Nr. 17.

Montag den 17. Januar.

1842

Preußen.

Berlin, vom 8. Jan. Der Entschluß Oestreichs, großartige Bahnen auf Staatskosten zu bauen, hat hier den größten Eindruck gemacht, und die ähnlichen Ansichten und Plane in Erinnerung ge­bracht; welche hier vor fünf Jahren von dem Chef des Postdeparte­ments, Hrn. v. Nagler, vorgelegt, aber abgelehnt wurden. Man glaubt, daß nun doch auch Preußen dem Beispiele Oestreichs folgen, und nicht allein die Bahn nach dem Rhein in Gemeinschaft mit den thüringischen und hessischen Fürsten, oder die durch Westphalen mit­telst Unterstützung einer Aktiengesellschaft bauen helfen werde, son­dern daß auch auf alleinige Staatskosten eine Bahn nach Breslau und durch die polnische Provinz zur Verbindung mit Warschau, eine andere aber durch Pommern und Preußen geführt werden wird. Wir dürfen von dem eindringenden Blick und dem lebhaften Interesse un­seres Königs für industrielle Unternehmungen Großartiges erwarten, wo immer es darauf ankommt, höhere Staatsinteressen mit Energie zu verfolgen.(Ob. 3.)

Vom 11. Januar. Leider muß ich Ihnen melden, daß Professor Osann heute Morgen, während er seine Kranken besuchte, vom Schlage getroffen worden ist. Alle Bemühungen, sein Leben zu ret­ten, sind vergeblich gewesen.(Köln. Z.)

Berlin, vom 13. Jan. In Bezug auf die Handhabung der Censur ist nachstehendes Cirkulare an sämmtliche königl. Ober=Präsi­dien erlassen worden:*)

Zur Herbeiführung einer größeren Gleichförmigkeit bei Ausübung der Censur, und um schon jetzt die Presse von unstatthaften nicht in der Allerhöchsten Absicht liegenden Beschränkungen zu befreien, haben Se. Maj. der König durch eine an das königl. Staats=Ministerium am 10. d. M. erlassene Allerhöchste Ordre jeden ungebührlichen Zwang der schriftstellerischen Thätigkeit ausdrücklich zu mißbilligen und, un­ter Anerkennung des Werths und des Bedürfnisses einer freimüthigen und anständigen Publizität, uns zu ermächtigen geruht, die Censoren zur angemessenen Beachtung des Art. 2 des Censur=Edikts vom 18. Ökt. 1819 von neuem anzuweisen.

Nach diesem Gesetz soll die Censur keine ernsthafte und bescheidene Untersuchung der Wahrheit hindern, noch den Schriftstellern unge­bührlichen Zwang auflegen, noch den freien Verkehr des Buchhandels hemmen. Ihr Zweck ist:demjenigen zu steuern, was den allgemei­nen Grundsätzen der Religion zuwider ist", zu unterdrücken,was die Moral und guten Sitten beleidigt, dem fanatischen Herüber­ziehen von religiösen Glaubenssätzen in die Politik und der dadurch entstehenden Begriffs=Verwirrung entgegenzutreten; endlich zu ver­hüten, was die Würde und Sicherheit sowohl des preuß. Staats, als der übrigen deutschen Bundesstaaten verletzt."

Die Censur soll also keinesweges in einem engherzigen, über die­ses Gesetz hinausgehenden Sinne, gehandhabt werden. Der Censor kann eine freimüthige Besprechung auch der inneren Landes-Ange­legenheiten sehr wohl gestatten. Die unverkennbare Schwierigkeit, hierfür die richtigen Gränzen aufzufinden, darf von dem Streben, der wahren Absicht des Gesetzes vollkommen zu genügen, nicht ab­schrecken, noch zu jener Aengstlichkeit verleiten, wie sie nur zu oft schon zu Mißdeutungen über die Absichten des Gouvernements Ver­anlassung gegeben hat." Bleibt es gleich unmöglich, im Wege der Instruktion Verhaltungs=Maßregeln für alle einzelne Fälle zu erthei­len: so wird die Bildungsstufe und die äußere Stellung der Cen­soren doch dafür eine sichere Bürgschaft gewähren, daß ihrer Umsicht die Auffindung einer richtigen Mitte zwischen den Extremen gelingen und dadurch sowohl dem Bedürfniß freierer wissenschaftlicher Erör­terung, als die Pflicht, den Einzelnen wie die Gesammtheit in allen ihren höheren Interessen vor feindseligen und böswilligen Angriffen zu sichern, in befriedigender Weise genügt werde.

Hieraus folgt insbesondere, daß Schriften, in denen die Staats­Verwaltung im Ganzen oder in einzelnen Zweigen gewürdigt, erlas­sene oder noch zu erlassende Gesetze nach ihrem innern Werthe ge­prüft, Fehler und Mißgriffe aufgedeckt, Verbesserungen angedeutet oder in Vorschlag gebracht werden, um deswillen, weil sie in einem anderen Sinne, als dem der Regierung geschrieben, nicht zu verwer­fen sind, wenn nur ihre Fassung anständig und ihre Tendenz wohl­meinend ist. In welchem Umfang derartige Erörterungen, welche die Maßregeln des Gouvernements einer Kritik unterwerfen, zur Publi­zität verstattet werden können, beweiset unter Anderem die Ausdeh­

*) Hindernisse, welche die Redaktion d. Bl. nicht beseitigen konnte, sind Ursache, daß dieses wichtige Aktenstück, welches bereits die rheinischen und westphälischen Blätter enthielten, erst heute nach der preuß. Staatsztg. mitgetheilt wird.

nung, in welcher die Verhandlungen der Rheinischen Provinzial­stände in die öffentlichen Blätter übergegangen sind. Es ist aber dabei eine unerläßliche Voraussetzung, daß die Tendenz der gegen die Maßregeln der Regierung ausgesprochenen Erinnerungen nicht ge­hässig und böswillig, sondern wohlmeinend sey, und es muß von dem Censor der gute Wille und die Einsicht verlangt werden, daß er zu unterscheiden wisse, wo das Eine und das Andere der Fall ist.

Mit Rücksicht hierauf haben die Censoren ihre Aufmerksamkeit auch besonders auf die Form und den Ton der Sprache der Druckschriften zu richten, und insofern durch Leidenschaftlichkeit, Heftigkeit und An­maßung ihre Tendenz sich als eine verderbliche darstellt, deren Druck nicht zu gestatten. Alles, was wider die christliche Religion im All­gemeinen oder wider einen bestimmten Lehrbegriff auf eine frivole, feindselige Weise gerichtet ist, darf nicht geduldet werden, und ebenso wenig dasjenige, wodurch Zucht und Sitte und äußere Anständigkeit verletzt werden.

Beleidigende Aeußerungen und ehrenkränkende Urtheile über einzelne Personen sind nicht zum Druck geeignet. Dasselbe gilt von Verdäch­tigung der Gesinnung Einzelner oder ganzer Klassen, vom Gebrauch von Parteinamen und sonstigen Persönlichkeiten.

Wird die Censur nach diesen Andeutungen in dem Geiste des Censur=Edikts vom 18. Oktober 1819 ausgeübt, so wird einer an­ständigen und freimüthigen Publicität hinreichender Spielraum ge­währt, und es ist zu erwarten, daß dadurch eine größere Theilnahme an vaterländischen Interessen erweckt, und so das Nationalgefühl er­höht werden wird. Auf diesem Wege darf man hoffen, daß auch die politische Literatur und die Tagespresse ihre Bestimmung besser erken­nen, mit dem Gewinn eines reicheren Stoffes auch einen würdigeren Ton sich aneignen und es künftig verschmähen werde, durch Mitthei­lung gehaltloser, aus fremden Zeitungen entlehnter, von übelwollenden oder schlecht unterrichteten Korrespondenten herrührenden Tages­Neuigkeiten, durch Klatschereien und Persönlichkeiten auf die Neu­gierde ihrer Leser zu spekuliren, eine Richtung, gegen welche ein­zuschreiten die Censur den unzweifelhaften Beruf hat.

Damit diesem Ziele näher getreten werde, ist es aber erforderlich, daß bei Genehmigung neuer Zeitschriften und neuer Redakteure mit großer Vorsicht verfahren werde, damit die Tagespresse nur völlig unbescholtenen Männern anvertraut werde, deren wissenschaftliche Befähigung, Stellung und Charakter für den Ernst ihrer Bestrebun­gen und für die Loyalität ihrer Denkungsart Bürgschaft leisten. Mit gleicher Vorsicht muß bei Ernennung der Censoren verfahren werden, damit das Censoramt nur Männern von erprobter Gesinnung und Fähigkeit übertragen werde, die dem ehrenvollen Vertrauen, welches dasselbe voraussetzt, vollständig entsprechen, Männern, welche wohldenkend und scharfsichtig zugleich, die Form von dem Wesen der Sache zu sondern verstehen und mit sicherem Takt sich über Beden­ken hinwegzusetzen wissen, wo Sinn und Tendenz einer Schrift an sich diese Bedenken nicht rechtfertigen.

Indem wir dem Königl. Oberpräsidium überlassen, die Censoren Seines Bezirks hiernach mit Anweisung zu versehen, hegen wir zu demselben das Vertrauen, daß es auch Seinerseits bei Leitung der Censur=Angelegenheiten diese Andeutungen überall beachten und so die Erfüllung der Allerhöchsten Absicht Seiner Majestät des Königs Sich angelegen seyn lassen werde.

Berlin, den 24. Dezember 1841.

Der Minister derDer Minister der Der Minister des In­ geistlichen 2c. Ange­ auswärtigen An­nern und der Polizei. legenheiten. gelegenheiten.

(gez.) v. Rochow. Eichhorn. v. Maltzan.

Cirkulare

an sämmtliche Königliche Ober=Präsidien."

Vom 14. Januar. Heute wird daß 1. diesjährige Stück der Gesetz=Sammlung ausgegeben, welches enthält: unter Nr. 2227 die Ministerial=Erklärung über die zwischen der königlich preußischen und herzoglich braunschweigischen Regierung getroffene Uebereinkunft zur Beförderung der Rechtspflege. Vom ½ Dezember 1841. Nr. 2228. Die Allerhöchste Ordre vom 11. ejusdem m., betreffend den Zahlungs=Termin der Kaufgelder im Subhastations=Verfahren in der Rheinprovinz. Nr. 2229. Die Verordnung wegen näherer Bestim­mung der im§. 5 der Kreis=Ordnung für das Herzogthum Pom­mern und Fürsteuthum Rügen vom 17. August 1825 enthaltenen Vorschriften über die Vertretungen im Stande der Ritterschaft vom 13. ejusd. m., und 2230. die Allerhöchste Kabinets=Ordre vom 22. ejusd. m., betreffend die Auslegung der Declaration vom 6. April 1839 in Ansehung der Rechtsmittel der Nichtigkeits=Beschwerde gegen Erkenntnisse über Bagatell=Objekte.