Julan
(Schluß des gestern abgebrochenen Artikels aus der Trier. Zig.: Von der Westpreußischen Gränze, vom 5. Nov.)
Zu Friedrich des Großen Zeit war es nur in genannten beiden Waffen gestattet, Bürgerlichen Offizierstellen zu ertheilen. Man war dazu gezwungen. Und so mag sich noch aus jener Zeit der Bürgerstand hier fortgepflanzt haben. Aber es liegt in der Natur der Sache, daß schon damals die adeligen Herren mit Geringschätzung auf zwei Waffen herabsahen, in denen nur Plebejer und einige Adlige den Degen führten, die man als Abgefallene betrachtete. Der Adlige hielt es daher noch lange Zeit hindurch gleichsam für eine Herabsetzung seiner Person, in ein Korps zu treten, in welchem er nach seiner Ansicht nicht unter„Seinesgleichen" stand. Dieses, wie manches andere verrostete Vorurtheil trägt zwar den Keim der Verwesung in seinem Schoße, aber das 19. Jahrhundert hat sein Todtenfest noch nicht gefeiert. In Berlin kann man sich noch heute überzeugen, mit welchem se rendre, wie der Franzose sagt, der GardeOffizier auf den Linien=Offizier herabblickt. Jener muß sich also wohl für besser důnken. Warum? Ja da wůßten wir wahrlich keinen andern Grund, als weil er sein Korps als unvermischter höher stellt. Man schließe, wie tief in den Augen solcher Herren nun gar ein Artillerie=, Jngenieur= oder Landwehr=Offizier stehen muß. Es ist wahr, wenn man unter den Linden auf und ab geht, so nehmen sich die geschmeidige Figur, der adrette stramme Anzug, die blitzenden Lützen und die stolze Haltung eines Garde=Kavallerie= oder Jn= fanterie=Offiziers ganz gut aus. Es schmeichelt dem Auge. Allein wer einsteht, daß das noch nicht den Helden macht, dem fallen unwillkürlich die Worte des alten Fritze in Bezug auf seine Truppen ein, mit denen er aus Schlesien auf dem Zorndorfer Schlachtfelde eintraf: Sie sehen aus wie die Grasteufel, aber sie beißen gut! Es wird Niemand auffallen, wenn die Armee mehr adelige als bürger= liche Offiziere zählt. Der Adel wird immer in größerer Anzahl die militärische Laufbahn einschlagen. Aber daß einzelne Regimenter, einzelne Korps, wie das Garde=Korps, mit Ausschluß der Artillerie, die Bürgerlichen immer mehr zu verdrängen suchen und ihnen das Avancement zum Offizier ganz abschneiden, ist ganz unzeitgemäß und in keiner Beziehung zu entschuldigen. Es wird dadurch nur Mißmuth, Erbitterung, ja Haß auf der andern Seite erzeugt und stimmt sehr schlecht zu der vielgepriesenen Einheit und Eintracht, welche alle Stände der deutschen Nation beleben sollen. Die Garde lasse einen Nimbus fallen, den sie in den Augen des Volkes längst nicht mehr hat. Man vermeide selbst den Schein, als wäre der Adel gegen den Bürgerstand begünstigt. Dasselbe beziehen wir auch auf den Civilstand. Niemand wird gegen Männer wie Vincke, Bodelschwingh und viele andere Adelige auf hohen Stufen etwas einzuwenden haben; aber wenn das Verhältniß, in welchem die höheru Stellen mit Adeligen besetzt werden, zu auffallend zunimmt, so können wir dennoch nicht umhin, Reflexionen darüber anzustellen, die anderer Art sind, als die in den Schlußbemerkungen der„Statistik" angedeuteten, so lange wir daran zweifeln müssen, daß irgend ein Staat sich schon zu jener geistigen Höhe emporgeschwungen habe, um mit Hintenansetzung aller anderweitigen Rücksichten nur dem wahren Verdienste immer die Krone aufzusetzen und, was sogar nicht unter allen Umständen möchte ausgeführt werden können, bei Besetzung der Stellen Talent und Fähigkeiten allein entscheiden zu lassen. Auf dieser Stufe steht noch keiner der modernen Staaten. Wir sprechen hierüber ganz vorurtheilsfrei, ohne irgend ein persönliches Interesse bei der Sache zu haben, und sind sogar der Meinung, daß, wenn man bei Besetzung eines höheren, besonders Civilpostens, der im Frieden jederzeit größere Wichtigkeit hat, zwischen einem Bürgerlichen und Adeligen mit gleichen Fähigkeiten und Talenten, mit gleich humanen Grundsätzen und zeitgemäßen Ansichten zu wählen habe, man sich lieber für den Adeligen entscheiden solle, weil der Bürgerliche leichter in Verdacht geräth, nicht im Interesse der Regierung zu handeln, was diesem dann sein Wirken sehr erschwert oder bei einem schwankenden Charakter von seiner frühern Richtung ableitet und ihn zu einem politischen Renegaten macht, dem wir unsere Achtung eben so wenig zollen können, als dem religiösen Renegaten.
Hierin liegt der Grund, warum Männer, welche früher geachtet und geliebt von ihren Umgebungen waren, deren Namen einen guten Klang im Volke hatten, auf der Höhe angelangt, zum geschmeidigen Werkzeug Derer wurden, die für die erhabeneren Lebenszwecke, für höhere Jnteressen und Bedürfnisse, für gerechte Wünsche des Vaterlandes kein Herz haben. Dieser Wahn, der in der Voraussetzung liegt, als wüsse der Adelige von Haus aus mehr an das
Interesse der Regierung gefesselt seyn, scheint leider noch keineswegs ganz gebrochen, obwohl die Erfahrung gelehrt hat, daß durch ihn schon so manches edle Vorhaben, so manches herrliche Unternehmen, welche die Menschheit beglückt haben würde, so manche vortreffliche Natur im Entstehen erstickt wurden. Die Folge des Vertrauens zu diesem Hirngespinst haben sich in den Jahren 1806 und 1807 mit blutigen Ziffern in die Blätter der Geschichte eingedrückt und mancher Staat stände heute groß, mächtig und blühend da, hätte ihn nicht der Glaube an jenes Phantom im Fortschritt zurückgehalten. In allen Staaten hat es eine Zeit gegeben, in der es sich zwischen das Herz des Fürsten und seines Volkes drängte, und noch heute verwandelt es, wo es sich geltend macht, die Liebe in Argwohn, die Kraft in Schwäche, darum, wer es treu mit seinem Fürsten und seinem Vaterlande meint, wird diesem Gespenst nicht noch den Mantel der Glaubwürdigkeit umhängen, sondern nachzuweisen suchen, daß es nur eine Vision sey. Wir Bürgerlichen wollen dem Adel gern seine Erinnerungen lassen und finden es ganz verzeihlich, wenn er sich mit Vorliebe, mit einiger Eitelkeit in sie zurückträumt. Wenn er sich aber besser dünkt, wähnt aus anderem Thon geformt zu seyn als wir, wenn er glaubt, daß nur er zum Befehlen, wir zum Gehorchen geboren sind, wenn er glaubt, wir müßten uns noch glücklich schätzen, ein Paar Brosamen von den Tafeln der Großen zugeworfen zu erhal= ten— dann müssen wir protestiren, protestiren wie gegen die Schlußbemerkungen des besagten Artikels, der unsere Stimme, die wahrlich nicht vereinzelt da steht, herausforderte. Die dort angegebenen Zahlen zu benutzen, uns zu beweisen, um wie viel Mal der Adelsstand klüger sey, als der Bürgerstand, machte in unserer Gegend einen zu ungünstigen Eindruck, als daß wir dergleichen schweigend hätten hinnehmen können. Man glaube doch nur, daß man dem gebildeten, vorurtheilsfreien Adeligen, an denen wir jetzt keineswegs mehr arm sind, mit derlei gar keinen Dienst leistet. Lassen wir doch endlich das Vergangene als Vergangenes fallen und betrachten wir es vielmehr als Uebergangsstufe einer neuen Zeitepoche, als Lehrer für die Zukunft. Aller Glanz, der nicht durch eigene Verdienste, durch Verdienste ums Vaterland erworben, gleicht der leuchtenden Fäulniß, wie sie des Nachts das morsche Holz erzeugt. Der Adel isolire sich nicht vom Volke. Er bedenke, daß die Erhaltungskräfte des Staats nicht außerhalb dem Volke, sondern in ihm niedergelegt sind. Der moralische Einflaß zeitgemäßer Ideen wächst in den Gemüthern zusehends und gewinnt täglich mehr Allgemeinheit. Vertrauen, durch Annäherung, durch Handschlag erzeugt Vertrauen, wie Liebe die Liebe. Jede Absonderung, jede Bevorrechtung aber eines Standes auf Kosten anderer erzeugt Parteien und einen Kampf von Leidenschaften, der im Stillen oder öffentlich so lange fortbesteht, bis der Anlaß gehoben. Ein Jeder steuere nach seinen Kräften bei zun geistigen Dombau unseres Vaterlandes, und Keiner verschwende nutzlos seine Kräfte, der zusammengeschrumpften Mumie der Vergangenheit neues Leben einzuhauchen. Betrachtet uns, ihr Adeligen, als Brüder, und seyd es auch nur als die jüngeren Brüder— glaubet, ihr findet bei uns warme Herzen.
Berlin, vom 10. Nov. Die Staatskasse hat, ohne Unterschied der Klasse und des Standes, jedem Abgeordneten per Tag, von der Zeit der Abreise an gerechnet, 3 Thlr., und für jede Postmeile nach den resp. Entfernungen 1 Thlr. 10 Sgr. ausgezahlt.(S. d. vorgestr. Düss. Z.)
— Der ehemalige pölnische General, Graf Skrzynecki, ist gestern von Paris hier angekommen.(Hb. C.)
Berlin, vom 11. Nov. Die Mitglieder der Ausschüsse, tüchtige Mänuer aus allen Provinzen, haben sich hier die Hand gedrückt und werden die gewonnenen Einsichten auf den nächsten Provinziallandtagen geltend machen; sie werden in den verschiedenen Provinzen gleichlautende Petitionen an den König beantragen. Mehrere der Abgeordneten hatten ihre Familien bei sich, sodaß nun aus innigerm Umgang um so mehr ein freundschaftliches Band sich durch verschiedene Provinzen schlingt. Manche Familie in Berlin wünscht, wenn es anders erlaubt ist, bei so großen öffentlichen Interessen auch noch der stillen Privatgefühle zu erwähnen, daß ordentliche Reichsstände uns künftig in regelmäßigen Perioden die liebgewonnenen Gäste zurückführen mögen.(L. A. Z.)
— Se. Maj. der König haben aus Sanssouci den 19. Okt. folgende Kabinetsordre erlassen:„Ich habe der evangelischen Gemeinde zu Linz behufs ihrer Unterstützung zur Erbauung eines eigenen Berhauses die in der Eingabe ihrer Vorsteher vom 7. Mai d. J. erbetene Kirchen=Collecte bewilligt und die Minister der geistlichen Angelegenheiten und des Innern angewiesen, demnächst das Weitere zu verfügen. Friedrich Wilhelm."