Nr. 63.
— 46. Jahrgang.
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Donnerstag, den 15. März 1894.
4## M### ferner nehmen Bessellungen auf die„Solinger Zeiung sooie Anzeig
rgisches Volls=Blatt. in Gräfrath Ernst Reiver; in Höhscheid Rovert Göedert, Neuenhof; in Obligs
Hermann Schönenberg, Düsseldorferstr. 42; in Wald Hans Strieder, Kaiserstr. 49.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 14. März 1894.
Der Reichstag nahm nach längerer Berathung, an welcher sich die Abg. Richter, Paasche, Kardorff, sowie Staatssekretär v. Posadowsky betheiligten, den Antrag der Budget=Kommission an, die Einnahmen aus der Zuckersteuer um 5 Millionen höher in Anschlag zu bringen, als im Etat geschehen ist. Der Antrag der Budget=Kommission betr. die einmalige Bewilligung von 4 Mill. Mark zur Errichtung eines Reiter=Standbildes Kaiser Wilhelm's I. in Berlin und die erste Rate von 1,100,000 Mk., wurde nach längerer Erörterung angenommen. Graf zu Limburg=Stirum(kons.) erklärte in seinem Bericht über die Entschließungen der Kommission, daß man der Pietät gegen den hochseligen Kaiser nicht durch ungemessene Bewilligung von Mitteln, sondern durch eine einfache, dem Sinne des hohen Entschlafenen entsprechende Ausgestaltung gerecht werden zu können geglaubt und deshalb nur 4 anstatt 7 Mill. bewilligt habe. Frhr v. Stumm (Reichsp.) hält auch bei der jetzigen ungünstigen Finanzlage die Grenze von 4 Mill. für das Denkmal des großen Kaisers Wilhelm I. gering; seine Partei sehe den heutigen Entschluß nicht als bindend für alle Zeiten an. Gegenüber den Ausführungen des Abg. Singer(Sozdem.), der sich grundsätzlich ablehnend verhält gegen Denkmalsforderungen jedwelcher Art, erklärte Abg. Lieber(Ctr.), er hätte lieber keine Erörterung der Frage gewünscht, aber jetzt müsse auch das Centrum das Wort ergreifen. Singer's Ausfuhrungen bewiesen, eine wie tiefe Kluft das übrige Haus von der äußersten Linken trenne.(Zustimmung.) In weiten Kreisen werde das klärend wirken. Lieber bedauerte, daß das Andenken des Kaisers den Anlaß geboten habe zu einem solchen sozial= demokratischen Verstoß, gegen welchen man mit allem Nachdruck Verwahrung einlegen müsse. Das Centrum bewillige einstimmig die 4 Millionen und glaube damit seine Verpflichtungen in ausreichendem Maße eingelöst zu haben. Staatssekretär v. Bötticher erklärte zu dem Antrag der BudgetKommission betr. das Kaiser=Wilhelm=Denkmal, er könne keine bestimmte Erklärung abgeben, daß die Regierung dem Kommissions=Antrage zustimmen würde; er halte dies aber nicht für ausgeschlossen. Nach längerer Debatte wurde der Antrag der Budget=Kommission angenommen. Dagegen stimmten nur die Freisinnigen, die Süddeutsche Volkspartei und die Sozial=Demokraten. Im weitern Verlauf der Debatte wurde die Forderung für den Aviso Ersatz„Falke“ mit 157 gegen 127 Stimmen abgelehnt. Der Rest der zweiten Etatsberathung wurde nach unerheblicher Debatte erledigt. Es folgte dritte Berathung der Vorlage über den Identitäts=Nachweis. Zu der Vorlage betr. Aufhebung des Identitäts=Nachweises ist ein Antrag Bennigsen(nat.=lib.)(als Compromiß= Antrag der National=Liberalen, Conservativen und des Centrums) eingegangen, die Verwendung der Einfuhrscheine als Zollquittungen für die Einfuhr auch anderer Waaren nicht generell für zulässig zu erklären, sondern eventuell durch Vorschriften des=Bundesrathes festzusetzen. Nach einer längeren Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der Regierung und verschiedenen Abgeordneten begründete in der Specialdebatte Abg. Bennigsen seinen Antrag. Abg. Rickert schloß sich ihm an. Graf Posadowsky erklärte, der Bundesrath werde gegen den Mißbrauch der Transitlager die nöthigen Maßregeln treffen. Der Antrag Bennigsen wurde mit großer Mehrheit angenommen, ebenso der Rest der Vorlage. In der Gesammtabstimmung wurde alsdann das ganze Gesetz angenommen, ebenso die Resolution Puttkamer nach kurzen Erörterungen. Morgen dritte Etatsberathung.
Preußischer Landtag.
Berlin, 14. März.
(Abgeordnetenhaus.) Der Bericht der Budget=Commission über die Verwendung des Dispositionsfonds des Extra=Ordinariums und über den Eisenbahn=Etat 1892,93 wurde ohne Berathung durch Kenntnißnahme erledigt. In zweiter Berathung wurden die Gesetz=Entwürfe betr. die Errichtung eines Amtsgerichts in Ronsdorf, sowie das Ruhegehalt der Lehrer an nichtstaatlichen Mittelschulen angenommen, ferner eine Resolution betr. die einheitliche Regelung der
Pensions= und Relicten=Verhältnisse an nichtstaatlichen höhern LehrAnstalten. Die Berggesetz=Novelle wurde in zweiter Lesung entsprechend dem Commissions=Antrage unverändert angenommen. Es folgen Petitionen. Die Petition der Gerichtsdiener von Köln wegen etatsmäßiger Anstellung wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, die Petition des Oberlehrers Freuzel in Mörs um Vollanrechnung der Dienstjahre bei der Gehaltsfestsetzung wird der Regierung zur Erwägung überwiesen. Es folgen noch eine Reihe Petitionen. Morgen: Sekundärbahngesetz und weitere Petitionen.8=
Deutschland.
Der Kaiser unterhielt sich beim Frühstück bei dem Freiherrn v. Stumm im Hotel Kaiserhof mit seiner Umgebung auf das lebhafteste. Einen Theil der Unterhaltung bildeten die Socialde= mokraten, über deren Stellung im öffentlichen Leben der Kaiser sich erzählen ließ; auch die Bürgerpartei wurde berührt und über die Urheber der gegenwärtigen Strömung gegen die Regierung gesprochen. Mit dem Minister v. Boetticher unterhielt sich der Monarch längere Zeit über die Arten der Paraden und ließ sich von diesem aus dessen Erinnerungen über die Paraden unter König Friedrich Wilhelm IV. und über die früheren sogenannten Kirchenparaden Unter den Linden erzählen.
deutsche Kaiserin ließ in ihrem Parke in Abbazia die Schranken, die dem Publikum den Eintritt zu einem Theil der omenade verwehren sollten, entfernen und bat, sie wie alle andern Kurgäste zu betrachten. Das Publikum ergeht sich im Park, bewundert die kaiserlichen Kinder, die am Meeresufer spielen, wer am besten Kieselsteine ins Meer schleudern kann. Die Kinder haben die Zuneigung des Publikums im Sturm erobert.
Der„Polit. Korresp.“ wird aus Rom gemeldet, der Papst habe gegenüber einer hervorragenden Persönlichkeit seine lebhafte Befriedigung ausgesp ochen über die Annäherung zwischen Deutsch= land und Rußland, welche eine weitere Befestigung des europäischen Friedens bedeute.
Geheimrath Krupp soll im Privatgespräch erklärt haben, es sei möglich, daß ein Anderer als Prof ssor Schweninger ihm damals die angebliche Aeußerung des Fürsten Bismarck:„Eine Ablehnung des russischen Handelsvertrages werde uns den Krieg mit Rußland bringen,“ mitgetheilt habe.
Den Morgenblättern zufolge ist der vielbesprochene Verdunpreis nunmehr einem süddeutschen Gelehrten, der ein Werk über die Zeit von 1648—1740 geschrieben, zuerkannt worden. Der „Voss. Ztg.“ zufolge ist dies Prof. Dr. Erdmannsdörffer in Heidelberg und das erwähnte Werk sein Buch über die deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritte Friedrichs des Großen.
Zu der durch die Blätter gehenden Mittheilung, daß bei der bevorstehenden Ungestaltung der preußischen StaatsbahnVerwaltung 8—900 Oberbeamte überzählig werden sollen, macht die„Tägl. Rosch.“ darauf aufmerksam, daß diese Angabe wohl auf einem Irrthum beruhen dücfte, da bei der genannten Verwaltung im Ganzen überhaupt nur 930 etatsmäßige und etwa 650 diätarische Oberbeam'e(ohne die in den Ministerien) beschäftigt sind.
Die von der wirthschaftlichen Vereinigung des Reichstags vorgeschlagene Novelle zum Margarine=Gesetz von 1887 verlangt, daß in Hotels, Gastwirthschaften, Konditoreien und Bäckereien, welche zur Zubereitung der Speisen und Backwaaren Margarine verwenden, an in die Augen fallenden Stellen die deutliche, nicht verw'schbare Aufschrift:„Die Speisen(Backwaaren) sind mit Margarine zubereitet“ angebracht werde. Zur Herstellung von Margarine und überhaupt zur Nachahmung von Milcherzeugnissen
soll Milch oder ein Produkt der Milch nicht verwendet werden rürfen. Margarine soll nicht durch Färben das äußere Ansehen von Naturbutter erhalten dürfen. Die Margarinefabriken sollen einer sanitären Ueberwachung unterliegen. Der Verkauf und die Aufbewahrung von Margarine soll nicht in solchen Geschäftsräumen stattfinden dürfen, wo gleichzeitig Naturbutter verkauft wird. Die Novelle soll am 1. Oktober 1894 in Kraft treten.
Die bairische Abgeordnetenkammer nahm in erster Lesung den Gesetzentwurf betreffend Strafbestimmungen für Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen über den Brieftaubenverkehr an. Gegenüber dem Wunsche nach einer einschränkenden Fassung des Entwurfs, damit der inländische Brieftaubenverkehr nicht getroffen werde, erwiderte der Minister Feilitzsch, der Zweck sei nur, den ausländischen Brieftaubenverkehr zu beaufsichtigen. Eine allgemeine Fassung mußte gewählt werden, um die Umgehung des Gesetzes zu vermeiden. Im westlichen Baiern wurde unlängst versucht, 5000 ausländische Brieftauben auffliegen zu lassen, was zunächst den Gesetzentwurf veranlaßte.
Die Angelegenheiten der Landesvermessung sollen künftig von dem Generalstabe versehen werden. Zu diesem Behuf ist im Etat für 1894/95 die Stelle eines vierten Oberquartiermeisters neu vorgesehen. Dieselbe soll, wie es heißt, dem General v. Mikusch= Buchberg übertragen werden, der dann zugleich Chef der Landesaufnahme werden würde.
Der Landes=Ausschuß von Elsaß=Lothringen genehmigte den Bau einer festen Rheindrücke zwischen Straßburg und Kehl, welche einen Kostenaufwand von 1 760000 Mark fordert, unter der Bedingung, daß die Interessenten einen Beitrag von 500000 M. leisten und Baden die Hälfte des Restes trägt.
Bei den Kaisermanövern sollen diesmal, der„Danz. Zig.“ zufolge, von den beiden operirenden Korps Kriegsmärsche im großen Stil durchgeführt werden, um die Truppen auch in dieser auf ihre Leistungsfähigkeit zu prüfen. Auch wird man hierbei zum ersten Mal in großem Maßstabe die Probe auf die neue Gepäckserleichterung machen. Im Uebrigen wird bei diesen groß angelegten Kriegsmärschen die Rücksicht auf die G.fechtsbereitschaft der Truppen in den Vordergrund treten.
Gegen den Verleger des Kladderadatsch, Hofmann, der Reserveoffizier der Marine ist, wurde nach der Staatsbürgerzeitung ein ehrengerichtliches Verfahren eingeleitet.
Der sozialdemokratischen„Tagwacht“ zufolge ist eine Anzahl junger Kaufleute in Stuttgart damit beschäftigt, hier einen sozialistischen kaufmännischen Verein zu gründen. Solch ein Vorgang kann nur dazu anspornen, für die Bestrebungen derzenigen großen kaufmännischen Verbände, wie z. B. des Hamburger Kaufm. Vereins von 1858 einzutreten, die es sich zur Aufgabe gestellt haben, durch ein großartig organisirtes Stellenvermittelungssystem, durch kapitalkräftige Versicherungs=, Pensions= und Unterstützungskassen 2c für die vielfachen wirthschaftlichen und sozialen Mißstände der Handlungsgehülfen die denkdar wirksamste Abhülfe zu bringen.
In Berlin beginnen die sozial demokratischen Arbeiterorganisationen sich über die Maifeier schlüssig zu machen. Die Buchdrucker, Buchbinder und die im graphischen Gewerbe beschäftigten Hilfsarbeiter hielten, wie die„Frkf. Z.“ berichtet, am Sonntag eine Versammlung zu diesem Zwoeck ab. Sie beschlossen mit großer Mehrheit, den ersten Mai nicht durch Arbeitsruhe zu feiern, sondern nur für Arbeitslose und solche, die sich ohne persönlichen Nachtheil frei machen können, am Vormittag des ersten Mai eine Versammlung abzuhalten, um Stimmung für den Achtstundentag u. s. w. zu machen. Im übrigen wird die Betheiligung an den Adendfestlichkeiten der Wahlvereine zur Pflicht gemacht.
Gin
Roman von A. v. Gersdorff.(52
(Fortsetzung.)
Lichte Röthe— eine sehr seltene Erscheinung auf ihrer blassen Stirn— flog darüber hin. Bei Gott, nur als verlobte Braut wollte und durfte sie dies Zimmer verlassen— sonst wäre es die schmachvollste Niederlage ihres Lebens.„Darf ich Ihnen nicht zunächst einen kleinen Imbiß anbieten?“ fragte er, rasch die Pause, diese lange Pause beendend, und erhob sich erleichtert.
„Ja,“ stimmte sie eifrig zu,„ein Glas Wein und ein Brödchen wäre so übel nicht.“
Er ging rasch hinaus, während sie nervös die Handschuhe von ihren bebenden Händen streifte, als gedenke si;, ewig hier zu bleiben. Nach einigen Minuten trat er wieder ein und blieb doch einen Augenblick etwas erstaunt an der Thür stehen. Der schöne Besuch lehnte an seinem Schreibtisch und blickte ungeniert in den off nen Brief Cornilsons, der dort lag— als sei es ihr Recht, seine Briefe zu lesen. Zum Glück schien sie das Blatt noch nicht gewendet zu haben. Mit der kalten Sicherheit, die ihm in entscheidenden Momenten eigen, legte er die Hand auf den Brief und nahm ihn an sich.„Das ist nichts für Sie!“ sagte er freundlich und steckte das Papier gelassen in die Brusttasche.
Sie blitzte ihn erstaunt an, aber der Blitz ging an seinen gesenkten Lidern verloren. Mit zusammengepreßten Lippen setzte sie sich wieder.„Wollen Sie mir nicht ungefähr erzählen, was der Professor von unserm gemeinsamen Schützling schreibt? Mich interessiert die kleine Person!“ sagte sie gütig.
Er zögerte einen Moment. Dann nahm er den Brief heraus und las ihn vor bis auf die Zeilen der vierten Seite, in denen
der alte Freund ihm empfahl, die stolze Braut zu heirathen. Er schloß mit den Worten Cornilsons:„Sie würde Dich nicht nehmen. Das kannst Du Dir wohl selber sagen.“
Ueber Daschys Gsicht waren seltsame Lichter und Schatten gehuscht. Sie lauschte gespannt, und ihr Auge hing wie gebannt an Kurts unbeweglichen Zügen. Er wußte dies. Ihre Selbstdeherrschung kam immer mehr in's Schwanken. Sie hatte wieder jenen Ausdruck im Auge, den er aus ihrer entschwundenen Brautzeit so gut kannte, den sie zum erstenmale neulich wieder gezeigt, als sie ihm lachend gerathen, sich doch sein freundliches Herdlicht oben bei Liesen zu holen.„Redensarten!“ sagte sie achselzuckend.
„Sie glauben?“„Natürlich. Unbeglaubigte Ideen des guten, unerfahrenen Greises, der in den ersten Ausbrüchen verletzter Eitelkeit einen unbeugsamen Mädchenstolz sieht!“
„Sie können recht haben,“ war die Antwort, in welcher eine
seltsame Betonung lag.
Ihre Augen begegneten sich.„Und wenn ich recht hätte—“
„Dann könnte das arme Kind vielleicht noch gerettet werden,“ gab er mit halbem Lächeln zu.
„Welch tragische Pose,“ gad sie ebenfalls lächelnd zurück.„Von der Bleichsucht und ähnlichen Jugendkrankheiten wird man gewöhnlich errettet.“
„Wissen Sie, Baronin, daß wir letzthin über den Ernst meiner Verantwortlichkeit und Verpflichtung gegen mein unglückliches Experiment derselben ernsten, oder wenn Sie wollen, tragischen Auffassung waren?“
„Ich weiß. Aber— ich bitte Sie— die hysterische Kleine fängt an, sich in einer etwas unbescheidenen Weise uns aufzudrängen!“
Wie unruhig ihre Hände spielten! Wie ihre Augen hin und her blitzten— nicht im Stande, sich ruhig auf einen Punkt zu richten. Sie wußte, daß sie Dinge sprach, gegen die ihre Klugheit und ihre Gutmüthigkeit sich sträubten, aber wenn sie aufgeregt war, konnte sie ihre Zunge nicht meistern, und wenn es ihr Leben gegolten hätte.
„Uns aufgedrängt?“ fragte er erstaunt.„Mir scheint, daß sie vielmehr das Gegentheil that durch ihre Flucht zu Cornilsons!“
„Als wenn sie nicht gewußt hätte, welchen Effikt dieses geheimnißvolle Verschwinden machen würde!“ Lehren Sie mich die Frauen kennen!“ sagte sie spöttisch, zum zehntenmale ihre Handschuhe an= und ausziehend. In diesem Moment erschien Mamsell, hochachtungsvoll und demüthig lächelnd, im„guten“ Kleide, mit neuer, gestärkter Haube, und brachte höchst eigenhändig der gnädigen Frau Baronin den Imbiß.
Zwischen den beiden sonst in allem so unendlich Verschiedenen herrschte vielleicht gerade deshalb eine gewisse Sympathie. So gern wie sich die eine anbeten und verehren ließ, so bereitwillig sank der servile Geist der andern vor der stolzen, glänzenden Weltdame auf die Knie. Ja, das war eine echte„Herrschaft“, wie Mamsell sie auf Erden als berechtigt anerkannte. Wenn man sich da demüthigte und gehorchte und ein freundliches Wort für eine hohe Gnade erkannte, dann war das in der Ordnung. Daschy nickte ihr zu.„Wie geht's, liebe Mamsell? Immer frisch und rüstig" fragte sie freundlich.
„Frau Baronin sind zu gnädig. Frau Baronin sehen prächtig aus— die Landluft bekommt Frau Baronin.“
Das Wort Baronin konnte sie gar nicht oft genug hauchen, und sie erstarb dabei jedesmal in lächelnder Ergebenheit. Daschy fand dies nun ihrerseits nur in der Ordnung.
„Einen wahren Schatz haben Sie da, lieber Kurt,“ meinte sie, als sich Mamsell achtungsvoll zurückgezogen hatte, froh, endlich von dem Thema, das sie so schlecht zu behandeln verstand, abgekommen zu sein.
„Schon möglich,“ gab erzurück,„indessen, ich könnte ihn missen, man hat eben manchmal einen Schatz, den man nicht zu würdigen weiß.“
Im nächsten Moment fühlte er schon, daß er da etwas sehr Bedenkliches gesagt hatte. Er schwieg und biß sich auf die Lippen. Auch sie schwieg. Ihr Herz hob sich leichter, freier. Ihre Züge glätteten sich. Mit dem gewöhnlichen, schönen Blick richteten sich ihre Augen auf sein gesenktes Gesicht.„Wissen Sie auch, weswegen ich heute zu Ihnen komme?“
„Nein,“ sagte er naiv.
„Erstens, weil Sie seit vielen Tagen nicht bei mir vorsprachen, und wir uns in Erregtheit und Gereiztheit getrennt hatten— wobei ich im Unrecht war—“
„Bitte, Baronin! Das war ja von keiner Bedeutung, sagte er verlegen.
„O!“ Sie preßte die Lippen zusammen.
„Ich habe gar nicht mehr daran gedacht.“
„Sie beugte sich vor. Wußte er denn nicht, was er sprach?
Nun denn— zum Schluß!
„Zweitens aber wollte ich Ihnen doch gern Lebewohl sagen. Ich gehe in den nächsten Tagen nach Italien.“
Verloren! Kein Schreck, keine Ueberraschung in seinem Gesicht. In dem Blick seiner sonderbaren Augen, in dem feinen Lächeln lag etwas, das sie recht wohl erkannte: ruhige Dankbarkeit.— Verloren! Sie erhob sich langsam. Vor der Thatsache, vor dem Unabwendbaren stand sie wieder als die vornehme Frau, gelassen, voll Selbstbeherrschung. Auch er hatte sich erhoben. Beide schwiegen.
Der Blick der Frau haftete am Boden. Ueber seine Lippen glitt etwas, was er vielleicht nicht hätte sagen sollen— nicht hätte sagen dürfen:„Verzeihen Sie mir und leben Sie wohl!“
Sie reichte ihm die Hand.„Werden Sie glücklich.“ sagte sie tonlos und ging stolz und ruhig hinaus aus diesem Zimmer, das sie geglaubt hatte, nur als Braut verlassen zu dürfen. Es war anders gekommen. Sie hatte ihr Schicksal begriffen. Ju der Flurhalle machte sich Mamsell am Silberschrank zu thun. Sie verneigte sich, was Frau Baronin übersahen.
Und in ihrer braven Seele stand nun felsenfest ein Entschluß: „Wenn Frau Baronin nicht zu mir kommt, gehe ich zu Frau Baronin!"(Fortsetzung folgt).