Samstag den 2. September 1848.
Vom 31. August. Die Verhaftung Ferd. Freiligraths gab gestern zu einer Volksversammlung Veranlassung, bei der beinahe 2000 Personen aus allen Ständen zugegen waren die Alle von der größten Theilnahme für den Verhafteten erfüllt waren. Man berathschlagte, welche gesetzlichen Mittel ergriffen werden könnten, um das Geschick des Verhafteten möglichst zu erleichtern. Die Versammlung einigte sich nach mehrfacher Diskussion zu dem Beschlusse, den Hrn. Oberprokurator durch eine Deputation um Auskunft zu ersuchen, welchen Verbrechens Freiligrath beschuldigt sei, und zugleich die Bitte um Beschleunigung der Untersuchung auszusprechen In Folge dieses Beschlusses begab sich heute Vormittag die erwählte aus 25 Mitgliedern bestebende Deputation, der sich noch einige Volksmänner aus Cöln angeschlossen hatten in die Wohnung des Herrn Oberprokurators, der sie in der Weise beschied, daß es ihm gesetzlich nicht zustehe, der Deputation auf ihre Anfrage eine Erklärung zu geben, daß übrigens der Vehaftungsgrund ein öffentliches Geheimniß sei, es daher dieser Anfrage nicht bedurft habe, daß diese Verhaftung auch nicht von ihm ausgegangen, sondern höbern Ortes angeordnet worden sei. Was dann die Beschleunigung der Untersuchung betreffe, so schreibe schon das Gesetz den damit beauftragten Beamten die möglichste Beschleunigung vor und sei eine absichtliche oder willkührliche Ausdehnung oder Verlängerung derselben straffällig. Wenn die Sache sich nicht durch im Laufe der Untersuchung hervortretende neue Thatsachen complicire, so sei es wahrscheinlich, daß der Beschuldigte bereits vor die nächsten Assisen gestellt werden könne.
A Heute haben die alljährlichen öffentlichen Prüfungen der Schüler des hiesigen Königl Gymnasiums begonnen, die Morgen mit der feierlichen Abiturienten=Entlassung mit Gesang und Rede geschlossen werden. Der Direktor hat zu diesen Schulfeierlichkeiten, wie üblich, durch ein eigenes Programm, das eine Abhandlung des Oberlehrers Honigmann„Analytische Betrachtung der Aethervibrationen im elementaren polarisirten Lichtstrahl" enthält, die Freunde der Anstalt eingeladen.
Nach dem diesem Programm beigefügten Jahresbericht wurde das nun geschlossene Schuljahr mit 276 Schülern eröffnet, zu denen im Laufe des Jahres 15 hinzukamen und von denen 27 wahrend dieser Periode die Anstalt verließen, so daß am Schlusse 264 verblieben. Mit dem Schlusse der Schule werden 9 Primaner mit
Zeugnisse der Reife zur Universität entlassen, von denen 6 katbolische Theologie, Einer Jura, Einer Jura und Cameralia und Einer Forstwissenschaft zu studiren gedenken. Als eine besondere Erscheinung muß hervorgehoben werden, daß die Schuler der Prima alle der katholischen Confession angehörten, mit Ausnahme eines einzigen, der den evangelischen Religionsunterricht mit den Schülern der Obersecunda erhielt. Den Unterricht an der Anstalt ertheilten unter dem Direktor 13 Lehrer. — Aus dem Stipendienfond der Schule erhielten 8 Schüler Unterstützung und wurde ein Theil
desselben zur Anschaffung von Lehrmittel für bedürftige Schüler verwendet. Auch die Schulbibliothek, die Schüler=Lesebibliothek und die von unbemittelten Schülern zu benutzende Büchersammlung, ebenso das physikalische und das naturhistorische Kabinet, sind sowohl durch Geschenke der Behörden als sonstiger Freunde der Anstalt ansehnlich vermehrt worden. Als eine sehr zweckmäßige und dem Bedürfniß der Zeit entsprechende Einrichtung erscheinen uns die von den Mitgliedern der drei obern Klassen von Zeit zu Zeit in Gegenwart des gesammten Lehrercollegiums stattfindenden freien Redeübungen.
A Unser Theaterdirektor, der, wie schon neulich gemeldet wurde, sich auf einer Reise zur Gewinnung neuer Mitglieder für die bevorstehende am 1. Oktober beginnende Theater=Saison befindet, hat bereits einige schöne Acquisitionen gemacht. Als solche werden uns genannt: Herr Thieme, Schüler von Kapellmeister Friedrich Schneider, zuletzt in Stettin als Musikdirektor; als erste Sängerin Frau Kohlmann=Beistein, die mit einer tüchtigen Schule eine angenehme Persönlichkeit verbindet. Als erster Tenor ist Herr Brauckmann gewonnen, der augenblicklich in Aachen mit vielem Beifall gastirt und früher in Riga und Breslau engagirt war Als jugendliche Sangerin ist Fraul. Hartmann und als Komiker Herr Denzen, ein Liebling des Mainzer Publikums, ebenfalls für unsere Bühne gewonnen worden Auch das Ballet, das wie im vorigen Jahre von Herrn Helmke geleitet wird, hat einen schätzenwerthen Zuwachs erhalten durch das Engagement von Fräulein Gelbke, Solotänzerin vom Hoftheater zu Sondershausen
Es ist recht erfreulich, daß die Direktion sich durch Gewinnung guter Mitglieder in den Stand setzt, den Anforderungen des Publikums zu ent prechen. Sie möge indessen noch stets auf die ihr zu Gebot stehenden pekuniären Mittel Rücksicht nehmen, die ihr keine besonders hohen Gagen zu zahlen erlauben, wenn nicht die Stadt wie im vorigen Jahre so auch diesmal ihre Unterstützung durch Erlassung der Hausmiethe und der Armenabgaben eintreten laßt. Dieselben Gründe, welche im vorigen Jahre den Gemeinderath zur Erlassung dieser Abgaben bewogen, sind noch in ihrer ganzen Gewichtigkeit vorhanden. Die durch die Zeitumstände hervorgerufene Gewerblosigkeit und die daraus hervorgegangene Geldnoth ist noch nicht gehoben und es steht demnach eben kein besonders zahlreicher und anhaltender Besuch des Theaters in Aussicht. Und dennoch ist die Erhaltung der Bühne ein Bedürfniß und eine Eyrensache für die Stadt.
Q Der in unsrer Nähe auf Schloß Roland weilende und mit literarischen Arbeiten sich beschäftigende Friedensrichter Hr. Fahne hat so eben bei Heberle in Cöln einen 468 Seiten starken Folianten erscheinen lassen unter dem Titel:„Geschichte der Kölnischen, Jülichschen und Bergischen Geschlechter in Stammtafeln, Wappen, Siegeln und Urkunden." Bei Lesung dieses Titels sollte man auf den ersten Anblick das Werk als ein
böchst zeitwidriges, in die Rumpelkammer des Mittelalters gehöriges, betrachten und wenn man vernimmt, daß dieses Werk die Frucht eines zehnjährigen unausgesetzten Studiums ist, so bemächtigt sich uns unwillkürlich der Gedanke, es möchte Zeit und Mühe einem edlern, das Gemeinwohl fördernden Gegenstande zugewendet worden sein. Dem ist aber bei näherer Würdigung des Geleisteten nicht so vielmehr hat sich der Verfasser um die Geschichte des hiesigen Landes und namentlich der Stadt Köln, durch Ansammlung dieses fast verloren gegangenen und mit unsäglichen Schwierigkeiten erlangten Materials ein unbestreitbares Verdienst erworben.
Das Werk, von dem hier der erste Theil erschienen ist, umfaßt 5 Foliobände, von dem der vorliegende die Geschichte im Allgemeinen darstellt, der 2. die besondere Familiengeschichte, der 3. die Topographie, der 4. die Zünfte und Gemeindeverfassung, der 5. die Schrenis—(Hypotheken)— und Gerichtsverfassung umfassen soll.
A Gestern Abend wurde in einem Hause der Kastanienallee, unfern der Benratherbrücke arger Unfug getrieben. Es wurden nemlich schon gegen 8 Uhr als die Straße noch sehr lebhaft war, aus einem Fenster der 2. Etage sogenannte Schwärmer und sonstige Feuerwerkkörper unter die ruhig Dabinwandelnden geworfen und so die Vorübergehenden in Schrecken gesetzt und der Beschädigung ausgesetzt. Eine Dame, die von einem solchen Wurfe getroffen wurde, ist nicht, den Schrecken abgerechnet, ohne eine ziemlich starke Verletzung davon gekommen. Auf die lauten Reclamationen der Vorübergehenden wurde schnell das Fenster geschlossen und das Licht ausgelöscht. Die Polizei wird wissen, den hierüber bestehenden gesetzlichen Vorschriften die nöthige Achtung zu verschaffen.
Deutschland und England.
Eine politische Parallele.
(Aus Gustav Kombst's„Erinnerungen aus meinem Leben.")
Während meines langen Aufenthalts in Großbritannien ist es mir klarer als je geworden, daß bloße Verfassungsveränderungen und Constitutionen auf dem Papier ein Volk noch nicht frei machen. Der Grad der Freiheit, welchen man an Engländern und Nordamerikanern bewundert und beneidet, ist nicht die Folge ihrer freien Staatsverfassungen, sondern ihrer für Freiheit angelegten Natur. Die Verfassungen, welche die Völker sich gegeben haben, sind nur ihrer Natur gemäß. Diese Bemerkung mag alltäglich erscheinen; aber sie verdient genauere Beachtung. Was ist es, wonach die Deutschen jetzt eigentlich streben? Wenn ich nicht sehr irre, eine papierne Anerkennung von Menschen= und Burgerrechten. Mit dieser glauben sie, werde sich die Freiheit ganz von selbst einfinden. Das Drängen nach einer rechtlichen Verfassung, nach einem„Rechtsstaat" im Gegensatz zu dem früher executirenden „Polizeistaat" ist natürlich und achtungswerth, aber mache man sich die Aufgabe auch vollkommen klar und halte man sie nicht für zu leicht. Angenommen, eine Veränderung auf eine oder