Der praktische Briefträger.

Die Postverwaltungen der mitteleuropäischen Länder beschäftigen sich schon lange mit der Frage, dem Briefträger die Arbeit abzunehmen, die durch Treppensteigen usw. entsteht, und dadurch den Bestellgang kürzer und rationeller zu gestalten. In Amerika ist man schon einen Schritt weiter. Treppensteigen kennt man dort in vielen Städten gar nicht, und der Brief­träger, der bedeutend mehr Post mitnehmen kann, erhält zur Beförderung ein fahrbares Gestell, das er auch auf dem Bürgersteig ohne Störung des Verkehrs handhaben kann.

Amerikas Reujahrsgeschenk: die Grippe

Der Westwind hat die Seuche über den Atlantik getragen.

Von Dr. Martin Künzel.

Die Amerikaner haben uns mit einem ebenso unerwünschten wie unangenehmen Neujahrs­geschenk überrascht. Aus den Vereinigten Staaten, wo sie schon seit einigen Wochen gras­siert und neuerdings einen beängstigenden Um­fang angenommen hat, ist die Grippe zu uns gelangt und hat schlagartig, wie das bei dieser Massenseuche stets der Fall zu sein pflegt, die Bevölkerung überfallen. Erfreulicherweise scheint, soweit sich das im Augenblick überhaupt schon übersehen läßt, die Krankheit leicht und gutartig aufzutreten; aber wir stehen, wie gesagt, erst im Anfangsstadium der Epidemie, und man kann nur hoffen, daß sie rasch wieder vorübergeht, ohne in Europa so verheerend auf­zutreten wie in den Vereinigten Staaten

Man kann nicht sagen, daß die Grippe über­raschend aufgetreten wäre; ihr Erscheinen in Europa war mit Bestimmtheit in diesen Tagen zu erwarten. Denn die Verbreitung der Grippe­epidemien erfogt weniger durch Ansteckung von einem Individuum zum andern als durch die Atmosphäre. die zur Zeit der großen Evidemien mit unvorstellbar großen Mengen der Krank­heitskeime erfüllt ist. Es sind denn auch die großen Luftströmungen. die die Grippe über Länder und Meere verbreiten, und es ist völlig klar, warum bis unmittelbar vor dem Wein­nachtsfest bei uns von der Grippe noch nichts zu bemerken war. Denn bis zu diesem Zeit­punkt herrschte in Europa kontinentales Hoch­druckwetter mit Winden, die ihren Ursprung im Nordosten und Osten des Erdteils hatten. Am Anfang der Weihnachtswoche erreichten uns jedoch Westwinde aus dem Bereich einer tiefen Sturmzyklone. die in der Vorwoche den ganzen nordamerikanischen Kontinent und den Atlan­tischen Ozean überquert hatte, und die infolge­dessen Luftmassen aus Nordamerika mit sich führte. Diese haben die Grippe zu uns gebracht und werden sie weiter nach Osten führen. Und da sich schon wieder ein neuer tiefer Sturm­wirbel. der gleichfalls aus Nordamerika über den Ozean gewandert ist, im Anmarsch befindet, so wird in dieser Woche eine neue Welle infi­zierter Luft über uns hinweggehen und aller Wahrscheinlichkeit nach der Seuche eine noch weitere Verbreitung geben. Die Gripne ist also weniger eine Enidemie als eine Pandemie, die durch den atmosphärischen Kreislauf rings um

die ganze Erde getragen wird, die also gewisser­maßen um den Erdball rotiert.

Trotzdem wäre es ein Irrtum, anzunehmen, daß diese größte aller Massenseuchen, die nun schon länger als ein Jahrzehnt innerhalb kürzerer oder längerer Zeitabstände die Mensch­heit immer wieder von neuem heimsucht, an das Auftreten der tiefen Sturmwirbel geknüpft ist, d. h. praktisch ihren Ursprung in nasser, regen­feuchter Witterung hat. Das Gegenteil ist der Fall: die Grippe entsteht vielmehr im Bereich trockener, kalter, unbewegter Luft, innerhalb der großen winterlichen Hochdruckgebiete, die am ausgeprägtesten während des Winters über Nord= und Mittelasien vorhanden sind. Alle großen Grippepandemien hatten denn auch über Sibirien und Nordchina ihren Herd; auch die erste große Kriegsgrippe vom Frühjahr und Sommer 1918, die man anfangs die Spanische Krankheit nannte, die aber, wie sich nachher herausstellte, keineswegs auf der Iberischen Halbinsel entstanden, sondern mit den großen Truppentransporten nach Europa eingeschleppt war. Damals herrschte gerade während des ersten massenhaften Auftretens der Krankheit über Südwesteuropa längere Zeit hindurch Hochdruckwetter, das zu einem zweiten sekun­dären Herd für die Seuche wurde, die dann mit südwestlichen Winden von Spanien über ganz Europa getragen wurde. Die jetzt sogar von prominenter medizin. Seite gegebene Darstellung. als sei der Ausbruch der Epidemie bei uns auf den Wiedereintritt naßkalten Wetters zurückzu­führen, ist bestimmt unzutreffend. Sie wider­spricht dem Ergebnis aller bisherigen For­schungen und Beobachtungen. Wohl schafft naß­kaltes Wetter vielfach die Disposition zu Er­

kältungskrankheiten, aber nur bei Personen, die sich durch ungeeignete oder unzureichende Klei­dung am schlimmsten ist in dieser Hinsicht wasserdurchlässiges Schuhwerk Erkältungen holen. Aber ein gewöhnlicher Husten oder Schnupfen ist noch keine Grippe; charakteristisch für diese ist vielmehr die fieberhafte Erkrankung des Gesamtorganismus mit rapid empor­schnellender, oft bedrohlich hoher Temperatur. Für Leute, die sich bei feuchtem Wetter vor Durchnässung und vor allem vor nassen Füßen hüten, ist regnerische Witterung nicht unge­sunder als trockene Kälte. Die feuchte Regen­luft ist, weil stets ozeanischen Ursprungs, reiner und daher gesunder als die trockene Kaltluft, die namentlich bei längerer Dauer der Frost­periode in den Städten arg mit Staub erfüllt ist und durch dessen Beimischung die Atmungs­organe gerade ern reizt. Das feuchte West­wetter erzeugt jedenfalls nicht die Grippe; es ist nur ihr Spediteur.

Daß die Grippe neuerdings aus ihrem asiatischen Herd über Amerika zu uns zu kommen pflegt, hängt neben den jeweiligen meteoro­logischen Vorbedingungen auch mit den Ver­änderungen des Weltverkehrs zusammen. Dieser hat in der Richtung von Ostasien nach Amerika in neuerer Zeit außerordentlich zugenommen, so daß die Einschleppungsgefahr durch den Dampferverkehr für Amerika weit größer ist als noch vor drei bis vier Jahrzehnten. Die vorige ganz große Pandemie vom Winter 1889 1890 gelangte noch von Sibirien aus über Rußland nach Europa, ob durch den Verkehr oder durch den Abfluß infizierter Kaltluft aus der russisch= sibirischen Winterantizyklone, mag dahingestellt bleiben.

Für das Zentrum nicht einladend

Die Koalition:Notgebilde einer Lebergangszeit.

Zu dieser Sache beschäftigt sich der sozial­demokratische Reichstagsabgeordnete Paul Hertz mit dem letzten halben Jahr sozialdemokrati­scher Regierungsbeteiligung im Reich. Er muß selber zugestehen, daß von einerFührung der Politik durch die Regierung keine Rede sein kann. Und er gesteht, daß sichkeine schöne und erfolgreiche Bilanz ergebe. Hertz geht bei der weiteren Betrachtung von der Tatsache aus, daß die letzten sechs Monate im Grunde nur zwei große politische Fragen zur Entscheidung ge­bracht hätten, einmal den Bau des Panzerschif­fes und sodann die Entscheidung in dem Ar­beitskonflikt in der Eisenindustrie. Hertz gibt zu, daß in dem Kampf gegen den Bau des Panzer­schiffes die Sozialdemokratie eine Niederlage er­likten habe. Und er gesteht offen, daß diese Nie­derlage mitverschuldet war durch eigene Fehler der Sozialdemokratie. Der Arbeitskonflikt habe mit einem angesichts der organisatorischen Schwäche der Arbeiter befriedigenden Ergebnis abgeschlossen.

Was Hertz sonst noch an positiven Ergebnissen der Sozialdemokratie, namentlich in sozialen Fragen preist, ist nichts anderes als ein Weiter­bau auf der durch frühere nichtsozialistische Re­gierungen geschaffenen Grundlage, deren Her­stellung die Sozialdemokraten, als sie in der Opposition waren, oftmals die größten Schwie­rigkeiten bereitet haben. Das ganze Ergebnis der Bilanz sozialdemokratischer Regierungs­beteiligung besteht für Hertz in der banalen Fest­stellung,daß die Sozialdemokratie in jeder Re­gierungsgemeinschaft mit bürgerlichen Parteien eine ungemein schwierige Aufgabe habe. Daher müsse man sich darüber klar sein, daß eine Koa­litionsregierung nur das Notgebilde einer Uebergangszeit sei, in der die Arbeiterschaft zwar stark genug wäre, die Herrschaft des Bür­gerblocks abzuwehren, aber noch zu schwach sei, um allein zu regieren. Das ist ein billiger Trost, aber immerhin ein Trost, den Hertz zum Anlaß nimmt, zur Gewinnung neuer Anhänger und zur Verstärkung des politischen Einflusses der Sozialdemokratie zu mahnen.

Wüste Schlägerei

WTB Berlin, 30. Dez. Ueber wüste Aus­schreitungen, die sich in der Nacht zum Sonn­tag am Schlesischen Bahnhof zwischen Mit­gliedern des VereinsImmer treu" und Zimmerleuten abgespielt haben, wird berichtet:

Die Mitglieder des VereinsImmer treu sind vielfach Leute, die vorbestraft sind, oder sonst mit dem Gesetz in Konflikt stehen. An dem Samstagabend hatten die Zimmer­leute in ihrem Stammlokal eine Versammlung einberufen. Gegen 11 Uhr erschienen plötzlich acht bis zehn elegant gekleidete Leute, die zum Teil Zylinder und Lackschuh, Smoking und andere Gesellschaftskleidung trugen und dem VereinImmer treu angehörten, und griffen die Zimmerleute an Alsbald entstand eine allgemeine Schlägerei. Als Polizei und Ueber­fallkommando erschienen, waren die Angreifer schon aus dem Lokal verschwunden. Eine Stunde später brach der Tumult von neuem aus und nahm noch ärgere Formen an. Zu dieser Zeit kamen noch vier Zimmerleute an, die auch ihr Vereinslokal aufsuchen wollten und von dem Vorangegangenen keine Ahnung hatten. Die Mitglieder des VereinsImmer treu drangen auf sie ein Auf die Hilferufe der Bedrängten kamen ihnen die Kollegen zu Hilfe. Die Angreifer zogen Pistolen und schossen in das Lokal. erbei wurde ein Zimmermann so schwer getroffen, daß er auf dem Transport in das Krankenhaus Herstarb. Während der Kampf noch tobte, fuhren etwa 30 40 Autodroschken vor, denen Vereins­freunde der Angreifer entstiegen, die sich sofort auf die Zimmerleute stürzten. Nur mit ühe

gelang es dem verstärkten Ueberfallkommando und zahlreichen Schupo= und Kriminalbeamten, den Ausschreitungen endlich ein Ende zu machen. Die Angreifer und ihr Anhang waren beim Eintreffen der Beamten blitzschnell in ihren Autos davongefahren. Drei der verletzten Zimmerleute liegen im Krankenhaus mit Schuß­und Stechverletzungen in bedenklichem Zustande darnieder. Die Veranlassung zu dem Kampf soll darin zu suchen sein, daß zwei Vereins­leute am Tage vorher von Hamburger Zimmer­leuten auf der Straße angerempelt wurden. Mit Rücksicht auf die Schwere des Ueberfalls hat der Polizeivizepräsident besonders strenge Maßnahmen angeordnet.

Neuschnee und Regen

WTB Freiburg i. Br., 30. Dez. Der heutige Sonntag hat dem südlichen Schwarzwald nach dem Tauwetter der letzten Tage erneuten Schneefall gebracht. Es sind bis zu zehn Zenti­meter Neuschnee gefallen, während es im Tale ziemlich heftig geregnet hat Da die Tempe­ratur erheblich über dem Nullpunkt liegt, ist mit einem weitern Steigen der Wasserläufe zu rechnen. Der Oberrhein ist in den letzten zwei Tagen bereits annähernd um 50 Zentimeter gestiegen. Die Wasserläufe des südlichen Schwarzwaldes führen ihm weiterhin große Wassermengen zu.

In den Fluten der hocheehenden Dreisam ist.

in Freiburg ein achljähriger Junge ertrunken

Erdbebenregistrierung

WTB Hohenheim, 30. Dez. Heute früh ver­zeichneten die Instrumente der hiesigen Erd­bebenwarte eine ziemlich heftige Erderschütte­rung. Die ersten Bebenwellen trafen hier um 8 Uhr 33 Minuten 15 Sekunden ein. Der Erd­bebenherd liegt in nur 3040 Kilometer Ent­fernung.

Auto und Expreßzug

WTB Okmulgee(Oklahoma), 30. Dez. Der Expreßzug Saint=LouisSan Francisco über­fuhr an einem Bahnübergang ein mit sieben Personen besetztes Auto. Sechs von diesen wur­den auf der Stelle getötet. Ein Insasse erlitt schwere Verletzungen. Die Opfer dieses furcht­baren Unglücks gehören ein und derselben Familie an.

Der Lärm

Mit der ungeheuren Ausbreitung der Maschinen und Autos hat der Lärm, der ständig auf unsere Gehörnerven einstürmt, stark zugenommen. Nun hat sich der Direktor des Psychologi­schen Laboratoriums an der amerika­nischen Colgate=Universität, Donald A. Laird, mit der genauen Messung der Lärmstärke be­schäftigt und hierbei das neugeschaffene soge­nannte Audiometer erfolgreich benutzt. Er wählte eine willkürliche Skaleneinteilung der Lautstärke, so daß der stärkste Lärm, der beinahe einen Stier umwarf, mit 100 bezeichnet und der Bereich bis zur vollkommenen Stille in hundert Teile eingeteilt wurde. Er fand, daß eine Zu­nahme von Lärm um 15 Prozent schon die Leistungsfähigkeit der dabei Arbeiten­den um 5 Prozent herabsetzte. Dies war nur unterhalb einer bestimmten Reizschwelle der Fall; darüber hinaus ergab sich bei der Zu­nahme des Lärms keine Abnahme der Leistung. Beim Arbeiten unter starkem Lärm wurden für die Arbeit auch 25 Prozent mehr Körperarbeit für die gleiche geleistete äußere Anstrengung ver­braucht. Man hat dies durch Messung der At­mungsluft festgestellt.

So üben Maschinenschreiber bei Lärm einen stärkeren Druck auf die Tasten aus, auch wird viel Energie durch eine allgemeine Muskel­anspannung verschwendet.

In Chicago war die Lärmstärke auf belebten Straßen 50 bis 70; den Rekord schlug die Unter­grundbahn mit 75 bis 80. Dies kommt daher. weil der Schall an den Tunnelwänden wider­hallt, im Freien dagegen durch die Luft ge­dämpft wird.

In manchen Fabriken sind die Arbeiter einem dauernden Lärm von 85 Einheiten ausgesetzt. Ueberall dringt Lärm in die Häuser; so konnte man beim Landesgericht in Chicago im achten Stockwerk noch 25 Punkte bei geschlossenen, 35 Einheiten bei offenen Fenstern feststellen. Die Lärmstärke hängt sehr von der Beschaffenheit der Zimmerwände ab. Ein Zimmer mit kahlen Mauern wirft den Schall zu 95 Prozent zurück. Das Belegen der Wände mit schalldämpfendem Material zehrt viel Lärm auf. Man kann dazu alle möglichen weichen Stoffe nehmen, z. B. Samt, Teppiche und künstliche Schalldämpfer, die den Schall fast vollkommen absorbieren. Natür­lich müssen vorher die großen Lärmursachen, wie kreischende Türangeln, lärmende Maschinen, ruhiger gestaltet werden. Zur Schalldämpfung dient auch das Auffangen der Gebäudeerschütte­rungen durch eingebaute Zwischenlagen von schalldämpfenden Platten.

Verkehrs=ABC für Kraftfahrzeugführer

Eine große Zahl von Kraftfahrzeugführern hat nur geringe Kenntnisse von den Verkehrs­vorschriften. Um diesem Mißstande abzuhelfen, hat der Verlag Gersbach u Sohn in Berlin W. 35, Flottwellstraße 3. einer Mitteilung des Amtlichen Preußischen Pressedienstes zufolge, ein im Taschenformat gehaltenesVerkehrs ABE für die einzelnen Provinzen hergestellt. welches jedem Kraftfahrzeugführer bei Ertei­lung des Führerscheines kostenlos von den Zu lassungsbehörden auszuhändigen ist.