Nr. 555 Donnerstag 26. November Mittag
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Ausgabe.
Duisburg g. Phein. 1908.
Mülheim a. 4. Ruhr: Ferusprech- Anschlßsse Nr. 58 and 10.
Täglich zweimal erscheinende Zeitung.
Kreisblatt für den ganzen Stadtkreis Duisburg(Duisburg-Ruhrort-Reiderich).
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Amtlicher Anzeiger für den Stadtausschutz Duisburg. Offizielles Blatt der Westdeutschen Binnenschiffahrts-Berutsgenossenschaft.
Druck und Verlag:„Rhein- und Ruhrzeitung, O. m. b..“ Quisburg.
61. Jahrgang.
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Neueste Drahzt=lachrichten.
Sturm.
II. Kuxbaven, 26. Nov. In der Nordsee ist erneut Sturmter ausgebrochen. Auf der Insel Juist ist ein großer mpfer gestrandet. Fünf Hilfsdampfer sind in See ge
Paris,
Das schwedische Königspaar.
6. Nov. Der König und die Königin von Schweden sind heute nach Karlsruhe abgereist.
Alberti.
HI. Kopenbagen, 26. Nov. Die Voruntersuchung gegen den dänischen Exminister Alberti hat als zweifellos ergeben, daß Alberti bei seinen Betrügereien gegen die Butterexportgesellschaft zwei Mitschuldige in England gehabt hat. Man weiß auch mit Sicherheit, wer sie sind; doch sind in England noch keine Schritte gegen sie unternommen worden. Alberti hat auch falsche Jahresübersichten über die Beziehungen der dänischen Exportfirmen zu englischen Firmen hergestellt.
Kammerpräsident.
w. Athen, 26. Nov. Die Kammer wählte gestern Kumundoros(Regierungspartei) mit hundert Stimmen gegen Karapanos(Rhailliist), der 34 Stimmen erhielt, zum Präsidenten.
Die Revolution auf Haiti.
w. Nenyork, 26. Nov. Ein Telegramm aus Port au Prince bestätigt die Meldung von der Erschießung des Ministers des Innern Haitis, Genecals Lecomte, durch die Rebellen.
Aecheche Syytagwortern anschließt, so ist es hoge Zeu, die os#entliche meinung zur Gegenwey: auszurusen. Das deutsche Burgerium tann von seinen Vertretern im Reichstage erwarten, vaß sie die Bedeutung wuroigen, die die Kapttatvildung für die nn unserer Nation hat. Ein Volk, das sich jayresch um Sahz ius Kopfe vermeyrt, in in weit hoyerem Grade de: Kapttutbildung pedursug, als das kinderarmere England und das turccrarue Frantreich. Schon die Beyerbergung des Beroiterungozuwachtes veansprucht jährlich uver eine Mitliarde Spartapuat; ungeyeute Summen erjordern die unlagen, die schenmasse urbeit und Verdienst bringen, und enouc bedutsen wie einer benändigen Zunahme unzerer
Gutpaven im Auslande, um den wachjenben Ueverschuß der Fahrungemutelinfuge mit unseren Zmsforderungen begleichen zu konnen. Glauben etwa unsere Reichstagsführer, Lot der Spartrieb de: Arbener uich der Aufbringung soicher .piialien genachten zeigen wurde, wenn man ignen nur den Birr= und Tabaigenußz verbilligte? Jeder weiß, daß die Ersparnisse der Arbeiter mie ausreichen werden, die WohnungsArteiterbevolkerung auch nur zu einem Teu zu beschassen. Es ist eine Regel, die im privaten wie im nationalin reven Geltung hat, daß eine große Kinderzahl sparzamer Levensweise verpflichtet, denn man soll nicht nur zu sch, sondern auch an seine Nachkommenschaft denken; wer aber wenige oder gar keine Kinder hat, mag reichlich ausgeben. Selisamerweise handeln die Nationen, aus ob sie von der Richtigkeut des Gegeneils überzeugt wären. Die kinderreichen Leutschen machen Schulden und verkürzen ihre Kapitalbildung; die Iranzosen mit ihrer stationären Bevölkerungszahl, die wohl eher die direkten Steuern bevorzugen dürsten, leven fast gauz von Konsumabgaben. Die Folge ist in Frankreich Kapitalüberfluß, in Deutschland Kapmalmangel. Wann wird die arbeitende Bevölkerung erkennen lernen, daß die vielgeschmähten Kapitalansammlungen zu ihrem eigenen Wohle unerlaß
lich und? Was würde aus Deutschland werden, wenn der Gedanke, den gesamten Finanzbedarf durch direkte Besteuerung zu degen, verwirklicht würde? Es handelt sich nicht um eine Benachteiligung der Armen zugunsten der Reichen. Es handelt sich um die Pflege oder die Vernachlässigung des pationalen Kapitals: es handelt sich um Deutschlands Woxzistand und Deutschlands Kredit im Auslande, es handelt sich um die Zukunst unserer wachsenden Bevölkerung.
Deutsches Peich.
Der Kampf um die Steuern
tobt jetzt auf der ganzen Lime. Ueberau bilden sich Interessengruppen, die von der Abneigung gegen Konsumstenern nicht los kommen tönnen. Es ist nicht ohne Interesse, was in dieser Beziehung ein polnisch wohl auf libeialem Boden stehender Nationalbtonom, der Tirettor der Hamburger pypothetenbank, Dr. Bendixen, in einer Broschure„Die Reichssinanz= resorm, ein nationalökonomisches Provlem“ schreibi. Ohne uns vollig mit ihrem Inhalt einverstanden zu erklären, halten wir doch manche Ausfugrungen jur durchaus trefsend und beachtenswert. Bendixen sagt u..:
Unsere gesamte Sieuerpolitik leidet unter der Anwendung individualistischer Gesichtspunkte auf nationalötonomische Fragen. Man denkt, wenn man es jedem Burger möglichst behaglich macht, dann geht es auch dem großen Ganzen gut. Mit solcher Philisterweisheit kann man eine Nation zugrunde richten. Das Gedeihen des Ganzen fordert vielmehr von jedem einzelnen Opser. Es hat noch nie einer Nation gut getan, wenn ihre Fuhrer sich um ihrer Mandate willen in den Dienst der Massen gesellt und darüber das nationale Wohl vergessen haben. Wo aber hören wir heute einen Abgeordneten von der Linken seinen Wählern zurusen, daß die Ordnung der Reichsjinanzen ein nationales Interesse sei, für das sie Opser zu bringen hätten? Es hat eher den Anschein, als käme es darauf an, die Leute davon zu überzeugen, daß jeder Anspruch an ihren Geldbeutel ein empörender Verstoß gegen göttliches und menschliches Recht sei. Das Prinzip unserer Steuergesetzgebung ist, den Konsihn zum Schaden der Kapitalbildung zu begünstigen. Nichts anderes bedeutet die Vorliebe unserer Politiker für oirekte Steuern. Wenn Demagogen und Sozialdemokraten in diese Richtung drängen, so ist das verständlich und beweist uns einmal wieder deutlich die Unmöglichkeit, mit Wassen und Massenführern eine vernünftige Steuerpolitik zu treiben. Wenn aber die Intelligenz unseres Bürgertums in
Eisenzölle.
Der Handelsminister hatte den Zentralverband Deutscher Industrieller zur Abgabe eines Gutachtens in der Frage der Eisenverzollung ausgesordert. Bekanntlich ist von 54 Stahlformwerken, Martinwerken und reinen Walzwerken eine Agitation in die Wege geleitet, die auf die sofortige Sistierung und spätere Aufhebung des Jolles auf Roheisen. Schrot und Halbzeug abzielt. Der Zentralverband Deutscher Industrieller hat in einer Eingabe Stellung gegen die Aufhebung der Eisenzölle genommen. Die Eingabe beschäftige sich zunächst mit einer Denkschrift„Die Unzulänglichkeit der heutigen Schutzzollgesetzgebung für die Eisenindustrie“, deren Einzelheiten nacheinander unter Beibringung einer Fülle tatsächlichen Materials widerlegt werden und weist dann die für den Antrag auf Beseitigung des Roheisenzolles beigebrachten Gründe als unhaltbar zurück. Zum Schlusse werden die Vorgänge geschildert, die sich im Zentralverbande selbst bei der letzten zollpolitischen Kampagne abgespielt hatten. Es wird betont, daß, während Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Industrie bei der Verteidigung der Schutzzollpolitik einig gewesen sei, um die Wende des Jahrhunderts, als es sich um die Feststellung des neuen Zolliariss Landelte, ihre Reihen sich in kurzsichtiger Vertretung engster Sonderinteressen zu erbittertem Kampfe gegeneinander auflösten. Nur hinsichtlich zweier Positionen des Tarifs habe volle Einigkeit geherrscht. Die eine sei der Zoll für Zement geweien„Die zweite Position“, so heißt es dann wörtlich in der Eingabe weiter, war der Joll auf Roheisen. Ausdrücklich erklärte der Ausschuß(des Zentralverbandes) einstimmig, also ohne Widerspruch von irgend einer Seite, daß der Zoll auf Rohersen erhalten bleiben müsse. Diese uneinigen, gegencinander kämpfenden Industriellen waren doch einig in der Erkenntnis, daß das ganze System der Schutzzölle, die Grundlage ihrer Existenz und ihres Gedeihens, ins Schwanken geraten müsse, wenn an den Eisenzöllen gerüttelt werden, wenn ganz Lejonders der Roheisenzoll in Gefahr geraten sollte; daher in diesem Punkte die volle Einmütigkeit. Wir können den Antrag der 54 Werke auch nur als das Ergebnis der Agitation einzelner ansehen, die, durch die nicht zu verkennende Ungunst der Verhältnisse verbittert, den Blick für die folgerichtige Entwicklung der Dinge, das Augenmaß für das Mögliche und Erreichbare und das Urteil über die notwendigen Konsequenzen ihrer eventuellen erfolgreichen Bestrebungen eingebüßt haben. Die anderen sind mitgegangen, weil sie sich in die gegebenen Verhältnisse nur mit Unbehagen schicken können, viele von ihnen, wir wissen es genau, ohne notleidend zu sein oder eine Notlage zu befürchten. Wir möchten behaupten, daß diese ihre Unterschrift zu einem so bedeutungsvollen, unter Umständen folgenschweren Antrag ohne die erforderlichen Erwägungen gegeben haben; denn alle die Unterzeichner wären nach unserer Ueberzeugung in der Lage gewesen, bei gründlicher Prüfung der Sachlage zu erkennen, daß, wenn
ihrem Antrage Folge gegeben würde, auch der ihnen durch das Geseyz gesicherte Schutz, die Grundlage ihrer Existenz, würde fallen müssen.44221
Ausland.
Die französische Kammer
beschäftigte sich gestern mit der Frage der Verstärkung der Kriegsmarine. In der Vormittagssitzung vertraten mehrere Redner die Anschauung, es mußten große Schlachtschiffe gebaut und zinanzielle Opfer gebracht werden, damit eine hinreichende starke Flotte geschaffen werden könne. Andere Redner tenkten die Aufmerrsamkeit des Hauses auf die Erhöhung des deutschen Marinebudgets um 65 Millionen und auf die zehn panzer, die Deutscland vor Ablauf von drei Jahren von Stapel lassen werde. Wieder andere verlangten den Bau von Torpedovooten. Der Berichterstatter Chaumet(Republikaner) erklärte, man habe aus seinem Bericht übertriedene Schlusse gezogen. Mannschaften und Offiziere verdienten das Vertrauen des Landes. Nur werde man zweibis dreihundert Millionen auf den Ausbau der Flotte verwenden müssen. Deutschland habe durch seine Einigkeit in Marmefragen allen Machten ein Beispiel gegeben. England hobe auf seine Vormachtstellung zur See nicht verzichtet, und auch Jaxan und die Vereinigten Staaten würden nicht sobaid auf eine mächtige Schlachtflotte verzichten. Die Kammer möge erklaten, ob sie Frankreich zu einer Seemacht fünften oder sechsten Ranges herabsinken lassen wolle oder ob sie es für richtig halte, auf das Vorgehen des Auslandes zu reagieren. In der Nachmittagssitzung ergriff Admiral Bienaime das Wort, um in längerer Rede den Pessimismus bezüglich des Gesechtswertes der französischen Marine zu widerlegen. Alsdann verteidigte Marineminister Picard die Marineoffiziere und Matrosen, welche wohl des Lobes würdig wären. Weiter erklärte der Minister, zurzeit mit der Resorm der Marineverwaltung beschäftigt zu sein. Die Einführung der zweijährigen Dienstzeit in der Marine könne unmöglich erfolgen, ohne die Kriegsmarine ernstlich u schädigen. Der Minister kündigte die Bildung eines Marineartilleriekorps an und wies auf die Notwendigkeit hin, die Kriegsflotte zu verstärken. Er vergleicht sodann die französische Kriegsflotte mit der englischen und der deutschen. Er sei entschlossen, die Marine=Artillerie bedeutend zu verstärken. Frankreichs Flotte müsse eine große Ofsensivkraft besitzen. Zu diesem Zwecke selen greße Schlachtschiffe notwendig, ebenso wie schnelle Kreuzer für der Kundschafterdienst, desgleichen Torpedo= und Unterseebocte. Der Minister beschäftigte sich alsdann mit der Frage der Beschleunigung der Marinebauten und drückt die Ausicht aus, daß die Angaben über die Schnelligkeit, mit der die Marinebauten im Auslande vor sich gehen, als übertrieben bezeichnet werden müsse.
Stimmungsbild ans dem Reichstag.
Radbod.
* Berlin, 25. Nov.
Auch die ganze heutige Sitzung wurde durch die Be
sprechung der Grubeninterpellation ausgefüllt, ohne daß diese ein natürliches Ende durch Erschöpfung der Rednerliste sand. Da man aber morgen die finanzpolitische Generaldebatte fortsetzt, wird man auf die gestrige und heutige Aussprache nicht eher zurückkommen, als bis die Regierung in der Lage ist, nach Abschluß der Untersuchung autheutische Mitteilungen über die Ursachen des Unglücks und die Schuldfrage zu machen. Den Reigen führt der konservative Graf Kanitz. Ein Mann von Gewicht, dem man immer mit Respekt zuhört und dessen kritisch sondierender Art man auch heute gern lauscht, obschon er im Grunde kaum Belangreiches vorbringt. Graf Kanitz ist für mehr Vergarbeiterschutz und gegen ein Reichsberggesetz, und für Arbeiterkontrolleure ist er nur, wenn sie nicht von der Gesamtheit der Belegschaft gewählt werden. Und dann beklagt er, was er häusig schon beklagte: die starke Kohlenausfuhr. Bemerkenswert ist das Austreten des freisinnigen Abgeordneten Gothein. Der ist sonst einer der Linkesten von den Linken. Aber heute macht er Front gegen die Uebertreibungen des Abg. Hue und mahnt— in der Sache nicht viel anders als gesiern der Handelsminister— sich vor vorschnellem Aburteilen und leidenschaftlichen Anklagen zu hüten, so lange die Untersuchung noch nicht abgeschlossen und die Schuldfrage nicht geklärt ist. Man solle doch nicht immer über die Prositgier der Zechen zetern. Beim Bergbau geht das ABE in umgekehrter Richtung. Da sängt es mit 3, soll heißen Zubuße an und endet bei A, will sagen Ausbeute. Herrn Gotheins Darlegungen machen um so mehr Eindruck. als er als Bergrat a. D. ja Fachmann ist. Diesen Eindruck vermag auch der zweite Redner aus Zentrumsreihen, Herr Schiffer, nicht zu verwischen. Herr Schiffer ist einer von jenen vielleicht allzu eifrigen Arbeitersekretären, die grundjätzlich zur Verlängerung, nicht aber immer aber zur Vertiefung der Debatten beizutragen pflegen. Heute glaubt er der Sache, in deren Dienst er sieht, durch allerlei törichte Anrempelungen der nationalliberalen Partei zu nützen. Aber seine Angriffe verpufsen genau so wie in späterer Stunde eine heftige Philippika des Polen Breiski, der— wie neuerdings seine Partei= und Voiksgenossen überhaupt— alle Dinge dieser Welt nur noch unter dem spezisisch=polnischen Gesichtswinkel zu sehen vermag.
Mit großem Nachdruck verteidigte sich Minister von Bethmann=Hollweg gegen die Angriffe, daß er seine Zusicherungen über den Sprachenparagraphen nicht gehalten
habe. Fortgesetzte Zwischenrufe aus dem Zentrum und von den Bänken der„Genosen“ störten die Ruhe, bis endlich der alte Störenfried Ledebour dem Staatssekretär zurief, daß er den Reichstag planmäßig irregeführt habe, und der sonst so ruhige Abg. Hue hieb in die gleiche Kerbe. Prompt sausten zwei Ordnungsrufe auf die Häupter der Tobenden, mit denen lich die gesamten„Genossen“ in wüstem Geschrei identisch erklärten. Minutenlang herrschte ein unglaublicher Lärm im ganzen Hause. HandelsministerDelbrück nahm seine Erwiderung auf die gestrigen Angriffe Hues zum Anlaß, um mit großem Nachdruck auf die auch von ihm bedauerte Tatsache hinzuweisen, daß bei uns in Deutschland die Gewerkschaftsbewegung im Gegensatz zu der englischen durch die Verquickung ihrer wirtschaftlichen Bestrebungen, auch soweit sie berechtigt sind, mit den staatsfeindlichen Zielen der Sozialdemokratie selbst Schulds ist an der sozialpolitischen Zurückhaltung und Unlust, die in einem Teile des bürgerlichen La
gers und der Arbeitgeber vorhanden ist. Der Elsässer Dr.
hoeffel drückte auf Grund der bisherigen Erklärungen der Regierungsvertreter sein Vertrauen in eine unparteiliche und rücksichtslose Führung der Untersuchung aus und sprach sich im übrigen für eine Mitwirkung der Arbeiter an der Grubenkontrolle in dem von den Ministern angedeuteten, beschränkten Sinne aus; wogegen de: Vertreter der freisinnigen Linken, der Oberbürgermeister von Hagen, Cuno, eine Abstellung der Uebelstände nur in einer Aussicht des Reiches und in einer weitergehenden Heranziehung der Arbeiterschaft erblicken kann. In einer persönlichen Bemerkung sah sich der Sprecher der Nationalliberalen, Dr. Osann, zum Schlusse gezwungen, einen ganz unqualifizierbaren Angriff des Zentrumsgewertschaftlers Schiffer zu kennzeichnen. Die Sozialdemokraten beantragten, auch morgen die Besprechung fortzusetzen. Vergeblich suchte der Sozialdemokrat Ledebour die Freisinnigen dafür zu gewinnen. Bis auf Polen und Sozialdemokraten entschied das Haus, morgen mit der Beratung der Reichsfsnanzresorm fortzufahren.
Parlamentarisches.
Aus den Kommissionen.
Lehrerbesoldung.
ea Die Kommission des Abgeoronetenhauses zur Beratung des Lehrerbesoldungsgesetzes setzte am Mittwoch die Beratung beim§ 4, der von der Verbindung eines Schulund Kirchenamts handelt, fort. Nach längerer Debatte, in welcher die Regierungsvertreter si chgegen alle Abänderungsanträge gewandt hatten, wurde der§ 4 mit ganz unwesentlichen Aenderungen in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. Die Beratung wandte sich dann den§§ 10 und 11 zu, die von der Anrechnung der Dienstzeit auf die Gewährung des vollen Grundgehaltes, der Alterszulagen und der Mietsentschädigung sowie von der Aurechnung der Dienstzeit an Privatschulen handelt. Hierzu lag ein konservativer Antrag vor, in den§ 11 aufzunehmen die Zeit„an solchen gleichwertigen Anstalten, welche nach Anerkennung durch die Aufsichtsbehörde ausschließlich gemeinnutzigen Zwecken dienen und für ihre Unterhaltung auf die öffentliche Wohltätigkeit angewiesen sind.“ Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen, die anderen zu diesen beiden Paragraphen vorliegenden zahlreichen Abänderungsanträge jedoch abgelehnt. Es bleibt also bei der Fassung der Regierungsvorlage. Nächste Sitzung Donnerstag.
am
Einweihung des Erweiterungsbaues Kraukenhause„Bethesda“.
□ Duisburg, 20. Nov.
Eine große, Betsaal und Flur des Krankenhauses füllende Versammlung hatte sich gestern zur Einweihung des Erweiterungsbaues im alten Hause von„Bethesda“ eingefunden, Vertreter von Regierung und Stadt, Gemeinde und Bevölkerung Duisburgs. Herr Pfarrer Heß eröffnete die Feier mir Schriftverlesung und Gebet, ein dreistimmiger Frauenchor von Schwestern und Personal des Krankenhauses unter Leitung von Herrn Pastor Schieferstein sang die Mendelssohnsche Motette„Lobe den Herrn, meine Seele“, worauf Herr Synodalassessor Koenemann aus Götterswickershamm als Vertreter der kirchlichen Behörde die Weiherede hielt. Er war noch in letzter Stunde von dem durch seinen angegriffenen Gesundheitszustand verhinderten Herrn Superintendent Terlinden telegraphisch zur Vornahme der Weihe nach Duisburg gerusen worden und erfüllte seine Aufgabe, indem er die bereits entworsene Ansprache des verhinderten Herrn Superintendent Terlinden verlas, um dann seine eigenen Wünsche und Hoffnungen für den Neubau hinzuzusügen. Der Weiherede lag zugrunde die Bibelstelle Jer. 336„Siehe ich will sie heilen und gesund machen und will ihnen Frieden und Treue die Fülle gewähren.“ Nach einer eingehenden Würdigung der christlichen Liebestätigkeit an Kranken und in Krankenhäusern gedachte die Weiherede derjenigen Faktoren, durch die in diesem Krankenhause die Stadt Duisburg und ihre Umgebung solcher Segnungen christlicher Liebestätigkeit teilhaftig wird: der Vertretung der evangelischen Gemeinde Duisburg, die willig wurde, ein solches Werk auf sich zu nehmen, der Herren Aerzte, die durch Geschick und Treue das Haus hoch brachten, der treuen Schwestern, ohne die auch die tüchtigsten Aerzte wenig vermöchten. Schließlich überreichte der Redner dem um das Krankenhaus hochverdienten Leiter desselben, Herrn Pfarrer Heß, den Roten Adlerorden 4. Klasse, dem Wunsche
Mittellose Mädchen.
Roman von H. Ehrhardt.
(Nachdruck verboten.)
Suse Meridies saß auf dem großen, mit einer buntgestickten Decke belegten Eßtisch in der Mitte des Zimmers und baumelte mit den Füßen. Es war dies ihre Lieblingsstellung, wenn sie schlechter Laune war. Und sie war in letzter Zeit sehr oft schlechter Laune.
„Nu möchte ich bloß wissen, warum ich Samstag nicht auf den Ressourceball gehen soll!“ grollte sie halb für sich, halb zu dem jüngeren Bruder gewendet, der an dem einzigen Feuster des etwas düsteren Zimmers saß und in einem Buche blätierte,„siebzehn Jahre bin ich im September gewesen— Ruth hat längst getanzt in dem Alter und ich kann sitzen und versauern. Worauf ich bloß warten soll? Weißt Du's vielleicht, Heinz?“
Der hob sein mürrisches, ungesund blasses Knabengesicht der Fragerin entgegen. Er lachte spöttisch auf, kein hübsches
Lachen.
„Du bist ein Schaf, Suse!“ meinte er in der lümmelhaften Art halb erwachsener Jungen,„hörst Du nicht täglich bei uns
Gesammere über die große Misere und wunderst Dich noch, daß die Eltern es nicht so eilig haben. Dir auch schon Ballsähnchen und all das teuere Zeug, was Ihr nunmal zum Anziehen bei einem Balle braucht, zu kausen? Paß auf, wenn die Ruth erst verlobt ist, kommst Du auch gleich daran.“
„Quatsch!“ urteilte Suse und in ihren dunkleblauen Augen blitzten kleine, zornige Flämmchen auf,„was Du davon versiehst! Wir Mädels brauchen wohl alleine Geld? Das kostet wohl kein Geld, wenn Du zwei Jahre in der Klasse bleibst?“
#=Lräb, nur nicht zu früh, Guse! Dir passiert's auch
noch, daß Du sitzen bleibst.“
„Ich und sitzen bleiben?“ Suse vergaß vor Entrüstung mit den Füßen zu baumeln,„das erlebst Du nicht, Kleiner, nicht einen— nein, zehne krieg' ich, wenn ich will—“
####ol“ klang's da von der Tür her, deren Oefinen
beide Geschwister überhört hatten,„ganz recht hast Du, Wildkate. Wenn man so ein hübsches Mädchen ist.—“
Der Herr, welcher diese Worte gesprochen, ein hübscher, blonder Mensch in der Mitte der Zwanzig vielleicht, stand mit ein wenig zur Seite geneigtem Kopf, den dunklen Filzhut in der Hand, auf der Schwelle und musterte halb amüsiert, halb bewundernd den kampflustigen Backsisch auf der Höhe des Tisches. Suse war wirklich bildhübsch. Sie schien wie ein Sonnenstrahl in dem lichtlosen Zimmer. Aus ihrem gartsarbigen Rassegesichtchen, das sehr hellblondes, krauses Haar reizvoll umgoldete, sprühten die dunkelblauen Augen wie ein paar Leuchtkugeln dem Besucher entgegen. Im nächsten Moment war sie vom Tisch herunter und stürzte auf den jungen Mann zu.
„Hans Du mußt mir helfen!“ sprudelte sie statt jeder Begrüßung hervor,„Du kommst wie gerufen. Ich möchte nämlich unmenschlich gern Samstag auf den Ressourceball gehen und niemand im Hause will was davon wissen. Rede Du mit Ruth, sie hält viel von Dir, wenn Du sie bittest, setzt sie's schon bei den Eltern durch.“
Er wurde rot. So ein Backfisch war doch manchmal in
diskret. Aber Suse schien ganz unbesangen und so verbarg er seine Verlegenheit geschickt hinter einem scherzhaften Ton,
„Nun. und die Belohnung, Wildkatze?“ fragte er und spitzte leicht die hellroten Lippen unter dem blonden Bärtchen. Sie lachte, ihn verstehend, belustigt auf.
„Nun ja, Hans, Du kriegst meinetwegen einen Kuß!“ versprach sie mit der naiven Bereitwilligkeit, welche sehr junge Mädchen gegen Herren bezeigen, die für sie zum Verlieben oder Heiraten absolut nicht in Betracht kommen.
Heinz ließ vom Fenster aus einen Laut der Geringschätzung hören, zum Zeichen, daß er für eine solche Belohnung keinen Finger krümmen würde, aber der junge Mann fühlte sein Blut aufwallen beim Anblick der frischen, lachenden Mädchenlippen, die ihm entgegenblühten. Uebermütig schlang er den Arm um die hübsche Kleine.
„Am besten, Du gibst mir Vorschuß, Wildkatzel“
Sie entwand sich ihm eidechsenhaft geschwind.
„Nee is nich,“ lachte sie ausgelassen,„erst die Arbeit, dann das Vergnügen, das heißt, erst sprichst Du mit Ruth— ah, da ist sie ja gerade.“
Sie wurde etwas verlegen, denn sie wußte, Ruth billigte durchaus nicht diesen freien burschikosen Ton im Verkehr mit einem Herrn, selbst wenn derselbe, wie in diesem Fall, ein
intimer Freund des Hauses war und die kleine Suse auf den Armen gewiegt hatte.
Ruth war überhaupt so ganz anders geartet, als die lebhafte Suse. Immer gleich ruhig und freundlich, sanft und es schien beinahe, auch leidenschaftslos, war sie über ihre Jahre hinaus ernst und streng, nicht nur gegen andere, sondern auch gegen sich selbst.
Nicht einmal äußerlich hatten die Schwestern etwas gemeinsam. Ruth war sehr groß, wundervoll gewachsen, hatte ein regelmäßig schönes, edles Gesicht von marmorner Blässe, durch die das Blut nur zuweilen wie ein rosiger Hauch schimmerte, tiesdunkle Augen von mandelförmigem Schnitt und schwarzes, schlichtes Haar, das schwer in eine klassisch niedere Stirn siel. Ihre Bewegungen waren langsam und voll Grazie— sie hatte schmale Füße und nicht zu kleine, aber schön gesormte Hände.“
„Guten Tag, Haus!“ sagte sie mit einer klangvollen Altstimme, die ihrer ganzen Erscheinung angepaßt war,„was bringen Sie uns? Warum legen Sie nicht ab?“
Sie nannten sich feltsamerweise„Sie“, die beiden, obgleich sie als Kinder miteinander gespielt hatten und Hans Klausen der beite Freund von Karl Meridies war, des ältesten Bruders von Ruth. Unwillkürlich brachte sie mit der Erscheinung Klausens den Gedanken an den Bruder in Verbindung und als hätte er das erraten, befiel ihn eine leichte Verwirrung, die ihn ihrem Blick ausweichen ließ.
„Suse hat mir noch keine Zeit gelassen zum Ablegen!“ antwortete er leicht auflachend,„mich auch gar nicht dazu ausgefordert—“
Dann wandte er sich ernst werdend Ruth zu und sagte halblaut:
„Ich hätte etwas mit Ihnen zu besprechen, Ruth, doch jedenfalls ohne Zeugen.“
Das schöne Mädchen senkte leicht die dichten Wimpern, um den gequälten Ausdruck ihrer Augen zu verbergen.„Es handelt sich um Karl!“ dachte sie beängstigt. Laut sagte sie:
„Kommen Sie ins Wohnzimmer, Hans. Mama ist ausgegangen und Papa arbeitet drüben in seinem Zimmer— wir sind ganz ungestört.“
Sie warf Suse, die neugierig zugehört hatte, einen strengtraurigen Blick zu, der die beabsichtigte naseweise Frage auf ihren Lippen zurückhielt und schritt nach der Tür.
Alestesh ealte eise ae e ne ihr vorüberstreifte. Und sie kniff ihn so nachdrücklich in den Arm, daß er leise aufschrie.
„Du Hexe, na, ich will's versuchen.“:
Im Wohnzimmer lag die Nachmittagssonne, grell, aufdringlich. Sie zeigte alle Schäden des mit ärmlicher Eleganz ausgestatteten Gemachs. Es war mit Möbeln, Bildern, Nippsachen überfüllt, doch die Möbel hatten ihren einstigen Glanz verloren, die Bilder waren meist billige Oeldrucke oder Photographien in schlichten schwarzen Rahmen, die Nippes wertloser Tand, wie man ihn in Basaren für ein paar Pfennige ersteht.
Ueber dem grünen Plüschsofa hing von breitem Goldrahmen umgeben das farbenschöne Bild eines entzückenden lichtblonden Frauenkopfes, der aus wunderbaren Blauaugen und mit roten Lippen wie in lächelnden. Staunen auf seine einfache Umgebung blickte—— Ruths Mutter als Braut darstellend.
Und lächelnd sah sie auch auf die Tochter herab, welche an einen der tiesen Sessel gelehnt, als müsse das Kommende sich besser stehend ertragen, beklommen sagte:
„Es ist nichts Angenehmes, was Sie heute herführt, Hans, ich sehs Ihnen ja an. Wie sollte uns auch etwas Angenehmes kommen?“
Ihr Ton endete in Bitterkeit. Er griff ihm ans Herz Der bange Blick ihrer schönen Samtangen machte ihn ganz weich.
„Gott, liebe Ruth,“ meinte er. innerlich diese heikle Mission verwünschend,„es handelt sich natürlich um Karl. Sie können doch nicht im Ernst glauben, daß der arme Kerl imstande ist, sich mit 60 Mark monatlich durch sein Freiwilligenjahr zu schleppen, das ist purer Wahnsinn. Ich begreife Ihren Vaier nicht. Er muß doch nicht mit der Zeit rechnen, in der er jung war und in der sich ein Meusch mit zehn Talern schon wie ein Krösus vorkam.“
„Er braucht also Geld?“ fiel sie ihm ins Wort,„hat er deswegen an Sie geschrieben?“
Eine tiese Falte hatte sich senkrecht in ihre niedrige Stirn
segraßen. Bar ihr Gesicht für gewöhnlich schon ernst, setz es düster, fast unjugendlich aus.
(Fortsetzung folgt.)
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