N 100.

1837.

Des h. Festtages wegen erscheint mor­gen keine Zeitung.

Preußen.

Das 8. Stück der Gesetzsammlung enthält unter An­derm die Gesetze vom 20. v. M. wegen Bestrafung der Tarifüberschreitungen bei Erhebung von Kommunikations­Abgaben, über den Waffengebrauch des Militärs, und über die Errichtung und Bekanntmachung der Verträge wegen Einführung oder Ausschließung der ehelichen Gü­tergemeinschaft.

Nachrichten aus Swinemünde vom 11. d. M. er­gänzen die gestrige Mittheilung von dort in folgender Weise:Es hat hier vom 6. Abends ab ein heftiger Sturm aus O. N.O. geweht, welcher sich am 8. Nachmit­tags zu dem wüthendsten Orkan steigerte und bis zum 9. Vormittags anhielt. Durch die Gewalt der haushohen Sturzwellen sind bedeutende Beschädigungen an der Ost­moole des Hafens entstanden, namentlich sind von dem Endkopfe die, die Steindecke auf der Seeseite bildenden Kopfsteine bis zur Mittellinie der Moole theilweise her­ausgehoben, ferner ist die Steindecke bis zur Laternenbaake und auf fast 10 Ruthen Länge hinter der Baake nach dem Lande zu, auf die Hälfte der Breite in der seeseitigen Böschung bis auf das Faschinenpackwerk herausgerissen und in die stromseitige Böschung geschleudert, überhaupt die Steindecke der Krone und der ganzen seeseitigen Dos­sirung auf cirça 60 Ruth. Länge vom Endkopfe ab mehr oder weniger beschädigt worden. Die Laternenbaake wurde ebenfalls stark angegriffen und ihr Bankett bis zum Rost ganz bloß gelegt. Sie war dabei bis zur Spitze des Daches seewärts mit einer so starken Eiskruste überzogen, daß das Licht der Lampen nur durchschimmerte und nicht hellbrennend gesehen werden konnte. Glücklicherweise ließ der Sturm am 9. in seiner Wuth nach, so daß sogleich die erforderlichen Maßregeln zur Sicherstellung der zer­störten Stellen und zur Verhütung noch größeren Scha­dens getroffen werden konnten."

Die Königsberger Zeitung berichtet, daß am 7. April, Abends zwischen 10 und 11 Uhr, in Gerdauen ein starkes Gewitter bei Sturm, Regen und Schneegestöber stattgefunden habe.

Wittgenstein, vom 8. April. Das fürstliche Haus Sayn=Wittgenstein=Hohnstein ist heute durch das Ableben des regierenden Fürsten Friedrich Karl in die tiefste Trauer versetzt worden. Es verschied derselbe Morgens 3 Uhr nach längeren körperlichen Leiden an den Folgen der Brustwassersucht im 72. Jahre des Alters und 42. der Regierung.

Deutschland.

Von der Felsen=Insel Helgoland wird unter dem 4. April Folgendes berichtet: Am 2. April, von 8 bis 11 Uhr Abends, fuhren trotz der dunklen, rabenschwarzen Nacht, die Fischerböte, 52 an der Zahl, mit 213. Mann Besatzung, dem Kern der hiesigen Bewohner, auf den Fisch­fang. Der Wind blies anfänglich sehr mäßig aus Ost­Süd=Ost; die Fischer segelten daher bei günstigem Winde, ohne besonderen Unfall, einige 12 bis 15 deutsche Meilen mitten in die Nord=See hinaus, wo sie ihre Angel=Lienen auf den Grund senkten. Da eine so große Zahl Fischer­

böte einen sehr großen Flächenraum einnehmen, indem fast jedes Boot im Durchschnitt gegen 4000 Fischangeln auf Lienen befestigt mit sich führt, so kamen die letzten Böte, ehe sie ihren Platz zum Fischen einnehmen konnten, auf 18 Meilen von der Insel entfernt. Die Fischerei, nebst Einziehung der Lienen ging ohne Erhebliches gut von Statten; allein bei der Rückfahrt nahm der Wind aus Süd­Ost immer mehr zu, und wuchs gegen den Abend des 3. April zum Sturm an. Die zweite Nacht brach mit allen ihren Schrecknissen über diese armen Fischer ein. Im offenen Boote, ohne andere Lebensmittel als ein wenig trockenes Brot; welches schon im Anfange des Sturmes durchnäßt wurde, mußten sie die furchtbare Nacht, gegen Sturm und Wetter kämpfend, einbrechen sehen; doch nicht allein der Hunger war ihr Feind, mit der Nacht wuchs der Sturm zum Orkan, welcher von Schneegestöber, gro­ßen Hagelschlossen, Blitz mit starken Donnerschlägen be­gleitet, unaufhörlich wüthete; das Meer tobte schrecklich, jeden Augenblick waren die Böte dem Sinken nahe, un­aufhörlich mußten sie das eindringende Seewasser wieder ausschöpfen. Es schien, als wenn alle Elemente sich ver­schworen hätten, um auf einmal loszubrechen.

Einige Böte warfen mitten im Meere das Anker aus, um den Tag abzuwarten, allein die ungeheuren Wogen stürzten mit furchtbarer Wuth über sie ein; sie mußten beständig auf ihrer Hut seyn, um nicht umgeworfen zu werden. Sehnlich wurde der Tag erwartet, die Nacht schien ihnen eine Ewigkeit. Während die armen Fischer mit den Elementen kämpften, war auf der Insel Alles in der schrecklichsten Angst. Jeder Bewohner hatte unter den 213 in Gefahr schwebenden Fischern einen Anverwandten, einen Sohn, einen Bruder oder Schwager und Freund. Das Zagen der Greise, das Wehklagen und Jammern der Frauen und Kinder, war ein schmerzlicher Anblick. Der Wind sprang von Süd=Ost nach Süd=West um, mit abwechselndem Schneegestöber und Hagel. Gegen 2 Uhr kam das erste Boot; ein Flammenmeer von Laternen glänzte am Ufer, die Schmerzlich=Ersehnten zu bewill­kommnen; aber ach! die Freude war nur klein, denn wäh­rend der Nacht kamen nur acht Böte ans Land. Es fehl­ten demnach noch 44; doch kaum lichtete sich der Tag, als auf den Höhen der Felseninsel beim alten Leuchtthurm mit Fernröhren nach allen Seiten recognoscirt wurde. Man fing an, zu zählen, wie viele Böte dem forschenden Auge sichtbar waren; anfänglich 20, zuletzt 28, es fehlten demnach noch 16; gegen Mittag wurden noch 12 sichtbar, wovon das letzte ge­gen 3 Uhr Nachmittags anlandete; leider wurden noch 4 Böte mit 16 Mann Besatzung vermißt, und ein junger Mann war schon früher von den bereits angekommenen Böten von einer Sturzwelle über Bord geschlagen; doch groß war die Freude, als gegen Abend die 4 vermißten Böte sichtbar wurden, und glücklich bei einem Nord=West­Winde anlandeten; ob zwar sehr entkräftet, werden sie doch in den Armen der Ihrigen und bei einiger Ruhe wieder Stärkung erlangen. So wurde denn diese furcht­bare Seereise in zweimal 24 Stunden beendigt. Nur der herbe Verlust des braven Jünglings wird allgemein bedauert, dessen Vater und Bruder ebenfalls in dieser Fischfahrt begriffen waren, tief betrauert von den Eltern und Geschwistern nebst der jungen Braut, die den Verlust schmerzlich empfinden, und eine stille Wehmuth herrscht darüber auf der ganzen Insel.