Donnerstag, 25. Mai 1933

1933 Nr. 241 105. Jahrgang

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Starke Enttäuschung über Paul=Boncours

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CNB Berlin, 24. Mai. Es war vorauszusehen, daß selbst die sehr zurückhaltenden Bestimmungen des englischen Konventionsentwurfs über die Material= abrüstungen bei Frankreich auf erheblichen Widerstand stoßen würden. Nicht umsonst erblickt Frankreich in seiner schweren Artillerie und Tanks zusammen mit seinen Großkampfflugzeugen die wesentlichen Elemente seiner militärischen Überlegenheit auf dem euro­päischen Kontinent, und selbst eine Anderung der außenpolitischen Linie Frankreichs hätte, wie das Beispiel der Linksregierung Daladier zeigt, mit den sehr realen Interessen der französischen Rüstungsindustrie zu rechnen. Es hat jedoch überall, wo man einen Erfolg der Abrüstungs­konferenz wünscht, insbesondere auch in sonst franko philen englischen Kreisen, eine starke Enttäu­schung hervorgerufen, daß der französische Wider stand sich in so unversöhnlicher Form äußert, wie das gestern in der Rede Paul=Boncours geschehen ist. Paul=Boncour rollte alle die Probleme wieder auf, mit deren Erörterung schon bisher zu viel Zeit ver­geudet worden ist und die im Rahmen des englischen Entwurfes nach Ansicht der übrigen Großmächte eine angemessene Berücksichtigung gefunden haben. Wenn #### Paul=Boncour die Internationalisierung der schweren Angriffswaffen forderte und ihre Zerstörung ablehnte, wenn er in derselben Rede behauptete, daß eine De­finition von Offensiv= und Defensivwaffen erst noch gefunden werden müsse und wenn er schließlich ein konzentrisches Sicherheitssystem nach Art des Genfer Protokolls von 1924 forderte, so heißt das nichts an­deres als die völlige Zerschlagung der durch den englischen Plan und die ameri­sanischen Erklärungen im Einverständnis nit den übrigen Großzmächten muysam geschaf­enen Grundlage. Es liegt in derselben Linie, wenn Frankreich nunmehr in der Frage des Vier­mächte=Paktes eine neue Sicherheitsoffen­sive entsaltet, die sich vorwiegend gegen England richtet. Das alte Verlangen, daß ngland präzise Verpflichtungen für den Fall einer Völkerbundsintervention mit militärischen und wirt­schaftlichen Sanktionen übernehmen soll, wird zur be­trächtlichen Verstimmung der englischen Zweisihigerstonservativen Kreise wieder erhoben. Mög­Opel=Cabri##licherweise erfährt die jetzige Verwirrung durch eine französische Kabinettskrise, die sich aus verschiedenen Gründen anzukündigen scheint, eine neue 8/38 Mercede Bendung. Praktisch würde das für Frankreich einen erwünschten Zeitgewinn bedeuten, für die übrige Welt aber das Ende jeder Hoffnung auf irgend­einen konkreten Abschluß der Genfer Arbeiten vor der Weltwirtschaftskonferenz.

Ernste englische Mahnung

W London, 24. Mai. Zu den gestrigen Vorgängen im allgemeinen Ausschuß der Genfer Abrüstungskon. serenz schreibt der liberaleNews Chronicle, mnfolge der Erklärungen des französischen Außenmini­sters habe gestern eine düstere Stimmung ge­herrscht. Der britische Konventionsentwurf sei nicht gerade zerstört worden, aber der Vorgang sei ent­nutigend. Die sozialistischeDaily Herald spricht von einer neuen Störung der Verhandlungen durch Frankreich. Die unavyangigeDaily Mail stellt est, daß Deutschlands Haltung nach wie or versöhnlich sei, während die Franzosen ihre Unzufriedenheit bezeugten. Das Blatt bezweifelt die Nöglichkeit, bis zum Zusammentritt der Weltwirt­schaftskonferenz eine Konvention zustandezubringen. Morning=Post, sagt, Frankreich treibe jetzt Obstruktion.Daily Telegraph richtet in einem Leitartikel eine ernste Mahnung an Frank­keichs Adresse. Das Blatt sagt, die in einigen sanzösischen Blättern gezeigte Enttäuschung über die merikanische Erklärung werde in England keinen Viderhall finden. Die Zusage von Norman Davis sei peitergegangen, als erwartet werden konnte. Eine ab­olute Sicherheitsgarantie sei unmöglich. Der Locarno­Pakt und der Vier=Mächte-Pakt, falls er zustande­kommen sollte, würden Frankreich vollkommen gegen Mngriffe Schutz bieten. Wenn dies noch nicht ausreiche, ####o sei die öffentliche Meinung Englands entschieden segen jede weitere Verpflichtung. Der Genfer Korre­spondent derTimes schreibt: Paul=Boncours Rede lt keineswegs geschickt gewesen. Er hätte es gar nicht kötig gehabt, das Wort zu ergreifen. Aber offenbar hat er an die französische öffentliche Meinung und an De unsichere Lage des franösischen Kabinetts gedacht und nicht an die internationale Meinung, die gegen­bärtig und besonders für Frankreich wichtig ist.

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Frankreich sekundiert Polen

W Paris, 24. Mai. Polen setzt seine Quertreibe­ktien gegen den Vier=Mächte=Pakt nun auch auf Aplomatischem Wege fort. Nach übereinstimmenden Leldungen hat Polen gestern gleichzeitig in Warschau keim französischen Botschafter und in Paris durch den elnischen Botschafter sowie in Genf bei der französi­den Delegation einen besonderen Schritt unternom­en. Der offiziösePetit Parisien ergreift Lse Gelegenheit, um dieErregung, welche die Vier­Nächte=Verhandlungen in Genfer Kreisen der Kleinen entente und Polen hervorgerufen haben, nachdrücklich K unterstreichen. Um zubeschwichtigen, fügt das blatt hinzu, es sei ja noch nichts Endgültiges verein­

bart und Frankreich mache eine Reihe von Vorbehal­ten. Eine Revision der Verträge dürfe nach Ansicht der Franzosen gar nicht ins Auge gefaßt werden. Die vier Mächte könnten sich höchstens über Methoden und Verfahren verständigen, die man anwenden könnte, so­weit man den Völkerbundspakt und namentlich dessen Artikel 10, 16 und 19 in Kraft treten lassen möchte. Dem nationalistischenEcho de Paris ist natür­lich selbst der Widerstand des französischen Außenmini­sters in Genf noch nicht scharf genug. Das Blatt wirft Paul=Boncour vor, er plädiere ohne Überzeugung und deute an, daß er in Paris sogar noch entgegenkommen dere Erklärungen abgeben könne.

W London, 24. Mai. Die französische Regierung soll, wieDaily Telegraph meldet, bei den Verhandlungen über den Vier=Mächte=Pakt vorgeschla­gen haben, in den Pakt eine Ergänzung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes(Sanktionen) einzufügen. Dieser Vorschlag stoße auf den Widerstand der briti schen Regierung.

Verheerende Feuersbrünste

68 Wohnhäuser vernichtet

TU Innsbruck, 24. Mai. Am Mittwoch früh um 2 Uhr brach in der Ortschaft Mitteldorf bei Virgen in Osttirol an vier Stellen gleichzeitig Feuer aus. In kurzer Zeit stand der ganze Ort in Flammen. 20 Wohnhäuser sind vollkom­men ausgebrannt. 90 Personen sind obdachlos. Ein Teil des Viehbestandes konnte gerettet werden. Es wird ein kommunistischer Anschlag vermutet. Von der Garnison Lienz ist Militär nach Virgen abgegangen.

TU Warschau, 24. Mai. In der Nacht zum 21 Mai ist, wie erst jetzt bekannt wird, die Ortschaft Maj­nowo in Kongreß=Polen von einer Feuersbrunst heim gesucht worden. 48 Wohnhäuser und über 100 Wirtschaftsgebäude sind in Asche ge legt worden. Von der ganzen Ortschaft sind nur drei Wohnhäuser übrig geblieben.

Die Lage im Fernen Osten

W Paris, 24. Mai. Havas veröffentlicht heute vor­

mittag eine Meldung aus Peking, wonach der Waffenstillstand zwischen China und Japan, dessen Unterzeichnung erst morgen in Miyün statt­finden sollte, bereits unterzeichnet sei. Dieser Nachricht widerspricht aber eine Meldung der Agentur Indo=Pacifique aus Peking. Danach soll in zuständigen chinesischen Kreisen erklärt worden sein, daß alle Mitteilungen über ein chinesisch=japanisches Abkommen nicht den Tatsachen entsprächen. Vielmehr habe, so meldet die Agentur Indo=Pacifique weiter, General Hoyingsching gestern abend die Räumung von Peking befohlen. Die Japaner hätten das Ultimatum gestellt, daß alle Truppen der chinesischen Zentralregie­rung bis Donnerstag zurückzuziehen seien. Die Chine­sen befürchteten jedoch neue Verwicklungen, da sie wegen Mangels an Beförderungsmitteln diese Frist kaum einzuhalten imstande seien. Im übrigen sei gestern abend die Stadt Tschungtschau von japanischen Flugzeugen sieben Stunden lang mit Bomben belegt worden. Durch eine Bombe sei ein Tempel zerstört worden. Dabei seien zehn Personen getötet und zwanzig verletzt worden.

Die Entwicklung der Butterpreise

ENB Berlin, 24. Mai. Die Hauptgemein schaft des deutschen Einzelhandels wen­det sich in einer Erklärung gegen unberechtigte Vor­würfe, die dem Einzelhandel bei der Entwicklung der Butterpreise gemacht worden seien. Wenn die Markt­notierung für einen Zentner Butter 120 Ku ab Molkerei lautet, so würde dies einen Butter=Klein­handelspreis von 160 Kn pro Zentner ergeben, wenn man die Fracht, den Großhändlergewinn und den von den Behörden anerlannten Kleinhändlerausschlag von 16 Prozent berücksichtige. Dieser Preis werde jedoch in der Praxis nicht erreicht, weil der Einzel händler auf die Erstattung eines Teiles der Kosten in Anbetracht der gesunkenen Kaufkraft verzichtet. Bei der Butterpreisgestaltung habe der Einzelhändler also so gut wie keinen Nutzen. Er müsse diesen Ausfall bei dem Verkauf anderer Waren wieder einzubringen versuchen.

Mordtat im Schnellzug

W Paris, 24. Mai. Im Schnellzug Paris Grenoble wurde gestern nachmittag ein unbekannter Reisender im Alter von 55 bis 60 Jahren erstochen, seines Geldes und seiner Papiere be raubt und alsdann auf den Eisenbahndamm ge worfen.

Hinrichtung eines Mädchen=Mörders

TUI Elbing, 24. Mai. In Elbing fand am Mitt wochfrüh die Hinrichtung des Mörders Paul Schi manski aus Stein aus dem Kreise Deutsch=Eylau statt. Schimanski hatte in der Nacht zum 22. Januar 1932 einen Lustmord an der 16jährigen Tochter Else seines Brotherrns Legal verübt. Er lockte das Mäd­chen in den Pferdestall unter dem Vorwand, ein Pferd sei krank und versuchte es zu vergewaltigen. Als das Kind sich sträubte, schlug er es mit einem Holzknüppel tot. Die Hinrichtung fand am Mittwochmorgen auf dem Gerichtshof in Elbing statt. Schimanski nahm die Verlesung des Urteils ohne Erregung auf. Er hatte als Henkersmahlzeit Schinken und Bratkartoffeln ge gessen. Die Hinrichtung wurde durch den Breslauer Hilfsscharfrichter vollzogen.

Reichskanzler Hitler besucht die Flotte

Unser Bild aus der Kieler Bucht berichtet vom Flott enbesuch des Reichskanzlers und seiner Begleitung: der Reichskanzler wird von einem Schnellboot, das neben derSchleswig=Holstein angelegt hat,

an Bord des Flottenflaggschiffes gebracht.

Zur Germanisierung unseres heutigen Rechts

Ein Volk, ein Reich, ein Recht

Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh Dir, daß Du ein Enkel bist!

Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist, leider! nie die Frage",

läßt Goethe, der selbst Jurist, in seinem Faust in zynischer Weise ausgerechnet den Mephistopheles zu dem Schüler sagen, der sich nach dem Studium der Rechte erkundigen will. Er wollte damit die Tatsache geißeln, daß statt eines frischen Vortrages über ange­stammte und volkstümliche Gesetze die akademische Jugend mit einem Wust fremder Gesetze und Institute in fremder Sprache überschüttet wurden, statt der natürlichsten aller Erwartungen, das Recht ihres Volkes in seiner schönen, volltönenden Sprache vorge­tragen zu hören.

Es ist leider von jeher eine nicht abzuleugnende Schwäche vieler Deutschen gewesen für alles, was aus dem Ausland kam, zu schwärmen und ihm den Vor­rang einzuräumen. Auf diese Schwäche der Deutschen ist es auch letzten Endes zurückzuführen, daß das römische Recht so begeisterte Aufnahme fand(rezi­piert wurde) und das deutsche Recht spielend leicht verdrängen konnte. Vor dem römischen Recht trieb man Götzendienst, während man die deutschen Rechts­institute für Erzeugnisse hielt, die vonmehrenteils schlechten, einfältigen und der Rechte und Zierlichkeiten unerfahrenen Leuten verfaßt seyen".

Bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts war die Rezeption praktisch vollendet, als man dazu über­ging, dem adeligen Amtsmann, um ihn äußerlich nicht ganz zu verdrängen, einen rechtskundigen Amts­schreiber oder Kastner zur Seite zu setzen, der ihm selbstverständlich allmählich von selbst alle Geschäfte aus der Hand nahm.

Den Abschluß der Rezeption bildete die Reichs­kammerverordnung von 1495, wonach Richter und Bei­sitzer schwören mußtennach des Reichs gemeinen Rechten", also dem rezipierten römischen Recht zu richten.

Damit kam das deutsche Recht ins Grabgewölbe, im deutschen Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein schlief es jedoch nicht ein und bereits im 17. und 18. Jahrhun­dert verlangte die germanistische Richtung der Juristen sein Aufleben.

Professor J. Grimm sagte 1841 bei der Eröffnung seiner Vorlesungen an der Universität in Berlin inso weit wörtlich:Noch geht es unserem Rechte wie un­serer Sprache vor hundert Jahren; die Gelehrten hießen sie unzulänglich und sprachen in fremder Zunge, bis die großen Dichter sie ergriffen und sie nun an Macht, Fülle und Gewandtheit des Ausdrucks mit allen wetteifern kann. Auf diese Weise wird auch ein deut­sches Recht erstehen, aus den alten, festen Wurzeln ein hoher Baum mit frischgewölbter Krone erwachsen.

Als es später nach dem glücklichen Krieg gegen Frankreich Bismarck gelungen war, die Deutschen wie­der zu einer Einheit zusammenzuschmieden, war es eine logische Folge, daß nunmehr das in dem Volke schlummernde Verlangen nach dem Recht seiner Ahnen eine kategorische Forderung wurde.

Im Jahre 1874 trat auch die Vorkommission zur Schaffung eines solchen Rechtes zusammen und am 18. August 1896 wurde es veröffentlicht.

Wer aber geglaubt hatte, daß Deutschland nunmehr ein Recht habe, in welchem alles Fremdartige und Welsche mit eisernem Besen weggefegt sei, befand sich in einem großen Irrtum, das Werk mit seinen 2385 Paragraphen war noch lange kein volkstümliches, deutsches Rechtsbuch, vielmehr einfremdes Buch mit sieben Siegeln". Dies war auch kein Wun­der, denn seine Verfasser steckten noch zu sehr in den Gamaschen des römischen Rechts und die traditionelle Ehrfurcht vor demselben ließ die alten, germanischen Grundsätze kaum aufkommen.

Als 1888 der erste Entwurf des Gesetzes der Kritik übergeben worden war, hatte sich dagegen ein Sturm der Entrüstung, weil viel zu romanisch eingestellt, er­hoben und nur diesen Angriffen ist es zu verdanken, daß in weiterem Maße deutsche Rechtsgrundsätze, die in deutschen Rechtssprüchwörtern verkörpert waren, durchdrangen, z. B.Kauf bricht nicht Miete,§ 571 BGB. Weiter seien noch erwähnt:Wo du deinen Glauben gelassen hast, da mußt du ihn suchen"(gut­gläubiger Erwerb nach§ 932 BGB.),Wer den bösen Tropfen genießt, genießt auch den guten(das Recht auf den Ueberfall von Früchten,§ 911 BGB.),Ein Fuhrknecht freit nicht beim Austernfrühstück(eine Braut kann bei Auflösung des Verlöbnisses nur an­gemessenen Schadenersatz verlangen,§ 1298 BGB.), Der Tote erbt den Lebendigen.§ 1922 B6B.

So sehr dieses teilweise Zurückkehren zum deutschen Recht zu begrüßen ist, so sehr ist es aber zu bedauern, daß das Herz und die Seele des römischen Rechts, nämlich der Grundsatz der prinzipiellen Formlosigkeit aller Verträge, wie ein roter Faden unser heutiges Recht durchzieht, während nach dem alten, germanischen

Recht der größte Teil aller Rechtsgeschäfte an sym­bolische, fast dramatische Handlungen geknüpft war. So gab z. B. ursprünglich der Verkäufer eines Grund­stückes dem Käufer in Gegenwart von Zeugen oder Gerichtsboten ein Stück Rasen und bei einer öffent­lichen Versteigerung brannte ein Licht, das mit dem Zuschlag zum Erlöschen gebracht wurde. Diese Formali­täten hatten große Vorzüge. Sie brachten den Ernst des Geschäftes zum Bewußtsein, bezeichneten scharf den Abschluß gegenüber von Vorverhandlungen und sicher­ten den Beweis.

Bezüglich des Verkaufs von Grundstücken verlangt allerdings der§ 313 BGB. im Gegensatz zum römi­schen Recht gerichtliche oder notarielle Beurkundung, bestimmt aber in seinem zweiten Satz:Ein ohne Be­obachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflas­sung und Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Hierin liegt eine offensichtliche Kniebeuge vor dem römischen Grundsatz der Formlosigkeit; was nützt es, wenn der Hauptvertrag an die strenge Form gebunden ist und dann doch nachträglich mündliche Nebenabreden formlos gültig werden! Diese Bestimmung hat natür­lich in ihrer Auslegung in der Praxis eine Flut von Prozessen zur Folge gehabt, ebenso wie der§ 167 BGB., wonach eine Vollmacht für den Verkauf eines Grundstücks nicht dem Formzwang des§ 313 BGB. unterliegt, vielmehr sogar mündlich erteilt werden kann.

Jedenfalls muß in einem neuen Recht der Satz 2 des§ 313 BGB. weg und, um Mißverständnissen vor­zubeugen, ausdrücklich gesagt werden:Mündliche Nebenabreden haben keine Gültigkeit" und in§ 167 BGB. muß gesagt werden:Die Vollmacht muß die Form haben, welche für das Rechtsgeschäft vorge­schrieben ist. Der Herd zahlloser Prozesse wäre damit zum Erlöschen gebracht und den Gerichten viele Arbeit und Zeit erspart, was die von der Allgemeinheit so sehr ersehnte Beschleunigung der Prozesse außerordentlich unterstützen würde. Auch sollte die Dauer eines Prozesses prinzipiell auf eine bestimmte Zeit begrenzt werden.

In einem neuen Recht muß die römisch=rechtliche, grundsätzliche Formlosigkeit aller Abkommen durch den grundsätzlichen deutschen Formzwang entsprechend dem deutschen Rechtssprichwort:Briefe sind besser, denn Zeugen für bestimmte Rechtsakte ersetzt werden.

Allerdings würde dadurch eine gewisse Steifheit in Handel und Wandel hineingetragen werden, aber dieser Nachteil wird dann hundertfach durch den Vorteil der Rechtssicherheit und die Tatsache aufgewogen, daß eine Unzahl von Prozessen von dem Forum des Gerichtes verschwindet. Eine Urkunde ist übrigens rasch geschrie­ben. Prozesse dauern aber bekanntlich Monate und Jahre.

Zum Beweise der Richtigkeit des hier Gesagten sei ur auf eine Materie, nämlich den Viehkauf verwiesen, der besonders auf dem Lande den Grund außerordent­lich zahlreicher und kostspieliger Prozesse bildet. Nach 482 BGB. hat der Verkäufer eines Tieres dafür ein­zustehen, daß dieses gewisse Mängel(Hauptmängel) nicht hat; es ist aber bekannt, daß bei einem solchen Verkauf vieles hin und her geredet wird. Kommt es dann zum Streit, dann behauptet der Verkäufer vor Gericht, er habe gar keine Garantien übernommen, während der Käufer versichert, es seien ihm sogar Zu­sicherungen noch über die gesetzliche Haftung hinaus gemacht worden. Beweis: Zeugen auf der einen und Zeugen auf der anderen Seite. Wie einfach wäre die Sachlage, wenn der Richter in solchen Fällen zu der einen oder anderen Partei sagen könnte:Was Sie da sagen, ist sehr schön, aber haben Sie es auch schrift­lich?Nein.Schluß.

In einem neuen Recht müßten dann auch zahlreiche Unbilligkeiten, die vorwiegend aus dem römischen Recht stammen, verschwinden, deren Zahl tatsächlich größer ist wie man denkt.

Verschwinden müssen aber auch die verschiedenen Systeme und Schattierungen des ehelichen Güterrechts mit ihren 200 Paragraphen und dafür ein einheitliches, deutsches gesetzt werden. Wer mit seiner Frau auf einer anderen Grundlage und Fasson glücklich und selig werden will, mag dies durch Vertrag tun.

Endlich ist es heute dem Deutschen wieder zum Be­wußtsein gekommen, daß er ein Deutscher ist, und es soll auch die Germanisierung des heutigen Rechts er­strebt und das Römischrechtliche darin ausgeschaltet werden. Der erste Schritt auf diesem Gebiet ist bereits durch die Wiedereinführung eines der ältesten, deut­schen Rechtsinstitute, des Anerben= und Höfe­rechts, getan. Möge aber auch auf allen anderen Rechtsgebieten insoweit der Barbarossatraum des deut­schen Volkes in Erfüllung gehen und der Ausspruch zur unumstößlichen Wahrheit und Tatsache werden: Ein Volk,=ein Reich, ein Recht.

Die heutige Ausgabe umfaßt 10 Seiten.