“ Der Herd zahlloser Prozesse wäre damit zum Erlöschen gebracht und den Gerichten viele Arbeit und Zeit erspart, was die von der Allgemeinheit so sehr ersehnte Beschleunigung der Prozesse außerordentlich unterstützen würde. Auch sollte die Dauer eines Prozesses prinzipiell auf eine bestimmte Zeit begrenzt werden.
In einem neuen Recht muß die römisch=rechtliche, grundsätzliche Formlosigkeit aller Abkommen durch den grundsätzlichen deutschen Formzwang entsprechend dem deutschen Rechtssprichwort:„Briefe sind besser, denn Zeugen“ für bestimmte Rechtsakte ersetzt werden.
Allerdings würde dadurch eine gewisse Steifheit in Handel und Wandel hineingetragen werden, aber dieser Nachteil wird dann hundertfach durch den Vorteil der Rechtssicherheit und die Tatsache aufgewogen, daß eine Unzahl von Prozessen von dem Forum des Gerichtes verschwindet. Eine Urkunde ist übrigens rasch geschrieben. Prozesse dauern aber bekanntlich Monate und Jahre.
Zum Beweise der Richtigkeit des hier Gesagten sei ur auf eine Materie, nämlich den Viehkauf verwiesen, der besonders auf dem Lande den Grund außerordentlich zahlreicher und kostspieliger Prozesse bildet. Nach 482 BGB. hat der Verkäufer eines Tieres dafür einzustehen, daß dieses gewisse Mängel(Hauptmängel) nicht hat; es ist aber bekannt, daß bei einem solchen Verkauf vieles hin und her geredet wird. Kommt es dann zum Streit, dann behauptet der Verkäufer vor Gericht, er habe gar keine Garantien übernommen, während der Käufer versichert, es seien ihm sogar Zusicherungen noch über die gesetzliche Haftung hinaus gemacht worden. Beweis: Zeugen auf der einen und Zeugen auf der anderen Seite. Wie einfach wäre die Sachlage, wenn der Richter in solchen Fällen zu der einen oder anderen Partei sagen könnte:„Was Sie da sagen, ist sehr schön, aber haben Sie es auch schriftlich?“—„Nein.“—„Schluß.“
In einem neuen Recht müßten dann auch zahlreiche Unbilligkeiten, die vorwiegend aus dem römischen Recht stammen, verschwinden, deren Zahl tatsächlich größer ist wie man denkt.
Verschwinden müssen aber auch die verschiedenen Systeme und Schattierungen des ehelichen Güterrechts mit ihren 200 Paragraphen und dafür ein einheitliches, deutsches gesetzt werden. Wer mit seiner Frau auf einer anderen Grundlage und Fasson glücklich und selig werden will, mag dies durch Vertrag tun.
Endlich ist es heute dem Deutschen wieder zum Bewußtsein gekommen, daß er ein Deutscher ist, und es soll auch die Germanisierung des heutigen Rechts erstrebt und das Römischrechtliche darin ausgeschaltet werden. Der erste Schritt auf diesem Gebiet ist bereits durch die Wiedereinführung eines der ältesten, deutschen Rechtsinstitute, des Anerben= und Höferechts, getan. Möge aber auch auf allen anderen Rechtsgebieten insoweit der Barbarossatraum des deutschen Volkes in Erfüllung gehen und der Ausspruch zur unumstößlichen Wahrheit und Tatsache werden: „Ein Volk,=ein Reich, ein Recht.“
Die heutige Ausgabe umfaßt 10 Seiten.